Eine ‘Better Story’ für unseren Körper (2/3)

Lesezeit: 10 Minuten
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by Paul Bruderer | 25. Apr. 2021 | 2 comments

Als Pas­tor füh­le ich mich manch­mal umgeben von Hil­fer­ufen um Ret­tung des Kör­pers. Die Nöte unseres Leibes sind vielfältig, real und lei­d­voll. Die Lösungsver­suche sind eben­so vielfältig, aber lei­der manch­mal frustierend ent­täuschend. Was ist die ‘Bet­ter Sto­ry’ für unseren lei­den­den Kör­p­er aus Sicht der Bibel?

Die Tat­sache, dass unser Kör­p­er ein gutes Geschenk Gottes an uns ist, ändert nichts daran, dass wir in unseren Kör­pern seufzen:

Auch wir selb­st, die wir den Geist als Erstlings­gabe haben, seufzen in uns selb­st und sehnen uns nach der Kind­schaft, der Erlö­sung unseres Leibes. (Römer 8:23)

Unsere guten Kör­p­er sind nicht per­fekt. Sie schmerzen. Sie haben eine Erlö­sung nötig. Wir seufzen in uns selb­st auf­grund von Krankheit, Behin­derung, Scham, Vergöt­terung und Dys­pho­rie. Was ist aus Sicht der Bibel die ‘Bet­ter Sto­ry’ für unsere Kör­p­er? Zu diesem Artikel gibt es eine Predigt, die ich erst grad in mein­er Gemeinde gehal­ten habe.

Behinderung

Die Real­ität unser­er physis­chen Welt ist manch­mal dys­funk­tion­al. Es gibt Erd­beben, Tsunamis und vieles mehr. Auch beim men­schlichen Kör­p­er kommt es vor, dass jemand eine Krankheit hat, oder eine Behin­derung, die seit der Geburt da ist oder durch einen Unfall verur­sacht wird. Ein junger Mann namens Samuel kommt in meine Gemeinde. Er war jung, fit, sport­begeis­tert und hat­te das Leben vor sich, bis ein Bade­un­fall ihn an den Roll­stuhl fes­selte. Unsere Kör­p­er funk­tion­ieren nicht so, wie sie ursprünglich gedacht waren. Sie sind nicht perfekt.

Behin­derung und Krankheit erin­nern uns daran, dass wir und unsere Welt nicht in der ursprünglich gedacht­en Har­monie mit Gott existieren. Dies heisst nicht, dass die Krankheit oder Behin­derung ein­er Per­son immer in direk­tem Zusam­men­hang mit der Ver­fehlung oder Sünde dieser oder ein­er anderen Per­son ste­ht. Es kann sein, muss aber nicht. Pauschale Direkt-Zuweisun­gen sind unangemessen. Das Bild, das uns die Bibel gibt, ist dieses: Wenn jemand krank ist oder eine Behin­derung hat, erin­nert uns dies an die Tat­sache, dass unsere Welt ins­ge­samt von der Har­monie mit Gott los­gelöst existiert. Krankheit und Behin­derung weisen uns auf die Tat­sache hin, dass diese Welt und wir Men­schen darin, eine Erlö­sung benötigen.

Darum: Solange wir in ein­er Welt leben, die nicht mit Gott har­mon­isiert lebt, wer­den manche von uns kör­per­liche Nöte haben. Irgend­wann trifft es uns alle.. Die Idee, dass im Dies­seits vol­lkommene und anhal­tende kör­per­liche Heilung erlebt wer­den kann, ist aus Sicht der Bibel ein Märchen.

Scham

Wir ken­nen auch Scham bis hin zu Abscheu gegenüber dem eige­nen Kör­p­er oder gegenüber dem Kör­p­er eines anderen Men­schen. Umfra­gen deuten an, dass ins­beson­dere Frauen oft Mühe bekun­den, wenn sie sich selb­st im Spiegel sehen. Das Inter­net bee­in­flusst Schön­heit­side­ale. Wir sehen heute viel mehr nack­te Haut, als die Gen­er­a­tio­nen vor uns, was unser Bild von Schön­heit prägt. Die Wirkung ist lei­der oft, dass wir uns für unseren eige­nen Kör­p­er schä­men. Selb­st die ange­blich schön­sten Per­so­n­en kämpfen mit diesem Druck, wie kür­zlich Khloe Kar­dashi­an zugegeben hat. Wenn eine Kar­dashi­an Prob­leme mit ihrem Selb­st­bild hat, gibt es für uns Nor­mal­sterbliche noch Hoffnung?!

