Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass alle im Reich Gottes nach ihren Gaben (Charismen) mittragen, mithelfen, verkünden und anpacken, damit die Liebe Gottes sichtbar unter uns wird und das Evangelium von Jesus Christus möglichst weitherum gehört, geglaubt und gelebt wird? Klar doch, so soll es sein!
Und dann spricht «man(n) und frau» über die konkrete Mitarbeit in der Gemeinde und plötzlich ist es in gewissen Gemeinden und Kirchen nicht mehr so klar, da einige doch nur gewisse Dinge tun sollten, nicht weil sie das nicht tun könnten, sondern weil sie nicht männlich sind. Wie erratische Blöcke stehen zwei Bibelstellen von Paulus im Raum, eine aus dem 1. Korintherbrief und die andere aus dem 1. Timotheusbrief (1Kor 14:33–34; 1Tim. 2:12); beide scheinen das Predigt- und Lehrverbot der Frau in der Gemeinde zu lehren. Natürlich werden noch andere Stellen hinzugezogen, die die prinzipielle Gleichwertigkeit von Mann und Frau, aber im gleichen Atemzug auch die Unterordnung der Frau zeigen sollen.
Ich habe als Lehrer an staatlichen Schulen gearbeitet, da war dieses Thema gar kein Thema. Ich habe 10 Jahre als Pastor in einer Gemeinde gearbeitet, da tauchte das Thema immer mal wieder auf. Nun bin ich seit fast 20 Jahren Dozent für Kirchengeschichte am Theologischen Seminar St. Chrischona (TSC). Seit dieser Zeit treffe ich immer wieder Studentinnen an, die unsicher sind, ob sie predigen, respektive eine Gemeinde leiten dürfen. Auch bin ich mit Kolleginnen unterwegs, die als Frauen bei uns unterrichten und sich diesen Fragen stellen müssen und mussten.
Dieser Beitrag versucht in drei Teilen unter dem Titel, «Frauen zwischen Mitarbeit und Ausschluss in der Kirche – eine kurze Betrachtung der kirchengeschichtlichen Situation» hinzuschauen, was wir aus dieser Sicht zu diesem wichtigen Thema sagen können.
Meine eigene Position möchte ich mit Worten von Teresa von Avila, einer der grossen Kirchenlehrerinnen, von Anfang an klarstellen. Sie lehrte, leitete, gründete sogar Klöster und wurde deshalb von kirchlichen Behörden und Theologen stark in Frage gestellt. In der Stille war es ihr einmal, als ob:
«der Herr zu mir [sprach]: ‘Sage ihnen, sie sollten nicht nur einer Schriftstelle folgen, sondern auch die andern überdenken, ob sie mir dann noch die Hände binden können’.»[1]
Die Grundausrichtung dieser Blog Serie
Wenn wir der Rolle der Frau in der Kirche auf den Grund gehen wollen, lohnt sich ein Blick in die Geschichte auf mehrfache Weise. Die Frage: Wie haben es die Mütter und Väter in der Kirchengeschichte gemacht, kann spannende Ergebnisse zu Tage fördern. Gelebter Glaube mit all seinen fruchtbaren und furchtbaren Ergebnissen ist wie ein Bilderbuch voller Geschichten Gottes mit den Menschen. Das darf und kann uns Beispiel, Ideengeber, Korrektur und Ansporn sein, unsere eigene Praxis mit derjenigen der «Kirche vor uns» zu vergleichen. Das ist zuerst einmal nicht normativ, sondern deskriptiv. Die Lebensbilder, theologischen Einsichten und Texte, sowie die früheren kirchlichen Strukturen und Ordnungen können uns aber ein neues Verständnis über Gottes Wege mit seiner Gemeinde und eventuell auch einen neuen Zugang zur Schrift, respektive unserem Verständnis einzelner Schriftstellen geben.
Zu denken geben muss uns auch, dass im Blick auf den grössten Teil der kirchlichen Glieder – nämlich der Frauen – wenig überliefert ist. Zudem werden in vielen Geschichtswerken Frauenbeispiele, die wir kennen, übergangen: Im zwölfbändigen Werk über «Gestalten der Kirchengeschichte» herausgegeben von Martin Greschat (1984 ‑1985) finden sich unter dutzenden von Männern genau fünf Frauen. Genauso sieht es auch bei anderen Werken aus: Die vielen Frauen der Kirchengeschichte verschwinden hinter einer stark durch Männer dominierten Kirche und Kirchengeschichtsschreibung. Insbesondere Frauen, die in der Kirchengeschichte in Leitung und Ämtern standen, werden ignoriert oder starker Kritik ausgesetzt.
