Christliche Mission muss eine exklusive Priorität legen auf “das Predigen, Bekehren und Lehren” (John Stott, Christian Mission, 1975). So formuliert eine Schlüsselfigur der evangelikalen Christenheit zusammenfassend die Theologie, die er in den 1960-er Jahren vertreten hat. “Heute würde ich mich hingegen anders ausdrücken” meint er anschliessend und korrigiert seine vormalige Engführung auf die geistliche Dimension. Was ist innerhalb weniger Jahre passiert? John Stott hat im Neuen Testament die Ganzheitlichkeit des Heilshandeln Gottes entdeckt.
Wir haben im letzten Artikel gesehen, dass es im Alten Testament eine Betonung von vier Dimensionen gibt, in denen Gott heilsbringend wirkt: die geistliche, soziale, politische und wirtschaftliche Dimension. Christen haben beim Lesen des Neuen Testaments manchmal so etwas wie eine Engführung auf die geistliche Dimension festzustellen geglaubt. Wir als Christen hätten keinen sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Auftrag, meinen sie. Diese angebliche Reduktion wird zum Beispiel begründet mit dem wiederholten Aufruf zu predigen, das Wort zu verkünden (z.B. Markus 16:15; Mt 28:19–20; Römer 10:13–15). Predigen und Lehren wird typischerweise mit der geistlichen Dimension in Verbindung gebracht.
Aufgrund dieser angeblichen Engführung des Neuen Testaments auf das ‘Geistliche’, haben insbesondere Christen der evangelikalen Prägung manchmal argumentiert, dass Christen keinen sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Auftrag haben. “Diese Dinge musst du den Fachleuten vom Staat überlassen” meinte kürzlich ein Freund von mir, der eine Gemeinde leitet “lass die Finger davon und predige das Evangelium!” Nun, predigen tue ich auch — aus Leidenschaft! Aber wir sollen das eine tun und das andere nicht lassen! Denn die Ganzheitlichkeit des Alten Testaments wird im Neuen Testament weitergeführt und ausgeweitet.
Ein einfacher Weg, die Ganzheitlichkeit im Neuen Testament zu erkennen, ist zu sehen, dass Jesu Botschaft des Reiches Gottes klare geistliche, politische, soziale, wirtschaftliche sowie ökologische Komponenten und Auswirkungen hat. Wir schauen uns jede Dimensionen einzeln an.
Die soziale Dimension
Jesus bringt Gottes Heil in die sozialen Strukturen seiner Zeit und überschreitet dazu sozial gut geregelte Grenzen. So isst er öffentlich mit ‘Sündern’ wie Zöllnern (z.B. Lukas 19:1–10). Er spricht in der Öffentlichkeit mit Frauen (Joh 3:1–27). Er erlaubt einer Prostituierten, ihn an einem öffentlichen Anlass zu berühren (Lukas 7:36–50). Er macht sich auch wirtschaftlich von Frauen abhängig (Lukas 8:1–3). Jesus scheut sich auch nicht, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossene Aussätzige zu berühren (Markus 1:40–42).
Jesus zertrampelt in diesen Situationen nicht rücksichtslos die sozialen Grenzen, sondern überschreitet sie, um Versöhnung zu schaffen zwischen unterschiedlichen Gruppen. Seine Nachfolger bringen es gut auf den Punkt:
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Galater 3:28)
Im Zeitalter der Gender Ideologie muss man präzisieren, dass Jesus und die Bibel hier nicht eine Auflösung dieser Kategorien im Blick hat, sondern die Versöhnung der damit repräsentierten Menschen. Später bringt das Christentum die Auflösung der Sklaverei, da diese mit einer innewohnenden Ungerechtigkeit zu tun hat, was bei den anderen Kategorien-Paaren nicht der Fall ist. Wichtig ist gemäss dieser Galater Stelle, dass Menschen versöhnte Gleichwertigkeit leben, unabhängig von ihrem Geschlecht (Mann/Frau), ihrer ethnischen Herkunft (Jude/Grieche) und ihrem gesellschaftlichen Rang (Sklave/Freier). Die Grundlage dafür bildet das ‘in Christus sein’ (Galater 3:28), was die geistliche Dimension anspricht.
