‘Ehe für alle’ ist Tatsache: Wie geht es weiter?

Lesezeit: 10 Minuten
Lesezeit: 10 Minuten

by Paul und Peter Bruderer | 26. Sep. 2021 | 6 comments

Die Abstim­mung zur ‘Ehe für alle’ ist vor­bei! Wie geht es nach dem deut­lichen Ja zur ‘Ehe für alle’ für Kirche und Gesellschaft weit­er? Für uns ist klar: Für christliche Gemein­schaften und Kirchge­mein­den wird sich das Resul­tat zur ‘Ehe für alle’ als eine Wasser­schei­de ent­pup­pen. Die Regen­bo­gen rufen “Ja! Und mor­gen kämpfen wir weit­er!” Die aktuelle Fas­sung der Ehe für alle ist also nur der Anfang. Die näch­sten Baustellen im Pro­jekt ein­er gesellschaftlichen Umfor­mung sind bere­its eingerichtet.

Mit unserem Engage­ment für ein Nein zur Ehe für alle haben wir mit Daniel Option in den ver­gan­genen Monat­en einen ersten Aus­flug in eine grössere und poli­tisch agierende Öffentlichkeit gemacht. Wir haben uns mit den grundle­gen­den Fra­gen der Ehe für alle und ihrer Beziehung zur Frage nach den Kindern beschäftigt. Dabei haben wir uns inten­siv mit dem ‘Orig­i­nal’, der natür­lichen Fam­i­lie, ihrer Geschichte und ihrem Poten­tial für unsere Zeit auseinan­derge­set­zt. Wir durften die aktuell­sten Forschun­gen rund um das Kindeswohl in gle­ichgeschlechtlichen Beziehun­gen einge­hen­der unter­suchen. Wir haben die Diskus­sion über die Bedeu­tung von Vätern mit­gestal­tet. Der Höhep­unkt war das erhel­lende Inter­view mit dem Sozi­olo­gen Dr. Paul Sullins, dem in den Medi­en disku­tierten Autor von Stu­di­en über Regen­bo­gen — Kinder, sowie das Gespräch mit dem His­torik­er Dr. Allan Carl­son.

Zufriedenheit und belastete Beziehungen

Nun ste­hen wir auf der Ver­lier­er­seite des Abstim­mungskampfes. Den­noch ist das Haupt­ge­fühl, welch­es nach dem Abstim­mungskampf zurück­bleibt, Zufrieden­heit. Wir durften wichtige Impulse für den Abstim­mungskampf geben, haben sel­ber unglaublich viel gel­ernt und viele neue Men­schen ken­nen­gel­ernt: Mutige Mit­stre­it­er und liebe Men­schen, die ganz ander­er Mei­n­ung sind als wir.

Unsere Haupt­mo­ti­va­tion für diesen Aus­flug in die Poli­tik war unser Anliegen für das Kindeswohl. Lei­t­end war dabei der fol­gende Gedanke: Was wer­den unsere Kinder in 30 Jahren über diese heutige Zeit sagen? Wir möcht­en uns auf eine Art und Weise in den gesellschaftlichen Diskurs ein­brin­gen, welche das langfristige Wohl des Men­schen und nicht den kurzfristi­gen Gewinn im Blick hat. Und das kann auch mal bedeuten, unpop­uläre Posi­tio­nen einzunehmen.

Unser Engage­ment hat einige per­sön­liche Beziehun­gen mitunter arg stra­paziert, ins­beson­dere zu manchen Fre­un­den, die Befür­worter sind, und auch zu eini­gen gle­ichgeschlechtlich empfind­en­den Fre­un­den. Es muss aber fest­ge­hal­ten wer­den, dass nicht wir, son­dern Expo­nen­ten der LGBT-Lob­by bald nach der Ein­führung des Part­ner­schafts­ge­set­zes in 2007 den Anspruch auf Ehe für alle aufs poli­tis­che Par­kett gebracht haben. Wer sich selb­st zum The­ma macht, sollte auch etwas Gegen­wind aushal­ten kön­nen. Und wer seinen Abstim­mungskampf mit ein­er nahezu lück­en­losen Unter­stützung durch die ver­sam­melte Schweiz­er Promi­nenz, die Gross­banken, die grossen NGO’s, die wirtschaftlichen, poli­tis­chen und lan­deskirch­lichen Funk­tionäre sowie den grossen Medi­en­häusern inklu­sive Staatsme­di­en auf­bauen kann, der sollte sich vielle­icht auch mal vom Nar­ra­tiv der hil­flosen und unter­drück­ten Minorität verabschieden.

