Wie navigieren christliche Organisationen das Spannungsfeld progressiv und evangelikal? In den theologischen Verwerfungen unserer Zeit versuchen christliche Werke manchmal auf allen Hochzeiten zu tanzen. Sie wollen sowohl ‚progressiv‘ als auch ‚evangelikal‘ wirken, um Klienten in verschiedenen Lagern zu bedienen. Sie tun das jedoch auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit, weil man von aussen nicht mehr weiss, von welchen Überzeugungen sie sich leiten lassen und demzufolge, was von ihnen zu erwarten ist. Sie sollten sich ein Herz fassen und nötige Klärungen angehen.
Die freikirchliche Landschaft der Schweiz (Ähnliches gilt auch für Deutschland) ist geprägt von einer Vielzahl übergemeindlicher Organisationen, die sich einen bestimmten christlichen Auftrag gegeben haben (zum Beispiel Mission, Erbauung, Soziales), den sie in einer bestimmten Zielgruppe umsetzen. Viele dieser Werke arbeiten in einer Symbiose mit lokalen Kirchen und kirchlichen Verbänden. Man bearbeitet denselben ‚Spenderkuchen‘, sucht sein Personal im gleichen Personenpool und ist in den Chefetagen und Vorständen oft eng verflochten.
Ich bin mit vielen dieser Organisationen innerlich verbunden. In ihnen wirken Menschen, welche für mich Partner und Freunde sind. Trotzdem breche ich mit diesem Artikel ausnahmsweise mit einer unausgesprochenen Regel der „frommen“ Schweiz. Diese pflegt es, Differenzen tendenziell in den Hinterzimmern zu bereinigen, weg von den Augen der Öffentlichkeit. Doch da steht ein Elefant im Raum. Vielleicht hilft es, wenn wir ihn benennen und versuchen, seine Konturen nachzuzeichnen. Manchmal muss man auch öffentlich auf Dinge hinweisen, wenn sie sowieso in aller Öffentlichkeit vonstattengehen.
Wer eine “skandalöse” Behauptung aufstellt, sollte dies auch mit Quellen belegen, sollte die Quittungen vorweisen. Ich könnte verschiedene Anfahrtswege wählen, um mein Anliegen zu dokumentieren. Um der Einfachheit willen halte ich mich an ein aktuelles Beispiel.

Die Konferenz ‚Bunt Glauben‘
Am vergangenen Wochenende versammelte sich eine schöne Schar von Personen zur Tageskonferenz Bunt Glauben. Eingeladen hatte die GMS Bewegung von Stefan Gerber zusammen mit der Regenbogenkirche – der LBGT+ Kirche der EMK — sowie Kirche anders — ein auf kirchliche Innovation ausgerichteter Arbeitszweig der EMK.
Als Programmbeteiligte angesagt waren neben der Hauptreferentin Christina Brudereck ein tatsächlich buntes Sammelsurium an Referenten. Die Liste ging von Lukas Amstutz (Theologe am Bildungszentrum Bienenberg) über den freikirchlichen Pastor Heinz Berger (efg Thun), der Campus für Christus Schweiz Referentin und Künstlerin Tamara Boppart, Evelyne Baumberger (Co-Leiterin RefLab.ch) bis zur EMK Online-Pfarrerin und Influencerin Sara Staub.
Als Partner hinter die Konferenz stellten sich auch eine erstaunlich prominente Ansammlung von übergemeindlichen Werken, die zumindest bis vor kurzem eine tendenziell evangelikale DNA hatten. Darunter finden sich gleich zwei Arbeitszweige der Explo Organisatoren Campus für Christus Schweiz (Central Arts, Campus WE), die Initiative Stop Armut und auch Radio Life Channel, das Radioprogramm von erf Medien.

Progressive Inhalte
In der Berichterstattung im Vorfeld der Konferenz Bunt Glauben wird deutlich, was aufmerksamen Beobachtern sowieso klar ist: Nebst einer Bandbreite theologischer Themen ging es unter anderem darum, dass Kirchen eine zustimmende Position einnehmen sollen, wenn es um LGBT+ Identitäten geht (siehe zum Beispiel das Vorabinterview auf Radio Life Channel). In einem weiteren ausführlichen Podcast macht Initiator Stefan Gerber klar: Er möchte gleichgeschlechtliche Paare trauen. Kritische Rückfragen dazu muss er bei Radio Life Channel heute keine mehr befürchten.
Stefan Gerber, mit dem mich eine gemeinsame Zeit beim Theologiestudium verbindet, hat seine Kirche bereits vor einigen Jahren vom EGW ins progressive Sammelbecken der EMK überführt. Seine ausgewiesenen Leiterqualitäten machen ihn auch hier zur willkommenen Führungsperson. Sein breites persönliches Netzwerk hat ihm wohl auch die vielen Partnerschaften für die Konferenz eingebracht.
Bestimmt gibt es eine gewisse Bandbreite an Haltungen, welche die Referenten der Konferenz vertreten. Man sollte sie nicht alle über einen Kamm scheren. Ich möchte aber hier vorwegnehmen, dass ich die Haltung von Stefan in sexualethischen Fragen nicht teile. Meines Erachtens lässt er mit seiner Haltung das Ehe- und Sexualverständnis des Alten und Neuen Testaments hinter sich, verabschiedet sich von der Ehedefinition von Jesus Christus, und schneidet sich damit ab von der historischen Lehrtradition der weltweiten Kirche.
Schon bald lädt Stefan zu seinem nächsten Anlass ein: ein lesbisches Paar ist angekündigt. Weitere Veranstaltungen dieser Art werden folgen. Für mich ist das nicht weiter ein Problem, denn ich muss ja nicht an den Veranstaltungen teilnehmen, wo Stefan für seine neuen Erkenntnisse wirbt. Ich muss nicht bei ihm Mitglied sein. Doch was ist mit den übergemeindlichen Organisationen, welche die Bunt Glauben Konferenz öffentlich gefördert haben und mit denen ich selbst verbunden bin? Mit denen ich schon oft zusammengearbeitet habe? Wo Freunde, die mir lieb sind, arbeiten?
Diese Organisationen werden mir auch im kommenden Jahr ihren Spendenaufruf schicken und auf eine Gabe hoffen. Sie werden ihr Personal in meinem Bekanntenkreis suchen. Sie werden ihren Grossanlass in meiner Lokalkirche bewerben wollen. Sie werden Dienste und Projekte anbieten, die sie in unserer Kirche durchführen wollen. Früher wusste man, was theologisch in diesen Angeboten drin ist. Heute ist das zunehmend nicht mehr der Fall.
Mit diesen Organisationen möchte ich eigentlich gerne auch in Zukunft zusammenarbeiten. Aber dafür braucht es Klärungen.

Mehr als lediglich Sexualethik
Auf unserem Blog haben wir in den vergangenen Jahren ausführlich dokumentiert, dass stürmisches Wetter in der freikirchlich/evangelikalen Welt angekommen ist (siehe unsere Zwischenbilanzen hier oder hier). Befeuert wurde diese Wetterlage insbesondere durch Fragen der Sexualethik. Wir haben auch über progressive Machtübernahmen und das Auseinanderbrechen kirchlicher Verbände berichtet (siehe unser Kommentar über Entwicklungen in der Evangelisch-methodistischen Kirche).
Sexualethische Themen stehen im Brennpunkt aktueller Fragestellungen. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass es eigentlich weltanschauliche ‘Gesamtpakete’ sind, welche hier im Wiederstreit miteinander stehen. Die Erfahrung zeigt, dass die Preisgabe einer historisch-biblischen Position in der Sexualethik meist auch zur Revision anderer wichtiger Glaubensüberzeugungen führt – oder umgekehrt. Die zentralen Lehren der Bibel sind miteinander verknüpft. Wer eine wichtige Lehre des christlichen Glaubens aufgibt, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang andere, damit verbundene Überzeugungen ebenfalls aufgeben (Vgl. dieser Artikel von Paul Bruderer).
Im Austausch mit Teilnehmenden der Tageskonferenz Bunt Glauben habe ich wahrgenommen, dass die Sexualethik ein wichtiger inhaltlicher Faktor war. Doch es ging auch in einem viel weiteren Sinn darum, was die Beteiligten unter Glaubensweite verstehen. Es ging auch um negative Erfahrungen, welche Menschen in unseren freikirchlichen Gemeinden gemacht haben oder um Glaubenslehren, wie der Lehre des doppelten Ausgangs in der Ewigkeit, welche auf die Menschen einen Druck ausüben würden, ‘richtig’ glauben zu müssen.
