[vc_row][vc_column][vc_column_text]Alisa Childers ist hierzulande bekannt durch ihren Artikel ‘Was progressive Christen mit Atheisten verbindet’. Nun liefert sie die biographische Kulisse dazu mit ihrem Buch Another Gospel?. Das einfach verständliche Buch beschreibt die Dekonstruktion von Alisa’s Glaube durch den Besuch eines wöchentlichen Seminars des Pastors ihrer Gemeinde. Dieser outet sich vor der Gruppe als ‘hoffnungsvoller Agnostiker’. Die Schlüsselfrage des Buches: Wie geschieht die Rekonstruktion eines destabilisierten Glaubens?
Vorweg: Das Buch ist Anfang Oktober 2020 erschienen und existiert aktuell nur in Englisch. Es gibt einen Grund, weshalb mir eine Rezension des Buches wichtig ist. Alisa’s persönliches Erleben repräsentiert die Erfahrung, die viele Christen der westlichen Welt zur Zeit machen: Neue theologische Aussagen lösen bisherige Überzeugungen auf und destabilisieren den Glauben. Das ist an sich nichts Neues, ich kenne es aus eigenem Erleben. Doch es scheint als würden aktuell besonders viele Christen eine Art Dekonstruktion ihres Glaubens durchlaufen. Ich glaube, dass dies dazu gehört wenn unser Glaube mündig werden soll. In diese Mündigkeit kommen wir nicht einfach indem wir uns in eine “christliche Bubble” zurückziehen und uns vor den Fragen “da draussen” verstecken. Der Hebräerbrief sagt:
Lasst euch daher nicht von seltsamen, neuen Lehren verwirren. Durch die Gnade Gottes werdet ihr innerlich stark. (Heb 13:9)
Der Vers aus dem Hebräerbrief deutet darauf, dass der Glaube fest wird durch Gnade angesichts alternativer religiöser Optionen. Manchmal entfalten diese alternativen “neuen Lehren” ihre verwirrende und destabilisierende Wirkung gerade WEIL wir uns nicht eingehend genug mit ihnen auseinander gesetzt und deshalb ihre Fehler nicht durchschaut haben. Genau an diesem Punkt passt das neue Buch von Alisa Childers. Mit ihr haben wir eine Frau, deren Glaube arg ins Wanken geriet, die sich aber die Zeit nahm, die Fragen eingehender zu studieren. Durch Gottes Gnade ist ihr Glaube heute wesentlich stärker als zuvor:
Heute steht mein Glaube stärker gegen die Wogen der Zweifel, welche die Existenz Gottes in Frage stellten, die Verlässlichkeit der Bibel und die Wahrheit des Christentums. Mein Glaube sieht heute etwas anders aus als früher. Aber wenn ich auf mein Leben zurückschaue, sehe ich Gottes vorhersehende Hand meine Schritte leiten. (Seite 234)
Wenn der Pastor den Glauben untergräbt
Die Dekonstruktion von Alisa’s Glaube beginnt im Rahmen einer Serie von Seminaren, zu der sie von ihrem Pastor eingeladen wird. Der Pastor ist selbst nicht mehr so sicher, was er noch glauben soll und was nicht. Er bezeichnet sich als “hoffnungsvoller Agnostiker” (Seite 6) und möchte den Menschen seiner Gemeinde einen Raum geben, ihre Fragen offen zu diskutieren. Dabei soll eine “gleiche Augenhöhe” sein zwischen ihm und den Teilnehmern. Doch Alisa erlebt, dass dies nicht wirklich der Fall ist. Der Pastor fördert subtil eine Atmosphäre, die in eine ganze bestimmte Richtung geht:
Ich habe gemerkt, dass wenn er eine Frage gestellt hat, es eigentlich nur zwei akzeptable Antworten gab. Wenn du gesagt hast “ich weiss es nicht” oder jene Sicht vertreten hast, welche die akzeptierte christliche Lehre herausfordert, dann wurdest du als intelligent und geistlich beweglich gesehen. Wenn du hingegen die historische Sicht vertreten oder verteidigt hast, wurdest du als jemand hingestellt, der in Angst lebt oder der nicht bereit ist, sich intellektuell den schwierigen Fragen des Glaubens zu stellen. (Seite 87)
Alisa beschreibt in Another Gospel? wiederholt solche Situationen in der Klasse, welche dazu führen, dass sie viele Dinge, die sie früher geglaubt hat, nicht mehr mit Gewissheit glauben kann. Die Fragen konzentrieren sich auf drei Themenbereiche:
- Die Bibel
- Das Kreuz
- Das Evangelium
Alisa merkt mit der Zeit, dass der Pastor und die Gruppe, an der sie teilnimmt, von einer grösseren Entwicklung in der Christenheit geprägt ist. Sie nennt diese Entwicklung das “progressive Christentum”. Auch wenn dieses “neue Christentum” keine eigene Organisation und kein gemeinsames Glaubensbekenntnis hat, kristallisieren sich gemäss Childers doch einige gemeinsame Überzeugungen heraus, welche einer grundlegenden Revision des historischen Christentums gleichkommen. Im Folgenden skizziere ich die wichtigsten Aussagen von Childers über das progressive Christentum.