Nun könnte ich durch die Kirchengeschichte gehen und einige Beispiele von bekannten und unbekannten Frauen aufzeigen, die sich in der Kirche eingesetzt haben. Dadurch würde sichtbar, dass es trotz anderslautender kirchlicher Vorgaben Freiräume und Möglichkeiten gab, in denen Frauen eine gewisse Anerkennung erlangten oder grosse Leistungen erbrachten. Damit wäre aufgezeigt, dass Gott Frauen auch ausserhalb der gängigen Normen gesegnet hat. Ich entschloss mich zu einem anderen Vorgehen. Ich möchte anhand von vier wichtigen Themenfeldern, Linien in der Geschichte aufzeigen, die ich als hilfreich betrachte in Bezug auf unser Thema:
Erster Blogbeitrag: Anthropologische Linien und die Frau (dieser Artikel)
Zweiter Blogbeitrag: Skizzen zum Verständnis des kirchlichen Amtes und der Rolle der Frau
Dritter Blogbeitrag: Entwicklungslinien der Bildungsgeschichte der Frau + Mission und die Frau
Beispiele werden als hilfreiche Ergänzungen erwähnt. Fussnoten enthalten die nötigen Informationen zur Literatur und weiterführende Hinweise.
Anthropologische Linien und die Frau
Im Rahmen dieses Beitrages kann keine ausführliche Anthropologie entfaltet werden. Sie wird deshalb nur skizzenhaft – über verschiedene Epochen und Kulturkreise hinweg – im Blick auf die Rolle der Frau und in ihrem Verhältnis zum Mann dargestellt.
Die Anfänge
Das Verständnis vom Menschen der Antike und Spätantike ist von der römisch-griechischen Kultur gestaltet. Das Christentum selbst verbreitet sich zuerst innerhalb des jüdischen Volkes, drängt danach aber rasch in den genannten römisch-griechischen Raum und später in den germanischen Kulturkreis. Die Beschreibungen der Frau aus diesen patriarchalen Kulturen spotten teilweise jeder heutigen Überzeugung und natürlich auch jeder biblisch gesunden Anthropologie. Die Situation ist – wie so oft – etwas komplizierter als gedacht: Einer sehr kleinen Oberschicht von Frauen steht trotz der vorherrschenden negativen Meinung über die Frau durchaus der Zugang zu Bildung und Macht offen.
Doch was war vor der Antike los? Gab es nicht in der Vorzeit friedfertige Gesellschaften, die von Frauen geleitet wurden? Die im 19. Jahrhundert aufkommende Diskussion um mögliche Matriarchate fusst auf wenigen Quellen ist aber populär. Johann Jakob Bachofen (1815–1887) aus Basel mit seinem Buch ‘Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur’ lanciert die Diskussion, wobei er eine «Aufwärtsentwicklung» vom Matriarchat zum Patriachat postuliert. Bis heute hat sich das Bild einer friedfertigen, egalitären matriarchalen Kultur, die vor der nun vorherrschenden patriarchalen Struktur bestanden habe, unter anderem in populär-feministischer Literatur gehalten, ist aber wissenschaftlich sehr umstritten. Würden wir nur wieder dahin zurückfinden, unsere Welt wäre viel besser dran, so fasst Elke Hartmann den Tenor dieser Texte zusammen.[2]
Ferner wird oft die frühe Antike als der Ort des Wandels dargestellt, in der sich die weibliche Kultur (Amazonen, Göttinnen) gegen die aufkommende Männerherrschaft stellen. Dabei rivalisieren sich das weibliche Kreta und das männliche Mykene. Auch diese Deutung ist sehr umstritten und scheint wissenschaftlich nicht haltbar zu sein. Nicht umstritten ist, dass es in einer Minderheit der heute bekannten Kulturen durchaus matriarchalische (Matrilinearität, Matrilokalität) Ausformungen gegeben hat oder noch gibt. Immerhin kann dies in einer Anzahl von Kulturen in der einen oder andern Form nachgezeichnet werden. Doch bleiben es Ausnahmen, die eher die Regel der grundsätzlich sehr alten patriarchalen Ordnungen bestätigen. In der Ethnologie werden die verschiedenen Ursachen, die zu eher matriarchalen, respektive patriarchalen Strukturen geführt haben, heiss diskutiert.