Ich gehe mit den Exponenten von Bunt Glauben einig, dass Menschen in unseren freikirchlichen Gemeinden manchmal negative Erfahrungen machen. Unsere Gemeinden sollten Orte sein, in denen Menschen ihre Fragen stellen können, ohne komisch angeschaut zu werden. Hört man sich einzelne Geschichten an, ist es manchmal nachvollziehbar, warum manche ihren Gemeinden oder gar dem Glauben den Rücken kehren, was mir ausgesprochen leidtut.
Was die Lehre des doppelten Ausgangs betrifft, so besagt diese, dass der Mensch beim Endgericht Gottes entweder an einen Ort ewiger Strafe oder in das ewige Leben gelangt (vgl. z.B. Mt 25:46). Diese Lehre kann natürlich missbräuchlich dazu verwendet werden, die “Herde” unter Kontrolle zu halten und Menschen mit Hilfe von Angst zu führen. Aber es gibt auch Arten die Lehre zu besprechen, die nicht dazu führt, dass die Gläubigen sich einen Gedanken-Stopp auferlegen, sondern frei bleiben für offene inhaltliche Diskurse. Bei Vertretern der Bunt Glauben Konferenz konnte die gewünschte ‘Weite’ und ‘Offenheit’ aber scheinbar nur gedacht werden, indem man die durchaus biblisch und kirchenhistorisch verankerte Lehre des doppelten Ausgangs von vornherein defacto ausschliesst und auf der Basis einer Allversöhnung argumentiert.
Mein Punkt ist dieser: Die Art von Glaubensweite, welche an der Konferenz Bunt Glauben verkündet wurde, wurde eben gerade nicht erreicht durch eine Offenheit, alle theologische Optionen zu denken, sondern durch Ausgrenzung einer wichtigen theologischen Option, nämlich der Lehre vom doppelten Ausgang. Anstatt von Weite zu reden, müsste man deshalb besser von einer ganz bestimmten theologischen Richtung reden, in die man unterwegs ist.
Es macht deshalb auch wenig Sinn, Evangelikale standardmässig als “eng” oder “schwarz-weiss” denkend zu diffamieren, während man sich selbst als “weit” und “bunt” präsentiert. Es ist nun mal ein Fakt, dass auch Progressive in ihrem Denken von ganz bestimmten Lehrsätzen geleitet sind, die durchaus auch ausschliessende Wirkung haben können.[1]

Optionen für Verbände und Organisationen
Kirchen-Verbände (auch Denominationen genannt) können theologisch nicht auf allen Hochzeiten tanzen, sondern sind in Fragen der Lehre auf eine gewisse innere Kohäsion angewiesen. Um diese zu gewährleisten, führen sie Synoden durch, schreiben Orientierungspapiere, erarbeiten Glaubensgrundlagen oder orientieren sich an Bekenntnissen.
Wenn Denominationen bei wichtigen Glaubensüberzeugungen einen Weg der Pluralisierung wählen, führt dies meiner Wahrnehmung nach eigentlich immer in eine Richtung: Zu einer theologischen Liberalisierung, inklusive einer in aller Regel negativen Kurve in der zahlenmässigen Entwicklung.
Etwas anders sieht die Lage bei überkirchlichen Werken aus. Diese stehen gewissermassen ausserhalb der Kirchen-Verbände, doch sie wirken meist in Kirchen-Verbände und lokale Kirchgemeinden hinein. Ein Merkmal dieser überkirchlichen Werke ist, dass sich ihre Mitarbeiterschaft, ihre Spendenbasis und ihr Wirken oft auf verschiedenste kirchliche Verbände abstützt. Die aktuellen Entwicklungen führen dazu, dass die theologische Spannbreite bei Spendern, Kunden und auch Mitarbeitern immer weiter auseinanderdriftet, so dass grosse Fragestellungen entstehen, die früher nicht, oder nicht so stark vorhanden waren.
Ich kann die Sorgen von überkirchlichen Organisationen durchaus verstehen. Die aktuelle Situation geht je nachdem auch finanziell ans Eingemachte und kann die Existenz der eigenen Organisation bedrohen. Die Fragestellungen solcher Werke lauten heute zum Beispiel:
- Vertrauen Kirchenverbände und lokale Kirchgemeinden unserem Werk, wenn wir innerhalb der eigenen Reihen theologische Positionen und Referenten wirken lassen, die klar gegen die grundlegenden Überzeugungen einiger Verbände und Kirchgemeinden agieren?
- Vertrauen die Kirchenverbände und lokalen Kirchgemeinden unseren Angeboten, wenn wir sie theologisch derart divergent ausrichten?
- Schaffen wir es, dass die Spender, die früher näher zusammenstanden, künftig weiter spenden?
Mir scheint, dass viele überkirchlichen Werke nicht für diese Entwicklungen gewappnet sind. Oft verfügen sie über eher informelle Glaubensgrundlagen. Die innere Kohäsion war bisher wie von selbst gewährleistet. Um das Bild der Musik aufzunehmen: Es wurde vielleicht in unterschiedlichen Stimmlagen gesungen, aber alle hatten zuhause Noten der gleichen Tonart eingepackt – das passte schon. Diese Zeiten sind nun vorbei. Unter den Dächern von Werken und auch bei deren kirchlichen Kunden finden sich nun Menschen, deren theologische Ansichten so weit auseinander liegen können wie ein klassisches Konzert von Punk-Anarchie.
Sicher gilt es zu beachten, dass die Kategorie der überkirchlichen Werke sehr heterogen und vielfältig ist. Es gilt zu differenzieren. Ein Hilfswerk, welches materielle Hilfe in Katastrophengebiete bringt, ist viel weniger von theologischen Fragen betroffen wie eine Organisation, welche inhaltliche Dienstleistungen erbringt. Klar ist dennoch: Schenken betroffene Organisationen der neuen Realität nicht die nötige Beachtung, laufen sie Gefahr, in der kommenden Zeit böse aufzuwachen. Wenn sie es allen recht machen wollen, werden sie es niemandem recht machen und alle verlieren.

Die Preisgabe der eigenen DNA
Viele Werke, welche ihre “Stammkunden” oder ihre Trägerbasis vor allem im freikirchlich-evangelikalen Milieu haben, sind durch gemeinsame historische Elemente verbunden. Sie sind oft als missionarische Initiativen gegründet worden, um Menschen mit der guten Nachricht von Jesus Christus zu erreichen. Bei vielen dieser Organisationen liegen die entstehungsgeschichtlichen Wurzeln zudem darin, dass sie als Gegenprogramm zu landeskirchlichen Institutionen entstanden sind, die sich im vergangenen Jahrhundert liberalisierten. Die Idee war, den sich säkularisierenden Kirchen eine klare, bekennende und an der Bibel orientierende Botschaft entgegenzusetzen und den Menschen so zu dienen.
Das Selbstverständnis dieser Werke kann zum Beispiel mit dem sogenannten „Bebbington quadrilateral“ beschrieben werden: Sie sind als aktivistische (1) Organisationen entstanden , welche als wesentliche Merkmale Kreuzeszentrierung (2), Bibelorientierung (3) und eine auf eine bewusste Zuwendung zu Jesus (Bekehrung) ausgerichtete Verkündigung (4) haben.
Von dieser ‚Melodie‘ ist teilweise immer weniger zu spüren. Neue Klänge im Orchester führen zu einer zunehmend dissonanten Musik. Oder die Noten werden so zaghaft gespielt, damit ja niemand den Song erkennt. Oder man mutiert vom Musiker zum Konzertveranstalter, der bei Kritik jede Haftung für die Inhalte der Künstler, die er gebucht hat, ablehnt.
Stefan Gerber und seinesgleichen positionieren sich derweil klar. Er hat eine neue Mission gefunden. Ich persönlich bedauere die radikale theologische Neuausrichtung, welche er mit seiner Gemeinde vollzogen hat. Aber immerhin tanzt er nicht auf allen Hochzeiten. Er zeigt Profil. Mit dieser Klarheit schafft Gerber auch Vertrauen: Man weiss, was man bei ihm bekommt. Damit kann man sich überlegen, ob man bei ihm dabei sein will oder nicht.
Anders ist es bei Werken, die auf allen Hochzeiten tanzen wollen. Sie zeigen kein theologisches Profil und verlieren damit auch das Vertrauen. Man weiss nicht mehr, wofür sie stehen.

Theologische Klärung kann verlorenes Vertrauen wiederherstellen
Mir scheint es wichtig, dass überkirchliche Werke, die den Verbänden und Lokalgemeinden dienen wollen, ein aktuelles Bedürfnis ihrer Klienten hören, verstehen und ernst nehmen: Was wir uns im Moment von euch wünschen, ist eine transparente theologische Positionierung, und zwar eine, die nicht alles offenlässt, sondern die real vorhandenen Fragen klärt. Wenn ihr uns dienen wollt, hört auf, auf allen Hochzeiten tanzen zu wollen.