Progressives Christentum definiert entscheidende Dinge neu
Wie Christen aller Zeiten, empfinden progressive Christen die Bibel als ein überzeugendes Buch, aber mit wichtigen Unterschieden:
Anstatt die Bibel als das autoritative (nicht mit autoritär verwechseln, meine Anmerkung) Wort von Gott zu den Menschen zu sehen, verstehen sie die Bibel als eine antike Sammlung von Büchern, die wir so behandeln sollen, wie wir antike Fundstücke behandeln. Sie sehen die Bibel als den besten Versuch unserer geistlichen Vorfahren, ihren Glauben an Gott in ihrer eigenen Kultur zu verstehen. Dazu nutzen sie das Wissen ihrer Zeit. Weil die Menschheit heute aber mehr und Besseres über Gott weiss, sind wir heute in der Lage, die Bibel so zu lesen, wie sie wirklich gelesen werden sollte: nicht als autoritatives Wort Gottes, sondern als ‘geistliche Reise-Tagebücher’ unserer Vorfahren. (Seite 155)
Diese Sicht führt dazu, dass es in der Bibel Fehler gibt und auch geben darf. Wir dürfen deshalb das tun, was die progressive Ikone Nadia Bolz-Weber beschreibt: Gewisse Teile aus unserer Bibel reissen und vernichten. Anschliessend dürfen wir die Evangelien aus der Bibel reissen und an unser Herz halten. Der liebende, positive Jesus, der in diesen Evangelien beschrieben ist, soll uns helfen auszusortieren, welche Teile des Restes der Bibel drin bleiben dürfen und welche nicht (Seite 162). Die Bibel ist also nicht das Wort Gottes, sondern beinhaltet das Wort Gottes. Unsere Aufgabe ist es herauszufinden, welche Teile der Bibel dazugehören und welche nicht.
Diese Sicht der Bibel war verständlicherweise destabilisierend für den Glauben von Alisa, die sich bis dahin nicht mit solchen Fragen beschäftigt hatte. Alisa betont mehrmals, dass sie eigentlich schon wusste, dass die Bibel Gottes Wort ist, aber nicht warum sie das glaubt:
Jetzt hatte jemand die Stützen abgeschnitten, auf der meine Bibel stand. Und ich blieb leer zurück. Die Wahrheit ist: Ich wusste nicht, warum ich glaubte, dass meine Bibel die gleichen Worte beinhaltet, wie sie vor tausenden von Jahren geschrieben wurden. Ich wusste nicht, dass die Bibel zusammengestellt wurde, abgeschrieben und übersetzt wurde. Ich wusste nicht, warum ich glaubte, dass die Berichte über Jesus von Augenzeugen aufgeschrieben wurden. (Seite 120, meine Hervorhebung)
Nicht nur die Bedeutung der Bibel wird von Progressiven umdefiniert, sondern auch die Ereignisse am Kreuz. Das Kreuzesgeschehen wird gemäss Childers in progressiven Kreisen ungefähr so verstanden:
Das progressive Verständnis des Kreuzes ist, dass Jesus von einer wutentbrannten Meute umgebracht wurde, weil er die Wahrheit gegenüber den gesellschaftlichen Mächten aussprach. Gott brauchte sein Opfer im Grunde genommen nicht wirklich. Aber Er machte mit, um uns ein nachahmenswertes Beispiel zu geben, was Vergebung bedeutet. Nicht Gott verlangte Blut, sondern die Menschen. (Seite 86)
Eine neue Sicht der Bibel und von dem, was Jesus am Kreuz getan hat, führt auch zu einem neuen Verständnis von Sünde und ein anderes Evangelium kommt zum Vorschein. Childers zitiert dazu beispielhaft Brian McLaren:
