Kirchen sind Räume der Gnade für Menschen, die Jesus Christus kennenlernen wollen, zum Glauben an ihn kommen und als Christen aufblühen sollen. In dieser Serie von 3 Artikeln präsentiere ich den 3AB Weg als Orientierung in ethischen Situationen, wenn Menschen in die Gemeinde kommen mit sexualethischen Praktiken, die für uns eine Herausforderung sind. Der 3AB-Weg hilft, in solchen Situationen die Kirche als Raum der Gnade zu gestalten.
Im ersten Artikel dieser Serie habe ich die Kirche in Korinth beschrieben als konkretes Beispiel von einem Raum der Gnade. Im zweiten Artikel präsentiere ich 9 Thesen, die sich aus dem Beispiel von Korinth ableiten lassen. Sie bilden das Rückgrat für den 3AB Weg, den ich nun beschreibe.
Als ich zum ersten Mal beim Lesen von 1Kor 6:12–20 merkte, dass Paulus vermutlich konfrontiert ist mit Christen in der Gemeinde, die zu Prostituierten gehen, war ich schockiert! Schockiert um der Würde der Frauen willen. Schockiert um der Würde der Männer willen. Schockiert, dass christliche Männer so agieren. Ich war auch schockiert über das Verhalten von Paulus! Alles in mir protestierte: “Das kannst du einfach nicht machen Paulus! Das Verhalten dieser Männer in der Kirche darfst du in keinster Weise tolerieren! Lieber Paulus, bei allem Respekt: Gegenüber diesen Männer darfst du einzig und allein so handeln, wie du es im Inzest-Fall getan hast!” Aber Paulus tut es nicht. Paulus agiert differenzierter, als ich zu denken fähig war.
In unserer Kultur sind wir als Christen und Kirchen konfrontiert mit Beziehungs-Entwürfen, die mitunter komplett gegen die in der Bibel offenbarten Würde der Menschen gehen. Einige dieser Beziehungs-Entwürfe können inzwischen als legale Ehe formalisiert werden, andere werden es vielleicht noch. Wir werden in diesem Artikel einige dieser Lebensformen nennen. Wie reagieren wir, wenn solche Menschen in die Gemeinde kommen wollen? Reagieren wir mit demselben Protest, wie ich von mir soeben beschrieben habe, der zu undifferenziertem Verhalten führt?
Ich habe für mich persönlich gemerkt, dass ich von Paulus lernen will. Wie agiert Paulus, der Missionar zu den Heiden, der ringt und kämpft um das Heil dieser Heiden, weil er sie in Christus liebt? Was tut er? Was tut er nicht? Dies habe ich in den vergangenen beiden Artikeln zu beschreiben versucht. In diesem dritten und letzten Artikel schlage ich eine Art Systematisierung vor, die einfach genug ist, dass wir ein Modell vor Augen haben können, wenn wir in der Gemeinde-Praxis unterschiedlichsten Situationen begegnen. Systematisierungen haben meistens ihre Grenzen. Trotzdem wage ich den Versuch, euch den 3AB Weg vorzuschlagen als einen Weg, der gemeinsam mit Menschen, die Jesus kennenlernen wollen, beschritten werden kann. Dieser Weg ist übrigens genauso relevant für den Fall, wenn langjährige Christen anfangen, die “Wege der Welt zu gehen”.
Übersichtliche Darstellung des 3AB Weges
Der 3AB Weg | Was die Kirche beiträgt | Was die Menschen beitragen, wenn sie ankommen | Bezieht sich auf die Thesen |
Schritt 1 | Annehmen (lieben) | Besuchen (Interesse zeigen) | 1, 2, 3 |
Schritt 2 | Ansprechen (lehren) | Beschäftigen (Gehörtes bedenken) | 4, 5, 6 |
Schritt 3 | Anleiten (vorleben) | Bewähren (In der Nachfolge Jesu aufblühen) | 7, 8, 9 |
In dieser Tabelle sind je drei Aktivitäten aufgeführt, welche die Gemeinden und die Menschen beitragen müssen, damit die Gemeinde zu einem Raum der Gnade wird, wo die Menschen heilen, aufblühen, sich bewähren und in ihren Dienst hineinwachsen.