Vereinfacht formuliert müssen überkirchliche Werke die Frage klären, ob sie „progressiv“ oder „evangelikal“ sein wollen.[2] Sie können langfristig nicht beides gleichzeitig sein. Durch eine Positionierung wird entweder verlorenes Vertrauen wiederhergestellt, oder der Kunde wird verloren. Das ist die Chance und das Risiko einer Positionierung. Die Frage ist: Sind überkirchliche Werke bereit, dieses Risiko einzugehen? Meine Überzeugung ist: Wenn sie dazu nicht bereit sind, ist das Risiko langfristig gesehen noch grösser, weil man auf allen Seiten das Vertrauen verliert.
Ich möchte zu bedenken geben, dass eine Positionierung wichtige Freiräume öffnen kann. Wenn eine Organisation „A“ keine Positionierung vornimmt und an einem aus meiner Sicht problematischen Kongress einen Stand hat, entsteht in mir sofort die Grundsatzfrage: „Fördert die Organisation „A“ die problematische Theologie dieses Kongresses?“. Wenn diese gleiche Organisation jedoch eine solide theologische Positionierung vorgenommen hat, und diese in den Produkten und der Kultur der Organisation sichtbar ist, dann entsteht bei mir nicht automatisch die Grundsatzfrage an die Vertrauenswürdigkeit. Dann gehe ich eher davon aus, dass die Organisation „A“ an einem Kongress präsent ist, um Menschen Zugang zu verschaffen zu ihren soliden eigenen Angeboten.
Diese Überlegungen funktionieren auch in die andere Richtung für Werke, die eine progressive Positionierung vornehmen. Sie gewinnen damit das Vertrauen der Progressiven. Und wenn ich als Evangelikaler bei den Progressiven einen Ansprechpartner suche, weiss ich, wo ich anklopfen muss.

Es geht um den Grundbestand des Glaubens
Ganz abgesehen von hier angesprochenen Markt-Überlegungen sind es die Werke schuldig, die nötigen Klärungen zu machen und die entsprechenden Signale zu geben. Sie sollten dies um Jesu Willen tun, um ihrer Basis willen, um der Kirchen-Verbände und Lokalgemeinden willen.
Innerhalb einer evangelikalen Grundausrichtung ist es immer noch möglich, theologische Weite zu pflegen. Die aktuell nötigen theologischen Klärungen müssen uns nicht in mühselige Debatten um Detailfragen von vergangenen Jahrzehnten zurückführen. Einige unserer christlichen Leiter haben von diesen Debatten derart den “Ablöscher”, dass sie es müde sind, überhaupt theologische Klärungen zu machen. Doch das ist gefährlich. Es führt dazu, dass sie nicht mehr bereit sind, ihre Werke vor substanzieller Irrlehre mit deren spaltenden Wirkungen zu schützen.
Ich habe oben umrissen, wie weltanschauliche Systeme funktionieren. Mit aller Bescheidenheit möchte ich erwähnen, dass die Debatte um progressives versus evangelikales Christentum von Exponenten beider Seiten als eine Debatte zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Glaubensformen gesehen wird.[3] Diese grundlegenden Unterschiede mögen sich nicht immer gleich deutlich manifestieren. Aber es geht hier am Ende des Tages eben nicht um Details des Glaubens, in denen wir einander in Unterschiedlichkeit stehen lassen können und gleichzeitig miteinander aktiv sein können in der kreuzzentrierten Mission, welche die Menschen zur Bekehrung und zum Vertrauen in die Bibel als Wort Gottes aufruft (Bebbington). Es geht zwischen „progressiv“ und „evangelikal“ um viele grundsätzlich unterschiedliche und gegenseitig unverträgliche Aussagen über das Wesen Gottes, die Person und das Werk Christi, die Kreuzeslehre, den Menschen, das Heil, die Ethik und das Schriftverständnis. Es geht bei „progressiv“ und „evangelikal“ – wieder mit dem Bild der Musik gesprochen – um grundsätzlich unterschiedliche Musikschulen. Was an der Konferenz Bunt Glauben gesagt und gelehrt wurde, bestätigt wohl diese Aussage.
Wenn es stimmt, dass „progressiv” und „evangelikal” grundlegend unterschiedliche Glaubensformen sind, dann lassen sie sich langfristig nicht unter einen Hut in einer Organisation bringen. Die Entwicklungen in verschiedenen grossen Kirchen-Verbänden (z.B. die weltweite EMK) bezeugen dies. Wenn das so ist, dann sollten christliche Organisationen entscheiden, in welche Richtung sie sich aufmachen möchten.
Ich hoffe es ist uns allen klar, dass es letzten Endes um mehr geht als nur um Spenderkuchen, den Erhalt der eigenen Organisationen und dergleichen. Wir sind als Christen aufgefordert, die oft vernachlässigte Tugend der Geisterunterscheidung zu pflegen. Wir sind Gott gegenüber Rechenschaft schuldig. Dieser fordert seine Gemeinde auf, für den Glauben zu kämpfen, der „ein für alle Mal den Heiligen anvertraut ist“ (Judas 3).
Es muss für unsere Werke ein Gebot der Stunde sein, einen Grundbestand des Glaubens zu sichern (Vgl. Teil 10/10 in der Serie von Roland Hardmeier). Dies kann erfolgen, ohne einem unfruchtbaren Dogmatismus zu verfallen. Es muss uns aber bewusst sein, dass dieser Grundbestand umkämpft ist. Er kann nur gesichert werden, wenn wir bereit sind, auch gewisse Abgrenzungen zu vollziehen.

Zwischenfazit
Ich gebe gerne zu, dass ich mich mit der Publikation dieses Beitrages schwergetan habe. Ich wünschte mir, jemand anders hätte ihn geschrieben oder noch besser: dass er gar nicht nötig wäre. Meine Hoffnung ist, dass er vielleicht dennoch ein neues und gutes Feld für Gespräche und Prozesse innerhalb dieser eng vernetzten christlichen Gemeinschaft, zu der auch ich mich zähle, eröffnen kann.
Werden unsere Werke den Mut finden, Fragen anzugehen und gute Klärungen zu vollziehen? Ich hoffe es! Denn die Herausforderungen unserer Zeit sind zugleich eine grosse Chance. Es ist die Chance, die wunderschöne Melodie der grossen christlichen Tradition (dem historischen Christentum) wieder neu zu entdecken und sie kräftig zu spielen, auch wenn sie dann nicht allen passt. Dieser Herausforderung muss ich mich persönlich stellen, aber in diesen Tagen „um Himmels Willen” auch unsere Werke. Dabei sollte allen die nötige Zeit zugestanden werden, welche solche Prozesse brauchen. Dabei sollten wir eine gute Portion Verständnis und Gnade füreinander mit ins Gepäck packen. Dabei muss dem individuelle Charakter jeder Organisation Rechnung getragen werden.
Es gilt aber auch dies: Gestalten Organisationen anstehende Prozesse selbst nicht proaktiv, werden das andere für sie übernehmen: die Lautesten, die am besten Vernetzten, die mit der grössten Geldbörse. Oder die — schlicht und einfach — verunsicherten Kunden wie ich, welche sich irgendwann aus dem Staub machen.
[1] Vergleiche dazu auf unserem Blog die Serie zu den «10 Geboten des progressiven Christentums».
[2] Was mit diesen beiden Begriffen gemeint ist, kann z.B. verständlich und einfach im aktuellen Buch von Roland Hardmeier nachgelesen werden (siehe auch unsere Artikelserie zum Buch).