Die für den Nahen Osten damals wichtigsten kulturellen Einflüsse
Für unsere weiteren Beobachtungen ist wichtig, dass es sich bei den Kulturen, in denen sich das Christentum zuerst entfaltet hat, um patriarchale Kulturen handelt.
Für den griechisch-römischen Kulturkreis sind Sokrates, Platon und Aristoteles die massgebendsten Philosophen. Natürlich gab es noch andere einflussreiche Richtungen und Autoritäten, aber wir beschränken uns hier auf diese. Während Sokrates in Platons ‘Politeia’ von einer Gleichwertigkeit der Frau spricht – wobei diese in allem schwächer als der Mann sei – ist es schon für Aristoteles klar: Die Frau ist eigentlich ein «misslungener Mann». Der Mann sei der richtige Mensch und daher ist «das männliche Wesen dem schwächeren weiblichen von Natur aus überlegen.» Nach Aristoteles weisen die Griechen der Frau das Haus und dem Mann das Leben unter dem Himmel zu, d.h. in Feld und Wald, in Handel und Politik.
Die Frau der Antike gehört also immer in ein Haus, in einen Haushalt, zu einem Hausbesitzer. Sie gehört rechtlich als unverheiratete Frau dem Vater, als verheiratete dem Ehemann. Arnold Angenendt schreibt dazu:
Undenkbar, dass die Frau in der Öffentlichkeit hätte auftreten können: keine Möglichkeit zur Gerichtsanrufung, kein Zutritt zu Theateraufführungen, keine Teilnahme an Sportveranstaltungen, jedenfalls nicht in Athen. [3]
Dieses Bild des unfertigen Weiblichen (kein richtiger Mann), das der Herrschaft bedürfe, prägt die Geschichte der Frau über viele Jahrhunderte. Ursula Meyer resümiert:
Dieses philosophische Bild von der natürlichen Minderwertigkeit der Frau zieht sich, später unterstützt von den christlichen Lehren, durch die gesamte Philosophiegeschichte. [4]
Auch bei den Römern untersteht die Ehefrau dem Mann. Sie gehört ganz ihm und hat, ohne ihn nichts zu sagen. Dies zeigt z.B. Titus Livius (59v.Chr.-17n.Chr.) in seiner römischen Geschichte. Dort ruft Marcus Porcius Cato (234 – 149 v. Chr.) ca. im Jahre 197 vor Christus den Männern zu:
Nach dem Willen unsrer Vorfahren sollten Frauenzimmer keine einzige, selbst keine Privatsache ohne Vormund führen: sie sollten des Vaters, des Bruders, des Mannes Eigentum sein. [5]
Wobei sich bei diesem Ereignis Frauen eben nach draussen gewagt hatten und ihre Stimmen erhoben, um ein Gesetz, das in einer Notsituation erlassen wurde, wieder abzuschaffen. Cato fährt fort:
Wie, wenn ihr ihnen gestattet, dass sie erst an diesem und jenem zwicken, es den Männern entwinden, und endlich diesen gleichgestellt sind; glaubt ihr, dass ihr euch dann noch ihrer werdet erwehren können? Den Augenblick, so wie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Obern sein. [6]
Cato galt als konservativ, konnte sich aber nicht durchsetzen. Einer, der sich für die Abschaffung dieses Gesetztes eingesetzt hat, beschwichtigt:
Nie werden Weiber, solange die männlichen Ihrigen leben, das Band der Unterwürfigkeit abstreifen: sie selbst verabscheuen die Ungebundenheit, die ihnen durch des Mannes, oder des Vaters Absterben zu Theil wird. [7]
Trotz dieser klaren Unterordnung der Frau unter den Mann kann sie sich – natürlich immer nur im Gehorsam gegenüber dem Mann – etwas freier bewegen als bei den Griechen. Diese Strenge wird unter Kaiser Augustus (44 v.Chr. – 14 n.Chr.) gelindert, hält sich aber noch lange. Später, unter dem wachsenden Einfluss der Stoa, ändert sich auch das Verständnis der Ehe hin zum gegenseitigen Konsens. Die rechtliche Situation der Frau verbessert sich dadurch zwar nicht grundsätzlich, doch kann sie mehr Raum im gesellschaftlichen Leben einnehmen.