Scham erleben wir auch in Bezug auf Sachen, die wir mit unserem Kör­p­er unter­nom­men haben oder in Bezug auf Dinge, die uns von anderen an unserem Kör­p­er ange­tan wur­den. Bes­timmte Kör­perteile erin­nern uns manch­mal an ver­gan­gene Sün­den, für die wir uns schä­men. Sex­uelle Fehltritte und Scham auf­grund von Über­grif­f­en, durch die andere an uns schuldig wur­den, sind beson­ders tiefge­hend. Sie bee­in­flussen manch­mal noch Jahrzehnte später, was wir über unseren Kör­p­er denken und fühlen.

Vergötterung

Manche vergöt­tern ihren Kör­p­er. Sie brauchen den per­fek­ten Kör­p­er, weil ihrer Mei­n­ung nach der Kör­p­er sie als Per­son definiert. Wir müssen um jeden Preis schön ausse­hen und je nach Pri­or­ität tun wir alles, um das zu erre­ichen: Fit­ness, Gesund­heit, Klei­der. Es darf viel kosten! Wir sehen auch tat­säch­lich gut aus! Bis auf… naja die Details. Aber dafür gibt es heute ja die Möglichkeit­en der Schönheitschirurgie.

Die Bibel zeigt, dass kör­per­liche Schön­heit dur­chaus auch ein Geschenk Gottes ist. Gle­ichzeit­ig beschreibt die Bibel, wie uns Schön­heit auch in Schwierigkeit­en brin­gen kann, wie Abra­ham und seine Frau Sara erleben mussten (1Mose 12:11). Schön­heit soll nicht zu hoch gew­ertet wer­den (z.B. Sprüche 31:30). Wenn du einen schö­nen Kör­p­er hast, ist es wenig wahrschein­lich, dass du diese Schön­heit “auf ewig” beibehälst, denn wie alle wirst du mit der Zeit alt. Schön ausse­hen mit charak­ter­lich­er Reife ist super, wie die Köni­gin Esther zeigt (siehe z.B. Esther 2:7). Aber kör­per­liche Schön­heit ohne zunehmende Reife verän­dert die Schön­heit in etwas, das nicht wirk­lich lobenswert ist, oder sog­ar abstossend sein kann (Sprüche 11:22).

Dysphorie

Ein Lei­den, das heute beson­ders im Fokus ste­ht, ist die soge­nan­nte Gen­derdys­pho­rie, auch ‘Gen­der Iden­ti­ty Dis­or­der’ oder ‘Geschlecht­si­den­titätsstörung’ genan­nt. Es han­delt sich hier um ein Unwohl­sein über das eigene, biol­o­gis­che Geschlecht. Ein anderes Wort ist ‘Trans­gen­der’. Hier ist enormes Leid vorhan­den! Ich habe vor weni­gen Wochen ein­er jun­gen Frau zuge­hört, die mir beschrieben hat, wie sich das anfühlt. Sie benutzte Sätze wie ‘man ist sich selb­st der grösste Feind’. Die ein­gangs zitierte Bibel­stelle, welche von ’seufzen in uns selb­st’ spricht (Römer 8:23), kam mir bei ihrem Erzählen in den Sinn. Da muss tiefes Mit­ge­fühl in uns entste­hen, wenn wir davon hören!

Trans­gen­der Men­schen wün­schen oft, dass man ihr The­ma richtig unter­schei­det von Homo­sex­u­al­ität. Sie sagen das nicht ohne Grund, denn viele ver­wech­seln Trans­gen­der mit Homo­sex­u­al­ität. Die Tat­sache, dass deren Abkürzun­gen im häu­fig ver­wen­de­ten Label LGBTQ zusam­men aufge­führt wer­den, hil­ft dabei nicht. Bei Trans­gen­der unter­schei­det man das Geschlecht des Kör­pers und das Geschlecht der Seele. Bei­de müssen nicht übere­in­stim­men. Darin liegt ja eben die Dys­pho­rie. Meine Seele kann sagen «Ich bin eine Frau» während mein Kör­p­er mir sagt «Ich bin ein Mann». Dann bin ich eine Frau, gefan­gen im Kör­p­er eines Mannes.

