“Ein Ja zur ‹Ehe für alle› ist ein religiös-weltanschauliches Bekenntnis”, schrieben wir kürzlich in einem ausführlichen Beitrag. Die Antwort auf die Frage, WELCHES religiös-weltanschauliche Bekenntnis das ist, liessen wir bewusst unbeantwortet. In diesem Blog will ich erklären, was meiner Meinung nach eine Antwort auf diese wichtige Frage ist.
Am 4. November 2019 entscheidet der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK, ob er sich künftig für die ‘Ehe für alle’ aussprechen wird. Zu was für einer Weltanschauung bekennt sich der SEK, wenn er sich für ein ‘Ja’ entscheidet? In diesem Post argumentiere ich, dass Homosexualität besonders gut zu Religionen und Weltanschauungen passt, welche sogenannt ‘monistisch’ und ’non-dual’ sind. Umgekehrt passt Homosexualität nicht zu Weltanschauungen, welche ‘dual’ sind. Wenn das stimmt, ist ein Ja zur ‘Ehe für alle’ ein Bekenntnis zu monistischen, non-dualen Weltanschauungen, welche ein direkter Gegenentwurf zur judeo-christlichen Weltanschauung sind. Deshalb ist ein Ja zur ‘Ehe für alle’ ein implizites Ja zu einer nicht-christlichen Weltanschauung.
Um diese Argumentation besser zu verstehen, schauen wir uns drei Personen an:
- Plato, der grosse griechische Philosoph
- Dr. June Singer, eine Psychologin und Nachfolgerin von Carl Jung
- Nadia Bolz-Weber, ein aktueller ‘Rockstar’ der kirchlichen Szene
Bei allem Debattieren muss klar sein, dass Gott Homosexuelle liebt. Übrigens liebt er auch Heteros, Bisexuelle und überhaupt Menschen aller sexuellen Orientierungen. Die Liebe von Gott hängt nicht von der sexuellen Orientierung eines Menschen ab. Sie gilt allen.
Platos Urgeschichte
Plato, römische Kopie eines griechischen Originals, Ny Carslberg Glytotek, Copenhagen
Plato lebte vor mehr als 2000 Jahren und ist einer der wichtigsten Philosophen der Menschheitsgeschichte. Er wollte das Ausleben von Homosexualität verteidigen. Als grosser Denker verstand er, dass er dazu eine Schöpfungs-Philosophie finden musste, welche so ausformuliert war, dass sie den homosexuellen Lebensstil rechtfertigte. So vertrat Plato die Meinung, dass die ersten Menschen immer aus zwei Teilen bestanden.
In seinem ‘Symposium’ (ca. 416 vor Christus) beschreibt er folgende drei Arten von Menschen, die es am Anfang der Zeit gegeben haben soll (ab Seite 41):
- Mann-Mann
- Frau-Frau
- Mann-Frau
Zeus soll diese Menschen in zwei Teile geschnitten haben. Die sexuelle Orientierung dieser ‚Hälften’ war bestimmt durch den anderen Teil, den sie quasi verloren hatten. Man fühlte sich nach der Trennung angezogen von dem Teil, den man verloren hatte. Männer, die vorher Mann-Mann waren, waren nach der Trennung grundsätzlich homosexuell. Dasselbe galt bei den Frauen. Und wer früher Mann-Frau war, war anschliessend heterosexuell.
Plato begründete Homosexualität also, indem er am Ursprung der Welt die Existenz von Wesen sah, welche non-dual waren: Der Mann-Mann und die Frau-Frau.
