Welche Story erzählst du über deinen Körper? Welche Narrative hören wir in unserer Kultur über unseren Leib? Seit einigen Jahren inspiriert mich die Frage nach dem Körper und dessen Bedeutung für eine Reise mit ungeahnt schönen Entdeckungen!
Google Ingenieur und Zukunftsforscher Raymond Kurzweil erzählt eine Story über den menschlichen Körper. Kurzweil glaubt, dass wir bald in der Lage sein werden, das ‘innere Ich’ unseres Körpers in einen Computer zu übertragen. Von dort aus ist der Länge unseres ‘elektronischen Lebens’ keine Grenze gesetzt. Der australische Ethiker Nicholas Agar zeichnet Kurzweil’s Sicht des Körpers folgendermassen. Unsere Körper sind…
…wegwerfbare Fluchtkapseln, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt haben, uns lange genug am Leben zu erhalten, um elektronische Unsterblichkeit zu erreichen (Nicholas Agar, Humanity’s End, Seite 105, eigene Übersetzung)
Kurzweil sieht den Körper von uns Menschen also als ein Hindernis für das eigentliche (elektronische) Leben, das wir haben sollten. Der Körper hat nur solange eine Berechtigung, als es uns am Leben erhaltet auf dem Weg dahin.
Unsere Kultur erzählt viele Narrative über den Körper. Einige glorifizieren den Körper und zeigen dies durch ihr Fitness Programm, ihre Diäten, die entsprechenden Kleider, die sie tragen. Sie erzählen eine andere Story als Kurzweil. Welche Story erzählst du über deinen Körper? Ich will nicht allzu seelsorgerlich klingen, aber ich kann nicht anders: Wie geht es dir mit deinem Körper?
Die Narrative des Körpers sind heutzutage manchmal ideologisch aufgeladen. Deshalb interessiert es mich als Christ, welche Story die Bibel über unseren Körper erzählt, und ob das eine ‘better Story’ ist, als die vorhandenen Alternativen. Was ich dort entdeckt habe, ist nach meinem Empfinden atemberaubend schön! Zu diesem Artikel hat mein Co-Pastor Simi Speck kürzlich eine tolle Predigt gehalten (Für alle deutschen Freunde: Sie ist in eurer wunderbaren Sprache gehalten…).
Gott hat ein fundamentales JA zum physischen Körper
Dies wird in den ersten Sätzen der Bibel geklärt. Gott erschafft die materielle Welt und bezeichnet alles, was er erschaffen hat, mit dem Prädikat ‘gut’. Dazu gehört der Körper der beiden Menschen, die er ins Leben ruft:
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde… Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. (1Mo 1:27 und 1Mo 1:31)
Die Idee des physischen Körpers findet Gott derart super, dass er selbst in Jesus Christus einen menschlichen Körper annimmt:
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns (Joh 1:14)
Die Idee, dass Gott Mensch wird, war zur Zeit von Jesus womöglich der grössere Skandal, als die Auferstehung Jesu. Es gab damals unterschiedlichste Philosophien und auch christliche Sondergruppen, welche die gemeinsame Überzeugung teilten, dass die materielle Welt schlecht oder böse ist. Diese doketischen Strömungen hatten an diesem Punkt viel gemeinsam mit gnostischen Gruppen welche glaubten, dass eine zweitrangige, ignorante Gottheit (manchmal ‘Demiurg’ genannt) die physische Welt aus lauter Bosheit geschaffen hat. Für solche Menschen war es ein Skandal zu glauben, dass Gott sich beschmutzt, indem er in Jesus Christus einen physischen Körper annimmt. Ein Gott der müde wird?! Der auf die Toilette muss?! Der leidet?! Der es nötig hat zu essen und zu trinken?! Undenkbar dumm, irrational, häretisch — in ihren Augen.
