Bart Campolo, Sohn des weltbekannten Baptisten-Pastors Tony Campolo, meint nach seiner De-Konversion vom christlichen Glauben, dass viele ‘progressive Christen’ auf dem Weg in Richtung Atheismus seien. Bart kennt diesen Weg aus eigener Erfahrung. Seine Entwicklung zeigt, wo sich der Startpunkt eines Weges befinden kann, der unaufhaltsam vom Glauben an Jesus Christus wegführt.
Kurz nach Weihnachten 2016 bringt die New York Times einen langen Artikel über Bart Campolos Abfall vom Glauben. Nach einem Unfall mit dem Fahrrad entschliesst sich Bart auf Anraten seiner Frau aufzuhören, ein ‘professioneller Christ’ zu sein. Bis dahin ist er ein erfolgreicher Pastor, Redner, Missions-Leiter. Aber durch den Unfall merkt Bart, dass er aufhören muss, nur wegen seines Berufs zum christlichen Glauben zu stehen.
Im Verlauf der Jahre haben sich Zweifel in seinen evangelikal geprägten christlichen Glauben eingeschlichen und festgesetzt. Nach dem Unfall meint seine Frau: “Ich denke du solltest aufhören, ein professioneller Christ zu sein, denn du glaubst nicht mehr an Gott, nicht an die Existenz des Himmels. Und du glaubst nicht, dass Jesus drei Tage nach seinem Tod auferstanden ist.”
So fängt Bart an, sich in seinem Umfeld als ‘post-Christ’ zu outen. Er mag es nicht, wenn man ihn einen Atheisten nennt. Trotzdem bekennt er sich dazu, nicht mehr an die Existenz Gottes zu glauben. Er verdient nun seine Brötchen als Humanistischer Kaplan. Er scheint gut anzukommen…
Der Anfangspunkt eines Weges, der unaufhaltsam vom Glauben wegführt
Nach seiner De-Konversion äussert sich Bart in einer Podcast Episode der Holy Heretics zur wachsenden Menge von Christen, die bewusst auf Distanz gehen zum konservativen und evangelikalen Christentum. Es gibt keine einheitlich verwendeten Begriffe für diese Christen. Einige nennen sich ‘progressive Christen’, andere ‘post-evangelikal’ oder auch ‘post-kritisch’.
Bart glaubt, dass viele dieser Christen sich auf einem Weg befinden, der sie gänzlich von ihrem Glauben an Jesus weg führen wird in den Atheismus. In diesem Interview, welches am progressiv-christlichen ‘Wild Goose Festival’ stattfand, spricht Campolo Klartext:
Was, wenn es heute 1000 Personen am Wild Goose hat? Dann werden in zehn Jahren 300 oder 400 davon nicht mehr ‘im Spiel’ sein. (Bart Campolo, meine Übersetzung)
Die Vorhersage von Campolo ist also, das bis zu 40% der anwesenden progressiven Christen innerhalb von zehn Jahren zu Atheisten werden könnten. Wenn man erstmals anfange, christliche Wahrheiten zu dekonstruieren, dann habe diese Tätigkeit sozusagen Suchtpotential.