Dr. Singers Urgeschichte
June Singer: Androgyny — Toward a new theory of sexuality
Dr. June Singer (1920–2004) war eine analytische Psychologin und Kennerin der Psychologie von Carl Jung (1875–1961). Sie kannte Jung persönlich und folgte seinen Lehren. In ihrem Buch ‘Androgyny — Toward a new theory of sexuality’ schreibt Singer:
Der Archetyp der Androgynie erscheint in uns als innewohnender Instinkt der urzeitlichen kosmischen Einheit… Dieser non-duale Zustand der Ur-Wesens, welches die Potentiale von Dualität und Vielfalt in sich beinhaltet, ist uns überliefert worden in den höher entwickelten Religionen, insbesondere in Elementen des Hinduismus, Taoismus und Buddhismus, wie auch in der Platonischen Tradition im Westen. Das Androgene ist nahezu vollständig ausgelöscht worden von der Judeo-Christlichen Tradition, denn es bedroht offensichtlich die Idee eines patriarchalischen Gottesbildes. (Aus Singer, Androgyny, Ausgabe 1977, Seiten 20–22, eigene Übersetzung)
Dieses Zitat fasst wichtige Aussagen von Singers Buch zusammen und gibt uns interessante Einsichten über die religiös-weltanschaulichen Grundlagen von Homosexualität, welche Singer an diversen Stellen ihn ihrem Buch ausführt, u.a. anderem in einem ganzen Kapitel mit dem Titel Androgyny experienced in Homosexuality, Bisexuality and Heterosexuality (Kapitel 20).
Androgynie ist die Kombination von weiblichen und männlichen Formen in eine einheitliche und bewusst nicht-eindeutige Form. June Singer sieht Androgynie unter anderem als Grundlage für Homosexualität, weil Androgynie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern verwischt.
Singer macht, was viele tun, wenn es darum geht, einer sexuellen Orientierung Berechtigung zu geben. Sie führt die zu begründende sexuelle Orientierung auf eine Urgeschichte zurück, auf eine ‘Schöpfungs-Ordnung’, auf eine metaphysische Grundlage.
Spannend ist, dass Singer die Androgynie zurückführt auf eine Weltanschauung, welche vielen östlichen Religionen zugrunde liegt: Dem Monismus, den sie namentlich erwähnt (Seite 173). Gemäss dem Monismus ist die Natur in ihrer Gesamtheit göttlich. Dieses ‘Göttliche’ ist unpersönlich, ein blindes Prinzip, das sich keine Gedanken machen kann, keine Absichten verfolgt, keine Gebete beantworten kann. Gemäss dem Monismus hat das ‘Göttliche’ das gleiche Wesen, wie die Welt und die Natur.
Der Monismus ist der direkte Gegenentwurf zum jüdisch-christlichen Weltbild, weil das jüdisch-christliche Weltbild der Überzeugung ist, dass es ausserhalb des Universums einen Schöpfer gibt. Dieser Schöpfer ist eine Person und kann deshalb denken, fühlen, handeln, lieben, kommunizieren, Gebete hören und entsprechend handeln. Der Schöpfer-Gott ist nicht vermischt mit der Schöpfung, die er geschaffen hat, sondern wesensmässig anders.
Singer erkennt die immense Spannung zwischen Monismus und der judeo-christlichen Weltanschauung gut. Sie weiss, dass man beide nicht gleichzeitig haben kann. Deshalb nennt sie die jüdisch-christliche Weltanschauung eine Kraft, welche dem Monismus entgegengesetzt ist und den Monismus nahezu vollständig auszulöschen vermochte. Singer möchte aber dafür sorgen, dass der Monismus wieder an Einfluss gewinnt, um neue sexuelle Optionen zu öffnen.
Der Monismus begründet den homosexuellen Lebensstil besonders gut, weil er ein fundamentales Prinzip hat: Die Non-Dualität. Non-Dualität ist für uns Menschen in der westlichen Welt mitunter schwer zu verstehen, weil wir sie oft nur im Gegenüber zur Dualität verstehen. Die Angelegenheit so zu sehen bedeutet aber bereits, dualistisch zu denken — etwas, das die non-duale Weltsicht ablehnt.
Persönlich bin ich überzeugt, dass es so etwas wie die Non-Dualität des Monismus letzlich nicht gibt. Doch der Anlass dieses Posts ist nicht die vertiefte Diskussion über Monismus und Non-Dualität. Es reicht an dieser Stelle, folgende Punkte zu verstehen:
- Der Monismus ist ein direkter Gegenentwurf zum jüdisch-christlichen Verständnis der Welt.
- Die Non-Dualität des Monismus kommt daher, dass der Monismus die Existenz eines Schöpfer-Gottes verneint. Mit anderen Worten: Non-Dualität kann man nur haben, wenn man gleichzeitig die Existenz eines Schöpfers und judeo-christlichen Sinn ablehnt. Die Umkehrung gilt ebenso: Dualität kriegt man nur, indem man die Existenz eines Schöpfer-Gottes voraussetzt. Nochmals anders formuliert: Sollte es tatsächlich einen Schöpfer-Gott geben, ist die Welt dual und muss als dual verstanden werden. Sollte es keinen Schöpfer-Gott geben, ist die Welt non-dual und muss als solche interpretiert werden.