Die Meinung dieser Menschen scheint wenig Einfluss auf Jesus gehabt zu haben. Er mochte den menschlichen Körper derart gut, dass er ihn — gemäss der Bibel — nicht als etwas sah, das er sobald wie möglich wieder loswerden wollte. Als er seinen irdischen Auftrag zu Ende führt, geht er mit Körper in den Himmel. An diversen Stellen der Bibel sehen wir, dass Jesus Christus als der inkarnierte Gott-Mensch weiter existiert (siehe beispielsweise die Menschensohn-Stellen nach der Himmelfahrt, u.a. Apg 7:56). Jesus sagt bei seiner Auffahrt in den Himmel nicht seufzend “endlich kann ich diesen lästigen Körper abstreifen!” sondern er behält ihn! Diese Vorstellung ‘blows my mind’ — sagen die Engländer. Es ist der denkbar stärkste Beweis, dass Gott ein fundamentales JA zum Körper hat. Er beweist es… am eigenen Körper. C.S. Lewis fasst zusammen:
Das Christentum ist nahezu die einzige unter den großen Religionen, die den Körper durch und durch bejaht. Aus christlicher Sicht ist Materie etwas Gutes. Gott selbst hat einmal einen menschlichen Leib angenommen, und wir werden auch im Himmel einen irgendwie gearteten Körper bekommen, der dann ein wesentlicher Teil unserer Seligkeit, unserer Schönheit und unserer Kraft sein wird. (C.S. Lewis, Pardon, ich bin Christ, Kindle Position 1592)
Unser Körper ist ein Geschenk Gottes an uns
Die Bibel beschreibt unseren Körper als ein Geschenk Gottes an uns. Er beschenkt uns auf verschiedene Weise.
Durch den Körper segnet uns Gott mit Individualität
Du bist es ja auch, der meinen Körper und meine Seele erschaffen hat, kunstvoll hast du mich gebildet im Leib meiner Mutter. Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht (Ps 139:13–14)
Gott erschafft beide Aspekte unser Existenz: die nicht-materielle Seele und den materiellen Körper. David war sich bewusst, dass wir in einer gefallenen Welt leben, die vom Bösen signifikant beeinflusst ist, inklusive unserer Körper. Trotzdem weiss David: Gott hat unsere Körper kunstvoll gebildet. Wir sind kein Massenprodukt, sondern individuell geformt. Es gibt keinen anderen wie mich oder dich, weil Gott jeden von uns persönlich und anders geschaffen hat.
Das bedeutet nicht, dass unser Körper perfekt ist. Doch sogar unsere gefallenen Körper sind kunstvoll gestaltet. Vielleicht ist unser Körper nicht so, wie wir ihn haben wollen, aber Gott wusste was er tat, als er dir deinen Körper gab. Mir ist klar, wie heikel diese Aussage ist und wie leicht sie missverstanden werden kann. Was ist zum Beispiel, wenn mein Körper Behinderungen hat? Kann ich diese Aussage dann immer noch machen? Im zweiten Artikel werde ich etwas mehr darauf eingehen. An dieser Stelle will ich Mut machen auszuhalten: David wusste, dass die Körper von uns Menschen nicht immer perfekt sind und er macht diese Aussage von Ps 139:13–14 trotzdem. Wir lesen, dass der Sohn von David’s bestem Freund Jonathan gelähmt war und am Hof von David lebte (2Sam 9:1–13). David wusste um Körper mit Behinderungen.
Die Bedeutung und Güte des menschlichen Körpers ist derart konkret und stark, dass eine Behinderung nicht zu einer umfassend negativen Aussage über den Körper führen kann. Unser Körper hat auch dann — und vielleicht besonders dann — grossen Wert, immense Bedeutung. Es wäre nicht gut, einem Körper mit Behinderungen einen derart negativen Wert zuzuschreiben, dass wir ihn loswerden sollten. Nicht-biblische Ideologien haben derartige Gedanken gehabt — mit schrecklichen Folgen. Aus Sicht der Bibel hat jeder Mensch einen Körper mit grossem Wert und Bedeutung. Unser Körper ist nicht ein ‘Klumpen von Molekülen’, keine Randnotiz unseres eigentlichen «seelischen Ich’s», keine Kurzweil’sche Fluchtkapsel, sondern ein Geschenk Gottes mittels dem er uns mit Individualität segnet.
David bricht der Dank und die Ehrfurcht über die Lippen als er das realisiert. David dankt Gott für seinen Körper! Danken wir Gott für unseren Körper. Er ist nicht perfekt. Er ist nicht immer, wie wir ihn haben wollen. Aber er ist Gottes Geschenk an uns. Wenn wir ihm dafür danken und die Ehre geben, fangen wir an, uns mit unserem Körper zu versöhnen.