Noch im Novem­ber 2020 verkün­dete eine durch Pink Cross in Auf­trag gegebene Umfrage eine Zus­tim­mung von 82% für die Ehe für alle in der Schweiz­er Bevölkerung. Die Ja-Seite ist auf den Abstim­mungsson­ntag hin um ca. 20% geschrumpft. Auch wenn die Nein-Seite im Abstim­mungskampf Boden gut machen kon­nte, so ist das Abstim­mungsergeb­nis von ca. 64% Ja-Anteil doch ein sehr deut­lich­es Ergebnis.

Mit diesem Resul­tat im Rück­en ist klar, dass die Befür­worter eines gesellschaftlichen Umbaus, weg von tra­di­tionellen Konzepten von Fam­i­lie, nun Aufwind haben und ihre Agen­da forcieren wer­den. Das Ergeb­nis ist ein Sieg für den expres­siv­en Indi­vid­u­al­is­mus und ein deut­lich­es Zeichen, dass sich unsere Gesellschaft abwen­det von unseren christlichen Wurzeln. Der expres­sive Indi­vid­u­al­is­mus ist ein Begriff, den der His­torik­er Carl Tru­man gut erk­lärt, bei der Arbeit des Sozi­olo­gen Charles Tay­lor zen­tral ist, und ver­mut­lich auf Robert N. Bel­lah zurück­ge­ht. Er besagt, dass indi­vidu­ell emp­fun­dene Iden­titäten, samt den damit ver­bun­de­nen Lebensweisen und Wün­schen, zum König gekürt sind. Auf der Wun­schliste dieser Lebensweisen ste­hen auch Kinder, deren Rechte zunehmend den Ansprüchen und Wün­schen der neuen ‘Diversity’-Kultur geopfert wer­den. Das Recht des Kindes auf ein Aufwach­sen bei seinen leib­lichen Eltern wird geopfert.

Wir möcht­en an dieser Stelle fes­thal­ten, dass bei Weit­em nicht alle gle­ichgeschlechtlich Empfind­ende für die Ehe für alle sind. Es hat uns über­rascht, dass mehrere homo­sex­uelle Fre­unde uns gedankt haben, dass wir uns für ein Nein zur Ehe für alle ein­set­zen. Wir möcht­en fes­thal­ten, dass wir auch nach der Abstim­mung gerne mit allen im Gespräch sind, auch auf der anderen Seite der ide­ol­o­gis­chen Gräben.

Der Salami hat noch viele Scheiben

Die Ide­olo­gie, welche die Ein­führung der Ehe für alle einge­bracht hat, ist noch nicht am Ziel, son­dern sie möchte das ganze Feld bes­tim­men. Deshalb wer­den uns ihre The­men noch auf Jahre hin­aus beschäfti­gen. So sind im Schweiz­er Par­la­ment bere­its Schritte ein­geleit­et wor­den, welche eine kon­se­quente Weit­er­führung der Ide­olo­gie vorantreiben. Kat­ja Christ (GLP) hat fol­gende drei par­la­men­tarische Motio­nen einge­bracht (die fett gedruck­ten Titel sind die offiziellen Über­schriften der Motionen):