Der im 3. Jh. n.Chr. aufkommende Neuplatonismus entwickelt in der Folge dagegen wieder «eine Abneigung gegen alles Körperliche und selbst gegen die Ehe» das Resultat ist eine «Abscheu allem Weiblichen gegenüber».[8] Die Situation der Frau verschlechtert sich nun erneut.
Im rabbinischen Judentum ist die Rolle der Frau gegenüber ihrem Mann durch den Schöpfungsbericht zementiert, aus dem man ihre Unterordnung, Minderwertigkeit und ihre Verantwortung für den Sündenfall herauszulesen meint. Wobei zu beachten ist, dass in der Zeit zwischen den Testamenten das Judentum unter den Einfluss der griechisch-römischen Kultur geraten ist und daher die Frau zur Zeit des Neuen Testaments einen schlechteren Stand gehabt hat als zur Zeit des Alten Testaments. Z.B. in Bezug auf die juristische Verantwortung der Geschlechter schreibt Julius Steinberg in einem lesenswerten Aufsatz:
Mit einer gewissen Vorsicht lässt sich sagen, dass in der altisraelitischen Zeit die juristische Verantwortung des Mannes eher im Sinne einer festgefügten Rollenverteilung als im Sinne einer grundsätzlichen Überordnung des Mannes über die Frau verstanden wurde. [9]
Dies wird aber schon zur Zeit Jesu nicht mehr wirklich gelebt, so dass Tal Ilan heute zusammenfassend schreiben kann:
Das Judentum war in erster Linie eine patriarchalische, androzentrische Gesellschaft, die die Frau als zweitklassiges Glied der Gemeinschaft und als Eigentum verschiedener männlicher Familienangehöriger betrachtete. [10]
Ferner soll der fromme Jude nicht zu viel mit der eigenen, geschweige denn mit der fremden Frau reden: «Und verweile nicht zu sehr im Gespräch mit der Frau.» Dazu der Kommentar: «Von der eigenen Frau haben sie das gesagt. Um wieviel mehr gilt es von der Frau des Nächsten. Von daher sagen die Weisen: Immer, wenn der Mensch lang im Gespräch mit einer Frau verweilt, zieht er sich Unheil zu; er vernachlässigt die Worte der Tora.»[11] Das jüdische Mädchen darf nicht in der Thora ausgebildet werden: «Wenn jemand seine Tochter Thora lehrt, ist es, als ob er sie Ausschweifung lehre.»[12]
Es ist natürlich festzustellen, dass im Judentum die Unterordnung der Frau durch die Sündenfallgeschichte noch immer ein Faktum der «Fallordnung» ist, das bis heute einfach als Realität geglaubt wird. Sie haben noch keinen Messias, der ihnen eine neue Erlösungskultur vorleben und bringen könnte, wie wir das als Christen kennen.
Die Frau ist also im Verständnis der patriarchalen Gesellschaften der Griechen, Römer und Juden dem Mann gegenüber minderwertig, ihm zu Gehorsam verpflichtet und gehört zu seinem Besitz.
Jesus geht einen anderen Weg
In dieser von der römischhellenistischen und jüdischen Kultur geprägten Zeit kommt Jesus von Nazareth zu Welt. Wie verhält er sich gegenüber dem «Zeitgeist» von damals? Lässt er sich von den Konventionen der Zeit eingrenzen in Bezug auf die Frauen, oder geht er einen eigenen Weg? Einige werden sagen, er passe sich der Zeit an, das sähe man schon daran, dass er nur Männer als Apostel gewählt hat, andere schauen etwas genauer hin und entdecken:
Jesus sagt nirgends etwas explizit Geschlechtsspezifisches in den Evangelien. Sogar als seine Familie – wohl etwas verunsichert über sein Verhalten – ihn sprechen will, meint er:
Wer den Willen meines Vaters tut, der ist mein Bruder, meine Schwester, meine Mutter. (Mt 12:50)
Und als er nach der Ehe, respektive nach Scheidungsmöglichkeiten gefragt wird, weist er auf das Paradies zurück und deutet an, dass dieses egalitäre Miteinander der Geschlechter, wie es im Paradies vor dem Sündenfall war, eigentlich die Norm unter seinen Jüngern sein sollte (Mt 19:4ff). Er weist ferner deutlich darauf hin, dass seine Jünger sich an ihm ein Beispiel nehmen sollen. Dies umfasst doch sicher auch seine geradezu revolutionäre Art, wie er als lediger Mann Umgang mit verheirateten und ledigen Frauen gepflegt hat.