Die Kirche muss die Menschen in Jesu Liebe annehmen, sie auf passende Weise mit der guten Lehre der Bibel ansprechen und sie in der Jesus-Nachfolge anleiten. Wenn die Menschen selbst jedoch ihre Anteile nicht beitragen, wird diese Gemeinde zwar alles richtig machen, aber dennoch ohne die gewünschte ‘Frucht’ bleiben. Die Menschen müssen durch ihren Besuch Interesse an der Kirche zeigen, sie sollen sich mit der Lehrinformation welche ihnen vorgelegt wird beschäftigen und anschliessend Schritte in die Bewährung machen, indem sie das Erkannte in ihrem Leben umsetzen. So fängt ihr Leben mit Jesus an aufzublühen. Ebenso fruchtlos ist es, wenn die Menschen ihren Anteil bringen, aber die Kirche sie nicht annimmt, sie nicht auf passende Weise lehrt und ihnen die Wege Jesu vorlebt. Es ist ein Weg, der gemeinsam beschritten wird und es braucht dazu das Geschick des richtigen Zusammenspiels, was letztlich eine Gnade ist.
Beispiel 1: Polygame Familien in Afrika wurden in der Kirche willkommen geheissen
In den vergangenen Jahrhunderten kamen Missionare und Missionarinnen in Gebiete der Welt, wo viele Familien polygam waren, wo also ein Mann mehrere Ehefrauen hatte. Wie sollten die entstehenden Gemeinden damit umgehen, wenn Jesus sich doch klar dagegen ausspricht, mit mehreren Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein? Was auch immer genau Jesus in Mt 19:1–12 lehrt, das lehrt er hier bestimmt.
In den Berichten dieser transkulturellen kirchlichen Mitarbeitenden sieht man die Schritte des 3AB-Modells gut. Anfangs dachten manche Organisationen, dass die Menschen zuerst monogam werden mussten, bevor sie Christ werden konnten. Sie forderten, dass die Ehemänner sich von allen Frauen, ausser von einer, scheiden lassen. Einige taten dies tatsächlich. Die Auswirkungen davon waren meist, dass die Frauen sich prostituieren mussten, da sie zuhause bei den Eltern wegen der Scham der Scheidung keine Unterkunft fanden. Dieser Ansatz funktionierte also nicht und erwies sich als unverantwortlich gegenüber den Frauen und auch den Kindern.
Was anschliessend vielerorts getan wurde, waren Varianten des 3AB-Weges. Die polygamen Familien wurden in der Gemeinde aufgenommen und ganz als polygame Familien willkommen geheissen. Das ist der erste Schritt des 3AB-Weges. Der nächste Schritt wurde aber ebenfalls beschritten: Die Lehre Jesu zur Ehe wurde eingebracht, damit die Menschen zu verstehen begannen, warum die Gemeinden zwar polygame Familien willkommen heisst, aber keine neuen polygamen Ehen gründet. Wie in der These 7 des vorherigen Artikels formuliert: Es braucht die Lehre, damit Notordnungen nicht zu Normalordnungen werden. Dies führt zum Schritt 3 des 3AB-Weges: Wenn ein Ehemann mit dem Wunsch für eine Hochzeit mit einer zusätzlichen Frau zum Pastor kam, konnte man plausibel begründen, weshalb man dies ablehnte. Und der Mann hatte die Gelegenheit zur Bewährung in seiner Jesus-Nachfolge.
Wenn polygame Christen in eine Vorbildrolle der Gemeinde kommen wollten, gab es oft ein weiteres Element, das im dritten Schritt des 3AB-Weges enthalten ist. Ohne dass die Ehe geschieden wurde, bat man die Familie, zu klären, zwischen wem sexuelle Intimität stattfand. Der Mann sollte mit allen, ausser einer Frau, in einen platonischen ‘Wohngemeinschafts-Modus’ gehen. Man blieb verheiratet und sorgte füreinander und für die Kinder, doch Sexualität wurde monogam gelebt. Christen sollten die Verantwortung einander zu versorgen, die sie durch die polygame Eheschliessung für einander eingegangen sind , nicht aufgeben. Darum blieben auch Vorbilder in der Gemeinde juristisch polygam. Aber was die sexuelle Intimität anging, folgte ein Schritt in die Monogamie.