Diese Botschaft kam für die damalige Zeit nichts weniger als einer gesellschaftlichen Revolution gleich. Dies sieht man beispielsweise in der Lehre des Neuen Testaments über Sexualität. Paulus verlangt, dass die Männer sich an die gleichen Regeln halten, wie die Frauen (z.B. 1Kor 7:3–4). So etwas zu sagen war damals eine massive gesellschaftskritische Äusserung. Sexualethik lehren war damals (wie übrigens auch heute) nicht nur ein individualistischer Dienst an einzelnen Menschen, sondern ein gesellschaftpolitischer Auftrag. Sex ist Gesellschaftspolitik (was Pharao schon in der Antike sehr wohl wusste, und diverse heutige Diskussionen zeigen).
Es ist gut belegt, dass die ersten Christen in radikaler Weise den sozialen Bedürfnissen der Menschen in ihrem Umfeld gedient haben. Dieser radikale soziale Dienst führt im Verlauf der ersten Jahrhunderte dazu, dass z.B. Christen in Rom ca. 150 Personen anstellten, um sich ca. 1500 Witwen, Kranken, Betagten und am Fluss Tiber zum Tod ausgesetzten Menschen anzunehmen. Dies alles hatte direkt mit der Lehre Jesu zu tun. Die Christen sahen ihr soziales Engagement letztlich als Dienst an Christus selbst (z.B. aufgrund von Mt 25:35–40).
Haben das Neue Testament und die ersten Christen eine ganzheitliche Sicht des Heils? Im Bezug auf die soziale Dimension ganz sicher!
Die wirtschaftliche Dimension
Es wird häufig gesagt, dass Jesus mehr über Geld und damit über ökonomische Gerechtigkeit zu sagen hatte als über Sexualität. Diese Behauptung stimmt höchstens, was die Häufigkeit der Bibeltexte angeht. Sexualität war für Jesus genauso wichtig wie Geld. Doch der Punkt zeigt, dass Jesus viel über Geld, Wirtschaft, Ökonomie zu sagen hatte. So hielt er zu Beginn seines öffentlichen Dienstes eine Predigt, in welcher er die besondere Betonung seiner Arbeit aufführt:
»Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.« (Lukas 4:18–19)
Mit ‘Armen’ meinte Jesus nicht nur ‘geistlich’ arme Menschen — das auch. Sondern für die Juden, welche diese Worte hörten, war darin ein klarer Bezug zu armen Menschen im realen Leben. Der Verweis auf das ‘Gnadenjahr’ hat unübersehbare ganzheitliche Bedeutung, weil es mit dem Erlass von finanziellen Schulden und Wiederherstellung von wirtschaftlicher Produktivität für jede Familie zu tun hatte (siehe z.B. 3Mo 25:1–55).
So hatte Jesus viel über den ‘Mammon’ zu sagen — dem Geld (z.B. Mt 6:24) oder dem Umgang mit dem eigenen Wohlstand im Dienst an Armen (z.B. Mt 19:16–22). Es ist kein Zufall, dass die geistliche Bekehrung des reichen Zolleinnehmers Zachäus darin endet, dass er die Hälfte seines Vermögens den Armen gibt:
Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. (Lukas 19:8)
Man bemerke jetzt die Interpretation Jesu von dem, was Zachäus sagt und tut. Jesus bringt damit ausdrücklich Heil in Verbindung:
Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lukas 19:9)
Die ersten Christen haben im wirtschaftlichen Bereich ähnlich radikal gelebt, wie im sozialen Bereich. Sie teilten all ihren Besitz miteinander (Apg 2:44–45). Die christliche Lehre ist hier gut zusammengefasst:
Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. (Eph 4:28)
Geld ist kein Selbstzweck, sondern steht im Dienst, die Bedürftigkeit im eigenen Leben und im Leben anderer zu reduzieren. Damit wird die Verbindung zwischen der sozialen und wirtschaftlichen Dimension sichtbar. Beide haben miteinander zu tun. Letztlich kann man die Dimensionen nicht voneinander getrennt verstehen, denn sie gehören untrennbar zusammen. Dies wird auch im oben genannten Beispiel aus Rom sichtbar. Die Christen sammelten jeden Sonntag in den Gottesdiensten Geld, um die sozialen Dienste zu finanzieren. Wir sprechen von (auf heute übertragen) umgerechnet mehreren Millionen Euro jährlich, die nötig waren, um die Fachkräfte anzustellen und die Infrastruktur zu betreiben.
