Richard Rohr’s Hündin Venus war ‘Christus für ihn’. Dies behauptet Rohr «ohne Angst vor Häresie». Richard Rohr wird unter Christen viel und gerne gelesen. Ein guter Grund der Frage nachzugehen, wie Rohr zu einer Aussage kommen kann, die sich radikal vom historischen Christentum verabschiedet.
Richard Rohr widmet seinen Bestseller seiner Hündin Venus. Das ist vorerst nicht spektakulär. Spektakulär ist seine Begründung:
Ich widme dieses Buch meiner geliebten Labradorhündin Venus. 15 Jahre hat sie mich begleitet, und ich musste sie in Gottes Hände geben, als ich gerade mit dem Schreiben anfing. Ohne Selbstrechtfertigung, theologische Floskeln oder Angst vor Häresie kann ich mit Fug und Recht sagen, dass auch Venus für mich Christus war. (Alles trägt den einen Namen: Die Wiederentdeckung des universalen Christus, Seite 4 – meine Hervorhebung)
Als ich diese Worte zum ersten Mal las, blieb mir die Spucke weg. Das Haustier des weltbekannten und beliebten ‘christlichen’ Autors war ‘auch Christus für ihn’?! Für mich als Christ, ist eine derartige Aussage nichts weniger als Gotteslästerung, denn nichts in der Schöpfung darf mit einem göttlichen Titel versehen werden, als wäre es göttlich. Nur der einzige Gott-Mensch Jesus Christus.
Das kleine Wort ‘auch’ trifft fast am meisten: Auch Venus war für mich Christus… Hätte es ‘auch’ ein anderes Haustier von Richard Rohr sein können? Hätte es ‘auch’ etwas ausserhalb der Tierwelt sein können — der Rosengarten von Rohr vielleicht, oder der nahegelegene See? Warum eigentlich nicht ‘auch’ andere Menschen? Zum Beispiel ich, Paul! Hätte ‘auch’ Paul Christus sein können für Rohr? Der Name Christus, der für Christen heilig und einzig ist in seiner Art, wird von Rohr mehr oder weniger auf alles im Kosmos angewendet. Jetzt gibt es nicht nur Jesus Christus, sondern auch Venus Christus, Rosen Christus, Paul Christus.. Lieber Leser, setze deinen Eigennamen ein und hänge ‘Christus’ an – aus Sicht von Rohr in keiner Weise etwas Häretisches.
Um zu verstehen, wie Rohr auf derartige Aussagen kommt, muss man seinen Panentheismus verstehen. Rohr bezeichnet sich selbst als Panentheist (Seite 58). Vielleicht hilft es, seine Sicht von Gott und dessen Verhältnis zur Welt als emanationistisch zu bezeichnen. Das heißt, Gott “erschafft” nicht, indem er das Universum aus dem Nichts ins Leben ruft (ex nihilo), sondern indem er sein Wesen in die Dinge ausdehnt, die dadurch göttlich werden. Der Kosmos ist die Emanation oder Externalisierung Gottes. Sozusagen eine Erweiterung seiner Selbst. (Bemerkung: Eine gute Einführung in diese Thematik mit fairer Darstellung und gutem Fazit ist zu finden in Jürgen Moltmann’s Buch Trinität und Reich Gottes ab Seite 119)
Rohr verneint also eine klare Unterscheidung zwischen Gott und der Schöpfung, indem er behauptet, dass die Inkarnation schon mit der ursprünglichen Schöpfung der Welt anfing, als sich die “Erste Quelle” (Grossschreibung im Original) in die endlichen Dinge ergoss (Seite 21). Das Wort ‘Christus’ benutzt Rohr als eine «Bezeichnung für die ursprüngliche Matrix (den ‘Logos’), durch die alle Dinge entstanden sind» (Seite 22). Hier ist ‘Christus’ eine unpersönliche göttliche Wirkung, die im ganzen Universum anzutreffen ist. Der Mensch Jesus von Nazareth ist lediglich eine zwar besonders ausdruckstarke, aber bei Weitem die nicht einzige Inkarnation von diesem Christus-Prinzip.
Rohr trennt also Christus von Jesus und wendet nun diesen königlichen Herrschaftstitel ‘Christus’ auf alles Mögliche an – unter anderem auf seine Hündin Venus. Dieser Schritt ist aus Sicht des Christentums nicht nur häretisch, sondern auch spirituell schädigend.