Uns mag dies alles speziell vorkommen, und Fragen aufwerfen. Was ist z.B. mit den Frauen, die jetzt plötzlich keine sexuelle Intimität leben dürfen? Das ist eine gute Frage, die an einem anderen Ort behandelt werden muss. Wir sehen hier einfach, wie Christen aus vergangenen Zeiten versucht haben die Wege Jesu in einem kulturellen Umfeld, das an bestimmten Punkten weit weg war von dem, wie Jesus es möchte und der Würde der Menschen entspricht, zu gehen.
Beispiel 2: Einem Aktivist für Schwulenrechte wird die biblische Sicht plausibel
Ein ehemaliger australischer Aktivist für Schwulenrechte, David Bennett, berichtet in seiner biographischen Erzählung von seinem Weg zur Liebe von Jesus. Er erzählt interessanterweise auch darüber, wie die Gemeinde ihm dabei half. Die Lektüre ist spannend und zeigt ebenfalls die Schritte des 3AB-Modells.
Der wichtigste Punkt scheint mir, dass David Zeit brauchte, als er zum Glauben an Jesus Christus kam, damit ihm die Sicht von Jesus in Bezug auf seine Homosexualität plausibel werden konnte. In dieser Zeit war er noch mit seinem Partner zusammen und besuchte regelmässig die Gottesdienste und Gebetsstunden der Gemeinde. Seine Gemeinde lebte Annahme (Schritt 1) während dem sie ihm auch die Inhalte der Bibel lehrte. Dabei half die Gemeinde ihm, die Texte in ihrer ursprünglichen Aussageabsicht zu verstehen (Schritt 2), anstatt sie vorbestimmt von den liberalpolitischen Vorurteilen gegenüber dem biblischen Text abzuwerten.
David Bennett berichtet eindrücklich, wie die Kraft des Heiligen Geistes, kombiniert mit den Inhalten der Bibel, ihn immer mehr in Richtung selbstgewählten zölibatären Lebensstil führten (Schritt 3). David Bennett hat mir gegenüber diesen Schritt in mehreren Gesprächen ausdrücklich ein Aufblühen genannt. David hat mir erklärt, dass er es wirklich so empfindet. Dies habe damit zu tun, dass er eine Liebe gefunden hat, die grösser und stärker und schöner ist als jede Liebe, die ihm ein Mann jemals schenken könnte: die Liebe Gottes.
Die Kirche von David Bennett ging mit ihm einen 3AB-Weg und wurde so für ihn ein Raum der Gnade, wo David heilen und aufblühen, sich bewähren und in seinen Dienst hineinwachsen konnte.
Wir sind zum Weiterdenken eingeladen und herausgefordert
Mir ist klar, dass in der biblischen Ethik ausgelebte Homosexualität nicht in der gleichen Rubrik läuft wie heterosexuelle Polygamie. Polygamie ist in der Bibel eine zeitlich begrenzt tolerierte Notordnung für heterosexuelle Ehen. Jesus beendet diese Zeit in Matthäus 19:1–12. Ähnliches kann man von ausgelebter Homosexualität nicht sagen. Sie wird in der Bibel in keiner Variante neutral beschrieben, akzeptiert oder mit einer Notordnung versehen, auch wenn ausgelebte Homosexualität im heidnischen Umfeld der Bibel durchaus vorkommt, akzeptiert und zelebriert wird (und zwar nicht nur in missbräuchlichen, päderastischen, sondern auch in einvernehmlichen, treuen Beziehungen unter Erwachsenen). Auf die Interpretation, was dieser Befund für gleichgeschlechtlich Empfindende bedeutet, kann ich hier nicht eingehen. Das erwähnte Buch von David Bennett ist schon mal ein guter Startpunkt.