Haben das Neue Testament und die ersten Christen eine ganzheitliche Sicht des Heils? Im Bezug auf die wirtschaftliche Dimension ganz sicher!
Die politische Dimension
Hat sich Jesus aus politischen Fragen herausgehalten? Einige glauben, dass er das getan hat. Sie führen seine Aussage, dass man dem Kaiser geben soll was ihm gebührt und Gott, was Gott gebührt (Mt 22:21) als Beispiel an. Hier — sagen sie — zieht sich Jesus aus politischer Polemik zurück. Religion darf Privatsache bleiben. Oder führen eine Aussage Jesu ins Feld, die er im Angesicht von Pilatus macht, welcher die grösste damals vorhandene politische Macht repräsentiert:
Mein Königreich gehört nicht zu dieser Welt. Wäre ich ein weltlicher Herrscher, dann hätten meine Leute für mich gekämpft, damit ich nicht in die Hände der Juden falle. Aber mein Reich ist von ganz anderer Art. (Johannes 18:36)
Zieht sich Jesus hier nicht aus der Politik zurück? Keineswegs! Was Jesus hier klärt, ist die Art, wie sein Königreich kommt. Sie kommt nicht mittels politisch-militärischer Macht, sondern durch selbstaufopfernde Hingabe.
Ganz allgemein wurde Jesu Dienst und sein Selbstanspruch als eine politische Bedrohung empfunden (Joh 11:47–49). An dieser Aussenwahrnehmung sehen wir, dass seine Lehre tatsächlich eine politische Dimension hatte. Wenn Jesus in Mt 22:21 neben dem Kaiser auch Gott etwas zugesteht, dann zieht er den Glauben nicht in eine Privatsphäre zurück — eine Sicht, die sowieso erst in der Moderne entstanden ist. Vielmehr macht Jesus damit eine gewichtige politische Aussage: Der Kaiser ist nicht Gott, und dem Kaiser gehört nicht alles. Das ist eine zutiefst politische Aussage.
Jesus wird offiziell als ‘König der Juden’ hingerichtet. Politischer geht es kaum. Christen nennen ihn den HERRN Jesus — Kyrios Jesus (z.B. Röm 10:9–13 und mehrere 100 Male im Neuen Testament). Dieser Titel gehörte u.a. den höchsten politischen Machthabern, den Kaisern. Jesus Kyrios zu nennen war u.a. ein politisches Statement.
Wir sehen in den ersten Jahrhunderten spannende Entwicklungen in christlichem politischen Denken. Tertullian schreibt an den römischen Prokonsul Afrika’ ca. 211–213 folgende Worte:
Die Christen sind niemandes Feinde, am wenigsten des Kaisers. Da sie wissen, daß derselbe von ihrem Gott eingesetzt worden ist, so müssen sie ihn notwendig lieben, fürchten, ehren und seine Erhaltung wünschen mit der des gesamten römischen Reiches, solange die Welt steht. Denn so lange wird letztere auch bestehen. Wir verehren daher den Kaiser, aber auf eine Weise, wie es uns erlaubt ist und ihm selbst nützt, als einen Menschen, der nach Gott der zweite ist; der, was er ist, von Gott erhalten hat und nur Gott nachsteht. (Übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner)
Man beachtete, dass dem Kaiser hier ausdrücklich eine Gott untergeordnete Rolle zugewiesen wird. Diese untergeordnete Rolle ist aber aus Sicht von Tertullian nicht etwas, das negativ ist für den Kaiser und dessen Reich — im Gegenteil. Wir haben hier möglicherweise die erste Schrift der Menschheit, welche die Ausübung von religiöser Freiheit in einem Staat zu etablieren sucht.