Das Neue Testament (NT) spricht somit eine andere Sprache (siehe obige Tabelle) als die kulturelle Umwelt, wobei es – vor allem bei Paulus – um des Evangeliums willen, zu Einschränkungen kommen kann. D.h. gerade für Paulus war es wichtiger, z.B. den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche zu werden, um möglichst ohne unnötigen Widerstand, das Evangelium zu verkündigen, als auf die eigenen Rechte oder Freiheiten zu pochen. So kann er durchaus sagen, dass sich jemand – bei gewissen Stellen explizit die Frau – so und nicht anders verhalten soll, damit das Evangelium nicht verlästert wird (siehe auch Exkurs unten).
Die Kirche nimmt das Beispiel Jesu nicht auf
Petrus, Paulus und die anderen Apostel sind vertraut mit Jesu Umgang mit den Frauen, daher finden wir eine grosse Offenheit im Miteinander der Geschlechter in den ersten Jahrzehnten der jungen Kirche. Petrus zitiert bei seiner ersten Predigt an Pfingsten aus dem Propheten Joel und erwähnt das prophetische Reden von beiden Geschlechtern ganz selbstverständlich (Apg 2:17f). Er hat ja soeben auch erlebt, wie der Geist Gottes auf beide Geschlechter in feurigen Zungen gekommen ist.
Im nächsten Bloggbeitrag werden wir sehen, wie sich ganz selbstverständlich weibliche «Ämter» entwickelten wie Diakoninnen, Prophetinnen, Evangelistinnen, das Amt der Witwe, ja sogar Gemeindeleiterinnen und eine Apostelin wird erwähnt. Sicher, Paulus kann Einschränkungen setzen um des Evangeliums willen, aber grundsätzlich freut er sich an vielen weiblichen Mitarbeiterinnen, die mit ihm für das Evangelium einstehen. Die Grussworte an den Briefenden des Paulus legen darüber ein beredtes Zeugnis ab.
Leider haben sich die negativen Ideen über das Wesen der Frau aus der antiken Umwelt vom 2. Jh. an dann aber rasch unter den nachapostolischen Schriftstellern und den Kirchenvätern verbreitet. Obwohl einige Väter mit Blick auf Genesis 1–3 noch positiv und gleichberechtigt von der Frau sprechen können, ist doch mit Bedauern festzustellen, dass diese ab dem 4. Jh. – mitunter durch den Einfluss des aufkommenden Neuplatonismus – der Frau gegenüber sehr negativ eingestellt sind, ja generell – leib- und frauenfeindlicher werden.
Zwei positive Zitate seien hier zuerst erwähnt. Zuerst Clemens von Alexandrien (150 – 215), der in seinen «Teppichen» von der Gleichwertigkeit der Frau spricht:
Es ist aber offenbar nicht so, dass hinsichtlich des Menschseins die Frau eine andere Natur hätte als der Mann; vielmehr haben beide die gleiche Natur, also auch die gleiche Tugend.[13]
Oder Chrysostomos (349 – 407), der in seinen Homilien über die Genesis schreibt:
Der menschenfreundliche Gott sagt das […] zum Weibe […]: ‘Ich habe dich zwar von Anbeginn an in gleicher Ehre mit dem Manne erschaffen und habe gewollt, dass du in allem der gleichen Würde teilhaftig seiest! Wie dem Mann, so habe ich auch dir die Herrschaft über alle Dinge in die Hände gegeben! [14]
Diesen positiven Beispielen können nun eine Reihe negativer zugesellt werden, ich nenne nur zwei, z.B. Tertullian (150 – 220), der
giftig meint […], Frauen müssten immer wieder daran erinnert werden, dass sie wie Eva seien, ‘die dem Teufel Eingang verschafft hat’ (cult. Fem. I 1,2). [15]
Mitschuldig am negativen Frauenbild wird auch Augustinus (354 – 430). Er wettert über die Frauen als minderwertig und dem Mann nicht ebenbürtig. So konnten Sprüche wie die Frau sei «‘Ursache allen Übels’, ‘Steigbügel Satans’ und ‘Tor zur Hölle’»[16] populär werden. Die Frau war nicht nur die Verführte, sondern auch Verführerin. So kommt zu den frauenverachtenden Tendenzen der antiken Kulturen noch die Stigmatisierung dazu, die Frau sei Eingangstor und Ausgangspunkt des Bösen für die Menschheit, respektive für den Mann. Dies führte zu einer frauenverachtenden und frauenfeindlichen Grundtendenz in Kirche und Gesellschaft im Mittelalter und der frühen Neuzeit, ja, teilweise bis hinein in die Moderne.