Was Bart sagt, ist von grosser Bedeutung. Seine Ausführungen helfen uns besser zu verstehen, was der Anfangspunkt sein kann eines Weges, der nahezu unaufhaltsam vom christlichen Glauben wegführt. Er sagt folgendes:
Wenn du mal anfängst, deine Theologie anzupassen an die Realität, die du erlebst, beginnt eine unaufhaltsame Entwicklung. Im Verlauf der nächsten 30 Jahre … hat meine Fähigkeit, an ein übernatürliches Eingreifen Gottes in dieser Welt zu glauben, tausend Tode gestorben … Ich bin durch jede Phase der Irrlehre gegangen. Es fängt damit an, dass du die Souveränität Gottes aufgibst, dann folgt die Autorität der Bibel, anschliessend wurde ich ein Allversöhner, jetzt traue ich Schwule. Bald darauf glaube ich nicht mehr, dass Jesus physisch vom Tod auferstanden ist. (Bart Campolo, meine Übersetzung)
Mich interessiert vor allem der Anfangspunkt der Entwicklung. Bart sagt, dass es bei ihm das Aufgeben des Glaubens an die Souveränität Gottes war. Im Hintergrund sind Barts unbeantwortete Gebete an Gott. Er hat oft gebetet, dass Gott Leid aus der Welt schafft. Bart empfindet, dass diese Gebete nicht erhört worden sind und demzufolge, dass Gott nicht in die Geschehnisse dieser Welt eingreift. Die logische Konsequenz für ihn war, nicht mehr an die Überzeugung der Bibel zu glauben, dass Gott souverän über die Ereignisse dieser Welt regiert und in sie eingreift (z.B. aufgrund von Gebeten der Gläubigen).
Das unauflösbare Netz
Photo by Joshua Sortino on Unsplash
Die zentralen Lehren der Bibel sind miteinander verknüpft und bilden ein unauflösbares Netz. Wer eine dieser essentiellen Lehren des christlichen Glaubens aufgibt, wird deshalb oft über kurz oder lang die anderen, damit verbundenen Überzeugungen ebenfalls aufgeben. Barts Gang durch die Irrlehren illustriert dies ausgezeichnet.
Zum Beispiel ist die biblische Lehre der Souveränität Gottes unauflösbar mit zwei anderen zentralen Lehren der Christenheit verbunden: Mit der göttlichen Inspiration der Bibel und der dazugehörigen Autorität der Bibel sowie mit der leiblichen Auferstehung Jesu vom Tod.
Wer also — wie Bart — die Souveränität Gottes aus seinem Glaubenssystem löscht, löst eine Kettenreaktion aus. Bald glaubt diese Person nicht mehr an die Inspiration und Autorität der Bibel, oder an die leibliche Auferstehung Jesu von den Toten. Das Umgekehrte gilt ebenso. Wer aufhört, an die leibliche Auferstehung von den Toten zu glauben oder an die göttliche Inspiration der Bibel, der wird irgendwann auch aufhören, an die Souveränität Gottes zu glauben.
Alle drei Überzeugungen der Bibel bilden also ‘Anfangspunkte’ eines Weges, der unaufhaltsam vom christlichen Glauben wegführt.
Gründe für das Verlassen des Glaubens
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum Menschen den Glauben an Jesus Christus verlassen. In diesem Mix von Gründen spielt ihre Theologie eine wichtige Rolle — also das, was sie über Gott denken. Ich glaube deshalb, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der wir innerhalb der Christenheit tiefer über theologische Fragen nachdenken werden. Ich freue mich auf dieses vertiefte Nachdenken und möchte gleich einen Beitrag zur Diskussion liefern mit einem tieferen Blick in das Kräftefeld anderer Weltanschauungen.
Diese Rede davon, dass in ein paar Jahren viele “progressive Christen” Atheisten sein werden ist sinnfrei. Jeder, der den Glauben nicht bis zum Ende festhält, war vorher auch kein echter Jesusnachfolger gewesen (Hebr 3,14; 1 Joh 2,19). Der “Abfall” (den das NT bereits angekündigt hat) vollzieht sich nicht durch De-Konversationen, sondern durch Offenbarwerden von Scheinglauben. Denn die wahren Gläubigen waren und sind auch heute (trotz aller Zahlen und Statistiken über das Christentum oder der Evangelikalen) eine ganz kleine Gruppe (Mt 7,13f.21ff).
Na ja jetzt stellt sich nur die Frage welche Bereiche der Christlichen Theologie in diese Kategorie gehören.
Gehört die Verbal Inspiration dazu, oder der Kreationismus, oder ist der einbezug einer Tradition als equivalent zur Biblischen Offenbarung auch bereits ein Abwenden.