  • Eizel­len­spende endlich auch in der Schweiz legal­isieren! (Motion 21.421 am 17. März 2021). Dies muss als Weg­bere­itung für eine kom­mende mögliche Legal­isierung der Leih­mut­ter­schaft gese­hen wer­den. Die Ein­führung der Ehe für alle diskri­m­iniert männliche gle­ichgeschlechtliche Paare gegenüber weib­lichen gle­ichgeschlechtlichen Paaren, weil erstere keine Kinder zeu­gen dür­fen. Das Argu­ment der Diskri­m­inierung von Homo­sex­uellen gegenüber Het­ero­sex­uellen hat die Wahl gewon­nen. Nun wird mit aller Wahrschein­lichkeit ein weit­eres Diskri­m­inierungsar­gu­ment von Homo­sex­uellen gegenüber (dies­mal) Homo­sex­uellen dazu führen, dass wir in abse­hbar­er Zeit über Leih­mut­ter­schaft abstim­men müssen. Wie schon im aktuellen Abstim­mungskampf über Samen­spende mit der ‘gesellschaftlichen Real­ität von Samen­spenderkindern’ argu­men­tiert wurde, so wer­den aktuell ‘Gebär­mut­ter-Kinder’ am Gesetz vor­bei als gesellschaftliche Real­ität etabliert und als Argu­ment ins Feld geführt wer­den (ein aktuelles Beispiel führen wir unten auf).
  • Fortpflanzungsmedi­zinge­setz auf­datieren und in die Zukun­ft führen (Motion 21.3238 am 17. März 2021). Hier geht es darum, die Fortpflanzungsmedi­zin dem gesellschaftlichen Werte­wan­del anzu­passen und von star­ren Regeln zu lösen. Es lohnt sich, die Argu­men­ta­tion der Motion zu lesen. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, in welche Rich­tung hier gear­beit­et wird.
  • Ver­bot von Kon­ver­sions­be­hand­lun­gen bei Min­der­jähri­gen (Motion 21.483 am 16. Sep­tem­ber 2021). Passend zur Logik der ange­blichen Unverän­der­barkeit der sex­uellen Ori­en­tierung, soll es in einem näch­sten Schritt zu einem umfassenden Ver­bot von ‘Kon­ver­sions­be­hand­lun­gen’ bei Min­der­jähri­gen kom­men. Bei Erwach­se­nen wird das wohl noch fol­gen. Inter­es­sant ist, dass die Gen­der-Ide­olo­gie hier grosse Anfra­gen stellt, da sie mit der Flu­id­ität der Sex­u­al­ität argu­men­tiert — also eben grad nicht mit der Unverän­der­barkeit. Inter­es­sant ist auch, dass es Vorstösse gibt, Geschlecht­sumwand­lun­gen bei Teenagern anzuset­zen. Wir spüren deut­lich: Inner­halb der aktuell noch immer zusam­men genan­nten Buch­staben LGBT gibt es mitunter immense ide­ol­o­gis­che Span­nun­gen und Kon­flik­te. Wir soll­ten vor­sichtig sein, zu schnell unsere Geset­ze von ein­er dieser Grup­pen bes­tim­men zu lassen, denn sie wer­den zu ein­er in sich wider­sprüch­lichen Geset­zge­bung führen.

Die Vor­prü­fung der Legal­isierung der Eizel­len­spende nimmt bere­its dieses Jahr die näch­ste Hürde im Par­la­ment. Die Motion ist für die ersten inter­nen Abklärun­gen in den Kom­mis­sio­nen für Wis­senschaft, Bil­dung und Kul­tur des Nation­al­rats auf 4. Novem­ber 2021 trak­tandiert. Es geht mit schnellen Schrit­ten in Rich­tung dessen, was Paul noch vor weni­gen Wochen auf einem Podi­um mit Ver­fechtern der Ehe für alle zugesichert wurde, dass es abso­lut kein The­ma sei. Es ist ein Déja-vu: 2007 wurde dem Volk zugesichert, dass die Ehe für alle kein The­ma sei. Die berühmte Sala­mi-Tak­tik ist ‘alive and well’.

Wie sollte die Nein-Seite des Abstim­mungskampfes reagieren? Eine Möglichkeit wäre eine Ini­tia­tive zur all­ge­meinen Abschaf­fung der Samen­spende zu lancieren, also sowohl für gegen‑, wie auch für gle­ichgeschlechtliche Paare. Wir sind keine Poli­tik — Ken­ner. Ver­mut­lich sig­nal­isiert das deut­liche Resul­tat, das unsere Bevölkerung auch im Bezug auf Fra­gen der Fortpflanzungsmedi­zin ziem­lich pro­gres­siv denkt. Trotz­dem: Träu­men darf man ab und zu! Gle­ichzeit­ig müsste man über­legen, wie wir in unseren Gemein­schaften, aber auch mit poli­tis­chen Tools, wirk­sam Kinder und Fam­i­lien unter­stützen kön­nen in den spez­i­fis­chen Her­aus­forderun­gen, in denen sie ste­hen. Hier wird sich vielle­icht am ehesten auch ein gemein­samer poli­tis­ch­er Boden find­en lassen. Einige Denkanstösse dazu find­en sich bere­its in einem Artikel von uns.