Häretisch
Die Lehre von Rohr ist häretisch, weil Rohr uns glauben machen will, dass Jesus und der Christus zwei getrennte Einheiten sind. Und für Rohr ist Christus die wichtigere der beiden. Wir müssen uns nicht Jesus als Erlöser und Herrn unterwerfen, um mit dem göttlichen Pochen und Fließen eines sich entwickelnden Universums mitzugehen. Das wäre zu engstirnig aus Sicht von Rohr.
Jesus Christus ist für Rohr nicht der einzigartige Gott-Mensch. Er ist nicht das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (Kol 1:15) sondern lediglich ein Bild des unsichtbaren Christus Prinzips. Darum brauchen wir gemäss Rohr Jesus nicht anbeten. Rohr meint, Jesus habe vielfach aufgefordert, ihm nachzufolgen, aber nie, ihn anzubeten (Seite 44). Rohr liegt hier aber daneben. Da ein richtiges Verständnis von Jesus Anbetung hervorruft, brauchte Jesus nicht zu bitten. Jesus hat in den Evangelien mehrfach die Anbetung angenommen, die allein Gott gebührt (siehe z. B. Mt 14:33; Mt 28:9.17, Joh 20:28). Die Anbetung ‘des Lammes, das geschlachtet wurde’, ist eine zentrale und herrliche Tätigkeit im Buch der Offenbarung (Off 5:11–12).
Rohr versucht nichts weniger, als den Gott-Mensch Jesus Christus zu entthronen. Ihn, dem einzig Anbetung gebührt, sollen wir gemäss Rohr nicht anbeten, stattdessen sollen wir anfangen, Tiere und andere Geschöpfe als Inkarnationen zu bezeichnen. Das ist Blasphemie.
Rohr’s Lehre ist also an einem zentralen Punkt in kompletter Schieflage: Die Lehre der einzigen Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Der 2. Johannesbrief warnt mit scharfen Worten ausdrücklich davor, die biblische Lehre der Inkarnation zu leugnen:
Nun, in dieser Welt verbreiten jetzt zahlreiche Verführer ihre falschen Lehren. Sie bekennen sich nicht zu Jesus Christus als zu dem, der als ein Mensch von Fleisch und Blut zu uns gekommen ist, und wer das leugnet, ist der Verführer schlechthin. (2Joh 7)
Spirituell schädigend
Eine Häresie wie jene von Rohr ist nicht einfach eine theoretische Sache, sondern wer ihr Glauben schenkt, wird spirituell geschädigt und beraubt. Der 2. Johannesbrief sagt weiter:
Gebt auf euch Acht, damit ihr das, was wir miteinander erarbeitet haben, nicht wieder verliert, sondern damit ihr zur gegebenen Zeit den vollen Lohn bekommt. Wer nicht bei der Lehre von dem Mensch gewordenen Christus bleibt, sondern darüber hinausgeht, der lebt nicht in der Verbindung mit Gott. Wer hingegen bei dieser Lehre bleibt, ist sowohl mit dem Vater als auch mit dem Sohn verbunden. (2Joh 8–9)
Bei falschen Lehren in der Kategorie wie jene von Rohr’s Christus-Konzept steht nichts weniger als der Verlust der Verbindung mit Gott selbst auf dem Spiel. Es besteht die Gefahr zu verlieren, was erreicht worden ist. Der Verlust des vollen Lohnes steht als bedrohliche Möglichkeit im Raum. Was auch immer diese Realitäten genau bedeuten, die Bibel sieht sie als massive spirituelle Schädigung.
Im bereits zitierten Kolosserbrief schreibt Paulus:
Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist. (Kol 2:8–10)
Der Kolosserbrief enthält eine der höchsten Darstellung des einzigartigen Jesus Christus (Kol 1:15–20). Wer an wesentlichen Punkten Jesus Christus als etwas darstellt, das weniger ist als der hier beschriebene Christus, steht in der Gefahr einem Betrug auf den Leim zu gehen: Dem Verlust von Gottheit selbst und dessen Fülle.
In den einführenden Versen des Kolosserbriefes beschreibt Paulus, was Christen von dieser Verbindung mit Gott empfangen: einen lebendigen Glauben, eine Liebe zur Gemeinde von Jesus Christus, und eine tragfähige Hoffnung (Kol 1:3–5). Wer anfängt Ideen wie jenen von Rohr Glauben zu schenken, steht in der realen Gefahr, einen schwindenden Glauben zu ernten, eine schrumpfende Liebe zur Gemeinde zu entwickeln, und eine schwankende Hoffnung einzufahren. Mit anderen Worten: Er kann um die Frucht betrogen werden, die aus der Verbindung mit Jesus Christus entsteht.