Der Unter­schied von Homo­sex­u­al­ität und Trans­gen­der kann vielle­icht so erk­lärt wer­den: Homo­sex­u­al­ität hat mit der Frage zu tun, mit wem du ins Bett willst. Trans­gen­der hat mit der Frage zu tun, als was du ins Bett willst:

  • Mit wem: Hier geht es um unsere geschlechtliche Ori­en­tierung, also ob du mit jeman­dem vom gle­ichen Geschlecht ins Bett willst (Homo­sex­u­al­ität) oder mit jemand vom anderen Geschlecht (Het­ero­sex­u­al­ität). Hier geht es um den Bezug zur anderen Per­son.
  • Als was: Hier geht es um geschlechtliche Iden­tität, ob du als Mann oder als Frau ins Bett gehst. Hier geht es um den Bezug zu dir selb­st.

Die bei­den Ebe­nen haben mit gän­zlich unter­schiedlichen Din­gen zu tun und soll­ten nicht durcheinan­der gebracht wer­den. Es gilt auch zu unter­schei­den zwis­chen Trans­gen­der und Inter­sex­u­al­ität. Ein aktueller Artikel der Zeit gibt am Ende eine gute Zusam­men­fas­sung die ich hier anfüge, aber für das Ver­ständ­nis dieses Artikels nicht zwin­gend gele­sen wer­den muss:

Als inter­sex­uell wer­den Men­schen mit ein­er Geschlecht­sen­twick­lung beze­ich­net, die von der Norm abwe­icht. Mal bet­rifft es die äußeren Geschlechtsmerk­male, mal die inneren oder bei­de. Medi­zin­er ken­nen ins­ge­samt rund 50 ver­schiedene Syn­drome, von denen die meis­ten extrem sel­ten sind. Einige wer­den bei der Geburt ent­deckt, andere erst während der Pubertät, etwa wenn bei Mäd­chen die Regel­blu­tung aus­bleibt. Die große Mehrheit der inter- und trans­geschlechtlichen Men­schen definieren sich klar als Mann oder Frau – aber eben nicht alle. Einige ord­nen sich dafür einem Geschlecht zwis­chen männlich und weib­lich zu oder jen­seits des Zweier­sys­tems. Sie beze­ich­nen sich als divers oder nicht­binär (englisch »non­bi­na­ry«, oder abgekürzt »enby«). Andere wiederum erleben ihr Geschlecht als fließend (gen­der­flu­id), als zwis­chen den Iden­titäten wech­sel­nd (bigen­der) oder als undefiniert (agen­der). Queer­gen­der wird dage­gen oft als Sam­mel­be­griff ver­wen­det.  (Auf der Suche nach dem drit­ten Geschlecht, Die Zeit, 15. April 2021)

Bei Chaz Bono haben wir eine präg­nante, kurze Aus­sage, was die Idee von Trans­gen­der ist, die uns auch weit­er­führt in der Frage der ‘Bet­ter Sto­ry’. Chaz wurde als biol­o­gis­che Tochter der bekan­nten Sän­gerin Cher geboren. Er lebte bis vor ca. 15 Jahren als Les­bin, dann hat er sich als Trans­gen­der geoutet und die Tran­si­tion zum Mann durch­laufen. Sein Man­ag­er fasst es gut zusam­men, was die Idee von Trans­gen­der ist:

“Gen­der ist nicht über das, was zwis­chen deinen Beinen ist, son­dern zwis­chen deinen Ohren.» (Man­ag­er von Chaz Bono in einem Inter­view für ABC News, eigene Übersetzung)

Unsere Kul­tur wird dem eine ide­ol­o­gis­che Wer­tung hinzufü­gen: Du wirst als Men­sch nicht auf­blühen, wenn du diese seel­is­che Iden­tität nicht annimmst und ausleb­st. Und alle um dich herum müssen das gutheissen.

Mitgefühl

Wir als Chris­ten soll­ten die ersten sein, die Mit­ge­fühl gegenüber allen genan­nten Erleb­nis­sen empfind­en und zeigen. Als Chris­ten wis­sen wir, woher dieses Leid kommt. Unsere Welt ist nicht mehr in Har­monie mit Gott und seinem Wesen. Unsere Welt ist gebrochen. Darum soll­ten wir die ersten sein, die ver­ste­hen, dass es diese Sachen gibt, sie im Leben viel­er Men­schen  Real­ität sind. Eine christliche Gemeinde sollte ein sicher­er Ort sein für Men­schen, die mit solchen The­men kämpfen. Mit Bes­timmtheit gibt es in jed­er Gemeinde Men­schen, die mit ein­er Form von Dys­pho­rie zu kämpfen haben.