Eine innerkirchliche Lobby agiert strategisch

Mit der Annahme der Ehe für alle kom­men noch grössere Span­nun­gen ins kirch­liche und ins­beson­dere ins freikirch­liche Milieu, welche aktuell mehrheitlich gegen die Ehe für alle ist. Der Ruf, dass Freikirch­ler ihre Mei­n­ung über aus­gelebte Homo­sex­u­al­ität nun doch ändern sollen, wird zunehmen. Der Druck von ausser­halb und inner­halb wird wach­sen, ein­vernehm­lich und in Treue aus­gelebte Homo­sex­u­al­ität als von Gott gewollt, und deshalb als seg­nungswürdig zu sehen. Paul Brud­er­er hat sich in einem viel­ge­le­se­nen Artikel zu dieser Forderung geäussert.

Defin­i­tiv vor­bei scheint die Diskus­sion in den evan­ge­lis­chen Lan­deskirchen. Diese hat­ten sich bere­its vor 2 Jahren in ‘vorau­seilen­dem Gehor­sam’ für die Ehe für alle aus­ge­sprochen — ein Prozess, den wir kri­tisch begleit­et haben. Aus unser­er Sicht hat die evan­ge­lis­che Kirche damit ein neues Glaubens­beken­nt­nis for­muliert, wen­det sich ab von der jud­isch-christlichen Sicht auf die Welt und wird nicht als Gewin­ner­in vom Platz gehen.

Wie sich das neue Glaubens­beken­nt­nis der Reformierten prak­tisch auswirkt, hat man im aktuellen Wahlkampf deut­lich miter­leben kön­nen. Ein kri­tis­ch­er innerkirch­lich­er Diskurs war auf nationaler Ebene nicht mehr gewün­scht. Plu­ral­ität der Mei­n­ung liegt nicht mehr drin. Die EKS-Podi­en wur­den auss­chliesslich mit Befür­wortern der Ehe für alle beset­zt. Die drän­gen­den Fra­gen im Bere­ich der Repro­duk­tion­s­medi­zin wur­den ganz offiziell auf die lange Bank geschoben, während auf ihren mit LGBT-Aktivis­ten beset­zten Podi­en die Samen­spende bere­its als gegebene Tat­sache präsen­tiert wurde.

Es wird auch innerkirch­lich klar: Ist die Ehe für alle etabliert, gibt es viele weit­ere Bere­iche, die an das neue Glaubens­beken­nt­nis angeglichen wer­den müssen. Im Rah­men des Abstim­mungskampfes sind die neuen Felder bere­its sicht­bar gemacht gewor­den: Polyamor­ie und Leih­mut­ter­schaft kom­men ver­mut­lich als Nächstes.

Polyamor­ie: Ein­vernehm­lichkeit unter Erwach­se­nen ist in der neuen, tonangeben­den Weltan­schau­ung das primäre und einzige Kri­teri­um für aus­gelebte Sex­u­al­ität. Stephan Jütte ist Leit­er des Reflab-Pro­jek­tes der Reformierten Kirche des Kan­tons Zürich. In einem Kom­men­tar auf einen Pod­cast von Novem­ber 2020 zeigt er, wie weit man gehen kann, wenn man Ein­vernehm­lichkeit unter Erwach­se­nen als einziges Kri­teri­um für Sex­u­al­ität wählt:

Mit Polyamor­ie, Selb­st­be­friedi­gung und allen ein­vernehm­lichen Sex­u­al­prak­tiken unter erwach­se­nen Men­schen habe ich gar kein Prob­lem. (Quelle aufgerufen am 21.09.2021)

Span­nend wäre konkreter zu hören, was Jütte hin­ter dem Wort ‘allen’ sieht. Denn da gibt es dur­chaus noch weit­ere mögliche For­men der ein­vernehm­lichen Sex­u­al­ität unter Erwachsenen.

