Ich halte eine kleine dickwandige Porzellantasse in der Hand. Ich schwinge ganz sachte eine kleine braun maserierte Flüssigkeit im Kreis herum. Es duftet herrlich nach frisch gebrühtem Espresso. Meine Gedanken schweifen ab, nach Äthiopien, wo ich als Auslandschweizer aufgewachsen bin und der Arabica Kaffee herkommt. Zu all den Kleinbauern die sich täglich für unseren Kaffee Genuss einsetzen…
«4 Franken 50 bitte» eine Stimme reisst mich abrupt aus den Gedanken. Ein wenig verstört klaube ich aus meinem Portemonnaie einen Fünfliber, drücke den in die mir entgegengestreckte Hand und sage «isch guet».
Ich falle zurück in meinen Stuhl und komme ins Grübeln. Isch das würkli guet? Was darf den so ein Espresso eigentlich kosten? Was heisst hier «darf»? Wer beurteilt das? Oder anders gefragt, was ist der eigentliche Wert dieser 25ml Kaffeeextrakt? Kann man das überhaupt bewerten?
Was darf Kaffee kosten?
Gar nicht so schwierig. Das sind nach traditioneller italienischer Rezeptur 8,5gr fein gemahlenes Kaffeepulver, woraus man 25ml Extrakt in eine heisse Espressotasse brüht. Da brauchen wir ja nur noch den Preis für den gerösteten Kaffee, etwas Prozentrechnung und schon haben wir den Wert! Aber von was für einen Kaffeepreis gehen wir aus? Die Preise klaffen krass auseinander. 50 Franken pro kg geröstetem Kaffee sind nicht selten. Bei den teureren Kaffees steht häufig «Single Origin» «UTZ» «Fair Trade» «Direct Trade» «BIO» «Demeter» etc. Ist denn Kaffee nicht = Kaffee?
Der ungeröstete Arabica Rohkaffee (Samen der Kaffeepflanze) wird an einer weltweit einzigen spezialisierten Börse in New York zentralisiert gehandelt. Und es ist keine kleine Börse, Kaffee kommt weltmarktechnisch gesehen gleich nach Erdöl. Für die Börsenmakler ist es Ware, mit der es den grösst möglichen Gewinn zu erzielen gilt. Den Kaffee sehen sie nie, und die Produzenten schon gar nicht. Warum? Weil der Kaffee ja nicht aus New York kommt. Aber hier wird zum «Tagespreis» spekulativ Kaffee tonnenweise gekauft und verkauft. Angeblich nach Angebot und Nachfrage. Aber kommt das Angebot vom Bauern, der den Kaffee produziert hat und seine Kosten decken muss? Der aus dem Erlös zusätzlich seine Familie ernähren sollte und die Kinder in die Schule schicken möchte?
Kaffeeröstung in den Simien Bergen, Äthiopien (Bild: iStock)
NEIN es ist das Angebot eines Maklers. Von dem angebotenen Preis, zieht nun jeder Mittelsmann in der Kette bis zum Bauern seinen Teil ab. Für den Bauern, als letzter in der Kette, bleibt am Schluss eine leere Null! «Sorry, wir können Dir leider nicht mehr geben! Der Tagespreis gibt nicht mehr her!»
Die Enttäuschung, und Machtlosigkeit des Kaffeebauern in diesem System ist gross. Viele der kleinen Kaffeebauern, die einen unglaublich wichtigen Beitrag an die Biodiversität in der grünen Lunge unserer Erde leisten, mussten deswegen bereits aufgeben. Ihre Permakultur Gärten wurden zerstört und an Stelle derer wurden Monokulturen errichtet.
Mit diesem System will ich nichts zu tun haben!
Ich liebe Kaffee und er ist zu meiner Leidenschaft geworden. Von der Pflanze bis in die Tasse ist Kaffee faszinierend und die Bauern arbeiten hart und mit grossem Einsatz für unsere Gaumenfreude. Ein anderes Handelssystem muss her. Eines, das die Arbeit der Bauern wertschätzt, ihnen und ihren Familien ein Einkommen garantiert, das Sicherheit und Zukunftsperspektive bietet. Ein Miteinander, freundschaftlich, partnerschaftlich… gerechter. Sind wir vor unserem Schöpfer nicht alle gleich?
Heute bin ich Teil von «Roasters United», einem europäischen Netzwerk von Kleinröstereien, die alle persönliche Beziehungen in die Ursprungsländer haben. Wir haben uns zusammengeschlossen, um gemeinsam aus diesen Beziehungen und Freundschaften Kaffee direkt ohne Zwischenhändler zu erwerben. Vor der Ernte kommunizieren wir die von uns als Gruppe mit Garantie abgenommene Menge an Rohkaffee. Wir legen unabhängig vom Weltmarkt den Preis dafür fest. Die Bauern können bis 60% davon schon während der Produktionszeit vorbeziehen, um nötige Investitionen zu tätigen oder Unvorhergesehenes abzufangen. Wir besuchen die Bauern jährlich und engagieren uns in sozialen, ökologischen und ökonomischen Projekten vor Ort. Dabei ist mir persönlich, biologischer Anbau wichtig.
Röster aus Leidenschaft: Samuel Lüthi
Mit dem Rohkaffee von Rosaters United als Basis, durfte ich vor fünf Jahren mit meiner Frau zusammen meine Leidenschaft des Kaffeeröstens professionalisieren und meinen Traum einer eigenen kleinen Kaffeerösterei «Röstgrad» im Zürcher Wyland verwirklichen. Unter dem Motto «Kaffee mit Charakter ehrlich geniessen» überreiche ich jedem Besucher der Rösterei einen Espresso mit der Überzeugung: «s’isch würkli guet».
Röstgrad betreibt seit Kurzem auf dem Drehscheibenplatz in Winterthur eine Cafè & Gelati Bar (www.b51.bar) wo man Kaffee geniessen, kaufen und auch etwas verweilen kann.
Samuel Lüthi
+41 (0)77 415 55 51
aroma@roestgrad.ch
Röstgrad° GmbH
Schaffhauserstrasse 29
8451 Kleinandelfingen
Schweiz
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