Einige meiner Leserinnen und Leser werden laut protestieren über diesen biblischen Befund und meine Hermeneutik als zu wenig progressiv und deshalb als zu aggressiv bezeichnen. Ich erinnere sie daran, dass selbst wichtige Verfechter der Segnung von homosexuellen Beziehungen diesem Befund zustimmen. Für eine vertiefte Auseinandersetzung, die ich hier nicht leisten kann, verweise ich auf die weiterführende Literatur am Ende dieses Artikels.
Für andere Leser mag es einer Frechheit nahekommen, das Beispiel der Polygamie im gleichen 3AB-Weg zu durchdenken wie ausgelebte Homosexualität. Für sie ist es undenkbar, ein verheiratetes homosexuelles Ehepaar im Gottesdienst willkommen zu heissen. Diese Leser erinnere ich an die beiden Gründe, weshalb ich Homosexualität im gleichen Modell reflektiere wie die Polygamie. Erstens: egal wie unbiblisch das Denken der Menschen sein mag, die zum Glauben an Jesus kommen, ist es eine der Schlüsselaufgaben der Gemeinde, ihnen behutsam christlich-biblische Denkansätze zu erklären. Dafür braucht es Zeit. Zweitens: wenn homosexuelle Paare Verantwortung füreinander und für Kinder übernehmen, stellt sich uns die wichtige Frage, wie sie diese Verantwortung weitertragen können, falls sie sich – wie David Bennett –zu einem zölibatären Lebensstil entscheiden. Hier müssen wir meiner Ansicht nach ähnliche Gedanken denken, wie die Missionare und Missionarinnen bei den polygamen Familien. Wie könnte der platonische ‘Wohngemeinschafts-Modus’ für homosexuelle Paare aussehen?
Es geht mir hier auch nicht primär um Homosexualität. Homosexualität ist lediglich das aktuelle kulturelle Paradebeispiel, mit dem wir in der westlichen Welt betroffen sind. Es ist wichtig, unser Denken immer wieder von diesem spezifischen Themenfeld zu lösen, und andere (insbesondere auch heterosexuelle) Beispiele zu durchdenken. Ich ermutige deshalb meine Leserinnen und Leser, die 9 Thesen des vorherigen Artikels und das 3AB-Modell zu diskutieren für Situationen, wie zum Beispiel die folgenden. Wie gestalten wir Kirche als Raum der Gnade für
- Menschen, die im Konkubinat oder Alterskonkubinat leben?
- Männer und Frauen, die in polyamorösen Beziehungsnetzwerken leben?
- homosexuellen Paaren mit Kindern?
- Menschen, die an unterschiedlichen Punkten in einer Geschlechtsumwandlung stehen?
- Menschen in kompliziert verflochtenen Patchworkfamilien, die durch eine juristische Klärung gemäss biblischen Leitlinien viel Geld verlieren würden?
- Menschen, die mit Suchtproblemen zu kämpfen haben, die massiven Einfluss auf andere Menschen haben, wie z.B. Alkohol oder Pornografie?
- Menschen, die wegen Pädophilie oder anderem sexuellem Fehlverhalten juristisch verurteilt wurden?
- Betrüger im Finanzsystem?
- Menschen die mit Sünden leben und sie tolerieren, die (wie schon erwähnt) Einfluss auf andere Menschen haben, wie z.B. Verleumdung, Mobbing, Verschuldung?
Wie hilft in solchen Situationen der 3AB Weg, dass die Kirche für sie zu Räumen der Gnade werden, damit sie zum Glauben an Jesus kommen können um danach heilen und aufblühen, sich bewähren und in ihren Dienst kommen können?