[3] Vgl. z.B. das Buch „One Faith no Longer” der Soziologen George Yancey und Ashlee Quosigk
Bild: iStock
TheoBlog aus Deutschland hat den Artikel in einem kurzen Beitrag aufgegriffen:
https://theoblog.de/christliche-organisationen-im-spannungsfeld/43689/
Ich finde man kann darüber diskutieren, ob es gut ist bestimmte Werke oder Personen namentlich in einem solchen Artikel zu nennen. Aber wo ich absolut zustimme, ist, dass sich überkirchliche Werke wie Campus für Christus positionieren müssen. Denn zumindest für Campus für Christus Deutschland weiß ich sicher, dass sie sich in der Vergangenheit bei den sexualethischen Fragen durchaus sehr klar für die konservativ-evangelikale Sichtweise positioniert haben, denn ich war dort viele Jahre als Studentin aktiv und habe dort auch ein Jahr als Volontärin gearbeitet. 2009/2010 z.B. wurde eine Richtlinie eingeführt, die alle mitarbeitenden Studierenden unterschreiben mussten und in der u.a. vorehelicher Sex und das unverheiratete Zusammenwohnen ausgeschlossen wurden. Auch beim Evangelium war immer ganz klar, was Campus vertritt. Campus für Christus hat meinen Glauben und meine theologischen Sichtweisen maßgeblich mit geprägt. Seit mehr als zwei Jahren bin ich nun aber aus unterschiedlichen Gründen sehr verunsichert, wo Campus für Christus Deutschland nun eigentlich steht, sei es beim Evangelium oder bei den sexualethischen Themen oder bei anderen Fragen. Natürlich gibt es keine klare Abkehr von früheren Sichtweisen, denn das wäre quasi Selbstmord, da viele konservative Spender ihre Unterstützung abziehen würden. Also bleibt alles offen und nicht greifbar und bewusst unklar formuliert. Aber in Anlehnung an Paul Watzlawick würde ich behaupten: Man kann sich nicht nicht positionieren. Wer sich nicht klar für einen bestimmten Standpunkt positioniert, entscheidet sich automatisch für alle. Das kann man machen, aber dann sollte man den Unterstützern gegenüber so ehrlich sein und das auch so kommunizieren. Für mich hieß das konkret: Ich habe meine eigenen Ansichten selbst gründlich hinterfragt und versucht, sowohl die konservativen als auch die progressiven Argumente nachzuvollziehen, damit ich für mich selbst sagen kann, wie und warum ich mich in Zukunft positioniere. Denn wenn ich heute noch bei Campus in der Studentenarbeit arbeiten würde, was würde ich denn z.B. sagen, wenn mich jemand fragt, ob Sex vor der Ehe in Ordnung ist? Ja? Nein? Gott hat keine klare Meinung? Das alles hat ja auch ganz praktische Konsequenzen für die Menschen an der Basis und sind nicht nur irgendwelche rein theoretischen theologischen Diskussionen. Werke sind keine unpersönlichen Wesen, sondern bestehen immer aus konkreten Menschen, ob Mitarbeiter oder Teilnehmer von Veranstaltungen oder Gruppen. Und all diese Menschen brauchen konkrete Antworten, um ihren Glauben im Alltag leben zu können. Nach diesem Prozess habe ich mit sehr schwerem Herzen die finanzielle Unterstützung von Campus für Christus nach über einem Jahrzehnt ausgesetzt. Ich will finanziell kein Werk unterstützen, dass auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen möchte und meint, sich nicht klar positionieren zu müssen.
Deine Einschätzungen und Beobachtungen teile ich absolut.
Zu den Namen: Manchmal ist es wichtig zu schreieben, von wem man spricht. Die erwähnten Personen traten bei Bunt Glauben auf. Ich habe sie persönlich gehört und finde es wichtig, dass Peter darüber schreibt, wen er genau meint.
Idea Schweiz hat diesen Artikel in ihrer aktuellen Ausgabe aufgegriffen. Hier geht es zum Beitrag (Paywall):
https://idea.ch/artikel/bunt-glauben-oder-farbe-bekennen
Ich habe viele Gespräche über den Artikel mit Leuten aus meinem Umfeld, die aus vielen unterschiedlichen Hintergründen kommen. Einige finden den Artikel sehr gut. Ein Teil der Personen findet ihn nicht so gut und sagen, dass sie es okay finden, wenn eine übergemeindliche Organisation sich nicht positioniert. Ich hinterfrage diese Aussage. Die Aussage „Wir positionieren uns nicht“ ist an wichtigen Punkten eine Positionierung. Die Aussage beinhaltet z.B. in den aktuellen Auseinandersetzungen u.a. folgende inhaltliche Festlegungen:
• Die Ablehnung der Lehre des Doppelten Ausgangs und damit verbunden die Annahme der Lehre der Allversöhnung ist für evangelikale Christen eine mögliche und bedenkenswerte Option.
• Die Lehre, dass der Kreuzestod Jesu nicht nötig ist, damit unsere Sünden vergeben werden können (kurz: der Kreuzes-Tod Jesu ist heilskonstatierend, nicht heilskonstituierend. Also: es illustriert das Heil, welches Gott auch ohne das Kreuz schenken kann, aber das Kreuz ist nicht wirklich nötig) ist eine mögliche und bedenkenswerte Option für evangelikale Christen
• Die Forderung nach Segnung des Lebensstils gleichgeschlechtlich praktizierenden Paare ist für evangelikale Christen eine mögliche und bedenkenswerte Option
Die Aussage „wir positionieren uns nicht“ ist in Wirklichkeit eine deutliche Positionierung, denn sie bekennt u.a. diese Aussagen.
Lieber Paul
Ich bin ganz bei dir, man positioniert sich immer. Und ich würde nie sagen, dass ich es okay finde, wenn sich übergemeindliche Werke nicht positionieren. Ich würde sagen, ich erwarte von übergemeindlichen Werken, dass sie Spannungen bewusst zulassen. Ja, hoffentlich ist Campus an so einem Anlass wie bunt glauben vertreten und nehmen an der Talk Runde teil. Noch besser hätte ich es gefunden, wenn du Teil von diesem Talk gewesen wärst. Und ich hätte dir zugetraut, dass du alles Gute von dieser “Bewegung” gewürdigt hättest und vor den Schwächen gewarnt hättest. Also eine Diskussion mit Menschen, die alle die gleiche Meinung haben, ist überflüssig und langweilig. Das du daraus ableitest, das Campus für Allversöhnung steht und den Kreuzestod von Jesus Christus für nicht nötig erachten, ist aus meiner Sicht einfach eine böse Unterstellung. Das habe ich noch nie aus ihrem Mund gehört.
Es ist einfach so, wenn ich die letzten 500 Jahre Kirchengeschichte anschaue, wurden eher zu viele “Zeitmarker” gesetzt, als zu wenige. Und das von ernsthaft Gläubigen. Du kennst die Kirchengeschichte besser als ich, aber wenn ich die Kirchengeschichte anschaue, sind ganz viele Tiefpunkte, dort wo man den anderen den Glauben abgesprochen hatte. Und das waren in keinem Fall einfach “ewiggestrige”, engstirnige Heuchler, sondern Menschen die um die Kirche besorgt waren. Im Nachhinein hätte ich mir z.B. 1909 bei der Berliner Erklärung gewünscht, es hätte sich ein evangelikales Werk in der Mitte positioniert, ich würde aber behaupten, das wäre gleich auch als “von unten” bezeichnet worden.
Campus braucht da auf ihrem Weg eigentlich unsere Unterstützung und nicht ein Messer im Rücken.
Lieber Peter
Ich habe schon viele richtig gute und inspirierende Artikel von Daniel Option gelesen. Dieser Artikel ist aus meiner Sicht aber sicher keine Sternstunde von euren Beiträgen, sondern klar der Tiefpunkt. Dies aus folgenden Gründen:
Du greifst verschiedene christliche Organisationen frontal an. Namentlich Campus für Christus& Bopparts kommen bei dir und den Kommentatoren schlecht weg. Ein für mich, als Mensch und Christ, normales Vorgehen wäre da gewesen, bei Bopparts persönlich nachzufragen, wenn du gewisse Entscheidungen nicht nachvollziehen kannst.
Weiter ist halt genau Campus nicht ein kirchlicher Verband wie die EMK, die zu gewissen Fragen klar Stellung beziehen muss. Sie kann und muss vielleicht gerade mit verschiedenen Verbänden und Kirchen zusammenarbeiten, die ev. für andere Überzeugungen stehen. Ev. bist du da auch ein wenig heuchlerisch unterwegs, wenn ich es mir so richtig überlege, gibt es bei der katholischen Kirche auch sehr viele Dinge, die mir die Nackenhaare aufstellen, aber Johannes Hartel (ich finde, ein überzeugter Katholik) hat die Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche irgendwie halt doch Salonfähig gemacht. Da sind wir vielleicht in sexualethischen Bereichen auf einer Linie, aber es gibt da schon Lehrmeinungen dieser Kirche, die mind. so schwierig sind.
Die subtile Drohung, dass solche Organisationen sich bewusst werden müssen, dass wenn sie nicht sauber auf “unserer” Seite sind, die Spenden eingestellt werden, ist natürlich armselig. Ja, soll ich jetzt der Viva Kirchenleitung ein Mail schreiben, dass ich mir überlegen muss, ob ich in unserer Gemeinde noch Werbung für die Viva al Mare Ferien machen soll und mich wieder abmelden, wenn weiter Peti im Vorbereitungsteam sitzt, nur weil mir dein Artikel grausam Mühe macht? Etwa auf diesem Niveau sehe ich stilistisch diesen Artikel.
Aber, das ist für mich ein fast einmaliger “Absacker”, sonst freue ich oft über die Gedankenanstösse, die ihr mit eurer Arbeit macht.
Lieber Christoph.
Ich bin natürlich selbst Teil von diversen Hinterzimmer-Gesprächen gewesen in den Vergangenen Jahren und bin da auch weiterhin aktiv. Ich habe diverse private Gespräche geführt in den letzten Jahren und diese finden auch weiterhin statt. Ich bin ganz bei dir, dass man den guten Weg einzelner Schritte gehen sollte und ich habe dies im Rahmen meiner Möglichkeiten auch zu Leben versucht. Wenn ich in diesem Artikel mit einem unausgesprochenen Konsens gebrochen habe, dann weil ein anderer Bruch vorangegangen ist.