Jesus kam um ein neues Reich anzukündigen, eine neue Art zu leben, einen neuen Frieden, welcher gute Neuigkeiten für Menschen aller Religionen beinhaltet… Es ging darum, dass Gottes Wille getan wird, wie im Himmel, so auf Erden. Es ging um Gottes Treue und Solidarität mit aller Menschheit, in ihrem Leiden, ihre Unterdrückung, und ihrem Bösen. Es ging um Gottes Barmherzigkeit und den Ruf, sich mit Gott und den Menschen zu versöhnen, bereits vor dem Tod, schon hier auf der Erde. (McLaren zitiert auf Seite 92)
Childers merkt je länger desto mehr, welche grundlegenden Unterschiede dieses Evangelium zum dem hat, was Christen über Jahrtausende geglaubt haben. Wesentliche Elemente fehlen darin, welche nötig sind, dass Erlösung stattfinden kann. Ihr Fazit:
Das progressive Evangelium gibt uns eine impotente Gottheit, die sich lediglich “solidarisieren” kann mit unserem Leiden und Sündigen, uns aber nicht davon erlösen kann. Dies ist nicht das Evangelium von Jesus. (Seite 92)
Alisa’s Befund könnte kaum klarer ausfallen. Aber wie kommt sie darauf? Die Antwort liegt an den Orientierungspunkten, die sie wählt, um ihre Rekonstruktion zu lenken.
Bild: iStock
Ankerpunkte der Rekonstruktion des Glaubens
Mit der Zeit schleicht sich bei Alisa der leise Verdacht ein, dass der Anspruch ihres Pastors und der progressiven Influencer, ein “neues” oder “fortgeschrittenes” Christentum zu zeichnen, keineswegs neu ist.
Als einen ersten Orientierungspunkt entdeckt Alisa die ersten Kirchenväter für die Rekonstruktion ihres gebeutelten Glaubens. Munter zitiert sie Klement (ca. AD 50–100), Irenäus (ca. AD 135–200), Tertulian (AD 150–220), Augustin (ca. AD 350–430) und andere. Sie sucht sich Lehrer, die näher an den originalen Ereignissen dran sind als ihr Pastor. Überrascht stellt sie fest, wie die Christen nach dem Wegsterben der Augenzeugen-Generation sehr schnell mit ähnlichen theologischen Ideen konfrontiert waren, wie sie ihr Pastor propagiert. So neu waren die Ideen ihres Pastors also doch nicht! Eher waren sie uralt. Weiter entdeckte Alisa in den Debatten der Kirchenväter viele vertiefte Einsichten, warum so manche progressive Aussage über die Bibel, das Kreuz und das Evangelium unzuverlässig oder sogar irreführend sind. Ihr Fazit:
Ich ermutige dich sehr, selbst die Kirchenväter zu lesen (Seite 80)
Wir haben hier einen zweiten Orientierungspunkt in der Rekonstruktion: das Lesen von Originaltexten. Zitierte Texte sind gut, das Lesen der Originale besser, weil es besser vor der Missrepräsentation des jeweils zitierenden Autors schützt. Alisa liest aber nicht nur Originaltexte der Kirchenväter, sondern auch jene der aktuellen progressiven Elite, wie Brian McLaren, Rachel Held Evans, Rob Bell, Nadia Bolz-Weber, Peter Enns, Michael Gungor, Bart Ehrmann und andere mehr. Sie will verstehen, wie sie denken, was sie antreibt, was sie an ihrem bisherigen Glauben beunruhigte und warum sie in ein so grundlegend anderes “Christentum” wechseln.