Anhang: Weiterführende Unterlagen zur Homosexualität
Bücher:
- Weil ich es will: Homosexualität. Wandlungen. Identität. 39 Lebensberichte (Markus Hoffmann, Herausgeber, Fontis, 1. September 2023)
- Liebe Total: Ein Aktivist der homosexuellen Bewegung begegnet Jesus (David Bennett, Fontis, 1. Oktober 2021)
- Evangelikale und Homosexualität (Johannes Traichel, jOTA Publikationen, 11. Juli 2022)
- Ist Gott homophob? (Sam Allberry, Christliche Verlagsgesellschaft, 22. März 2021)
Youtube:
- Sexuelle Orientierung in der Antike und im Neuen Testament (Prof. Dr. Armin Baum)
- Fünf Dinge für den Umgang mit unserer Sexualität (Sam Allberry)
Bilder: Catedral Metropolitana de Santiago de Chile, iStock
Herzlichen Dank für Eure wertvollen Beiträge und Gedanken! Als ich es gelesen habe, konnte ich nicht umhin auch noch etwas Kurzes anzufügen. ; )
Abigail Favale, eine ehemalige Feministin hat das Buch “The Genesis of Gender” geschrieben, welches bald auch in Deutsch erhältlich sein wird. Das Buch gibt einen guten Überblick zu der Geschichte der feministischen Wellen, und wie sich die Theorie um Gender in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Am Ende des Buches schildert sie ein Ereignis einer Transfrau, die durch die Begleitung einer Christin, zurück zum Glauben gefunden hat. Dabei haben mich folgende Gedanken angesprochen:
1. Die junge Christin arbeitete an einer vertrauten Beziehung.
2. Sie handelte nach dem Motto: Liebe in Wahrheit. Dies bedeutete, dass sie ihre “neue” Kollegin nicht nur oberflächlich annahm, sondern ernsthaft auf sie einging und mit ihr die Fragen klärte, welche die Kollegin beschäftigten.
3. Sie ging mit ihr den Weg zu der Gemeinde und damit zu Gott.
Daraus lerne ich: Echte Annahme bedeutet nicht, dass wir einfach sagen: “Du bist gut, wie Du bist”. Wir sollten dahin kommen zu sagen: “Du bist angenommen wie Du bist, aber Du musst nicht bleiben, wie Du bist!”
Vielleicht liegt es auch stark am einzelnen Christenmenschen und wie er im Alltag mit seinen Nächsten umgeht. ; )
Danke Andreas. Ich weiss um das Buch und um die Übersetzung. Ich freue mich sehr darauf! Ich finde das Beispiel, das du bringst, sehr passend zum 3AB Weg! Ein super Beispiel — danke! Dieses ‘Geschick’ müssen wir auf breiter Basis in den Kirchen echt wieder lernen. Das ist ein Schlüssel zur Zukunft. Nochmals danke.
David Bennett hat auf dem Studientag vom Netzwerk Bibel und Bekenntnis am 23.09.2023 in Schwäbisch Gmünd den Vortrag zum Thema „Wie ein atheistischer Schwulenaktivist Jesus fand“ gehalten:
https://www.youtube.com/watch?v=AXh05GoitFs
Super! Er war vor Deutschland eine Woche bei uns in der Schweiz und es war eine prägende Zeit mit ihm. Respektive: mit dem, was Gott uns durch sein Wirken an Bennett gezeigt hat von seiner Gnade, Liebe und seinem Wort
Lieber Paul, vielen Dank für den sorgfältigen Weg der Gnade, den du aufzeichnest. Ich sage dazu von Herzen JA! Wo ich leide: Ich erlebe halt dann oft, dass Menschen nicht bereit sind, sich ins Leben reden zu lassen. Natürlich muss ich mich da in erster Linie selber prüfen: Wie ist es mit der Annahme? Echt oder doch nur, wenn sie glauben und tun, was ich lehre? Wie ist es mit der Lehre? Ist es mir gelungen, diese wirklich verständlich zu vermitteln?
Auf der anderen Seite begegnen wir eben auch menschlichem Stolz und dem Hang zur Autonomie.
Und da benötigen wir dann Gottes übernatürliches Eingreifen. Wenn Menschen nicht durch den Geist (mit Hilfe unserer geisterfüllten Annahme und Lehre) überführt werden, sind sie nicht in der Lage, das neue Leben zu leben. Das Weizenkorn muss sterben, damit es Frucht bringt — unser Stolz muss sterben, damit wir von einem nicht Jesus gemässen Weg umkehren auf den Weg, der ihm gefällt (Joh 12:24).