Dass etablierte Organisationen, deren Kunden eine tendenziell evangelikale DNA haben, sich als Partner hinter eine Veranstaltung stellen, deren einender Faktor die Zustimmung zu LGBTQ+ Lebensweisen ist, muss auf dem Platz Schweiz als Moment mit historischem Charakter bewertet werden. Es ist selbst ein Bruch mit einem bisherigen unausgesprochenen Konsens, und zeigt, dass sich diese Organisationen heute mindestens zum Teil theologisch liberal ausgerichtet haben. Oder siehst du das anders?
Weil die erwähnten Organisationen diesen Schritt öffentlich vollzogen haben, war deshalb wichtig, dass diese aktuelle Entwicklung nun auch öffentlich bemerkt wird. Denn sie hat Auswirkungen. Die grossen übergemeindlichen Werke sind eben nicht einfach nur übergemeindlich, sondern bilden einen wichtigen Teil der Lehrgemeinschaft unserer Gemeinden. Sie formen den Glauben von uns Christen in der pietistisch-freikirchlichen Gemeinschaft evangelikaler Prägung wesentlich mit. Diese Lehrgemeinschaft funktioniert, wenn ein gewisser theologischer Konsens vorhanden ist. Doch dieser ist durch die aktuelle Entwicklung deutlich in Frage gestellt. Ich finde, das darf und muss man auch mal ansprechen.
Du sagst, dass übergemeindliche Organisationen zu gewissen Fragen keine Position beziehen müssen. Das mag ein Stückweit stimmen in Bezug auf nicht-grundsätzliche theologische Themen, aber es stimmt nicht, wenn es um grundsätzliche theologische Paradigmen geht. Der Grund: übergemeindliche Organisationen haben – wie schon erwähnt – eine Lehrwirkung auf unsere Gemeinden.
Ein Blick in die vergangene und aktuelle Geschichte zeigt, wie anspruchsvoll und problembehaftet die theologische Achse liberal-evangelikal ist. Dieses Thema hat historisch schon immer zu Trennungen geführt, weil wir es hier mit unterschiedlichen und letztlich entgegengesetzten theologischen Grundansätzen zu tun haben (Paradigmen). Das Mindeste, was man tun kann, wenn die Hinterzimmer-Gespräche nicht fruchten und neue Realitäten am bisherigen Konsens vorbei geschaffen werden, ist, das mal offen zu benennen.
Die Tageskonferenz Bunt Glauben ist dabei nur ein Beispiel, an dem sich aktuelle Entwicklungen im Bereich der übergemeindlichen christlichen Werke dokumentieren lässt. Andere Werke sind mitbetroffen. Wie ich es im Artikel erwähne: Ich hätte verschiedene Anfahrtswege wählen können und verschiedene Beispiele erwähnen können, um mein Anliegen zu präsentieren. Ich habe diesen gewählt, weil er m.E. am besten dokumentiert, dass wir uns auf dem Platz Schweiz an einer historischen Weggabelung befinden, welche uns betrifft. Es ist nicht das Ziel dieses Artikels Gräben aufzureissen, sondern einen bereits vorhandenen zu benennen und diesem vielleicht etwas das Tabu zu nehmen zu können.
Mit den erwähnten Organisationen bin ich allesamt biografisch verbunden und ich wünsche ihnen Gedeihen und Gelingen. Meine Freundschaft mit den entsprechenden Personen in den verschiedenen Organisationen gilt weiterhin. Aber ja, wer in ein Wespennest sticht, kriegt wohl auch das eine oder andere selbst ab. So geht es mir jedenfalls grad etwas. Wenn sich aber aus dem Artikel konstruktive Entwicklungen ergeben, hat es sich wohl dennoch gelohnt. Das wäre jedenfalls mein Wunsch. Und sonst wurde hier zumindest ein öffentlicher Zeitmarker gesetzt, auf den man in einigen Jahren zurückschauen kann, um zu beurteilen, «was seither geschah».
Herzlich,
Peter
Vielen Dank, dass Sie mit ihrem Post auf die Konferenz „Bunt Glauben“ aufmerksam gemacht haben. Leider habe ich im Vorfeld davon nichts mitbekommen. Die Aufzählung der Referent*innen hat mich sehr angesprochen und ich hoffe, dass bald wieder so eine Veranstaltung stattfinden wird, an der die Vielfalt der Christ*innen gefeiert wird.
Ich habe den Artikel mit Gewinn gelesen. Danke, dass du dich durchgerungen hast, ihn zu schreiben, lieber Peter.
Meiner Einschätzung nach liegt ein Problem auch in der Genese dieser “parakirchlichen” Organisationen. In ihrer Geschichte liegt ja oft ein Abkehr von der Bekenntnisbindung als Leitmittel der christlichen Gemeinschaft (“mein Bekenntnis ist Jesus”). Nicht nur eine Abkehr liegt meiner Einschätzung nach an der Wurzel, sondern vielfach ein ausgesprochener Antikonfessionalismus — “Bekenntnisse versuchen etwas festzuschreiben, was ich nur in mir fühlen kann.” Und damit ist es mitunter vor allem ein pietistisches Problem. Dass der Pietismus weithin eine Segensreiche Spur in der christlichen Welt gezogen hat, sei davon unbenommen. Aber viele dieser Organisationen (und sogar bekenntnishaftere Gemeindewerke und ‑verbünde) sind pietistischen Ursprungs und deswegen oft auf eine innere Überführtheit zurückgeworfen.
Wenn dieses Innenleben aber nicht mehr von der gemeinsamen Bekenntnisgrundlage getragen ist, sondern von gefühlten Fakten wie zB das Aussprechen des und Berufen auf den Namen “Jesus”, wird es sehr schnell difus.
Ich teile generell die Grundgedanken von Peti Bruderer zur Gefahr eine “progressiven” postevangelikalen Bewegung, die die Autorität der Bibel untergräbt und zum Teil in Allversöhnung ausmündet. Nur ist das, soviel ich aus persönlichen Kontakten weiss, auch der Fall bei meinem Nachfolger in der Leitung von Campus für Christus, Andreas “Boppi” Boppart und seiner Frau Tamara. Klarer auf das Kreuzeshandeln Jesu Christi und die Notwendigkeit der persönlichen Umkehr und Sündenvergebung hätte man nicht hinweisen können, als es Boppi bei seinem Grundsatzreferat anlässlich des 50 Jahr-Jubiläums von Campus für Christus letzten Herbst tat. Keine Spur von Allversöhnung.
Hanspeter Nüesch
Lieber HP, Allversöhnung ist nur eine der biblischen Grenzüberschreitungen der “progressiven” Theologie. Fragen, die wir gern als “sexualethisch” bezeichnen, standen — unter dem schönen Thema “offen für alle” — offenbar mehr im Vordergrund. Ich bin auch nicht dafür, dass man einem wegen jeder Konferenz, die man besucht, ein Etikett aufklebt. Aber wer sich hier mit diesem bunten Regenbogen identifiziert, muss das schon erklären, zumal wenn er für ein Werk steht.
Das Peter Bruderer Zertifikat in Gold erhalten: karitative und ähnliche Organisationen, die ihre Unternehmenskultur mit der persönlichen Glaubensauffassung von ihm synchronisieren. Sie müssen sich regelmässig einer Überprüfung unterziehen, ob ihre Statuten mit der Bibel aus der Sicht von Herrn Bruderer übereinstimmen. Die Auszeichnung, wird mit sofortiger Wirkung und ohne Warnung entzogen, sollte eine Organisation an einem Anlass teilnehmen, der nicht vorher von P. Bruderer eingehend geprüft und für christlich genug befunden wurde.
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Polemisch? Ja, es ist meine persönliche, subjektive Interpretation von diesem Artikel. Ich frage mich einfach, warum die hier publizierte Text oft überheblich und eingebildet rüberkommen? Wer oder was legitimiert, die Bibel als Streitaxt gegen alles zu verwenden, was nicht der eigenen Glaubensauffassung entspricht?
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“Im Namen der Bibel” funktioniert m.M. hier nicht. Denn die Texte werden auch unter namhaften Theologen oft kontrovers diskutiert. So ganz klar und eindeutig, wie es viele gerne hätten, ist es nicht.
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In der Tat, Polemik war noch nie überzeugend in einer Diskussion. Warum sind klare Positionen eigentlich überheblich und eingebildet? Warum überhaupt ist dann eine Behauptung „so ganz klar und eindeutig, wie es viele gerne hätten, ist es nicht“ nicht auch überheblich und eingebildet? Welche Texte denn überhaupt? Welche namhaften Theologen? Was wird denn kontrovers diskutiert? Warum sollten Behauptungen solcher Theologen besonders glaubwürdig sein? Sie sind ja dann zumindest auch überheblich und eingebildet.