Soll mit diesem Artikel Angst eingejagt werden, sich nicht kritisch mit den Glauben ausseinander zu setzen da man sonnst velohren geht.
Wirklich super Fragen — danke! Wie würdest du deine Fragen beantworten? Wenn du Christ wärst (oder sagen wir Moslem Buddhist, Agnostiker, Atheist, säkularer Marxist): welche grundlegenden Elemente würdest du als wichtig betrachten? Und ist es denkbar, dass man sich von ihnen entfernen kann und quasi ‘hinüberrutscht’ in ein andere religiöses Grundparadigma?
Es soll selbstverständlich nicht Angst eingejagt werden, sich kritisch mit dem Glauben auseinander zu setzen.
“Wenn du mal anfängst, deine Theologie anzupassen an die Realität, die du erlebst…” D.h. man soll die Realität der Theologie anpassen?? Gefährlich, denn die Realität lässt sich nicht anpassen.
Gute Frage! Ein Teil der Realität ist Bekannterweise sozial konstruiert. Es gibt ‘hard facts’ und ’soft facts’. Die zweite Kategorie hängt stark davon ab, mit welchen Denkvoraussetzungen man an die ‘hard facts’ herantritt. Ein Teil der Realität ist also anpassbar. Ein anderer Teil nicht. Ich würde behaupten, dass es im christlichen Glauben nie darum geht, die ‘hard facts’ zu leugnen. Niemals! Aber für den Rest das richtige Referenz-System zu wählen. Wie siehst du das?
Dazu passt meine Predigt, denn bei ihm begann es so, dass er Gott nicht verstand nach seinem Unfall. Und dass er meinte, Gott beantworte keine Gebete. https://gmerkigs.blog/…/fake-news-die-wir-glauben-gott…/ Wir erzählen leider einander gern nur God Storys mit Happy End, aber nicht von unserem Frust, Zweifeln, Enttäuschungen, Fragen. Wir meinen, wenn man sowas “von vorne” erzähle (vor der Gemeinde in einem Gottesdienst), sei das wenig einladend für Nichtchristen oder Junge im Glauben. Damit fördern wir, dass bittere Wurzeln Fuss fassen und sich ausbreiten können. Wenn wir bloss verkünden, wie gross Gott ist und es normal ist, dass Wunder geschehen, wir aber selber keine erleben, ist das wirklich ein Problem.
Und das hier gehört dazu: https://gmerkigs.blog/…/fake-news-die-wir-glauben-ein…/ Wenn wir sogenannt “nichtchristliche” Gefühle verdrängen, verleugnen müssen, haben wir auch ein wachsendes Problem.
Vielen Dank Regula für diesen persönlichen Beitrag. Schön, dass du dich bei dieser wichtigen Frage gemeldet hast!
Danke für deine Wertschätzung.
Gehört das “Lehren der Frau” nicht auch zu einem der Meilensteine dieser Irrlehren-Abläufe?
Hallo Paul,
danke Paul für deine spannende Stellungnahme, ich denke da bewegen wir uns auf ähnlicher Wellenlänge. Und deine Frage ist echt gut? Sie könnte wahrhaftig oder wirklich gut sein, stimmt irgendwie auch, echt ist bestimmt verwandt mit diesen Begriffen. Aber ich gestehe, so gründlich habe ich mir das noch nicht überlegt. Werde es bestimmt noch etwas ausführen. Als ich konfirmiert wurde, schenkte ein damals gläubiger älterer Lehrer mir eine Karte mit dem Spruch: “Suche die Wahrheit und du findest Gott”. Den habe ich mitgenommen. Gefunden hat mich Gott auf Seine Weise (gefühlt nur, denn Er brauchte mich ja nicht zu suchen…) Aber ich glaube die Aussage stimmt. Was wahr ist, kommt von Gott, soviel bin ich überzeugt. Und daher dürfen wir getrost weiter Fragen stellen, Glauben hinterfragen, wahrnehmen was da ist und danken, wenn wir darin Seine Spuren entdecken.