Waren Jesus und die ersten Christen politisch? Die Antwort erübrigt sich.
Die ökologische Dimension
Um unser Bild vollständig zu machen müssen wir sehen, dass wir in der Bibel auch eine begründete Rechtfertigung für ein Engagement in der Ökologie haben. Dies lässt sich aus drei Richtungen begründen.
Von der ersten Schöpfung her ist dem Menschen eine Verantwortung gegeben, im Sinne Gottes über die Erde zu herrschen, sie zu bebauen und bewahren (1Mose 1:28 und 1Mose 2:15). Die genaue Bedeutung dieser Wörter folgt in einem späteren Artikel. Es reicht zu sagen, dass mit ‘Herrschen’ nicht ein ‘Beherrschen’ zum Eigennutz des Menschen gemeint ist .
Der ökologische Auftrag ist nicht zu trennen von der speziellen Rolle, welche Gott dem Mensch in der Schöpfung zugedacht hat. Gott schafft den Menschen nach seinem Bild und setzt ihn damit über den Rest der Schöpfung. Nur von diesem Platz aus ist der Mensch in der Lage, die Natur im Sinne Gottes zu bebauen und bewahren. Es wird auch in kirchlichen Kreisen manchmal argumentiert, dass der Mensch der Schöpfung gleichgesetzt sein muss, um ihr dienen zu können. Dazu wird ein Weltbild zu Hilfe gezogen, welche der Bibel fremd ist: ein Pantheismus oder Panentheismus. Diese Weltanschauungen setzen den Menschen vollständig auf die Ebene der restlichen Schöpfung. Aus biblischer Sicht ist das eine Gleichmacherei des Menschen und der restlichen Schöpfung, was dazu führt, dass dieser seinen wahren ökologischen Auftrag nicht ausführen kann.
Von der zweiten, neuen Schöpfung her gesehen erkennen wir, dass Gott nicht nur Menschen, sondern auch die nicht-menschliche Schöpfung wiederherstellt. Dies wird z.B. in Römer 8:20–21 sichtbar. Jesus ist der zweite Mose, der eigentliche Mose, welcher die ganze Welt in einen Exodus aus der Sklaverei der Sünde der alten Schöpfung hinein in die Freiheit der Kinder Gottes in der zweiten Schöpfung führt. Dieser Punkt zeigt uns, dass das Neue Testament die altestamentliche Ganzheitlichkeit nicht nur weiterführt, sondern ausweitet. Nicht nur ein Volk (Israel) wird als politische Grösse in den Fokus genommen. Das Neue Testament weitet den Fokus auf nichts weniger als die ganze Schöpfung aus!
Von der Inkarnation Jesu her sehen wir Gottes umfassendes JA zur materiellen Welt. Der Gott der Bibel wertet schon am Anfang die materielle Schöpfung als etwas Gutes (7 Mal in 1Mose 1:3–31). Als Gott selbst in Jesus Christus Mensch wird (Joh 1:1–14) gibt Gott in unmissverständlicher Weise nochmals seine vollkommen positive Wertung gegenüber allem Materiellen. Es waren die gnostischen Häretiker, welche wenige Jahrzehnte nach Christus die Materie als etwas zweitrangiges oder gar Böses degradierten. Einer biblischen Weltanschauung ist die Geringschätzung der materiellen Schöpfung, einfach weil sie materiell ist, etwas völlig Fremdes. Dies bedeutet, dass Berge, Tiere, Pflanzen, Fische, etc., Teil der als positiv zu wertenden Welt sind. Damit gehört die Sorge an der nicht-menschlichen Schöpfung zum Auftrag der Christenheit.
