Schimmernde Hoffnung: Freude auch im Leid

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by Paul Bruderer | 29. Nov. 2020 | 0 comments

Vik­tor Fran­kl ver­bringt im zweit­en Weltkrieg 3 Jahre in ver­schiede­nen deutschen Konzen­tra­tionslagern. Seine Eltern, sein Brud­er und seine Frau ster­ben darin, während er über­lebt. In seinem Buch Trotz­dem Ja zum Leben sagen zeigt der Neu­rologe und Psy­chologe Fran­kl, wie die Men­schen mit dem KZ umge­gan­gen sind. Er gibt uns wichtige Erken­nt­nisse, welche Art von Hoff­nung nötig ist, wenn sie uns im entschei­den­den Moment wirk­lich tra­gen soll.

Fran­kl sagt, dass die KZ Insassen auf 4 ver­schiedene Arten auf die Not im KZ reagierten:

  • Einige Men­schen wur­den grausam und gewalt­tätig gegenüber anderen Gefan­genen. Sog­ar netteste Men­schen wur­den brutal.
  • Andere Men­schen resig­nierten. Sie ver­loren alle Hoff­nung. Das passierte nor­maler­weise plöt­zlich. Meis­tens haben sie sich mor­gens geweigert aufzuste­hen, anzuziehen und zu waschen. Keine Bitte, keine Schläge, keine Dro­hung zeigten Wirkung. Sie lagen ein­fach dort, haben aufgegeben und nichts küm­merte sie mehr, weil sie keine Hoff­nung mehr hatten.
  • Es gab auch Men­schen, die vom Willen angetrieben waren zu über­leben. Die Kraft, die sie antrieb, war die Hoff­nung, später ein­mal das alte Leben zurück­zubekom­men. Sie hofften, nach dem KZ wieder an ihre alten Erfolge anknüpfen zu kön­nen, wieder Fam­i­lie zu haben, Ver­mö­gen oder Posi­tion  aufzubauen. Aber nach der Befreiung fan­den viele von ihnen nicht das, was sie gesucht hat­ten. Als der Tag ihrer Träume kam, war er anders, als sie sich das vorgestellt hat­ten. Nicht wenige fie­len für den Rest ihres Lebens in tiefe Depres­sio­nen und es gab auch etliche Suizide.
  • Ein vierte Gruppe behielt ihre volle innere Frei­heit weil sie eine Hoff­nung hat­ten, die wed­er durch Leid noch durch Tod zer­stört wer­den kon­nte. Diese lei­der sehr kleine Gruppe von Insassen waren nicht glück­lich oder fröh­lich, aber sie schafften etwas, das die anderen nicht schafften. Sie waren in der Lage, mehrheitlich fre­undlich zu bleiben mit den Anderen.

Wir leben nicht im KZ und kön­nen uns nicht vorstellen, wie grauen­voll es dort gewe­sen sein muss. Einen gemein­samen Punkt gibt es jedoch. Was die KZ Insassen inner­halb kürzester Zeit erlebt haben, erfahren wir wenig­stens in eini­gen Stück­en im Ver­lauf unseres Lebens: Uns wird das Leben genom­men. Eine Per­son, die wir lieben, wird wegen Krankheit, Tod, Tren­nung, Stre­it von uns gehen. Unser Kör­p­er wird seine Schön­heit ver­lieren. Wir wer­den gebrech­lich und krank. Auch die Arbeit wird uns genom­men, wenn wir Pech haben mit der Anstel­lung oder in die Pen­sion kom­men. Uns alle trifft irgend­wann der Tod. Wenn unsere Hoff­nung in den Din­gen dieses Lebens begrün­det liegt, die wir alle mit Sicher­heit ver­lieren wer­den, lässt uns diese Hoff­nung im entschei­den­den Moment im Stich.