Wieder: agree Egon. Christen sollten die Leute sein, die am wenigsten Angst vor Fragen haben. Wenn es stimmt, dass das Christentum die Weltanschauung ist, welche am besten die Realität abbildet und in eine Wiederherstellung aller Dinge führt, dann gibt es keine Frage, vor der wir Angst haben müssten. Diese Zuversicht fiel mir auf, als ich als jüngerer Mann die Bücher von Francis Schaefer las. Auch dieses Buch brachte diese ‘confidence’ zum Ausdruck: https://www.ivpress.com/philosophers-who-believe. Alvin Plantinga’s Artikel ‘Advice to christian philosophers’ war für auch eine Wegscheide in dieser Frage: https://www.leaderu.com/truth/1truth10.html
Ich setze mich auch mit dieser Frage auseinander. Ich glaube viele Christen haben Angst Zweifel zuzulassen und zu diskutieren. Aber ohne Zweifel kein Glauben, ich kann wohl über eine Brücke gehen, ohne zu zweifeln dass sie mich trägt, aber ist das Glauben? Trägt dieser Glaube auch, wenn die Brücke eher schwach ausschaut ich aber keine Alternative habe?
Daher lehrt mich das Leben und die Christenheit inclusive, dass ich sehr wohl meine Zweifel an gewissen Auslegungen der Schrift haben kann und deswegen keineswegs an der Authorität Gottes zweifeln muss. Die heilige Schrift hat zum Glück eine Fortsetzung, anhand welcher die Glaubwürdigkeit Gottes, sogar wenn nicht selbst, dennoch als Wirklichkeit wahrgenommen werden kann. Ich glaube Wirklichkeit und Wahrheit unterscheiden sich, (von Jesus=Wahrheit abgesehen) in der Weise wie sie wahrgenommen wird. Daher stimme ich absolut bei, dass auch Atheisten uns Christen in Vielem gleichen, auch sie glauben oft einer Lehre. Richtig unterscheiden sollten wir Christen uns ja von den Gleichgültigen und den Menschen, die selber Gott sein wollen. Daher ist m.E. auch Vorsicht geboten mit einer Ver- oder Beurteilung von neuen oder neu scheinenden Strömungen in der “christlichen Szene” Jesus wurde kräftig kritisiert von denen, die die richtige Lehre konservieren wollten. Wie würden wir ihn wohl heute einordnen???
Danke für deinen tierschürfenden Beitrag Egon. Ich sehe es wie du: Gleichgültigkeit ist nicht gut. Wenn man Fragen oder Zweifel hat, sollte man ihnen nachgehen, Antwort-Optionen erkunden. Was weder gut noch gesund wäre, ist die Fragen verdrängen oder unterdrücken. Ich selbst habe das als junger Mann gemacht und es kam nicht gut. Ich erlebe auch etliche Christen, die das tun, und ich mache mir Sorgen um sie. Dies bedeutet u.a. dass man tatsächlich vorsichtig sein muss mit neuen Strömungen in der Christenheit. Es könnte sein, dass sie etwas wichtiges Wahres wieder zurück ans Licht holen. Selbstverständlich könnte es auch sein, dass sie einem irrigen Denken auf den Leim gegangen sind. Ich denke auch, dass man Zweifel haben darf an gewissen Auslegungen der Schrift, ohne dass man gleich deren Autorität untergräbt. Denn: Aus meiner Sicht ist Wahrheit unabhängig von mir selbst. Grundsätzlich kann ich denken, was ich will — wenn in der Bibel eine Autorität vorhanden ist, bleibt es dort selbst wenn ich sie nicht erkenne. Wie siehst du das? Wird Wahrheit/Autorität AN den Text herangetragen (vom Leser) oder IST sie dort (unabhängig des Lesers)?
Tja, da hat einer wohl die Bibel, und wqs sie über Gott lehrt, voll missverstanden. Würd mich jetzt wunder nehmen, wo er seine theol. ausbildung absolviert hatte …