Es gibt unzählige Theologiepersonen aus den Landeskirchen und offenen Freikirchen, die sich z.B. nicht dazu genötigt fühlen, queeren Menschen den Glauben abzusprechen und sie von Gemeinden auszuschliessen.
Es gibt nicht DIE Meinung und DEN Standpunkt. Es haben BEIDE Seiten eine Berechtigung. Die konservative und die liberale. Es ist nur Schade, dass gewisse Konservativen meinen, die EINZIG wahre Wahrheit zu vertreten.
Lieber Markus,
manche Theologen sagen so, andere hingegen so. Das ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist was Gott sagt. Es gibt in der Bibel (im AT wie im NT) immer wieder “Theologiepersonen”, die den klaren Aussagen Gottes widersprochen haben. Bewusst etwas anderes gelehrt oder gelebt haben, als Gott es deutlich offenbart hat. Vor unserem heiligen, gerechten und barmherzigen Gott, gilt das aber nicht als Entschuldigung. Man lese nur mal 4.Mose 25 oder auch wie Jesus im neuen Testament die Pharisäer zurecht gewiesen hat.
Es gibt sicher Lehren in der Bibel, die nicht so klar ausformuliert sind, wie wir uns das manchmal vielleicht wünschen. Allerdings handelt es sich hierbei meistens um Lehren von eher sekundärer oder tertiärer Bedeutung, wie zum Beispiel die Frage nach dem Millennium. In den wesentlichen Lehren hingegen ist die Bibel sehr klar.
Natürlich kann man die Sexualethik der Bibel kritisieren, oder nicht an die Jungfrauengeburt glauben, oder nicht dass es Himmel und Hölle gibt, oder nicht, dass Jesus der einzige Weg zu Gott ist oder dass Er nicht wirklich leiblich von den Toten auferstanden ist. Es ist aber offensichtlich, dass die Bibel genau das lehrt. Man muss das nicht annehmen. Ich habe liebe Arbeitskollegen, freundliche Nachbarn und Freunde, die damit nichts zu tun haben wollen. Die nennen sich dann konsequenterweise Agnostiker oder Atheisten. Aber warum ist man in gewissen Werken, Verbänden und “Kirchen” so erpicht darauf, sich weiterhin Christ oder christlich zu nennen, wenn man doch gleichzeitig große Teile der zentralen Lehren der Bibel ablehnt? Wäre es da nicht konsequenter, sich gleich komplett vom christlichen Glauben zu verabschieden?
Liebe Grüße
Christian
Karitative Organisationen haben in der Schweiz tatsächlich die Möglichkeit, das Zewo-Gütesiegel zu erlangen. Da weiss ich dann, dass meine Spendengelder zweckgemäss eingesetzt werden.
Und in der Tat weiss ich das analog z.B. beim erf oder bei Campus für Christus nicht. Ist jetzt da “Progressiv” oder “traditionelles Bibelverständnis” drin? Oder noch etwas anderes?
Zum Glück weiss ich als mündiger Christ selber, was richtig und was falsch ist — wenn ich denn die Wahrheit in der Bibel suche. Dazu brauche ich keine “namhaften Theologen”. Damit ich aber weiss, ob eine Organisation eine für mich saubere Theologie vertritt, muss sehen, welche Werte sie vertritt. Zwei Beispiele (siehe auch mein Kommentar weiter unten, weshalb grad diese Organisationen):
Ein Blick auf die Site der erf Medien zeigt mir auf der “Über uns” Seite weder in Vision noch in den Werten, dass es eine christliche Organisation ist. Erst wenn ich zu den einzelnen Sendern scrolle sehe ich, dass Lifechannel christlich inspirierte Musik spielt. Sonst beschränkt sich das Glaubensbekenntnis darauf, dass über Gott und die Welt berichtet wird.
Campus für Christus (CfC) Schweiz ist bei seinen Werten klarer, aber auch dort muss man in ein Video schauen, damit man sieht, dass die Organisation daran glaubt, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist. Von der Theologie erfahren wir aber auch nicht viel. Wie finde ich denn Rettung? Wieso ist Jesus von den Toten auferstanden? Das Miteinander mit Kirchen ist v.a. geprägt vom Geist der Einheit, von Wohlwollen und Freude an der Vielfalt.
Spannenderweise macht es mir die Schwesterorganisation aus Deutschland einfacher. CfC Deutschland arbeitet auf der Glaubensgrundlage der Deutschen Evangelischen Allianz. Noch einfacher macht es mir CfC Österreich. Sie weisen auf ihrer “Über uns” Seite prominent auf die Glaubensbasis hin, bezeichnen sie mit der Glaubensbasis der Österreichischen Evangelischen Allianz und führen sie grad noch in 8 Punkten aus. Wenn ich in Österreich unsicher bin, ob es für den im Artikel erwähnten “doppelten Ausgang” eine Basis gibt, weiss ich von CfC Österreich eindeutig, dass es ihn gibt und braucht. Punkt 3 zeigt mir, wie der Freispruch vor Gottes Gericht überhaupt zu Stande kommen kann und Punkt 4 zeigt mir, dass ich alleine durch den Glauben an Jesus Christus in Kombination mit Gottes Gnade gerettet werden kann.
Brauchen wir also ein “geistliches Zewo-Gütesiegel”, wie von Ihnen sarkastisch gefordert? Nein, ich entscheide selber! Aber ich will wissen, wofür die Organisationen stehen, die mich an ihre Anlässe einladen und meine Spenden wollen. CfC Österreich hat keine Mühe damit, zu schreiben wofür sie theologisch stehen. Anders als erf Medien und CfC Schweiz — dort ist theologisch recht viel möglich.
Und in meinem ganzen Kommentar geht es nicht darum, was “richtig” und was “falsch” ist, ich will einfach ehrlich informiert werden, wofür (und auch wogegen) eine Organisation ist.
Sie schreiben, dass der Artikel behauptet, die Organisationen müssten “ihre Unternehmenskultur mit der persönlichen Glaubensauffassung von ihm (Peter) synchronisieren.” Das ist ja nicht, was Peter behauptet, oder? Er beruft sich auf die Bekenntnisse der Christenheit. Und er sagt ja auch nicht, dass sie es so sehen müssen, wie er, sondern dass er darum bittet, dass sie sich äussern, was sie glauben.
Zitat: “Es ist meine persönliche, subjektive Interpretation von diesem Artikel”. Dazu gehört, dass man eigene Schlüsse zieht und Vermutungen anstellt. Darum liegt es auf der Hand, dass die Synchronisation eine Schlussfolgerung von mir ist, auch wenn sie nicht so benannt wurde.
Gibt es DAS Bekenntnis der Christenheit? Gibt es in den (Reiz)Themen ein zweifelsfreies Ja oder Nein? Aus der Sicht von Peter (auch das ist wieder eine Interpretation meinerseits) gehe ich von einem Ja aus. Dann frage ich mich, ob auf dieser Basis eine Diskussion möglich ist.
Danke. Ihre persönliche Meinung ist ihnen selbstverständlich jederzeit zugestanden. Das hinterfragt hier niemand. Ich will ihre persönliche Meinung lediglich in Verbindung zu bringen mit dem, was der Artikel sagt und da scheint mir ein Missverständnis zu sein: Peter behauptet nirgends, wie sie sagen, dass die Unternehmen sich mit ihm einverstanden erklären müssen. Was ihre Rückfrage betrifft: es gibt in den wichtigen Punkten schon ziemlich viel Einheit in den verschiedenen Bekenntnissen der Christenheit. Und es gibt den Bereich ausserhalb der Schlüsselelemente der Bekenntnisse. Oder sehen sie das anders?
Ein wichtiger Leitartikel! Ein Leitartikel, weil Peter genau das tut, was ein Leiter tun sollte: Problemfelder klar zu benennen, sie öffentlich zu diskutieren, weil sie in diesem Fall für alle relevant sind, den Widerspruch nicht zu fürchten und Orientierung zu geben. Das unterscheidet den Leiter vom Moderator. Moderatoren haben wir auch in der deutschen Kirchenlandschaft genug. Von Ihnen höre ich zum Beispiel „Wir bekehren uns auch täglich neu zu „Christus in dem anderen“ und glauben einander den Glauben als zentrales Leitmotiv unseres Handelns“ (Ulrich Eggers).