Der erste Petrus­brief ist ein Text an ver­fol­gte Chris­ten. Diese Chris­ten erleben die Qual­ität von Hoff­nung, wie sie Fran­kl bei der vierten Grup­pen im KZ vor­fand. Ihre Hoff­nung war nicht darin begrün­det, dass es ihnen gut ging im Leben. Im Gegen­teil: Sie waren ver­fol­gt! Trotz­dem war in ihnen eine Kraft, Hoff­nung und Freude, welche die Men­schen in ihrem Umfeld so aufhorchen liess und über­raschte, dass sie anfin­gen, die Chris­ten nach der Herkun­ft zu befra­gen. Deshalb sagt Petrus zu ihnen:

Seid jed­erzeit bere­it, jedem Rede und Antwort zu ste­hen, der euch auf­fordert, Auskun­ft über die Hoff­nung zu geben, die euch erfüllt. (1 Pe 3:15)

Im ersten Kapi­tel des Briefes gibt Petrus selb­st Auskun­ft, worin diese christliche Hoff­nung begrün­det ist:

In seinem großen Erbar­men hat Gott uns durch die Aufer­ste­hung Jesu Christi von den Toten ein neues Leben geschenkt. Wir sind von neuem geboren und haben jet­zt eine sichere Hoff­nung, die Aus­sicht auf ein unvergänglich­es und makel­los­es Erbe, das nie seinen Wert ver­lieren wird. (1 Petr 1,3–4)

Hier wird uns der Weg in die Gewis­sheit der christlichen Hoff­nung gezeigt. In unserem Sprachge­brauch verbinden wir mit dem Wort ‘Hoff­nung’ Unsicher­heit. “Ich hoffe es ist mor­gen schönes Wet­ter” meint: Vielle­icht wird es schön, vielle­icht auch nicht. Ich bin unsich­er. Ich weiss es nicht. Christliche Hoff­nung hinge­gen gibt Gewis­sheit, weil sie auf äussere und auf unwider­ru­fliche Tat­sachen basiert: Die in Real­ität geschehene leib­liche Aufer­ste­hung von Jesus Chris­tus. Diese Aufer­ste­hung Christi garantiert allen, die ihm glauben (1 Petr 1:5) ein ewiges Leben, das seinen Wert schlicht und ergreifend nicht ver­lieren kann!

Weil es diese Gewis­sheit gibt, ver­wan­delt christliche Hoff­nung das Ver­hält­nis von Freude und Leid auf radikale Weise. Im Leben eines Men­schen, der diese Hoff­nung nicht ken­nt, sind Freude und Leid gegen­läu­fig. Ab einem bes­timmten Punkt schliessen sich Freude und Leid sog­ar gegen­seit­ig aus. Wenn Leid da ist, kann dieser Men­sch nicht gle­ichzeit­ig Freude empfind­en. Umgekehrt kann Freude im Leben dieses Men­schen nur in Zeit­en der Abwe­sen­heit von grösserem Leid vorhan­den sein. So läuft es nor­maler­weise. Das ist auch ver­ständlich, denn nur die christliche Hoff­nung kann das Gegen­teil bewirken: Freude weck­en ger­ade und beson­ders dann, wenn es lei­d­voll wird:

Deshalb seid ihr voll Freude, auch wenn ihr jet­zt – wenn Gott es so will – für kurze Zeit lei­den müsst und auf die ver­schieden­sten Proben gestellt werdet. (1 Pe 1:6)

Was wir hier sehen ist eine Freude, die ger­ade dann anfängt erlebt zu wer­den, wenn es schwierig wird. Im Ver­lauf dieser Verse im 1. Petrus Brief wird sog­ar klar: Je gröss­er das Leid, desto gröss­er die Freude. Nicht Freude AN den lei­d­vollen Umstän­den, son­dern Freude IN ihnen. Christliche Hoff­nung macht uns nicht zu Masochis­ten, son­dern zu Men­schen, die im Leid innere Frei­heit behal­ten, Men­schen­würde leben und Freude erfahren können.