Im Abstim­mungskampf um die Ehe für alle hat Jütte eines der ver­schiede­nen Podi­ums­ge­spräche der evan­ge­lisch-reformierten Kirche Schweiz mod­eriert — wie gesagt ohne jegliche kri­tis­che Gegen­stimme. Mit auf dem Podi­um war Michael Braun­schweig, Ethik­er und Vizepräsi­dent Kirchenpflege Reformierte Kirche Zürich. Braun­schweig hat zusam­men mit seinem Part­ner zwei Kinder über Leih­mut­ter­schaft in die Welt gebracht und durfte am besagten Podi­um schon mal ein kräftiges Plä­doy­er für die Leih­mut­ter­schaft platzieren (ab 1:14:14 im Video).

Inzwis­chen hat Braun­schweig in einem Artikel auf Ref.ch nachge­dop­pelt und einen Aufruf ges­tartet, solche Kinder nicht zu diskri­m­inieren. Die Aus­führun­gen von Braun­schweig zeigen bere­its deut­lich, dass die Argu­men­ta­tion­slin­ien zur Begrün­dung der Leih­mut­ter­schaft gle­ich ver­laufen wer­den wie bei der Samen­spende: Die Kinder sind eine Real­ität, weshalb wir dieser Real­ität den gesellschaftlichen Segen erteilen soll­ten, indem wir die schon (am Gesetz vor­bei) etablierte Prax­is legalisieren.

Eines ist für uns wichtig:  Wir heis­sen wie immer jedes Kind willkom­men, das in diese Welt kommt. Das ist unver­rück­bar klar! Unter anderen darum set­zen wir uns auch für den Lebenss­chutz ein. Aber auf der ide­ol­o­gis­chen Ebene ste­hen die Zeichen schon an der Wand:

  • Leih­mut­ter­schaft soll auch von Kirchen akzep­tiert und abge­seg­net werden.
  • Kirchen wer­den aufge­fordert wer­den, polyamouröse Beziehungsnet­ze anzuerkennen.

Ein Blick in die Nach­bar­län­der ist dabei hil­fre­ich. In Deutsch­land wird die Forderung nach der Anerken­nung polyamourös­er Beziehungsnet­ze bere­its jet­zt auf ver­schiedene Weise konkret ein­bracht, z.B. durch Fach­ta­gun­gen, die mitunter sog­ar von von der Deutschen Kirche EKD mit­ge­fördert und mit­fi­nanziert sind. Ein Beispiel ist Liebesleben6, zu dem die Bun­desver­bände “Evan­ge­lis­che Frauen in Deutsch­land e.V.” und die “Män­ner­ar­beit der EKD” im Koop­er­a­tion mit dem Fachrefer­at “Frauen und Män­ner” der EKD und der Frauen und Män­ner­ar­beit der evan­ge­lis­chen Kirchen in Kurhessen-Waldeck ein­ge­laden haben. Diese Tagung war also kirch­lich sehr weit oben ange­bun­den. Auf dem Kreuz & Queer Blog von Evangelisch.de wer­den regelmäs­sig neue queere Jubel­texte und Plä­doy­ers veröf­fentlicht wie zum Beispiel im Artikel “Ich bin doch zu schade für eine_n allein…”. Hier wird fest­gestellt: “Polyamor­ie ist eine Prax­is, zwei oder mehrere sex­uelle und/oder emo­tionale Liebes­beziehun­gen gle­ichzeit­ig zu leben. Beken­nend polyamor lebende Men­schen sind mit vie­len Vorurteilen, die u.a. mit Unwis­sen zu tun haben, konfrontiert.”

Unsere schweiz­erische reformierte Kirche scheint es sich dem grossen Brud­er aus dem Nach­bar­land abgeschaut zu haben und eine bewusste Förderung aller möglichen ein­vernehm­lichen Sex­u­al­prak­tiken zu machen. Einige freikirch­liche Pas­toren und Influ­encer ziehen fröh­lich mit. So ist es nur ver­ständlich und zu begrüssen, wenn sich Nach­fol­ger von Jesus Chris­tus inner­halb unser­er evan­ge­lis­chen Kirche anfan­gen, neue Think­tanks aufzubauen, um den the­ol­o­gis­chen Aus­tausch anzus­tossen und zu fördern.

Woran sollen Christen sich orientieren?