Die Ehe als Kern der Familie wird im Neuen Testament grundsätzlich positiv dargestellt und von Paulus sogar als Geheimnis der Beziehung zwischen der Gemeinde und Christus (Eph 5:32) beschrieben. Obwohl Jesus und Paulus auch auf den Verzicht der Ehe hinweisen im Blick auf das Reich Gottes (Matt 19:12, 1Cor 7:1ff), wird Ehe und Intimität nirgends verachtet oder schlecht gemacht. Doch leider wird beides von der Kirche problematisiert. Augustinus wirkt dabei negativ prägend im Blick auf das Verständnis der Ehe. Seine Lehre von der «sündlichen Lust» «befleckt» die Ehebetten der (katholischen) Kirche bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Dies hat sich sehr belastend auf die Beziehung von Mann und Frau gelegt. Und noch viel verheerender auf die Stellung der Frau in der Gesellschaft.
Paul Gerhardt Schmidt (1937 – 2010), ehemaliger Professor für lateinische Philologie des Mittelalters, bestätigt dies in seinem Buch Die misogyne Tradition wenn er schreibt:
Von der griechischen und römischen vorchristlichen Antike bis ins 15. Jh. gibt es eine kaum überschaubare Zahl von frauenfeindlichen Texten, aber meines Wissens keinen einzigen männerfeindlichen Text. [17]
Bücher wie: «Disputatia nova contra Mulieres, Qua probatur eas Homines non esse» annonym erstmals 1595 in Frankfurt herausgegeben und die nächsten 300 Jahre immer wieder aufgelegt, beweisen dies. Noch 1910 veröffentlichte der deutsche Autor Max Funke (1879 – 1943) die Schrift: «Sind Weiber Menschen? Mulieres homines non sunt» und gibt schon im Titel auf lateinisch die Antwort: Frauen sind keine Menschen.[18]
Die Kirche tritt in den Raum der germanischen Kultur
In der Zeit der Völkerwanderung nahmen die Germanen das Christentum an. Seither ist die germanische Kultur mitbestimmend in Sachen Frauenbild. Doch ändert sich dadurch nicht viel, denn auch bei den Germanen ist die Frau Teil des Besitzes des Mannes, ihm untergeordnet. Buchstäblich trägt sie der Ehemann über die Schwelle in seinen Herrschaftsbereich. Vorher gehörte sie zum Haushalt ihres Vaters und dessen Rechtsbereich. Die Frau bleibt ins Haus und an den Herd gebunden, wobei sie dort gerade bei den Germanen durchaus «Herrin» im Hause sein konnte.
Nur die aufkommende Verherrlichung des Jungfrauenstandes bot ledigen Frauen ab dem 4. Jh. in Klöstern eine neue Existenzform an: Die der Nonne. In der Spätantike und im Mittelalter bis hinein in die Neuzeit wird das die überhöhte Idealnorm für christliche Frauen. In der Person der Maria und ihrer immerwährenden Jungfrauenschaft, ihrer mitunter dadurch erreichten Sündlosigkeit und ihrer Ehrenstellung als Mutter der Kirche, finden alle Frauen in der katholischen Kirche das grosse Vorbild. Als Königin des Himmels zeichnet Maria jeder Jungfrau den Weg des wahren, christlichen, jungfräulichen Lebens vor. Maria wacht über ihnen und wird sie einmal zu sich in den Himmel aufnehmen.