Bish­er habt ihr Jesus nicht mit eige­nen Augen gese­hen, und trotz­dem liebt ihr ihn; ihr ver­traut ihm, auch wenn ihr ihn vor­läu­fig noch nicht sehen kön­nt. Daher erfüllt euch schon jet­zt eine über­wälti­gende, jubel­nde Freude, eine Freude, die die kün­ftige Her­rlichkeit wider­spiegelt. (1 Pe 1:8)

Hier ist nicht nur von Freude die Rede, son­dern von Jubel. Krass! Unver­ständlich für Men­schen, die christliche Hoff­nung nicht ken­nen! Doch der Men­sch, der an Jesus glaubt, darf eine fun­da­men­tale Verän­derung des Ver­hält­niss­es von Freude und Leid erleben. Sie schliessen sich nicht mehr gegen­seit­ig aus.

Es ist ein wenig wie mit der Heizung eines Haus­es. Wenn es kalt wird (Leid kommt), wollen wir einen Mech­a­nis­mus, der die Heizung ein­schal­tet (Freude bringt). Noch bess­er ist es, wenn mit wach­sender Kälte die Hei­zleis­tung steigt. Wenn es keinen solchen Mech­a­nis­mus gibt, dann überkommt die Kälte irgend­wann alles Leben im Haus. Christliche Hoff­nung ist im Bilde gesprochen eine Heizung. Wenn Leid und Not in unser Leben kommt, weist sie uns auf die vor uns liegende Her­rlichkeit hin und weckt in uns Freude  daran. Ein ein­drück­lich­es per­sön­lich­es Beispiel dieser Hoff­nung erzählt Vik­tor Pfis­ter in seinem Bericht, wie er und seine Fam­i­lie den Ver­lust sein­er Tochter Eve­lyne durch Suizid erlebt haben.

Wer diese christliche Hoff­nung nicht hat, wird Chris­ten die sie haben, nicht ver­ste­hen kön­nen. Er wird den Chris­ten Welt­fremd­heit und Lebens­feindlichkeit vor­w­er­fen. Schade! Denn mich dünkt, dass die Bibel hier etwas beschreibt und anbi­etet, das die meis­ten reflek­tierten Men­schen haben möcht­en. Prob­leme, Nöte und Leid wer­den zwangsläu­fig in alle unsere Leben kom­men. Wer möchte dann nicht etwas in seinem Leben haben, das eine Quelle der Freude wird, wenn die anderen schö­nen Dinge des Lebens als Quelle der Freude versiegen?

Näch­ste Woche befassen wir uns mit der Frage, wie diese christliche Hoff­nung in unser Leben kommt. Bis dahin kön­nte es inter­es­sant sein, 1. Petrus 1,3–9 zu lesen und über fol­gende Fra­gen nachzudenken?

  • Wie geht es mir, wenn mir Dinge im Leben genom­men wer­den, die mir sehr wichtig sind?
  • Woran mache ich meine Hoff­nung fest? Wie kann ich diese Frage über­haupt beantworten?
  • Kenne ich die christliche Hoff­nung, welche zu einem Zuwachs von Freude führt, wenn es zu einem Zuwachs von Prob­le­men und Leid kommt in meinem Leben?
  • Glaube ich an die reale, leib­liche Aufer­ste­hung von Jesus Chris­tus von den Toten? Erkenne ich, warum dieses his­torische Ereig­nis die Grund­lage für meine per­sön­liche Hoff­nung sein kann?
  • Was bedeutet es, an Jesus Chris­tus zu glauben?

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Hier kann die Predigt zum Artikel gese­hen werden:

Über den Kanal

Paul Bruderer

Paul Bruderer, Jahrgang 1972, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, 1998 Gründungsmitglied der erwecklichen ‹Godi›-Jugendarbeit in Frauenfeld. Seit 2001 Pastor in der Chrischona Gemeinde Frauenfeld. Paul lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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