Ja Rolf — das ist ein Punkt über den wir reden sollten. Was können wir tun, um die Chancen für ‘Belehrbarkeit’ zu erhöhen? Andere sprechen diesen Punkt auch an. In unserer pastoralen Erfahrungen ist dies ja einer der schwierigsten Punkte. Mir kommt zuerst das Gebet in den Sinn, und dann ein paar weitere Sachen. U.a. schwebt mir die Idee vor, von allem Anfang an viel offener und umfassender zu kommunizieren, was der Weg mit Jesus beinhaltet. Den Menschen auch sagen: Es braucht Umdenken, es wird nicht einfach, aber es wird gleichzeitig total super! (etc.) Und erst nachdem wir ganz offen kommuniziert haben, WOHIN DIE REISE GEHT, die Menschen fragen: wollt ihr es? Die ‘Salami-Taktik’ anwenden, weil man die Menschen möglichst nicht verletzen oder konfrontieren will, könnte in diesen Zeiten gerade der falsche Ansatz sein. Ich weiss es nicht wirklich, aber ich fände es super, mal in der grossen Runde offen über diesen von dir angesprochenen Punkt zu reden.
Ich denke, da habt ihr schon alles Wichtige gesagt. Gerade bei Paulus wird doch immer wieder sichtbar, wie er im Gebet um die Gemeinde gerungen hat. Wir beten doch, dass der Heilige Geist das tut, was wir eben nicht tun können. Das klare biblische Wort in Liebe gesprochen wäre dann unsere Aufgabe. Bei aller berechtigten Mühe den anderen zu gewinnen, dürfen wir dabei nicht vom Kurs abkommen, auch wenn der durch die gesellschaftliche Entwicklung verstärkte Gegenwind uns zunehmend unangenehm ins Gesicht blasen wird. Die von Paulus in einem anderen Zusammenhang an die Gemeinde in Galatien geschriebenen Worte kommen mir dazu in den Sinn: „Versuche ich so etwa, den Beifall von Menschen zu gewinnen und Menschen zu gefallen – oder nicht doch vielmehr Gott? Wenn ich jetzt Menschen gefallen wollte, dann wäre ich kein Diener von Christus mehr.“ (Gal 1, 10 NeÜ)
Der sehr hilfreiche Artikel von Peter bei Daniel Option zum Buch „Wenn Kinder andere Wege gehen“ fiel mir zu dieser Thematik auch ein. Ich habe das Buch noch ungelesen im Regal stehen, aber ich würde erwarten, dass es Einsichten liefert, die auch allgemein für die Gemeinde nützlich sind.
Hallo Paul, ich finde, dass dein 3AB Weg wichtige Orientierung gibt. Das Beispiel von David Bennett zeigt, wie hilfreich er ist, und ich würde ihn auch ganz im Sinne von Matthäus 18, 15ff (Sünde thematisieren) und Matthäus 5, 41 (die Extrameile mitgehen) sehen wollen.
Eine schwierige Frage dabei ist es sicherlich, abzuschätzen, wann man es mit Unbelehrbarkeit zu tun hat und wo es darum geht, dass schleichend ein anderes Ethikverständnis in der Gemeinde etabliert werden soll, mit dem sich dann auch eine andere Hermeneutik, ein anderes Evangelium, ein anderer Glaube breitmachen. Die Maßnahmen scheinen mir vereinfacht gesagt in zwei Richtungen verlaufen zu können, wie Paulus meinem Verständnis nach auch den Korinthern deutlich machen will („Was ist euch lieber? Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und Nachsicht?“ 1.Kor 4,21 NeÜ).
Noch abschließend ein Gedanke: Ich finde es interessant, wie Paulus die Gemeinde in Korinth anspricht, von der er doch weiß, was da alles im Argen liegt: „An die Gemeinde Gottes in Korinth, an die, die in Christus Jesus geheiligt sind, die berufenen Heiligen.“ (1. Kor 1,2 NeÜ). Da wird doch meiner Ansicht nach deutlich, was Gemeinde ist: ein Raum der Gnade (ohne Verdienst in Christus Jesus geheiligt) und ein Raum der Heiligkeit (Heiligkeit als Lebensaufgabe). Insofern würde ich einmal provokant sagen: „Gemeinde ist ausschließlich für Heilige und lese gerade auch den 1. Korintherbrief, um zu verstehen, was damit gemeint ist.“
Danke Udo — super was du schreibst! Wir könnten ja die erste These ändern von ‘Kirche ist für Sünder’ zu ‘Kirche ist für Heilige’ 🙂 Was du sagst stimmt: Kirche ist für in Christus Geheiligte und wir können im Korintherbrief schauen, was das bedeutet.