Dies führt uns zum dritten Orientierungspunkt. Childers nennt es das “historische Christentum”:
Heute sieht mein Glaube nicht mehr so aus, wie früher. Ich habe meinen Glauben an bestimmten Punkten angepasst und bin vorsichtiger geworden in meiner Interpretation der Bibel. Ich habe einige nicht-so-biblische Ideen fallen gelassen, die vorher ein so wesentlicher Teil meiner Identität waren, dass ich sie nie hinterfragt habe. Aber im Verlauf dieser Reise habe ich entdeckt, dass der Kern des historischen Christentum wahr ist. (Seite 9)
Childers wählt bewusst das Wort “historisch” anstelle von “traditionell” oder “konservativ”, weil letztere Begriffe zu viel negative Presse haben. Sie wählt “historisch” auch, weil es durchaus möglich ist zu wissen, was die Kernüberzeugungen der allerersten Christen waren. Sogar skeptische Theologen wie Bart Ehrmann glauben beispielsweise, dass 1. Korinther 15,3–5 die Glaubensüberzeugungen der ersten Christen zeigt:
Ich habe an euch weitergegeben, was ich selbst als Überlieferung empfangen habe, nämlich als Erstes und Grundlegendes: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war, und wurde begraben. Er ist am dritten Tag vom Tod auferweckt worden, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war, und hat sich Petrus gezeigt, danach dem ganzen Kreis der Zwölf. (1 Kor 15:3–5)
Die ersten Christen glaubten also folgende Dinge (Seiten 31–33):
- Jesus ist für unsere Sünden gestorben.
- Er wurde begraben und ist von den Toten auferstanden.
- Tod, Begräbnis und Auferstehung von Jesus sind nicht von den Heiligen Schriften (dem Alten Testament) zu trennen.
- Die Auferstehung ist historisch überprüfbar und wird von Augenzeugen bezeugt.
Alisa’s Argument: Wer diese Punkte nicht glaubt, hat keinen Anteil mehr an den zentralsten Überzeugungen der Ersten Christen, und sollte sich entsprechend auch nicht “Christ” nennen dürfen. Denn immerhin waren das die Überzeugungen, welche den Glauben der ersten Christen so tief und klar prägten, dass ihr Leben von diesen Wahrheiten auf den Kopf gestellt wurde. Nahezu alle diese wesentlichen Elemente fehlen aber in der oben zitierten Darstellung von McLaren.
Damit sind wir bei einem vierten Orientierungspunkt von Childers: ein erneuertes und begründetes Vertrauen in die Bibel als Gottes Wort.
Mit diesen vier Orientierungspunkten fängt sie an, Stück für Stück ihren dekonstruierten Glauben zu rekonstruieren. Rekonstruktion! Etwas, zu dem viele progressive Influencer keine Hilfestellungen zu liefern scheinen, wie Alisa festgestellt hat, und andere wie Ian Harber ebenso. So gerüstet bespricht Childers einerseits ihren Weg zurück in eine gefestigte Glaubensgewissheit, andererseits ihre Auseinandersetzung mit Themen, welche progressive Christen interessieren, wie z.B. das Wesen der Hölle, die Idee dass Jesu Tod am Kreuz einem kosmischen Kindesmissbrauch gleichkommt, die Frage ob die Bibel das Wort Gottes ist oder es lediglich beinhaltet.