- Non-Dualität passt gut zur Homosexualität, weil Non-Dualität die Gegensätze von Mann und Frau auflöst. Deshalb heissen monistische Religionen die Homosexualität willkommen. So finden wir beispielsweise im Hinduismus schon seit Urzeiten homosexuelle Handlungen innerhalb der Götterwelt. Wir finden dort auch Gottheiten mit transsexuellen Merkmalen. Die Umkehrung davon stimmt auch: Duale Weltanschauungen und Religionen heissen Homosexualität nicht willkommen.
Auf den Punkt gebracht: Östlich-monistische Weltanschauungen sind non-dual und passen deshalb zur Homosexualität und fördern sie, während die judeo-christliche Weltanschauung dual ist und deshalb weder zur Homosexualität passt noch sie fördert.
Nadja Bolz-Weber und Non-Dualität
Nadja Bolz-Weber, Quelle: PR
Nadja Bolz-Weber ist eine zeitgenössische Pastorin. Sie ist bekannt für ihr Zelebrieren aller sexuellen Orientierungen in der Kirche. Interessanterweise begründet sie ihre Haltung in diesen Fragen mit Non-Dualität:
Viele Christen verstehen inzwischen, dass binäres und rückwärts gerichtetes Denken einen grossen und wichtigen Teil von Gottes Plan für Gottes Volk ausklammert. Der Weg zu voller und dauerhafter Freude durch Gottes gutes Design für seine Geschöpfe ist offensichtlich eine Fülle von Identitäten von Gender und vielen Varianten von Sexualität, die bisher verneint wurden wegen kurzsichtigem und limitiertem Denken. (Preamble zum ‘Denver statement’, eigene Übersetzung)
Auf der einen Seite spricht Bolz-Weber hier vom Design Gottes. Dies setzt voraus, dass Gott der Schöpfer ist. Bolz-Weber nennt uns Menschen auch Gottes Geschöpfe und benutzt damit das Vokabular der biblischen Weltanschauung. Gleichzeitig kritisiert sie ‘binäres Denken’ scharf und nennt es ‘rückwärts gerichtetes Denken’.
Der Begriff ‘binär’ ist Code für ‘dual’. Bolz-Weber möchte offensichtlich auf ‹non-duale’ Art und Weise denken. Das ist logisch, denn sie ist auf ‹non-duales’ Denken angewiesen, um die neuen sexuellen Optionen zu rechtfertigen. Auf der Grundlage des dualen Denkens sind diese nicht zu begründen.
Bolz-Webers Vorgehen ist stimmig. Als Christin möchte sie gerne eine biblisch-christliche Begründung von Homosexualität finden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie aber versuchen, den christlichen Glauben von dessen dualem Denken zu befreien. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als solches Denken zu kritisieren. Dies wird sie aber letztlich in eine Art von Christentum führen, welches dem Monismus einverleibt ist. Denn nur dort, nur in monistischen Weltanschauungen, funktioniert das Zelebrieren von non-binären sexuellen Verhaltensweisen. Bolz-Webers Christentum wird bald ein vom Monismus domestiziertes Christentum sein, eine Marionette, ein Puppentanz des Monismus.
Ganz ähnlich wie bei Bolz-Weber finden wir bei diversen Leitfiguren im christlichen Umfeld immer wieder die gleiche Kombination: Die Revision ihrer traditionellen Haltungen in Fragen der Sexualität geht Hand in Hand mit der Zuwendung zu non-binärem Denken und östlicher Spiritualität. Ein Beispiel dafür ist der Künstler Michael Gungor.
Fazit
Bei Plato und June Singer sehen wir Urgeschichten, welche mit der Urgeschichte der Bibel inkompatibel sind. Die Bibel kennt am Ursprung der Welt keine non-duale Menschen, die gespalten werden (Plato) und auch keine androgenen Menschen (Singer). In der Urgeschichte der Bibel finden wir einzig und allein den von Gott geschaffenen Mann und die von Gott geschaffene Frau (Gen 1–2).