Erlösung

Was ist jet­zt die ‘Bet­ter Sto­ry’ der Bibel? Ich möchte mich im Fol­gen­den ins­beson­dere auf die Sit­u­a­tion ein­er Per­son mit Gen­derdys­pho­rie konzen­tri­eren, weil hier der Wert des physis­chen Kör­pers in der bib­lis­chen Sto­ry beson­ders klar aufleuchtet. Was ich sage, kann aber zumin­d­est teil­weise  auch direkt auf die anderen Nöte wie Krankheit, Behin­derung, Scham oder Vergöt­terung angewen­det wer­den. Erin­nern wir uns an den ein­gangs genan­nten Bibeltext:

Auch wir selb­st, die wir den Geist als Erstlings­gabe haben, seufzen in uns selb­st und sehnen uns nach der Kind­schaft, der Erlö­sung unseres Leibes. (Römer 8:23)

Es ist präzise for­muliert: Es geht aus Sicht der Bibel nicht um eine Erlö­sung vom Kör­p­er, son­dern um eine Erlö­sung des Kör­pers. Es geht nicht um eine Flucht aus dem Kör­p­er her­aus in eine kör­per­lose, seel­is­che Sphäre oder um eine Flucht in einen anderen Kör­p­er. Im Blick ste­ht die Erlö­sung des ursprünglichen Kör­pers, der – wie wir im ersten Artikel gese­hen haben – ein Geschenk an uns ist. Warum ist das in der bib­lis­chen Sto­ry so? Weil dem physis­chen Kör­p­er eine beson­ders hohe Bedeu­tung und ein gross­er Wert zugemessen wird. Ich habe nicht nur einen Kör­p­er, son­dern ich bin ein Kör­p­er. Unser Kör­p­er hat einen direk­ten und sub­stantiellen Beitrag zu unser­er Iden­tität. Unser Kör­p­er sagt etwas darüber aus, wer wir wirk­lich sind. Die Seele eben­so. Aber genau­so der Kör­p­er. Ich bin — unter anderem — mein Körper.

Jes­si­ca Savano sieht den Wert ihres Kör­pers genau umgekehrt. Jes­si­ca ist eine Schaus­pielerin, die 2013 Geld gesam­melt hat für ihre Tran­si­tion zur Frau. So stellt sie sich vor:

«Mein Name ist Jes­si­ca Savano, und ich bin nicht mein Kör­p­er» Jes­si­ca Savano auf Kickstarter

Nochmals, ganz wichtig: So etwas zu hören sollte unser Mit­ge­fühl weck­en! Ich stelle mir die Not von Jes­si­ca vor und es gibt ver­mut­lich mehr Men­schen, die in unser­er Mitte mit diesen Emo­tio­nen kämpfen, als wir vielle­icht denken. Jessica’s Selb­st­beschrei­bung sagt viel darüber aus, wie sie über ihren Kör­p­er denkt. Sie denkt, dass ihr Kör­p­er keinen Beitrag hat zu ihrer Iden­tität als Men­sch. Sie denkt: “Was wirk­lich zählt ist nicht mein Kör­p­er, son­dern meine Seele”.

Hier haben wir etwas Wichtiges. Auch wenn die Transper­son denkt, das Prob­lem liege im Kör­p­er, liegt das Prob­lem oft eigentlich in der Seele. Jes­si­ca wurde z.B mit einem gesun­den, männlichen Kör­p­er geboren. Sie braucht nicht primär eine Erlö­sung ihres Kör­pers, son­dern ihrer Seele. Warum denkt Jes­si­ca, dass ihr Kör­p­er das Prob­lem ist? Warum meint sie, dass ihre Seele mehr über ihre Iden­tität zu sagen hat, als ihr Kör­p­er? Kön­nte es nicht umgekehrt sein? Warum ver­traut Jes­si­ca in Bezug auf ihre Iden­tität mehr ihrer Seele, als ihrem Kör­p­er? Kön­nte es nicht auch umgekehrt sein?