Fazit
Das Buch Another Gospel? ist ein Aufruf, den historischen christlichen Glauben tiefer verstehen zu lernen, damit Christen sich nicht von jeder Idee, die als “neu” verkauft wird, unnötig irritieren lässt. Unser Glaube darf fest werden in der Anwesenheit alternativer religiöser Optionen (Heb 13:9). Leider spielen fehlgeleitete christliche Lehrer und sogar Pastoren eine oft entscheidende Rolle im Destabilisieren des Glaubens von Christen. Lehrende Personen prägen nunmal ihr eigenes religiöses Paradigma, egal was es für eines ist. Christen müssen deshalb neu prüfen lernen, welchen Lehrern sie glauben und warum. Childers fasst es so zusammen:
So kann ich nicht sagen, dass ich mit einem blinden Glauben aufgewachsen bin. Mein Glaube erlebte die Bezeugung des Evangeliums in sozialer Aktion. Aber mein Glaube war intellektuell schwach und unerprobt. Ich hatte keinen Referenz-Rahmen, keine Toolbox mit Werkzeugen, die mir halfen, wenn jede Überzeugung in Frage gestellt wurden, der ich bis dahin geglaubt hatte. Und es war nicht ein Atheist, säkularer Humanist, Hindu, oder Buddhist, der meine Glaubenskrise auslöste — es war ein Christ. Konkreter, es war ein progressiver Pastor. (Seiten 5–6)
Überrascht hat mich, wie wenig Alisa die sexualethischen Themen bespricht, wie z.B. die Homosexualität. Dieses Thema kommt vor, aber eigentlich eher am Rande. Ich habe auch mehr Analyse erwartet, warum zur Zeit so viele Christen ihren Glauben rekonstruieren. Diese beiden nicht unerheblichen Lücken tun aber keinen Abbruch an einem unterhaltend geschriebenen, persönlichen und gerade auch für theologisch wenig gebildete Christen gut verständlichem Buch.
Im Vorwort zum Buch, zeichnet Lee Strobel das schöne Bild eines Bootes, auf dem sie schöne Ferien in den Britischen Jungferninseln verbringen durfte. Für die Nacht mussten sie das Boot jeweils mit einem Anker auf dem Meeresgrund festmachen. Dies war nötig, damit das Boot während dem Schlafen nicht unbemerkt abdriftete und ein Unfall geschah. Der Anker musste dazu fest in den Grund eingehängt sein. Jeden Abend tauchte jemand von der Besatzung zum Anker ab, um das persönlich sicherzustellen. Childers dazu:
Im Christentum ist der Anker die gesunde biblische Lehre. Was passiert, wenn der Anker nicht fest ist oder die Leine absichtlich gekappt wird? Nun, sagt Philosoph Mark Mittelberg, anfänglich nicht so viel. Für eine Weile wird der Glaube nicht weit abdriften. Tradition und Gewohnheit wird ihn in der geistlichen Nachbarschaft halten, wenigstens für eine Zeit. Aber die wirkliche Gefahr liegt in dem, was längerfristig unausweichlich passieren wird: Die Ströme der Kultur werden dieses Christentum auf den Felsen der Irrlehre aufprallen lassen und in die Irrelevanz versinken lassen. (Aus dem Vorwort)
Umso wichtiger ist es, meint Childers, unseren Glauben (insgesamt bestehend aus unserer Lehrmeinung und Beziehung zu Gott) in den Boden der Realität Gottes zu verankern. Sonst enden wir bei einem anderen Evangelium, einem anderen Glauben an einen impotenten Jesus der — zum Glück — mit dem wirklichen Jesus Christus wenig bis gar nichts mehr zu tun hat.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]
Hab das Buch jetzt auch gelesen. Hier meine Eindrücke…
Alisa Childers Anliegen ist wichtig und berechtigt. Sie hat ein Buch geschrieben, das leicht zu lesen und immer wieder sogar unterhaltsam ist. Trotzdem muss ich leider sagen, dass ich das Buch am Schluss etwas enttäuscht und genervt weggelegt habe. Aber wer weiss, vielleicht bin ich ja zu „progressiv“…?! 😉
Zuerst, worin ich mit Childers übereinstimme:
- Dekonstruktion des Glaubens anzustreben, zu fördern und aktiv bei Leuten, die gar keine Fragen haben, auszulösen ist eine Zielverfehlung! Ich glaube Dekonstruktion (Fragen) überfällt einen einfach und dann muss man etwas damit machen…
— Die Fragen-Verliebtheit und das Antworten-Misstrauen einiger „Progressiver“ empfinde ich auch bemühend. Fragen allein genügen nicht. Sie geben ja auch Antworten; die entscheidende Frage ist ob diese Antworten ein gutes Fundament bilden. Dekonstruktion kann nicht das Ziel sein, sie muss zu einer gesunden Rekonstruktion führen.
— Wenn das Fundament wegbricht, dann bricht alles weg. Wenn Jesu Tod & Auferstehung, das Evangelium, nicht mehr im Zentrum ist, dann kann kaum mehr von „christlich“ geredet werden.