Bei Nadia Bolz-Weber sehen wir einen Versuch, die Dualität der judeo-christlichen Weltanschauung loszuwerden, um neue sexuelle Orientierungen zu rechtfertigen. Der Preis könnte hoch sein, weil die Dualität der judeo-christlichen Weltanschauung untrennbar mit dem Glauben an die Existenz des Schöpfer-Gottes verbunden ist. Wer wie Bolz-Weber diese Dualität über Bord wirft, muss letztlich auch den Schöpfer-Gott ablehnen, wie wir ihn in der Bibel kennenlernen.
Wir erkennen hier etwas Wichtiges: Wenn Menschen eine Homosexualität-fördernde Urgeschichte oder Schöpfungs-Geschichte definieren, landen sie nicht bei einer Variante, welche der biblischen Urgeschichte nahe ist, sondern bei einer ihr fernen.
Homosexualität ist Liebe zu dem, was wesensmässig gleich ist. Homosexualität ist non-duale Liebe. Deshalb gibt es eine grosse Spannung zwischen Homosexualität und der Weltanschauung der Bibel, weil letztere zutiefst von Dualität geprägt ist, nämlich der Dualität von Schöpfer-Geschöpf und den dualen Ordnungen, welche der Schöpfer ins Leben gerufen hat, unter anderem der dualen Sexualität Mann-Frau.
Wenn das stimmt, ist zu vermuten, dass eine Zunahme der gesellschaftlichen Akzeptanz von Homosexualität einhergeht mit einer Zunahme des Einflusses von monistischen Religionen und Weltanschauungen in dieser Gesellschaft.
Hier haben wir meiner Meinung nach eine Antwort auf unsere Frage: Was für ein religiöses Bekenntnis ist ein Ja zur ‘Ehe für alle’? Ein Ja zur ‘Ehe für alle’ ist ein Ja zu einer Weltanschauung, die ein Gegenentwurf zur judeo-biblischen Weltanschauung ist. Wenn der SEK ein Ja zur ‘Ehe für alle’ spricht, dann sagt der Kirchenbund Ja zu einer nicht-judeo-christlichen Weltanschauung, respektive zum Versuch, das judeo-christliche Welt- und Menschenbild in ein nichtchristliches hinein zu domestizieren. Dieses Ja ist vielleicht ein unbewusstes, aber dennoch ein implizites Ja.
Es wird an dieser Stelle verständlich, warum sich auch innerkirchlicher Widerstand gegen eine Bejahung der ‘Ehe für alle’ regt. Denn eine solche Bejahung betrifft letztlich den absoluten Kern des christlichen Bekenntnisses: Die Frage nach dem Wesen unseres Schöpfer-Gottes.
Dabei möchte ich folgendes klarstellen: Ich werfe keinem Christ, der ein Ja zur ‘Ehe für alle’ hat, und auch dem SEK nicht vor, bewusst nicht-christlicher Religion Raum schaffen zu wollen. Sowas zu behaupten wäre unfair und schlicht nicht der Wahrheit entsprechend. Doch ich will zu bedenken geben, dass ein Ja zur ‘Ehe für alle’ ein implizites Ja ist und damit auch ein Bekenntnis zu einer ausdrücklich nicht-biblisch-christlichen Weltanschauung. Was ein derartiger Schritt nach sich ziehen kann, muss Gegenstand eines anderen Posts sein.
Der Schöpfer-Gott liebt Homosexuelle
Wenn der Schöpfer-Gott ausgelebte Homosexualität nicht gutheisst, bedeutet das lange nicht, dass er Homosexuelle nicht lieben würde! In einem anderen Post führe ich aus, wie ich das sehe. Klar ist, dass homosexuelle Christen in den ersten Gemeinden der Christen ein- und ausgegangen sind. Sie waren ein integraler Teil dieser christlichen Gemeinden.
Wenn Gott Homosexuelle liebt, dann sollten auch Christen das tun! Christliche Kirchen landauf und landab müssen ‘Räume der Gnade’ sein, wo Christen von allen sexuellen Orientierungen einen Ort finden, an dem sie durch Gnade leben können. Das Wort ‹Gnade› passt perfekt, weil Gnade die radikale Annahme aller Menschen vorgibt, und diesen zur Wiederherstellung des Lebensstils verhilft, zu dem unser Schöpfer uns alle berufen hat.