Hier stellt sich die Frage, ob unsere Seele uns wirk­lich immer ver­lässlich­er informiert als unser Kör­p­er. Es gibt Sit­u­a­tio­nen, in denen der Kör­p­er ver­lässlich­er ist als die Seele. Stellen wir uns eine lebens­ge­fährlich mager­süchtige Frau vor. Ihre Seele sagt «ich bin zu dick» während ihr Kör­p­er schre­it «ich bin lebens­ge­fährlich dünn». Ihr Kör­p­er informiert in diesem Fall viel ver­lässlich­er, als ihre Seele. Es wäre in diesem Fall nicht liebend, die Deu­tung ihrer Seele gutzuheis­sen – egal wie ehrlich sie selb­st das fühlt und meint. Liebend wäre zu sagen: “Höre auf das, was dein physis­ch­er Kör­p­er sagt! Mis­straue für ein­mal dein­er Seele und höre auf deinen Körper.”

Wir müssen uns bewusst sein, dass unser Kör­p­er nicht immer richtig tickt, aber auch unsere Seele nicht. Aus bib­lis­ch­er Sicht sind bei­de Bere­iche von der Dishar­monie des Sün­den­falls betrof­fen, konkret auch die Gedanken unser­er Seele:

Obwohl sie Gott kan­nten, ehrten sie ihn nicht als Gott und dank­ten ihm nicht. Ihre Gedanken liefen ins Leere und in ihren unver­ständi­gen Herzen wurde es fin­ster. (Römer 1:21)

Die Bibel sagt hier eigentlich: Glaube nicht alles, was du denkst! Achtung, Das wird hier nicht nur Trans­men­schen gesagt, son­dern uns allen. Für uns alle gilt: Wenn wir let­ztlich nur dem ver­trauen, was unsere eigene Seele sagt, wer­den wir uns selb­st in die Irre führen. Wenn die Irrun­gen unser­er Seele heil wer­den soll, müssen wir Infor­ma­tion von Aussen zulassen. Ich sage hier etwas, das völ­lig gegen unsere Kul­tur der Selb­stfind­ung geht. Trotz­dem dünkt mich dies eine der wichtig­sten seel­sorg­er­lichen und heil­samen Aus­sagen zu sein, die wir machen kön­nen: Wir dür­fen ler­nen als Geschöpfe zu leben, anstatt als Schöpfer unser­er Selb­st aufzutreten. Im Fall von Jes­si­ca kön­nte dies bedeuten, auf die ‘Bet­ter Sto­ry’ der Bibel zu hören, die ihr von ausser­halb ihrer Seele zuruft: “Dein Kör­p­er hat der­art viel Bedeu­tung, dass er deine Iden­tität mitbes­timmt. Darum liebe Seele, schau was dein Kör­p­er dir über dich selb­st sagt und glaube es!”

Während also für Jes­si­ca die Erlö­sung vor allem darin liegt, dass ihre Seele den hohen Wert ihres Kör­pers ein­se­hen kann, gibt es für viele von uns immer noch Nöte, die primär mit unserem Kör­p­er zu tun haben. Auch Jes­si­ca hat nach allen Oper­a­tio­nen ver­mut­lich konkrete physis­che Nöte, die eben­so der Erlö­sung bedür­fen, wie ihre seel­is­chen Nöte.

Hoffnung

Die Prob­leme unser­er Kör­p­er sind kein Zeichen, dass wir unserem Kör­p­er ent­fliehen oder ihn auswech­seln müssen, son­dern ein Hin­weis darauf, dass unsere Kör­p­er Erlö­sung brauchen. Genau­so wie die Irrun­gen der Seele eine Hil­fe von ausser­halb der Seele benöti­gen, wer­den die Prob­leme, die wir mit unserem Kör­p­er haben, let­ztlich nicht von unseren Kör­pern gelöst wer­den kön­nen. Unsere Kör­p­er haben Selb­s­theilungskräfte. Wir kön­nen auch Hil­fe von Medi­zin und Ärzten annehmen. Aber in Bezug auf die wirk­lichen und grundle­gend­sten Nöte unser­er Kör­pers hat unser Kör­p­er — gemäss der Bibel — keine kör­pereigene Lösun­gen. Die Lösung für unsere Kör­p­er liegt ausser­halb unseres Kör­pers im Kör­p­er eines Anderen:

Doch jet­zt hat Gott euch mit sich ver­söh­nt durch den Tod, den Chris­tus in seinem irdis­chen Kör­p­er auf sich nahm. (Kol 1:22)