Durch den Körper segnet uns Gott mit Lokalität
Unser Körper gibt uns einen Rand, eine Grenze, eine Positionierung im Raum, eine Verortung. Wir sind nicht an zwei Orten gleichzeitig, sondern müssen den einen Ort verlassen, um an einem anderen Ort zu sein. Indem Gott uns einen Körper gibt, segnet er uns mit Lokalität:
Gott, der Herr, brachte den Menschen in den Garten Eden. (1Mose 2:15)
Diese Einsicht tut meiner Seele wohl! Einen Rand haben, eine Grenze besitzen, ist etwas, was unsere Kultur eher ablehnt. Sicher gibt es Grenzen, die wir durch unsere Erziehung, Prägung und Persönlichkeit unnötigerweise angelernt haben und ablegen dürfen. Trotzdem scheint es mir, dass unsere Kultur unbegrenzt sein möchte. Wir wollen uns weiterentwickeln, die Grenzen unseres Seins überwinden, auf Biegen und Brechen anderswo hinkommen, an mehreren Orten gleichzeitig sein. Was für ein Stress! Doch Gott schenkt uns einen Körper und damit eine Grenze, einen Rand. Damit fliesst viel Segen in unser Leben:
Grenzen machen uns heimisch. Sie machen es möglich, dass wir an einem Ort Heimat finden. Heimat haben hat damit zu tun, dass man verwurzelt ist an einem konkreten Ort, in einer spezifischen Kultur, Sprache, Umgebung, sozialen Gemeinschaft. Dies geht nur, wenn man einen Rand hat, eine Grenze. Mit unserem Körper segnet uns Gott mit der Fähigkeit, einheimisch zu werden.
Grenzen schützen uns, z.B. vor Überforderung und Burnout. Wir haben im Unterschied zu Gott nicht unlimitiert Energie und Ressourcen. Wir brauchen Schlaf. Unsere Grenzen zu verachten kann dazu führen, dass wir uns selbst überfordern oder sogar ins Burnout fallen. Wer seinen Rand respektiert, bleibt geschützt vor Überforderung.
Grenzen machen Beziehung möglich. Wären wir diffuse Wesen, würde man nicht wissen, wo man uns findet. Die Tatsache, dass wir einen Rand haben ermöglicht es, dass man mit uns Kontakt aufnehmen kann. Wir haben sozusagen eine Adresse, an der wir ansprechbar sind: Unseren Körper. Mittels unseres Körpers macht es uns Gott möglich, Beziehungen zu haben.
Grenzen helfen uns, ganz da zu sein. Als die 3 Freunde von Hiob ihn trösten wollen, kommen sie physisch zu ihm (Hiob 2:11–13). Sie schicken ihm nicht eine Email. Sie trösten ihn nicht via Twitter, sondern sie kommen physisch zu ihm. Damit machen sie klar, dass sie ganz da sein wollen bei Hiob und nicht auch noch anderswo. Eine Grenze haben bedeutet, dass wir mit der Fähigkeit gesegnet sind, ganz da zu sein.
Grenzen geben uns eine Form. Dieser Punkt ist ähnlich wie das, was ich unter ‘Individualität’ gesagt habe. Doch gibt etwas Allgemeineres zu sagen. Dort ging es darum, dass jeder Mensch anders ist als alle anderen Menschen. Hier geht es darum, dass Gott uns gewissermassen mit einer typischen Form geschaffen hat, mit einer Kontur oder Gestalt. Im ersten Kapitel der Bibel wird klar, dass Gott verschiedensten Geschöpfen eine unterschiedliche Art gibt. Beim Menschen wird ausdrücklich gesagt, dass es zwei Formen der Geschlechtlichkeit gibt:
So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau schuf er sie. (1. Mose 1,27)
Durch unseren Körper segnet uns Gott also mit einer geschlechtlichen Form. Es gibt nicht ‘den Menschen’ sondern es gibt ‘Mann’ und es gibt ‘Frau’. Dies ist eine Überzeugung, die mitunter zu Sorgen und Nöten führt, wie wir im nächsten Artikel sehen werden. Dies ist auch eine Überzeugung die heutzutage ideologisch vehement bestritten wird. Lassen wir es für den Moment mal so stehen: Die Bibel beschreibt unsere geschlechtliche Form als etwas, womit Gott uns mittels unseres Körpers segnet.