Wenn man diese drei biblischen Argumente zusammennimmt, haben wir eine gute Begründung, dass Christen auch einen klaren ökologischen Auftrag haben. Ich habe nicht untersucht, in welchem Mass dieser Auftrag von den ersten Christen wahrgenommen wurde. Vielleicht kann mich jemand auf entsprechende Quellen verweisen.
Die geistliche Dimension
Die geistliche Dimension darf auf keinen Fall vergessen gehen. Sie ist u.a. deshalb wichtig, weil die geistliche Dimension unser Engagement in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Ökologie in der jüdisch-christlichen Weltanschauung verankert. Alle möglichen Exponenten dieser Welt engagieren sich sozialpolitisch, aber ihr Vorgehen unterscheidet sich mitunter massiv von dem, wie Christen sich einbringen sollten. Wir können Jesus mit Fug und Recht einen Revolutionären nennen. Aber war Jesus eine Art proto-marxistischer Che Guevara, der mit physisch-politischer Macht und sogar Gewalt die äusseren Umstände der Menschen zu ändern suchte?
Es fällt auf, dass Jesus nicht proaktiv eine gesellschaftspolitische Veränderung der Situation von Sklaven oder Frauen auszulösen suchte. Trotzdem sehen wir, dass die ersten Christen von der Lehre Jesu ausgehend eine für die damalige Gesellschaft völlig untypische, und deshalb revolutionäre Gleichwertigkeit von Mann und Frau lebten. Andere Christen arbeiteten später proaktiv für die Abschaffung der Sklaverei. Anders als bei den Revolutionären unserer Tage setzt der revolutionäre Plan von Jesus nicht zuerst bei den Strukturen und Machtverhältnissen dieser Welt an, sondern in der geistlichen Dimension. Das revolutionäre Kommen des Reiches Gottes ist untrennbar mit dem Ruf an den Menschen zur Umkehr und innerer Erneuerung verbunden:
Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium! (Markus 1:15)
Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen! (Joh 3:5)
Warum startet Jesus keine neue politische Partei oder Sozialfirma? Nicht, weil er kein Interesse an sozialer Gerechtigkeit hat, sondern gerade weil er soziale Gerechtigkeit will, setzt er an der Wurzel des Problems an. Die Probleme dieser Welt fangen an, als der Mensch, welcher die Schöpfung bebauen und bewahren soll, Gottes Herrschaft ablehnt (Siehe 1Mose 1:28, 1Mose 2:15 im Zusammenhang mit 1Mose 3:1–24). Die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme dieser Welt haben ihren Ursprung in der Rebellion des Menschen gegen Gottes Herrschaft (Vgl. Mt 5:19). Damit Heil in diese Welt kommen kann, müssen deshalb die Menschen wieder unter die Herrschaft Gottes kommen. Der Mensch braucht erstmal ein grunderneuertes Herz. Deshalb beginnt bei Jesus die Einführung von Gottes ganzheitlichem Heil mit dem Ruf an die Menschen zur Umkehr von einem Leben in Ablehnung der Herrschaft Gottes zu einem Leben in der Herrschaft Gottes.
Wenn wir von Ganzheitlichkeit reden, dürfen wir niemals diese geistliche Vorbedingung vergessen. Dort wo sich Menschen in diese Herrschaft Gottes schicken, fliesst Gottes Heil in alle Dimensionen der Welt und der menschlichen Existenz. Da fängt eine Jesus-gemässe Umgestaltung von Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Ökologie an. Revolution Jesus-Style fängt beim Menschen an und nicht bei den äusseren Strukturen der Welt. Sie unterscheidet sich damit radikal von Revolutionären seiner Zeit und auch unserer Tage.
Hat das Neue Testament eine ganzheitliche Sicht des Heils? Im Bezug auf die geistliche Dimension ganz sicher! Jesu Ruf zur persönlichen Umkehr ist die radikalste und ganzheitlichste Sache, die es überhaupt gibt. Er ruft alle Menschen zurück in ein Leben im Reich und unter der Herrschaft Gottes.