Grundlegend für das biblische Weltbild ist: Wer von Herzen in den Wegen des Schöpfers lebt, blüht als Mensch auf!
Unzählige haben das erlebt und erleben es noch heute:
Du zeigst mir den Weg zum Leben. Dort, wo du bist, gibt es Freude in Fülle; ungetrübtes Glück hält deine Hand ewig bereit. (Ps 16:11)
Die Herausforderung ist zu verstehen, in welcher Weise dieser Bibelvers auch dann noch stimmt, wenn Gott nicht Ja sagt zu allem, was unser Herz wünscht oder verlangt. Persönlich bin ich überzeugt, dass das Leben in den Wegen unseres Schöpfers immer derjenige Weg sein muss, der uns auf verlässliche Weise zum Aufblühen bringen wird.
Unsere weiteren Artikel zum Thema:
Das Reformierte Glaubensbekenntnis zur ‘Ehe für alle’ (2019)
Wann sollen Christen ihre Meinung ändern? (2019)
Ehe für alle? (2021)
Eine interessante Newsmeldung zum Thema:
https://religionnews.com/2021/07/12/pagans-traditional-gods-and-goddesses-aside-are-the-most-lgbtq-affirming-faith-in-us/
Vielen Dank für die interessanten Ausführungen. Bei der Definitionsfrage von “Liebe” habe ich mir kürzlich noch Gedanken zur Begriffsherkunft im paleo-hebräischen Urkontext gemacht. Zugegebenermassen begebe ich mich mit den Ausführungen von Jeff Benner (https://www.ancient-hebrew.org/) auf etwas dünnes Eis, da seine Recherchen in der fachwissenschaftlichen Welt umstritten sind. Doch die Einfachheit der “Urbuchstaben” hilft mir immer wieder die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Für “Liebe” steht im Hebräischen “Ahav” אהב, was mit den Zeichen “Stierkopf” (Kraft, Stärke), “staunende Person” (Offenbarung, Erkenntnis) und “Haus/Familienzelt” (Familie) überliefert wurde. Setzt man diese Symbol zusammen erhält man ein Konzept von “Liebe”, das sich mit “Kraft offenbart in der Familie” oder “Kraft, die sich in der/durch die Familie offenbart”.
Für mich ist es deshalb nicht unwesentlich in welcher Art von “Familie” die Kraft der (göttlichen) Liebe sich tatsächlich zeigt/manifestiert. Ehe für alle eröffnet, meiner Meinung nach, den Weg zu einer gesellschaftlichen Struktur in welcher vordergründig zwar von Toleranz gesprochen wird, seelisch aber sie Sehnsucht nach “wahrer Liebe” immer mehr zunehmen wird und viele Menschen entweder an den Abgrund, in den Zerbruch oder im besten Fall in eine Begegnung mit dem Schöpfer bringt.
Sehr interessant, Jonas.
Danke für den hilfreichen Artikel, mal von einer etwas anderen Seite als die meisten sonstigen Argumentationen.
Zwei an‑, aber noch nicht fertiggedachte Punkte:
1. Ehe für alle — ist ein irreführender, aber vielleicht strategisch gewählter Titel? In der aktuellen Diskussion geht es nicht um Ehe für alle, sondern für monogam-homosexuell-empfindende Paare. Ehe für alle würde aber polygame, polygyne, bisexuelle, zeitlichbegrenzte, pädophile, sodomistische und weitere sexuelle Orientierungen und Partnerschaften betreffen. Wenn ich die Diskussionen betrachte habe ich manchmal eine dunkle Vorahnung, dass dies gezielt so angegangen wird, um dann wirklich den Schritt zur Öffnung für alle anzustreben. Die obige Argumentation würde das teils stützen.
2. Ich glaube, dass in dieser Diskussion eine Änderung bei der Einordnung des doppelten Liebesgebotes geschieht. Mir kommt es vor, als ob das zweite Liebesgebot (Nächstenliebe) als absolut genommen wird, was von Römer 13,8–10 gestütz scheint. Für mich es es aber eine Ablösung vom ersten Liebesgebot (Gottesliebe) und damit der Liebe zu Gottes Willen und Idee von Leben. Vielleicht ist es auch viel mehr eine Neu- oder Umdefinition vom Begriff der Liebe.