Alles sammenzuhalten, Gemeinsamkeiten betonen. Nein Pharisäer und Spalter
wollen wir nicht sein. Wer hier aus der Reihe tanzt wird dann auch schnell mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert. Nun, „wer mit der Fackel der Wahrheit durch die Menge läuft, flämmt so machen den Bart an.“ Fakt ist, dass der progressive Christus eben ein anderer Christus ist und der Glaube an ihn ein anderer Glaube. Der Christus, an den ich glaube, ist wahrer Mensch und wahrer Gott, gezeugt durch den Heiligen Geist, von einer Jungfrau geboren. Am Kreuz trägt er auch stellvertretend meine Sünde, erduldet den göttlichen Zorn, unter dem ich stehe, erleidet die Gottverlassenheit, die eigentlich meine Bestimmung wäre, macht für mich den Weg frei in das Allerheiligste des einzigen und ewigen Gottes. Durch Jesus Christus bin ich freigesprochen von der Sünde, die mich von meinem Schöpfer trennt. Ich brauche Gottes schrecklichen Zorn, seine „beständige, unnachgiebige, unerbittliche, kompromisslose Gegnerschaft gegen das Böse in allen Formen und Erscheinungen“ (John Stott) nicht zu fürchten. Christus ist mein Anwalt, wenn ich mich einmal vor dem Heiligen Gott verantworten muss. Ihm habe ich mein Leben anvertraut. Er ist mein Retter vor der ewigen Verdammnis, wenn Christus endlich einen Schlussstrich unter allem Bösen gezogen hat. — Ist dieser Jesus Christus auch der „progressive Christus“? Ich denke, nein. — Wer versucht, progressives Bibelverständnis zu integrieren, sollte sich nicht wundern, wenn er am Ende einem Glauben an einen ganz anderen Christus die Tür geöffnet hat. – Auch deshalb ist dieser Artikel ein Leitartikel!
Ich möchte auch noch dazu auf einen Beitrag von Markus Till in seinem Blog hinweisen:
https://blog.aigg.de/?p=7330
Ein kurzes Zitat daraus:
„Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man sexualethische Konfliktherde einfach totschweigen oder mit kleinen Kompromissen entschärfen könnte. Die Realität ist vielmehr: Die progressive Sexualethik entwickelt sich rasant. Sie stellt immer weitergehende Forderungen. Sie ist missionarisch und kompromisslos. Sie nimmt Spaltung in Kauf, wenn sie damit ihre Agenda durchsetzen kann. Je länger wir ihr durch unser Schweigen einfach das Feld überlassen, je größer wird der Schaden für unsere Gemeinden und Gemeinschaften.“
Mit Interesse habe ich all die Kommentare gelesen. Daniel Option schreibt ja schon länger zu diesen Positionen. Aus meiner Sicht sind diese Fragen bei den wenigsten Gemeinden angekommen. Eher höre ich, dass sich die Welt verändert hat und sich die Kirche diesen Veränderungen stellen muss (mehr in der Haltung, was die Bedürfnisse der Menschen heute sei). Der Zeitgeist bestimmt dann die Richtung…
Die Beschneidung der Herzen ist ein dauernder Prozess 😊
Mit Interesse habe ich all die Kommentare gelesen. Daniel Option schreibt ja schon länger zu diesen Positionen. Aus meiner Sicht sind diese Fragen bei den wenigsten Gemeinden angekommen. Eher höre ich, dass sich die Welt verändert hat und sich die Kirche diesen Veränderungen stellen muss (mehr in der Haltung, was die Bedürfnisse der Menschen heute sei). Der Zeitgeist bestimmt dann die Richtung…
Die Beschneidung der Herzen ist ein dauernder Prozess 😊
Spaltung statt Einheit – ein gefährlicher Weg
Der Artikel zeichnet ein besorgniserregendes Bild: Anstatt die Stärke und Tiefe christlicher Gemeinschaft zu fördern, wird hier eine gefährliche Spaltung vorangetrieben. Statt Brücken zu bauen, scheint das Ziel zu sein, Gräben zu ziehen. Diese Haltung widerspricht meinem Verständnis des Evangeliums und der biblischen Botschaft zutiefst.
Die Offenheit der von Ihnen kritisierten Organisationen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Sie haben erkannt, dass wir als Christen in einer vielfältigen Welt leben und dass Glauben nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien passt. Die Zeiten, in denen Werke uns vorschreiben konnten, was „richtig“ und „falsch“ ist, sind vorbei – und das ist gut so. Jesus selbst hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, nicht den Buchstaben, sondern den Geist des Gesetzes zu leben.
Was der Artikel als „Verlust der theologischen Klarheit“ bezeichnet, ist in Wahrheit die Bereitschaft, Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit anzunehmen und den Glauben mit ihren Lebensrealitäten in Verbindung zu bringen. Die implizite Forderung, sich entweder „progressiv“ oder „evangelikal“ zu positionieren, zielt auf eine unnötige und destruktive Lagerbildung ab. Diese Spaltung schadet nicht nur der christlichen Einheit, sondern nimmt uns als Glaubensgemeinschaft die Möglichkeit, voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen.
Es ist beschämend, wie der Artikel progressive Bewegungen pauschal verurteilt und dabei suggeriert, dass sie weniger glaubensfest oder bibeltreu seien. Mein Verständnis der Bibel lehrt mich das Gegenteil: Wir sollen Menschen in Liebe begegnen und ihnen Räume bieten, in denen sie Gott auf authentische Weise erfahren können.
Christliche Einheit bedeutet nicht, dass alle einer Meinung sein müssen, sondern dass wir uns auf unsere gemeinsamen Grundwerte und unsere Mission konzentrieren – nämlich die frohe Botschaft in die Welt zu tragen. Dieser Artikel leistet genau das Gegenteil: Er sucht den Konflikt, die Trennung und die Polarisierung.
Wir müssen als Christen aufhören, uns gegenseitig herunterzuziehen, und stattdessen die Vielfalt der Perspektiven als Bereicherung sehen. Der Artikel schadet der Christenheit mehr, als dass er ihr dient. Lasst uns gemeinsam mutig und in Liebe nach Wegen suchen, die Einheit im Glauben zu bewahren – ohne in die Falle eines rigiden Dogmatismus zu tappen.
Der Vorwurf lautet, dass die Nennung von Tatsachen und Fakten Spaltung fördert und dem Evangelium fremd sei. Zudem wurde betont, dass dies nicht „ihr“ Verständnis sei. Doch ist dies nicht der eigentliche Kern der Debatte? Wer setzt den Maßstab: Gottes Wort oder das eigene Ich?
Gerade im progressiven Denken wird das Ich oft als freier betrachtet, was die Bereitschaft betrifft, sich dem Wort Gottes unterzuordnen. Dies kann einerseits die Chance bieten, sich von überlieferten Traditionen zu lösen, die möglicherweise der Schrift widersprechen. Eine positive Entwicklung wäre hier eine biblische Dekonstruktion, die uns näher zu Christus führt und uns in sein Bild umgestaltet. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass man Gottes Wahrheit und Autorität ausblendet. Hat der Herr nicht selbst gesagt, dass er das Schwert bringt? Hat er nicht gerade die religiösen Lehrer am schärfsten verurteilt, die sich gegen Gottes Wahrheiten stellen? Insbesondere in aktuellen Diskussionen, wie der sexualethischen Debatte, zeigt sich, wie Gottes Wort missachtet wird, wenn die Wahrheit zugunsten eines selbstbestimmten Verständnisses beiseitegeschoben wird.
Der Artikel spricht diese Problematik klar an und benennt ehrlich, worum es geht: Entweder findet eine biblische Dekonstruktion statt, oder es kommt zu einer De-Konversion, die letztlich einen neuen Glauben formt, der gemäß Galater 1,8 als ein „anderes Evangelium“ bezeichnet werden muss.
Zu Tatsachen und Fakten gehört auch ein verifizierbarer Faktencheck. Also…
Finde ich genau so wie Michael
Ich finde es erschreckend was alles den einzelnen Personen und Werken unterstellt wird, nur weil sie mit Liebe und Annahme auf ˋetwas anders denkende Gläubige‘ Menschen zugegehen. Die Voreingenommenheit lässt dann jedes gesagte oder nicht gesagte Wort dann entsprechend auslegen. Es ist erschreckend wie wir heute in Predigten, Podcasts und SocialMedia abgerichtet werden auf einzelne Wörter negativ zu reagieren — ohne selber darüber Nachzudenken. Die Algorythem spalten und extremisieren auch uns Christen. Jesus macht das Gegenteil.
Vielleicht sind sich evangelistische Organisationen einfach mehr gewöhnt, anders denkenden Menschen und Kirchen in Liebe zu begegnen. Das hat jetzt sicher nix mit sich anbiedern oder Spenden sammeln zu tun.
Wir sind aufgerufen zu Einheit und Liebe zueinander. Mir gefällt das folgende Zitat: wir glauben nicht alle exakt das Gleiche, aber wir glauben an den Gleichen — Jesus Christus. Absolute Einigkeit über die Wahrheit hat es übrigens noch nie gegeben in der ganzen Christenheit — aber es könnte es leicht geben, wenn alle MEINER Meinung wären ;-).