— Dieses Fundament ist in der Bibel gelegt, oder besser grundlegend bezeugt, und wir tun auch gut daran die Auslegung derer besonders Ernst zu nehmen, die näher dran waren als wir (Kirchenväter).
Worin ich nicht mit Childers übereinstimme (meine Kritik):
- Ihre Argumentation empfinde ich in den Hauptpunkten Bibel, Kreuz, Jesus (Irgendwie habe ich gemerkt, dass sie da nicht ganz konsequent ist, was denn nun die Hauptpunkte sind…) und einigen ihrer „Neben-Hauptpunkte“ (die dann einfach so einfliessen) sehr mangelhaft! Sie sagt de fakto, dass nur eine ganz bestimmte Sicht dieser Hauptpunkte die einzig richtige ist und sie beansprucht fälschlicherweise, dass die Bibel und die Kirchenväter eindeutig diese bestimmte Sicht geteilt haben. In Bezug aufs Thema Bibel scheint mir das zB eine Form der Verbalinspiration und in Bezug auf Sühne „penal substitution“ zu sein. Ohne ins Detail zu gehen, ist das äusserst einseitig und auch nicht so einfach mit den Kirchenvätern zu stützen und ihre Argumentation im Buch ignoriert Jahrhunderte von Diskussionen, die zu diesen Thematiken schon geführt wurden.
— Ihr Verständnis von Wahrheit ist inkonsistent und letztlich aus meiner Sicht zu simplistisch. Auch hier scheint sie all die jahrhundertelangen theologisch-philosophischen Auseinandersetzungen mit einer „ist doch klar“ Handbewegung vom Tisch zu fegen und nicht klar zwischen Realität und Erkenntnis der Realität zu unterscheiden.
— „Die progressive Bewegung“ gibt es aus meiner Wahrnehmung nicht… Childers stellt es so dar (obwohl sie teils schreibt, dass das nicht so ist), wie wenn es da eine Bewegung gibt, die eine bestimmte Agenda verfolgt und bewusst das Christentum unterwandern will. Ich glaube hingegen, dass es einfach eine zunehmende Bewegung von Menschen gibt, die gewisse klassisch-(amerikanisch?)-evangelikale Überzeugungen in Frage stellen und dabei aus meiner Sicht teils gesunde und teils mangelhafte/haarsträubende Alternativen finden. (Aber lass mich da gern vom Gegenteil überzeugen :)).
— Unter dem Strich scheint mir Childers schlicht diese spezifisch evangelikale Sicht erneut als die einzig wahre darstellen zu wollen und ignoriert dabei ganz andere christliche Traditionen, die mindestens ebenso auf die Kirchenväter zurückgehen.
— Viele der „Progressiven“ streben aus meiner Sicht nichts anderes an als Childers selbst: die (Neu-)Betonung der Fundamente des christlichen Glaubens aus der Bibel und in Bezug auf die Tradition (V.a. Kirchenväter). Ich finde es etwas diffarmierend, dass diese Theologen dann so dargestellt werden, wie wenn sie für sich selbst losgelöst von allem etwas konstruieren (obwohl es die sicher auch gibt). Dass es da teils andere Resultate gibt kann sein. Dass es da teils Irrwege gibt, ist sicher. Aber das gibt es hüben wie drüben. Deshalb finde ich diese Die-Wir-Rhetorik mit viel Pathos wenig hilfreich. Da gibt es intelligentere Auseinandersetzungen. Persönlich hoffe ich, dass ich selbst konstruktive Beiträge zu einer heilsamen und heilbringenden Rekonstruktion liefern kann, die Menschen irgendwo auf ihrer In-Frage-Stell-Reise (Dekonstruktion) helfen.
Danke für deine intensive Auseinandersetzung mit Alisa’s Buch Michi! Da bin ich gespannt auf deine Blogs, die deine Variante zum Ausdruck bringt. Unbedingt hier posten 👍
Ich würde diesen Text auf meine Seite übernehmen?
Ist das ok
Viele Grüße
Peter
Lieber Peter, von uns aus kannst du das gerne machen 👍