Die Kirche zementiert ihr allgemein negatives Frauenbild im Jahr 1140 dadurch, dass ins Kirchenrecht der Satz aufgenommen wurde: «Die Frau ist nicht das Ebenbild Gottes»[19]. Thomas von Aquin toppte in seiner Summa dies alles zusätzlich mit der Aussage, dass Frauen vor allem deshalb eine Daseinsberechtigung haben, weil Männer keine Kinder kriegen können. Der bekannte Schweizer Theologe Hans Küng fragt deshalb mit Recht:
Hat Thomas nicht in Sachen ‘Theologie des Weiblichen’ viele Aussagen Augustins noch gesteigert und präzisiert und damit die Geringschätzung der Frau nicht gemildert, sondern verschärft? [20]
Denn Aquin behauptet schlussendlich noch schärfer als Augustinus, die Frau sei «etwas Mangelhaftes und Misslungenes».[21]
Die Reformation bleibt hinter den Erwartungen der Frauen zurück
Die Reformatoren stehen hier an einem Scheideweg. Bei Martin Luther (1483 – 1546) findet man das Ringen deutlich. Die Systematikerin Christine Globig zeigt die Spannung auf: Neben einer eindeutigen Gleichwertigkeit der Geschlechter als Gottes Ebenbild, sieht man bei Luther auch die Zustimmung zur negativen Frauensicht der Scholastiker und alten Griechen.[22] Globig wertet aber bei Luther die positiven Äusserungen stärker, so dass sie zusammenfassend erklären kann:
Menschliche Wesensbestimmung geschieht in Relation zu dem ‘Urbild’ in Christus, auf das hin die Menschen geschaffen sind und auf das sie in der christlichen Erneuerung zukünftig ausgerichtet werden. Das betrifft den Mann wie die Frau. [23]
Luther sah aber auch die Gegebenheit der Stände als von Gott gewollt und von daher keine Möglichkeit, dass Frauen ausserhalb der Familie Aufgaben übernehmen sollten.
Johannes Calvin (1509 – 1564) argumentiert im Blick auf die Frau anders als die Scholastiker, indem er ihre Unterordnung nicht mehr aus einer natürlichen Minderwertigkeit ableitet, sondern rein theologisch erklärt. Dies führt in der Praxis zu ähnlichen Schlussfolgerungen, die Argumentation ist aber anders. Beide, Luther wie Calvin, sehen im Falle einer Notsituation die Möglichkeit gegeben, dass Frauen auch verkündigen dürfen.[24]
Neben diesen differenzierteren generellen Betrachtungen der Frau verhalfen auch die Lehren der Reformatoren vom allgemeinen Priestertum, von der Berufung aller Menschen in ihre Arbeit und ihren Stand und die positive Wertung der Ehe[25] und Familie zu einer verbesserten Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft. Die evangelisch-lutherischen oder evangelisch-reformierten Pfarrhäuser mit dem Pfarrehepaar wurden zu Vorbildern für viele Generationen von Pfarrehen. Die Ehefrauen arbeiteten an der Seite ihrer Männer massgeblich in der Neugestaltung der Kirche mit, z.B. Katharina von Bora (1499 – 1552) in Wittenberg an der Seite Luthers, Katharina Zell (1497 – 1562) und Elisabeth Silbereisen (1495 – 1541) in Strasbourg, Wibrandis Rosenblatt (1504 – 1564) in Basel und Anna Rheinhart (1484 – 1538) in Zürich. Auch ledige Frauen wie Margarete Blarer (1494 – 1541) in Konstanz, oder verheiratete Frauen, deren Männer eher im Hintergrund blieben, wie Argula von Grumbach[26] in Bayern oder wie Marie Dentière (1495 – 1561)[27] in Genf, traten schreibend und verkündigend für die Reformation ein. Leider wurde aber keine neue Grundlage geschaffen, die den Frauen ein öffentliches religiöses Amt ermöglicht hätten, wie wir weiter unten sehen werden.
Der Weg in die Gegenwart ist steinig
Durch die Einführung der allgemeinen Menschenrechte in der Zeit der Aufklärung, die auch unter dem Einfluss des Christentums zustande kamen, wurde die Situation der Frau erneut zum Thema. Nun proklamierte die Elite, vorangetrieben durch die Werte der Französischen Revolution und der sozialistischen Bewegung, die prinzipielle Gleichheit von Mann und Frau. Bis aber Frauen in allen Gesellschaftsbereichen als gleichwertig und gleichberechtigt mitreden konnten, dauerte es noch viele Jahrzehnte, denn der Widerstand konservativer, patriarchal eingestellter Gesellschaftsschichten wich nur langsam. Die Frauen mussten den Kampf für ihre Rechte selbst in die Hand nehmen. So entstand im 19. Jh. eine Frauenemanzipationsbewegung, die bis heute zäh um die Gleichstellung kämpfen muss. Während die Frauen in Deutschland ab 1918 das aktive und passive Wahlrecht erhielten, mussten sie in der Schweiz bis 1971 ringen, bevor sich die allein wahlberechtigten Männer zu einem Ja «umstimmen» liessen. Damit waren die Schweizer Frauen (fast) die letzten in Europa, die das Stimm- und Wahlrecht bekamen.[28]
Theologen aus katholischer und reformierter Sicht nehmen sich im 20. Jh. den anthropologischen Fragen ganz neu an. Nun werden die Gleichwertigkeit und die Ebenbildlichkeit beider Geschlechter neu betont, wobei die Frage der gleichberechtigten Mitarbeit in der Kirche unterschiedlich beantwortet wird.