Durch den Körper segnet uns Gott mit Identität
Wir sagen schnell einmal “ich habe einen Körper”. Das klingt, als sei das Verhältnis zwischen Körper und Seele eines von Besitz und Besitzer — mit der Seele als Besitzer des Körpers. Im Film Avatar ist die Idee, dass die ‘Seele’ einfach in einen anderen Körper schlüpfen kann, mitunter sogar von einer völlig anderen Art. Auch wenn es nicht ganz falsch ist zu sagen “ich habe einen Körper”, zeichnet die Story der Bibel ein viel engeres, intimeres Verhältnis zwischen Körper und Seele: Wir haben nicht einen Körper, sondern wir sind ein Körper.
Da formte Gott, der Herr, aus der Erde den Menschen und blies ihm den Atem des Lebens in die Nase. So wurde der Mensch lebendig. (1. Mose 2,7)
Gott schafft nicht eine Seele und ‘pappt’ dann Fleisch, Knochen und Hautmasse daran, damit die Seele existieren kann. Es geht anders herum. Zuerst formt er unseren physischen Körper und beseelt diesen dann. Wir sind ein beseelter Körper. Wir sind mehr als nur Körper (die Seele ist auch ein Aspekt), aber Körper sind wir.
Wenn meine Kinder ein Glas vom Tisch schlagen und es kaputt geht, sagen sie manchmal “das war nicht ich, das war meine Hand!”. Lachend wissen alle genau, dass es nicht einfach die Hand war, die das Malheur verursachte, sondern das Kind selbst. Wenn wir essen, sagen wir nicht “mein Mund isst”, sondern “ich esse”. Wenn wir spazieren, sagen wir nicht “meine Füsse gehen” sondern “ich gehe”. Die Bibel sagt nicht, dass wir einen Körper haben, sondern dass wir ein Körper sind. Dies hat immense Auswirkungen auf alles, was wir mit unserem Körper tun: Wir selbst tun es dann! Was wir mit dem Körper tun oder nicht tun, involviert unser ganzes Selbst, uns als Person.
Zwischenfazit
Die ‚better Story‘ der Bibel über unseren Körper inspiriert uns zu einem Lebensstil. Darum:
# Lebe individuell.
Lebe im Bewusstsein, dass du ein Unikat bist. Es gibt keinen wie du, und zwar dank deines Körpers. Geniesse diese Tatsache!
# Lebe lokal
Beginne deine Begrenzung, deinen ‚Rand‘ als Segen zu sehen. Geniesse es, an einem Ort Heimat zu finden. Finde Heimat auch in deinem Körper. Gehe nicht über deine Grenzen hinaus, damit du nicht in Überforderung oder Burnout endest. Triff andere Menschen physisch, nicht nur online. Lebe im Bewusstsein, dass Gott dir eine Form gegeben hat die ein Segen ist — auch deine geschlechtliche Form als Mann oder Frau.
# Lebe integriert
Pflege sowohl deinen Körper wie auch deine Seele, denn das eine hat Auswirkung auf das andere.
# Lebe dankend
Gib deinem Körper dasselbe JA, wie Gott deinem Körper sein JA gibt. Sieh es als Segen an, dass Gott dir einen Körper geschenkt hat, selbst wenn dir dieser auch gewisse Mühe bereitet. Fang’ an wie David, Gott zu danken für deinen Körper. Dies mag für dich ausserordentlich schwierig sein! Wage es trotzdem. Fang’ mit den Körperteilen an, an denen du Freude hast. Mit der Zeit schaffst du es vielleicht zu danken für Bereiche deines Körpers, die dir Mühe machen, die du ablehnst, die du abweisen oder abschneiden willst.
Im nächsten Artikel werden wir eine zentrale Botschaft der better Story der Bibel kennenlernen: Unser Körper ist derart wertvoll, dass wenn Gott uns erlöst, er uns nicht von unserem Körper erlöst, sondern er erlöst unseren Körper.
Eine ‘Better Story’ für unsere Körper (1/3). Predigt von Simi Speck:
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