Wenn es Gott gibt, ist er das wohl schönste Wesen, das es gibt. Die Schönheit in der Schöpfung raubt mir regelmässig den Atem. Sie ist aber lediglich ein Abglanz, eine Reflektion der noch grösseren Schönheit des Schöpfers. Den Schöpfer selbst erkennen, sehen, geniessen und sich an ihm erfreuen, muss das allerhöchste Gut des Menschen sein!
Wie viele Kirchenväter, glaubte Origenes, dass der primäre ‘Modus’ des Erkennens von Gott das ‘Sehen’ ist. In seiner berühmten Entgegnung Gegen Celsus unterscheidet Origen zwei Arten von Sehen. Um physische Objekte zu sehen, müssen diese Objekte nichts tun, um gesehen zu werden. Wir sehen sie einfach. In ‘göttlichen Dingen’ brauche es jedoch etwas anderes, meint Origen in seinen ‘Homilien zu Lukas’:
Wenn etwas da ist, wird es nicht gesehen werden, wenn es nicht einwilligt, gesehen zu werden.
Es war ein Akt der Gnade, dass Gott Abraham und den Propheten erschien. Das Auge von Abraham’s Herz war nicht die einzige Ursache, dass er Gott sehen konnte. Es war Gottes Gnade, aus dessen freien Stücken einem gerechten Mann gegeben, die es diesem erlaubte, ihn zu sehen. (eigene Übersetzung aus dem Englischen)
Kirchenhistoriker RL Wilken fasst zusammen:
Anders als mit anderen Arten der Erkenntnis, beginnt die Erkenntnis Gottes mit Gottes Bewegung hin zum Menschen (Wilken, The Spirit of early Christian Thought, eigene Übersetzung aus dem Englischen)
Weiter stellt Wilken fest:
Schönheit ist das Gegenstück zum Sehen. In der Schrift sind viele Wörter, die für Gottes Selbst-Offenbarung genutzt werden — Wörter wie Herrlichkeit, Pracht, Licht, Bild, und Gesicht — Wörter die mit dem Sehen zu tun haben. (Wilken, The Spirit of early Christian Thought, eigene Übersetzung aus dem Englischen)
In seinem Kommentar zum Hohelied der Liebe sagt Origen, dass “die Seele in Bewegung versetzt wird durch die göttliche Liebe und Sehnsucht, wenn sie die Schönheit und Anmut von Gottes Wort schaut”. Auch die Bibel ist ein wunderschönes Gesamtkunstwerk, in dem sich Gottes Schönheit spiegelt, sein Wesen sich uns offenbart, und durch welches wir zu IHM hingezogen werden.
Dies erinnert mich an das Lied, das wir letzte Woche an einer Abdankung gesungen haben:
Durch Liebe sanft und stark gezogen
neigt sich mein Alles auch zu dir
du große Liebe, gutes Wesen
du hast mich, ich hab dich erlesen
(Gerhard Tersteegen, Ich bete an die Macht der Liebe, Strophe 2)
Wenn unsere Seele anfängt diese Wahrheiten zu erahnen, passiert etwas in uns. Jeder Stolz über Gott und über unsere Begegnung mit ihm zu verfügen, weicht. Unsere Bemühungen, von uns her den Weg zu Gott zu erdenken, erbauen, erkämpfen, ersinnen, bleiben Rufe des Homo Sapiens ins Weltall hinaus. Sie reichen höchstens zum Rand der Erdatmosphäre. Nein, Gott muss wollen, dass es zur Begegnung mit ihm kommt! Dies sehe ich nicht als Problem, sondern als wunderbarer Ausdruck, dass es sich in der Begegnung mit Gott um ein personales Ereignis handelt! Eine Begegnung eben! Nur schon darin ist verblüffende Schönheit. Begegnung mit dem Schöpfer — Gott des Kosmos. Ich meine Waouh! Zu realisieren, dass eine Begegnung von der anderen Person gewollt ist, darin ist eine Schönheit, die wir geniessen. Zu realisieren, dass eine Begegnung von Gott gewollt ist, umso mehr.
Es handelt sich beim Sehen Gottes um eine Begegnung mit der schönsten Schönheit! Wo Schönes uns umgibt, sind wir gerne. Da bleiben wir stehen, sitzen. Da leben und existieren wir gerne. Deshalb wirkt Schönheit anziehend. Sie ruft uns in ihre Nähe und Gegenwart. Da wollen wir hin! Denn hier nährt sich unsere Seele. Da sind wir heimisch. Wenn es stimmt, dass Gott das bei weitem schönste Wesen ist, das es gibt, und er gleichzeitig ewig ist, dann ist bei Gott der Ort, wo wir ewig sein wollen. Die Idee, dass die Ewigkeit langweilig ist, ist nichts als lächerlich. Sie zeigt, wie wenig eine Person verstanden — gesehen hat — wer Gott wirklich ist.