Ich finde es super, was du alles schreibst. Ja es war ein Chaos in Korinth, und dennoch schreibt Gott sie durch Paulus so an, wie du es sagst. Was für eine Ermutigung! Und du hast recht: eine der Schlüsselthemen ist Umgang mit Unbelehrbarkeit. Auch das ist ein Thema: Der bewusste und subversive Versuch einiger Leute, die Gemeinde in eine andere Richtung zu ziehen — möglichst ohne dass die Gemeinde es merkt. Hierzu gibt es Beispiele in der Bibel und wie man damit umgehen soll. Leider ist das in unserer Zeit eine der Haupt-Herausforderungen. Es wird unter allen möglichen ‘Deckmäntel’ versucht zu verführen. Ich finde übrigens die Argumentation der Männer, die zu Prostituierten gehen (1. Kor 6) spannend in diesem Zusammenhang. Sie nutzen wirklich christlich klingende Worte und Argumente. Aber nur christlich für Leute, die theologisch blauäugig sind oder zu wenig bewandert in biblischer Theologie. Paulus durchschaut die Argumente sofort und widerlegt sie. Für heute bedeutet das meiner Ansicht nach: Pastoren und Leiter müssen theologisch gebildet sind, damit sie die ‘halb-christlichen’ Argumente durchschauen, die ihnen auf dem Teller serviert werden. Wo Leiter und Pastoren zuwenig den Durchblick haben, werden sie einen Zug in die falsche Richtung besteigen.
Ja, absolut. — Also vielfältige Erkenntnisgewinne durch den 1. Korintherbrief! Da hast du doch erfolgreich dazu „angestiftet“ diesen Brief einmal wieder genauer zu lesen! 👍
Der 3AB Weg skizziert in meinen Augen sowohl für Menschen, die Jesus und sein Evangelium näher kennenlernen wollen, sowie für die Gemeinden, die sie dazu besuchen möchten, bzw. Gemeinden, die das Evangelium den heutigen Menschen nahebringen wollen, einen Weg. Er öffnet beiden Seiten eine Tür, fordert beide Seiten zur Reflektion und einem verantwortlichen Handeln auf und schickt sie auf eine gemeinsame Reise.
Finden sich die Prinzipien dieses Weges nicht auch im allgemeinen Wirken Gottes mit den Menschen, sowohl im AT wie auch im NT, wieder? Gott gibt Zeit, damit wir lernen können. Sowohl im Bereich tieferer theologischer Erkenntnis wie auch der Gestaltung unseres Lebens nach seinen Vorstellungen, egal wie weit entfernt unser Startpunkt von Gottes Wahrheit ist. Gottes Heiligkeit wie auch seine Liebe werden beim 3AB Weg berücksichtigt und somit ein auf einer Seite vom Pferd fallen vermieden.
Natürlich gibt es viele Details, über die man reden kann und/oder auch muss. Der vorgestellte 3AB Weg weist uns meiner Meinung nach sowohl für das theologische Gespräch wie auch die Umsetzung in der Gemeinde einen hilfreichen Weg.
Vielen Dank Rudolf! Ja ich denke auch, dass der vorgeschlagene 3AB Weg zu Gottes Wesen passt und seinem Umgang mit uns Menschen. Insofern sollte dies an vielen Orten in der Bibel — und auch in unseren Leben — sichtbar sein. Vielleicht hast du Beispiele vor Augen? Gestern hat eine Freundin diesen Vers gepostet: “Wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest.” Galater 6,1 Dünkt mich wunderschön in diesem Zusammenhang!
Mir ist auch aufgefallen — plötzlich! — dass die 3 Schritte eine Nähe zur bekannten ‘Belong — believe — behave’ haben. Aber der 3AB Weg zeigt etwas mehr, was darin die Verantwortung oder Rollen sind der beiden ‘Parteien’.