Der Umfang unseres Auftrags
Wenn die Darstellung dieses Artikels stimmt, können wir eine wichtige Schlussfolgerung ziehen: Die Ganzheitlichkeit des Heilshandelns Gottes, die im Alten Testament sichtbar wird, findet eine Fortsetzung und Ausweitung im Neuen Testament und definiert den Umfang des Auftrags, das die ersten Christen ausgelebt haben. Wie im ersten Artikel dieser Serie erklärt: Christen singen das alttestamentliche Lied des Mose UND das neutestamentliche Lied des Lammes. Sie lassen keines dieser Lieder aus!
Es waren unter anderem die in diesem Artikel aufgeführten Einsichten, welche den eingangs erwähnten John Stott dazu führten, umzudenken. Für ihn wurde klar, dass wir als Christen nicht nur den geistlichen Auftrag haben, sondern auch den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Auftrag:
Die wichtigste Formulierung, in welcher der grosse Missionsbefehl uns weitergegeben ist, ist jene im Johannes Evangelium. Diese Formulierung ist wohl deshalb vernachlässigt worden, weil sie uns am Meisten kostet…: Wie du mich gesandt hast in die Welt, so habe auch ich sie in die Welt gesandt (Joh 17:18). (John Stott, Christian Mission in the modern World, 1975, Kindle Position 237)
Stott erklärt darauf hin, dass der Umfang des Auftrags Jesu hier auf die Gemeinde übertragen wird: In derselben Weise, wie der Sohn gesandt und beauftragt ist, ist auch seine Nachfolger gesandt und beauftragt. Ist uns bewusst, dass wir als Christen sozial-politisch-wirtschaftlich-geistlich-ökologisch aktiv sein sollen? ‘Als Christen’ heisst: Wir als Menschen, die uns unsere persönliche Rebellion gegen Gott abgelegt und uns der Herrschaft des Gottes der Bibel unterordnet haben. In den Zeiten vom angeblichen Bankrott des evangelikalen Engagements in der Trump Politik, könnte eine solche Aussage kontrovers sein. Im nächsten Blog gehen wir auf die aktuelle Lage in der evangelikalen Christenheit ein.
Das sollte es glaub sein:
https://www.biblicalleadership.com/resources/
https://www.biblicalleadership.com/resources/leading-from-the-old-testament-e-book/
super — danke!
Hallo Paul, danke für diese wichtigen Beiträge zur Diskussion. Ich möchte ergänzen, dass meines Wissens niemand diese Dimensionen, die Du hier anreisst deutlicher auf den Punkt gebracht hat als mein Freund Vishal Mangalwadi in seinem Buch “Wahrheit und Wandlung”. Das ist ein Must-read für jemand, der besser verstehen möchte, was der biblische ganzheitliche Auftrag der Gemeinde und des neutestamentlichen Christen ist.
Super Tipp! Schreib’ doch grad einen Link zum Buch in den Chat 👍
Man kann das Buch “Wahrheit und Wandlung” von Vishal Mangalwadi über den Buchhandel oder über den Verein Truth and Transformation erhalten: andreas@truthandtransformation.org Das Buch kostet € 19,99, das Ebook € 17,99, welches man u.a. beim fontis Verlag bestellen kann: https://www.fontis-shop.de/Wahrheit-und-Wandlung-E-Book
super — vielen Dank! Ein sehr wichtiges Buch!
I’m loving it!
Der Text hat mich an zwei Resourcen erinnert.
Tim Kellers Predigt “Arguing about politics” zu Mk 12,13–17. https://www.youtube.com/watch?v=U79Eef6U9nw 16.40–24.40 lohnen sich meiner Meinung nach anzuhören.
Tom Harpers “Leading from the lion’s den”. Ich hatte da glaub’ mal eine Gratis-PDF-Zusammenfassung bezogen. Zu jedem Buch im AT wird ein Text genommen, um ein Leiterschaftsprinzip zu lehren. Der Titel zu Kap 15 zu Esr 5.11 ist mir gelieben: “Construct a temple first, build culture second”.
Super Tipp! Danke Daniel — hast du einen Link zum PDF von Harper?