Was meint ihr dazu?
Lieber David,
danke für dein Feedback. Ich hege ähnliche Gedanken wie du. Ich kann mich gut erinnern, dass ein Vertreter von Pink Cross mal in einer Arena-Sendung offen zur Salami-Taktik gestanden ist. Man wollte von ihm wissen, warum Pink Cross denn nicht mit dem vor einigen Jahren vereinbarten Gesetz der eingetragenen Partnerschaft zufrieden sei. Jenes wurde in Absprache mit Pink Cross ausgehandelt soviel ich weiss. Seine Antwort (sinngemäss): Mehr war damals nicht zu bekommen, jetzt ist die Situation anders. Ich denke, dass die ‘Ehe für alle Homosexuelle’ (darum geht es ja aktuell) nur die Speerspitze ist. Kommt das durch, wird vieles mehr gefordert werden und es gibt dann auch keine Argumente, die dagegen ins Feld geführt werden können.
Zum Doppelgebot der Liebe.
Über dieses Gebot läuft bei vielen, die eine ‚biblische‘ Begründung wollen, die Haupt-Argumentation. Es bleibt ihnen fast nichts anderes übrig, weil die Bibel bei allen Stellen, die über Homosexualität reden, nur negativ darüber redet. Es sind ja wenige Stellen, aber ein Befund scheint mir klar: Überall da, wo Homosexualität in der Bibel thematisiert wird, ist die Positionierung negativ. Darum: will man eine christliche-biblische Begründung finden, FÜR ausgelebte Homosexualität und die Ehe für Homosexuelle, dann muss man Bibelstellen finden, die nicht über Homosexualität reden, um diejenige auszuhebeln, die Homosexualität reden. Dazu wird das Doppelgebot der Liebe als geeignet angesehen.
Die Strategie der Befürworter von ausgelebter Homosexualität aus christlicher Sicht beruht auf der Mehrdeutigkeit des Wortes ‚Liebe‘. Nur Dank dieser Mehrdeutigkeit können sie den Leuten weismachen, dass das Neue Testament für die ‚Ehe für alle‘ sei — meiner Meinung nach fälschlicherweise.
Wir brauchen das gleiche Wort ‚Liebe‘, um Liebe für ein feines Essen zu bezeichnen, für schnelle Autos, Liebe zu den eigenen Kindern, zu Freunde, die sexuelle Liebe, etc. Alle diese verschiedenen Arten von Beziehung werden mit einem Wort referenziert: Liebe. In anderen Sprachen ist das anders. Im Deutschen müssen wir also immer, wenn jemand das Wort ‚Liebe‘ benutzt fragen: Was für eine Liebe? Wie ist sie ausgestaltet? Dies müssen wir auch fragen, wenn wir das Neue Testament lesen: Wie FÜLLT das Neue Testament dieses Wort? Ich würde sagen, das Neue Testament liefert eine Antwort auf diese Frage.
Was bedeutet die Liebe Gottes zu homosexuellen Menschen? Sie bedeutet, dass Gott sie annimmt, wie er jeden Menschen annimmt. Was bedeutet die Liebe Gottes zum Menschen in Bezug auf dessen Umgang mit seiner Sexualität? Nun, dies wird genauer erläutert in den Bibelstellen, in denen explizit auf den Umgang des Christen mit seiner Sexualität eingegangen wird. Für Heterosexuelle wird geklärt, was die Liebe Gottes für ihren Umgang mit ihrer Heterosexualität heisst, z.B. eheliche Treue. Genauso klären die Bibelstellen, die über Homosexualität reden, was die Liebe Gottes bedeutet für den Umgang von homosexuellen Christen, mit ihrer Sexualität. Meine Deutung ist, dass Gottes Liebe ihnen Kraft gibt, enthaltsam zu leben. Ich weiss, ich weiss, ich darf als Heterosexueller solche Dinge nicht sagen. Trotzdem muss ich ein Verständnis gewinnen über die Botschaft der Bibel in diesem Bereich. Das versuche ich hiermit.