Wir haben tiefes Ver­trauen in die Grundüberzeu­gun­gen der jüdisch-christlichen Weltan­schau­ung, welche die monogame Ehe von Mann und Frau mit dem Poten­tial der natür­lichen Zeu­gung gle­ich­w­er­tig ein­stuft mit dem gewählten zöli­batären Leben. Diese bib­lis­che Weltan­schau­ung agiert wesentlich dif­feren­ziert­er als nur mit Einvernehmlichkeit.

Ein­vernehm­lichkeit ist wichtig! Auch sie ist in der jüdisch-christlichen Weltan­schau­ung begrün­det, welche klarstellt, dass jed­er Men­sch im Eben­bild Gottes geschaf­fen ist. Das bib­lis­che Ja zur Eben­bildlichkeit Gottes von Mann und Frau war der Motor des Wider­standes gegen die patri­achal­is­tis­che Sex­u­al­ität des antiken Hei­den­tums.

Wer aber wie Jütte auss­chliesslich mit Ein­vernehm­lichkeit argu­men­tiert, kann Sex­u­al­prak­tiken recht­fer­ti­gen, die in der Bibel klar als des Men­schen unwürdig dargestellt wer­den. Die jüdisch-christliche Weltan­schau­ung ist vielschichtiger und beschreibt den Men­schen nicht nur in dessen Eben­bildlichkeit, son­dern auch in dessen Geschöpflichkeit und Leib­lichkeit.

Geschöpflichkeit hat damit zu tun, dass wir als Geschöpfe Empfänger sind des Redens Gottes in seinem Wort und durch seinen Geist. So gibt uns Gott seine Ge- und Ver­bote als sein Weg­weis­er zum gelin­gen­den Leben all­ge­mein und auch in der Sex­u­al­ität. Mar­tin Luther bringt das in seinem Schmalka­dis­chen Artikel (1537) auf den Punkt:

…son­dern die Ehe frei haben, wie sie Gott geord­net und ges­tiftet hat, und wollen sein Werk nicht zer­reißen noch hin­dern. (Artikel 11).

Gemäss Luther ist die Ehe von Mann und Frau Gottes Erfind­ung, und soll in der von Gott gedacht­en Gestalt geord­net sein. Woher ken­nen wir die Gestalt der Ehe? Aus dem Wort Gottes. Dort sehen wir, dass Ein­vernehm­lichkeit im Rah­men der monoga­men Ehe von Mann und Frau stat­tfind­en soll.

Leib­lichkeit betont den hohen Wert des physis­chen Kör­pers des Men­schen als etwas Gutes und Iden­titätss­tif­ten­des. Unser Kör­p­er informiert uns, wie sich Gott die Würde der Sex­u­al­ität denkt. Hier liegt ein­er der tief­er­en Gründe, warum die Bibel aus­gelebte Homo­sex­u­al­ität in kein­er Vari­ante pos­i­tiv darstellt.

Eben­bildlichkeit, Geschöpflichkeit, Leib­lichkeit — alle drei Wesense­le­mente des Men­schen müssen also in Kom­bi­na­tion ver­standen wer­den. Jedes der drei Ele­mente gibt den anderen Ele­menten Kon­tur und Gestalt. Jedes Ele­ment diszi­plin­iert die anderen bei­den. Wer nur ein Ele­ment betont, wird es auf Kosten der anderen bei­den tun und vertei­digt Prak­tiken, die aus Sicht der Bibel des Men­schen unwürdig sind. Ein Chris­ten­tum, das nur ein Ele­ment betont, wird verküm­mern und die Men­schen irreführen.

Vergessen wir dabei nicht: Nicht jede Verän­derung ist aus Sicht der Bibel neg­a­tiv! Und manch eine Verän­derung unser­er Gesellschaft offen­bart Defizite in der Art, wie wir bish­er das Chris­ten­tum und unseren Glauben gelebt haben. Chris­ten sind keine prinzip­iellen Kul­tur- und Gesellschafts­geg­n­er, son­dern Kul­turgestal­ter und deren Lieb­haber. Sie leben eine aktive Rolle in der Gesellschaft als Botschafter, welche den Prinzip­i­en, Hal­tun­gen ihres himm­lis­chen ‘Heimat­landes’ verpflichtet sind und deren Werte in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen.