Sie sagen, dass der Artikel gefährlich spaltend sei und nachher “Christliche Einheit bedeutet nicht, dass alle einer Meinung sein müssen, sondern dass wir uns auf unsere gemeinsamen Grundwerte und unsere Mission konzentrieren – nämlich die frohe Botschaft in die Welt zu tragen.” Welches sind ihrer Meinung nach die Grundwerte und was ist die frohe Botschaft, die wir gemeinsam in die Welt tragen sollen?
Herzlichen Dank, dass dieses Thema offen angesprochen wird. Ich habe in den letzten paar Jahren schon mit vielen Pastoren über diese Spannungen ausgetauscht, oft hinter vorgehaltener Hand. Besonders im Zusammenhang mit Campus für Christus und den theologischen Positionen von Boppi und Tamara habe ich ähnliche Herausforderungen wie hier dargestellt.
Als Gemeindeleiter spüre ich eine grosse Verunsicherung, gerade in einer Zeit, in der aktiv für die Explo geworben wird. Es ist herausfordernd, wenn an der Leiterkonferenz der SPM Boppi – der sich als “Pfimianer” bezeichnete – darum bittet, die eigene Gemeinde für die Explo zu mobilisieren. Dieses Anliegen scheint nobel, doch die Unsicherheit über die theologischen Grundsätze macht es für mich schwierig, uneingeschränkt dahinterzustehen. Brückenbauen ist edel, aber jede Brücke braucht ein solides Fundament. Wenn das Fundament aus Unsicherheit oder Kompromissen besteht, wird die Brücke langfristig nicht halten. Ja, Dialog ist wichtig, aber wenn er zu einem Verlust der eigenen Identität führt, dann bringt er weder Klarheit noch Wachstum. Gemeinden und Gläubige brauchen Orientierung, nicht Unklarheit.
Evangelisation ohne klare theologische Grundlagen riskiert, ein unvollständiges oder verwässertes Evangelium zu präsentieren. Theologie ist nicht ein Nebenprodukt, sondern die Grundlage jeder Evangelisation. Die diversen Predigten, die ich mit grossem Interesse verfolgt habe, lassen viele Fragen offen. Die letzte Predigt von Boppi am Praisecamp hat bei mir den Eindruck bestärkt, dass er zumindest in Richtung einer Allversöhnungslehre tendiert. Es bleibt jedoch immer so vage, dass es durch das, was er nicht sagt, mehr Fragen als Antworten aufwirft.
Nicht nur theologisch, sondern auch grundsätzlich scheinen die übergemeindlichen Werke weit weg von der Realität des Gemeindebaus und Gemeindelebens zu sein. Ein klares Beispiel war meine kurzfristige Einladung als “Multiplikator” zu den Explodays in Zug. Der Grund war, dass sich zu wenige Pastoren angemeldet hatten. Als ich erklärte, dass dies kaum überraschend sei, da die Konferenz an einem SONNTAG stattfindet, fragte ich mich: Wo denken sie, sind Pastoren an einem Sonntag wohl alle? Diese disconnect zur Realität macht es zusätzlich schwierig, eine enge Zusammenarbeit mit solchen Initiativen zu fördern. Mehr noch es führt zu einer zunehmenden Entfremdung von den Werken.
Werke, die sowohl finanziell als auch inhaltlich von der Unterstützung lokaler Gemeinden angewiesen sind, tragen eine besondere Verantwortung gegenüber diesen Gemeinden. Eine fehlende theologische Klarheit ist in diesem Zusammenhang nicht nur eine Frage der Lehre, sondern auch eine Frage der Integrität. Eine breite Basis ist gut, solange sie nicht zu einer Relativierung biblischer Wahrheiten führt. Offenheit sollte nie auf Kosten der biblischen Integrität gehen.
Ich ringe persönlich damit, ob ich meiner Kirche nicht aktiv davon abraten soll, an der Explo teilzunehmen. Gleichzeitig bin ich zerrissen, denn ich schätze Dienste wie TheFour oder AlphaLife sehr und erkenne ihren immensen Wert für das Reich Gottes. Diese Spannung zwischen dem Guten, das in diesen Organisationen geschieht, und den offenen Fragen um die theologische Ausrichtung irritiert.
Ich hoffe, dass dieser Post seine Kreise zieht und Werke ermutigt, Klarheit zu schaffen. Klärungen sind dringend notwendig, um sowohl Vertrauen wiederherzustellen als auch den Werken eine klare, glaubwürdige Richtung zu ermöglichen.
Danke für den Mut, den Elefanten im Raum anzusprechen. Ich glaube, dass einige Leiter von Werken, Denominationen, usw. die unterschiedlichen Strömungen und Meinungen wahrnehmen, aber vorwiegend Angst haben, dass sich “ihre Schäfchen” auseinander treiben lassen. Danke für die Plattform, die ihr als Daniel Option bietet. Ich denke, ihr stellt die wichtigen Fragen auf den Tisch und trägt so dazu bei, dass Klarheit geschaffen wird. Und das mit viel Respekt — egal ob man noch jemand sich noch im Entscheidungsprozess mitten drin befindet, oder sich schon klar positioniert hat. Danke!
Selber bin ich Teil einer EGW Gemeinde. Unser Vorstand hat sich diesen Fragen (vor)letztes Jahr intensiv gewidmet und an unserer jährlichen Leitungs-Tagung Paul Bruderer eingeladen als Referent zu sexualethischen Fragen in der Gemeinde. Die Referate und Diskussionen waren sehr offen und wertschätzend, liessen auf Raum für offene Fragen — gab aber unserem Gemeindeverband eine klare Position vor. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wahrscheinlich hätten sich auch die Pharisäer vor 2000 Jahren gefreut, wenn „die wunderschöne Melodie der grossen religiösen Tradition“ weiter gleich erklungen wäre. Jesus sagte dann aber so Dinge wie „der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat“. Das hat das traditionelle Verständnis erschüttert. Er hat m.E. mehr in Richtung Beziehung zu Gott und Mensch gedacht, gesprochen und gehandelt als in regelnden System-Schubladen (z.B. „das wichtigste Gebot“).
Ich nehme in diesem Artikel den Wunsch zu stärkerer Schubladisierung und zur Trennung von Zusammengehörendem wahr. Schade.
Witzig, dass Sie die Pharisäer ansprechen. Das sind doch die, deren Tradition Jesus ausdrücklich würdigt, nur ihre Heuchelei verdammt. Nicht jedes Feindbild eignet sich für Kritik. Vgl Mt 23,2ff
Im “Sabbat-Beispiel” (Markus 3, 23ff) zitieren die Pharisär Sabbat-Regeln und Jesus rückt ihren Fokus zurecht. Mir geht es nicht um Feindbilder oder Kritik, sondern darum, dass Jesus m.E. den Fokus auf die Beziehung zu Gott und Menschen (vgl. Matth. 22, 34ff) und eben nicht ausschliesslich auf “religiöse Tradition” gelegt hat.
Einige Wochen vor Weihnachten habe ich auf Radio Lifechannel das “Line Up” der erwähnten Konferenz gehört und geglaubt, ich traue meinen Ohren nicht. Ich habe mich gefragt: Hat jetzt Lifechannel also eindeutig Position für die Progressiven bezogen? Will ich dieses Radio überhaupt noch hören?
Ein paar Tage später kam der übliche Spendenbrief von Campus für Christus. Ich habe mich noch nicht festgelegt, aber dieses Jahr den Brief ungeöffnet ins Altpapier gelegt und die Klärung meiner Gedanken ins laufende Jahr vertagt. Kommt Zeit, kommt Rat — und Klärung, wie sich Campus für Christus positioniert.
Vielleicht habe ich aus deshalb viel Freude an der Jahreslosung 2025 aus 1. Thess. 5,21: “Prüft aber alles und das Gute behaltet.” Vor allem, wenn ich noch einen Vers weiterlese und dort sehe, wie ich mit dem Prüfresultat umgehen weiter soll: “Meidet das Böse in jeder Gestalt”.
Ich erlaube mir, den angesprochenen überkirchlichen Verbänden noch einen Rat aus der Strategieberatung für Unternehmungen in Verbindung mit der christlichen Theologie zu geben. Wenn das Model des doppelten Ausgangs grundsätzlich verneint wird und die sog. Allversöhnung als richtige Auslegung der Bibel gesehen wird, dann sollte man das ganz durchdenken. Schlussendlich und ehrlich zu Ende gedacht führt das dazu, dass es keine Kirchen mehr braucht. Und es braucht auch entsprechend dann keine überkirchlichen Verbände mehr.
Vielen Dank für den Artikel!