Zurück zum Doppelgebot der Liebe. Mir scheint, dass die Christen, die ausgelebte Homosexualität befürworten, das Wort ‚Liebe‘ im Doppelgebot nicht von der Bibel definieren lassen, sondern ihr eigenes, heutiges und von unserer Kultur geprägtes Verständnis von Liebe in den Text importieren. Und die grosse Mehrheit merkt es nicht – die Bibel wird ja zitiert. Ich wünsche mir von den christlichen Befürwortern der ‚Ehe für alle‘
ein Mass an ehrlicher Bibel-Gründlichkeit in diesem Bereich. Die ‘Liebe Gottes’ muss aktuell für allerhand Dinge hinhalten, die mitunter nichts zu tun hat mit der Art der Liebe Gottes, wie sie uns gezeigt ist in der Bibel. Wenn man selber definiert, was der Inhalt des Wortes ‚Liebe‘ ist, kann man die Bibel nahezu alles ‚bedeuten lassen‘, was man möchte. Mit einem solchen Vorgehen, schwächen die Befürworter der ‚Ehe für alle‘ aber ihr Anliegen. Sie müssten etwas finden, das besser ‚verhebbet‘ als das.
Aus meiner Sicht ist das die Schlüsselfrage: Was bedeutet es, als Christ in der Gegenwart unseres uns liebenden Schöpfers aufzublühen und zu reifen in unserer Sexualität? Aus meiner Sicht, und angenommen es gibt einen Schöpfer, der uns liebt und den besten Weg für unsere Leben kennt: Leben in seinen Wegen muss auf jeden Fall das sein, was uns als Mensch und als sexuelles Wesen aufblühen, reifen und mündig werden lässt.
Ich teile deine Ansicht und Einordnung. Im griechischen NT wird ja zwischen Agape, Filo und Eros unterschieden. Also der bedingungslosen Liebe, der Bruderliebe und der erotischen Liebe. Die 1:1 Übertragung der Agape-Liebe im doppelten Liebesgebot auf Eros scheint mir unangemessen. Wie du schreibst, werden damit die Aussagen zu Eros (positiv und einschränkend in der heterosexuellen Ausrichtung, negativ und verneinend in der homosexuellen Ausrichtung) negiert.
Der Weg der Enthaltsamkeit ist ja nicht nur für homosexuell Empfindende in der Bibel als Leitschnur, sondern für alle Formen ausserhalb der lebenslänglich-monogamen heterosexuellen Ausrichtung als einzig heilvoller Weg erkennbar. Dabei geht es nicht um ein Vorenthalten von irdischen Freuden, sondern um ein der Heiligkeit entsprechendes Leben, die Gott uns mit der Identätit als seine Kinder zuspricht.
Noch ein Wort zu “Ehe für alle Homosexuellen”: meines Erachtens stimmt auch das nicht, da Treue und Verbindlichkeit in homosexuellen Kreisen anders definiert wird. Vor rund acht Jahren, als ich mich sehr stark damit auseinander gesetzt habe, haben zwei deutsche Homosexuellenverbände ihre Definitionen von Treue formuliert. Sinngemäss lauteten die: “Treue ist, wer nicht mehr als drei Sexualpartner pro Jahr hat.” respektive “Treue ist, wer nur eine emotional-verbindliche Beziehung aufs Mal eingeht, reine Sex-Beziehungen sind davon nicht betroffen.”
Wir müssen immer wieder neu klären, worüber wir reden, bis auf die unterste Wortebene. Das macht die Diskussion sehr aufwändig und mühsam.
Zum Punkt 1 ist NT Wright interessant, David: “When anybody, pressure groups, governments, civilisations, suddenly change the meaning of key words, you really should watch out.”
https://www.youtube.com/watch?v=xKxvOMOmHeI&t=4s
Super Artikel, vielleicht etwas akademisch.😎Wenn die Kirche dazu ja sagt, ist der nächste Scritt zur Abschaffung gemacht. Ich halte es mit Petrus: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Danke Erwin! Petrus: completely agree!
Vielleicht willst du diesen Grammatikfehler noch ausbügeln? “Auf der einen Seite spricht Bolz-Weber spricht hier vom Design Gottes.”
Thx Daniel für den Hinweis. Hab’s erledigt 🙂