Mit dem Psalmis­ten David wis­sen Chris­ten, das Gottes Prinzip­i­en Leben­sprinzip­i­en sind, seine Weisun­gen zum Wohl des Men­schen dienen:

Du tust mir kund den Weg zum Leben. Ps 16:11

Darum: Lasst uns nach dem Ja zur Ehe für alle fröh­lich und ermutigt die Fülle des bib­lis­chen Men­schen­bildes ken­nen -, lieben- und ausleben ler­nen. Lasst uns als christliche Gemein­den zu Zuflucht­sorten für Men­schen wer­den, die Her­aus­forderun­gen in ihrer Sex­u­al­ität haben. Lasst uns als christliche Gemein­den Räume der Gnade sein für alle Men­schen, die Nöte haben in ihrer Sex­u­al­ität. Lasst uns alle die Neugestal­tung unser­er Herzen und unser­er Lebens­führung durch die Gegen­wart Gottes und durch sein Wort als lebensspenden­des Geschenk entdecken.

Artikel als PDF herunterladen

Über den Kanal

Paul und Peter Bruderer

Werde Teil der Diskussion

Kommentare zu diesen Beitrag

6 Comments

  1. Sin Is No Love

    Die “Ehe für alle” ist keine Tat­sache, son­dern eine juris­tis­che Fik­tion. Tat­säch­lich beste­ht eine Ehe aus Mann und Frau, wie es der Sex­u­al­ität entspricht. Dass heutzu­tage sehr viel gespon­nen wird — und Gesponnenes für wichtig genom­men wird: geschenkt.

    Reply
  2. Häring

    Sie haben den Nagel auf den Kopf getrof­fen. Wir müssen ein­fach am Evan­geli­um fes­thal­ten. Denn am Lebensende wird die Frage entschei­dend sein, was wir mit dem Ange­bot von Jesus getan haben.

    Reply
  3. Ruffieux Sylvie

    Texte intéres­sant et pro­fond. Ce sujet demande de la sen­si­bil­ité … MERCI

    Reply
    • Paul Bruderer

      Mer­ci a toi aussi 🙏

      Reply
  4. Othmar

    Nun sind “die Wür­fel gefall­en”. Was die “Ehe für alle” ange­ht. Der Wind wird nun rauer wer­den für diejeni­gen, welche die Werte der Bibel (des Schöpfers allen Sicht­baren und Unsicht­baren) leben und vertreten wollen.
    Ich sehe das nicht in erster Lin­ie als neg­a­tiv. Es wird uns helfen, wieder klarere Kon­turen zu erhal­ten – und damit attrak­tiv­er zu wer­den, für diejeni­gen, welche nicht mit dem “Main­stream” mithal­ten kön­nen oder wollen.
    Gle­ichzeit­ig wer­den wir zunehmend in der Her­aus­forderung ste­hen, allen anderen eben­so in Gnade und Demut begeg­nen zu kön­nen. Gott möge uns beistehen.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Gut auf den Punkt gebracht — danke 👍

      Reply

Submit a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt weiterstöbern

Mehr Blogposts entdecken

Eine K‑Bombe auf das prüde Amerika

Eine K‑Bombe auf das prüde Amerika

Vor 75 Jahren erschien mit Sexual Behavior in the Human Male die erste der berühmt-berüchtigten Kinsey-Studien. Die ‚Mutter aller Sexstudien’ hat eine moralische Revolution losgetreten. Mit ihrem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und einem Overkill an erhobenen Daten...

Kirche als Raum der Gnade (3/3): Der 3AB-Weg

Kirche als Raum der Gnade (3/3): Der 3AB-Weg

Kirchen sind Räume der Gnade für Menschen, die Jesus Christus kennenlernen wollen, zum Glauben an ihn kommen und als Christen aufblühen sollen. In dieser Serie von 3 Artikeln präsentiere ich den 3AB Weg als Orientierung in ethischen Situationen, wenn Menschen in die...

Kirche als Raum der Gnade (2/3): Neun Thesen

Kirche als Raum der Gnade (2/3): Neun Thesen

Kirchen sind Räume der Gnade für Menschen, die Jesus Christus kennenlernen wollen. Hier sollen sie hoffentlich auch zum Glauben an Jesus kommen und aufblühen! In dieser Serie von drei Artikeln präsentiere ich den 3AB Weg als Hilfe für Kirchen, Pastoren, Seelsorger und...