Vor zwei Jahren schrieb Johannes Hartl in seinem Abschied von einem Lehrer:
Ist die Christologie (Anm: die Lehre über Jesus) erst einmal schräg, wird alles andere auch schräg. Leider ist Richard Rohr nicht der einzige Lehrer, dessen Weg ich irgendwann nicht mehr mitgehen konnte. Meine bescheidene Erfahrung war bisher: wer in der Christologie „innovative“ Ideen hatte, landete mittelfristig auch in anderen Bereichen der Theologie in ganz nebligen Gewässern. Rob Bell, Brian McLaren, Michael Gungor: sie alle befinden sich heute weit weg von orthodoxem Christentum, Gungor bezeichnet sich meines Wissens nach nicht einmal mehr als Christ. Was verbindet sie alle? Inspiration durch Richard Rohr.
Der Weg zurück
Was können wir tun, wenn wir merken, dass unser Glauben wegen einer Hingabe an häretische Lehren angefangen hat zu schwinden? Oder wenn unsere Liebe zur Gemeinde Jesu am Schrumpfen und unsere Hoffnung schwankt? Wir müssen wieder einen offenen und klaren Blick finden auf den wirklichen Jesus Christus, wie ihn die Bibel uns lehrt.
Nur wenn wir erkennen, wer Jesus Christus wirklich ist, wird unser Glaube wieder Boden unter die Füsse bekommen, unsere Liebe zu seiner Gemeinde wieder erweckt und unsere Hoffnung tragfähig werden. Ein möglicher Weg dazu, ist die sogenannten Christus Hymnen im Neuen Testament zu studieren wie der bereits erwähnte Kol 1:15–10. Weitere solche Stellen sind Phil 2:5–11; Joh 1:1–17; Eph 2:14–16; 1Tim 3:16 oder Heb 1:1–4.
Ich lade meine Leser ein, in den nächsten Tagen beispielhaft den Kolosser-Text mehrfach zu lesen und sich Gedanken zu machen, wie Jesus Christus hier beschrieben wird (dabei kann helfen, gute Kommentare zu konsultieren):
Der Sohn ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene, der über der gesamten Schöpfung steht.
Denn durch ihn wurde alles erschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, Könige und Herrscher, Mächte und Gewalten. Das ganze Universum wurde durch ihn geschaffen und hat in ihm sein Ziel.
Er war vor allem anderen da, und alles besteht durch ihn.
Und er ist das Haupt der Gemeinde, das Haupt seines Leibes. Er ist der Anfang der neuen Schöpfung, der Erste, der von den Toten auferstand, denn nach Gottes Plan soll er in allem den ersten Platz einnehmen.
Ja, Gott hat beschlossen, mit der ganzen Fülle seines Wesens in ihm zu wohnen
und durch ihn das ganze Universum mit sich zu versöhnen. Dadurch, dass Christus am Kreuz sein Blut vergoss, hat Gott Frieden geschaffen. Die Versöhnung durch Christus umfasst alles, was auf der Erde, und alles, was im Himmel ist.
Kol 1:15–20 nach NGÜ
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Und was tun, wenn sich gerade dadurch die Liebe zu Christus und dem Nächsten und sich selbst unendlich vertieft hat?
Das Wort ‘Liebe’ ist unsererzeits unklar. Es wird gefüllt oder definiert von einer Weltsicht, die jemand hat. Was ‘Liebe’ ist für den einen, ist nicht ‘Liebe’ aus Sicht des anderen. Ebenso das Wort ‘Christus’. Darum ist die Frage zu wage. Vielleicht könnt ein konkretes Beispiel helfen zu verstehen?
Du hast Humor, lieber Paul. Die Bilder vom Hund passend zum Text oder zur Häresie?!? Danke für dein Einstehen für die Wahrheit. Ich war an deinem Vortrag in der FMG Kollbrunn und habe von deinem Wissen profitiert.
Danke Jael — es war super bei euch 🙏
Danke für diesen augenöffnenden Beitrag. Besonders die Bibelverse sind sehr treffen.
Herzliche Grüsse!
Vielenb Dank Zoe