Die Lösung für unsere Kör­p­er liegt im Kör­p­er von Jesus und in dem, was er mit seinem Kör­p­er für uns getan hat. Jesus schick­te nicht ein­fach seine Seele ans Kreuz, damit unsere Seele erlöst wer­den kann. Nein, er ging mit seinem Kör­p­er ans Kreuz. Diese Tat­sache ste­ht in dieser Bibel­stelle aus­drück­lich im Zusam­men­hang mit unser­er Ver­söh­nung mit Gott. Die ein­gangs erwäh­nte Dishar­monie zwis­chen uns und Gott wird aufgelöst durch das, was Jesus mit seinem Kör­p­er für uns tat. Jesus erlebte am Kreuz die Nöte, die wir in unserem Kör­p­er erleben: Ver­wun­dung, Gebrochen­heit, Scham und etwas, das wir dur­chaus Dys­pho­rie nen­nen dür­fen. Es gibt wohl keine grössere Dys­pho­rie, als jene die Jesus durch­lit­ten hat, als er am Kreuz für uns starb. Denn dort macht Gott ihn, der keine Sünde kan­nte, zur Sünde:

Den, der ohne jede Sünde war, hat Gott für uns zur Sünde gemacht, damit wir durch die Verbindung mit ihm die Gerechtigkeit bekom­men, mit der wir vor Gott beste­hen kön­nen. (2. Kor 5:21)

Jesus erlebt hier nicht Gen­derdys­pho­rie, son­dern eine moralis­che Dys­pho­rie. Er trägt in sich selb­st die Sünde — etwas, das er zutief­st ablehnt, ver­ab­scheut, ver­achtet. Wenn du Dys­pho­rie aus eigen­er Erfahrung kennst, weiss Jesus, wie du dich fühlst. Und du weisst zumin­d­est ein Stück weit, wie Jesus sich gefühlt hat.

Abendmahl

Jesus hat deinen Kör­p­er der­art lieb, er schätzt den Wert deines Kör­p­er der­art hoch ein, dass er am Kreuz seinen Kör­p­er zur Erlö­sung deines Kör­p­er hingab. Und zwar tat er das ganz bewusst:

…der Herr Jesus in der Nacht, als er ver­rat­en wurde, Brot nahm, und dank­te, es brach und sprach: Nehmt, esst! Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird (1. Korinther 11:24)

Hier liegt die ‘Bet­ter Sto­ry’ für unser aller Kör­p­er! Unser Kör­p­er hat der­art viel Bedeu­tung, dass Gott uns nicht VON unserem Kör­p­er erlöst, son­dern Erlö­sung schafft FÜR unseren Körper.

Im näch­sten Artikel schauen wir uns an, wie wir leben kön­nen zwis­chen der Gegen­wart und dem Zeit­punkt, wo diese Erlö­sung in der Ewigkeit sich ganz ver­wirk­licht. Für heute wollen wir in unser­er Seele verin­ner­lichen, welch grosse Bedeu­tung unsere Kör­p­er haben. Sie bes­tim­men unsere Iden­tität mit! Unsere Kör­p­er sind der­art wertvoll, dass Fol­gen­des gilt: Wenn Gott uns erlöst, erlöst er uns nicht von unserem Kör­p­er, son­dern er erlöst unseren Kör­p­er. Und: Wir dür­fen ler­nen als Geschöpfe zu leben, anstatt als Schöpfer unser­er Selb­st sein zu müssen.

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Eine ‘Bet­ter Sto­ry’ für unsere Kör­p­er (2/3). Predigt von Paul Bruderer:

Über den Kanal

Paul Bruderer

Paul Bruderer, Jahrgang 1972, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, 1998 Gründungsmitglied der erwecklichen ‹Godi›-Jugendarbeit in Frauenfeld. Seit 2001 Pastor in der Chrischona Gemeinde Frauenfeld. Paul lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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Kommentare zu diesen Beitrag

2 Comments

  1. Paul Bruderer

    Danke Vik­tor! Geht mir ähn­lich wie dir. Ich ent­decke auf für die Predigt von näch­stem Son­ntag am Laufme­ter Neues!

    Reply
  2. Viktor Pfister

    Span­nende Gedanken. Das war mir noch nie in dieser Deut­lichkeit bewusst. Ich staune immer wieder, wie die Bibel immer wieder aktuell in der jew­eili­gen Zeit ein­er Gesellschaft oder eines Men­schen­lebens erhel­lende Botschaften ans Licht bringt — und damit Licht in den Wirrwarr der Fra­gen und Auseinan­der­set­zun­gen. Hier ist der Satz zu Ende. 😉

    Reply

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