Das Auge unserer Herzen kann jetzt schon ein Stück seiner herrlichen Pracht sehen. In der Ewigkeit werden wir sie ganz sehen. Wir werden hin und weg sein, erstaunt und überwältigt, dass es überhaupt etwas — besser gesagt jemand — gibt, der so schön ist! Die Schönheiten der erschaffenen Welt werden dann weiterhin schön bleiben. Doch ihre Herrlichkeit wird blass wirken im Vergleich zur Pracht Gottes. Wir, die wir ihn sehen, werden beim Anblick der ewigen Schönheit nur noch eins wollen:
Ich fühl´s, du bist´s dich muß ich haben
Ich fühl´s, ich muß für dich nur sein
ich geb’ mich hin dem freien Triebe,
wodurch auch ich geliebet ward
(Gerhard Tersteegen, Ich bete an die Macht der Liebe, aus Strophen 1 & 3)
Die Bibel ist eine einzige grosse Einladung, Gott als das begehrenswertestes Wesen zu sehen an dem wir uns in Ewigkeit erfreuen wollen. Oder wie der gute alte Luther es mit einem starken Wort übersetzte:
Habe deine Lust am HERRN; der wird dir geben, was dein Herz wünscht. (Ps 37:4)
Hm, das erinnert mich daran, dass es mir so geht, wenn ich meine Frau sehe, anschaue — sie fasziniert mich mit ihrem Wesen und mit ihrer Schönheit und mit ihrer Gemeinschaft mit mir und kann mich voll und ganz in Beschlag nehmen — eine Art Ergriffenheit, die mich glücklich macht, stärkt, stolz macht.
Spannend. Ist vielleicht nicht zufällig, dass die Ehe von Mann und Frau in der Bibel ein Bild ist für unser Verhältnis zu Gott. Es ist sicher nicht sexuell, aber äusserst lustvoll. Können wir das überhaupt so denken? Ich find’s auf jeden Fall einen sehr wichtigen Hinweis von dir. Danke!
Ich sehe die Ehe von Mann und Frau durchaus als so etwas geheimnisvolles, das viel mehr Tiefgang schenken kann also nur eine sexuelle Verbindung. Es ist die gesamthafte intime Verbundenheit, die diese Zweisamkeit zu einer Einheit formt, die eine Vielfalt und Unterschiedlichkeit bereichert und belebt, Potenzial fördert und stärkt. Ich empfinde, dass sexuelle Lust und Anziehungskraft nur ein Hauch davon ausdrücken kann, was uns Menschen an der Schönheit (Gottes) so in Bann und Beschlag nehmen kann. Auch an der Schönheit der Natur kann ich mich nie satt sehen, obwohl sie so erfüllend ist. So nehme ich auch die Gemeinschaft mit Gott wahr: Das Wesen Gottes begeistert, zieht mich in ihren Bann, erfüllt mich und doch kann ich nie genug davon bekommen, ist befriedigend, heilsam, stärkend an Mut und Selbstbewusstsein, inspiriert, beruhigt und belebt, …
Ein Aspekt der Schönheit Gottes ist die einzigartige Facette, die er in mich, die er in jeden einzelnen Menschen, der über diese Erde wandelt, hineingelegt hat. Wenn ich in den Spiegel schaue und staunen kann, was für ein Mensch ich dort sehe (nicht die zuvielen Pfunde auf den Rippen und nicht die schiefe Nase im Gesicht), welche geballte Ladung an Liebe Gott in dieses Konterfei investiert hat. Und wenn ich das einmal annehmen kann, wenn diese Erkenntnis sich in meinem Leben mehr und mehr entfaltet, dann ist es für mich zwar enorm wichtig — und doch immer noch nur eine einzelne Facette von Gottes unermesslicher Schönheit und Kreativität, eine Facette unter Milliarden.
Drum packte ich mein Ein und Alles in diese neue Schöpfung rein.
Sie sollt’ mir ebenbildlich werden, nicht nur ein Funktionsbaustein.
So war es auch und nach Vollendung lud ich die höchsten Engel ein.
Sie waren sprachlos, doch beteuerten, dass dies mein schönstes Kunstwerk sei.
https://internetgedichte.ch/dein-gott-ist-zu-klein/
Wunderschön!!!! Vielen Dank!
Da fällt mir spontan der Lievers ein: “alle die Schönheit, Himmels und der Erden, ist verfasst in dir allein Nichts soll mir werden lieber auf Erden als du, liebster Jesus mein.”
Dazu ein Statement von Mechthild von Magdeburg: “einst dachte ich, wenn ich dich sehe droben, Eh’ ich beginne, singend dich zu loben, Würd’ ich dir meinen Jammer klagen:
Nun hat mich, HERR, dein Antlitz ganz und gar geschlagen,
Denn du hast mich weit über mich und meine Menschlichkeit getragen”.
Und Hr. Breymaiers liebster Vers:
” Du durchdringst alles; lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stillehalten, lass mich so, still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen”.
Wunderbar! Danke!