Entschuldigung!
Am Schluss dieses Beitrags muss ich einfach eine Entschuldigung formulieren. Die ersten Jahrzehnte der Gemeinde Jesu erscheinen aus dieser Perspektive in einem hellen Licht: In dieser Zeit durften Frauen in den Gemeinden auf eine Art in der Mitarbeit und Verantwortung stehen, wie sie es spätestens vom 4. Jahrhundert an nicht mehr tun konnten. Danach hat das Christentum in dieser Frage an gegenkultureller Kraft verloren und sich den frauenfeindlichen Strömungen der jeweilig herrschenden Kulturen angepasst. Und die Theologen haben nicht korrigierend eingegriffen, sondern Texte geschrieben, derer man/Mann sich schämen muss.
Als Mann, als Christ bin ich zutiefst erschüttert, was wir Männer über Frauen im Namen des Christentums gedacht, verkündigt und geschrieben haben. Liebe Mitchristinnen, liebe Frauen, es tut mir leid.
Thesen
These 1: Die lange Zeit sehr defizitäre, frauenfeindliche Anthropologie der Theologen, die geprägt wurde von ihrer kulturellen Umgebung und vom Bild der minderwertigen, verführten Verführerin, verhinderte ein fruchtbares Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche. Eine biblisch fundierte Anthropologie schafft die Grundlage für ein neues Miteinander der Geschlechter in der Kirche. Unser Umgang der Geschlechter untereinander und in der Mitarbeit in der Kirche muss immer wieder sorgfältig im Lichte einer biblischen Anthropologie, die die grundsätzliche Gleichwertigkeit und Ebenbildlichkeit Gottes beider Geschlechter betont, betrachtet werden.
These 2: In alle grossen Weltreligionen werden die Frauen als Menschen zweiter Klasse beschrieben oder wenigsten den Männern nicht in allen Dingen gleichgestellt. Gerade das Christentum hat durch Jesus Christus nicht nur ein Vorbild für den gleichwertigen Umgang, sondern auch den Erlöser vom Fluch der Sünde. Damit ist in Christus der Geschlechterkampf beendet. Die Frau ist nun nicht mehr unter die Herrschaft des Mannes gestellt, sondern darf neu seine erlöste Partnerin sein. Das befreit beide zu einem neuen Miteinander, das geprägt ist von Liebe, Respekt und gegenseitigem Höherachten.
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Fussnoten:
[1] Teresa von Avila zitiert in: Waltraud Herbstrith (OCD), Teresa von Avila. Lebensweg und Botschaft, München, Zürich, Wien 1993, S. 130.
[2] Vgl. Elke Hartmann, Zur Geschichte der Matriarchatsidee (Öffentliche Vorlesungen der Humboldt Universität. Heft 133, Berlin 2004, S. 19f.
[3] Arnold Angenendt, Ehe, Liebe, Sexualität im Christentum. Von den Anfängen bis heute, Münster 22015, S. 38.
[4] Ursula I. Meyer, Das Bild der Frau in der Philosophie, Aachen, 1999, S. 35.
[5] Titus Livius, Römische Geschichte übersetzt von Konrad Heusinger, Bd. 4, Kap 34,2, Braunschweig 1821, S. 205.
[6] Ebd. Kap 34,3, S. 206.
[7] Ebd. Kap 34,7, S. 214–215.
[8] Von Padberg, In Gottes Namen, S. 47.
[9] Julius Steinberg, Christlicher Glaube und die Gender-Debatte. Alttestamentliche Grundlegungen, in: Christoph Raedel (Hg.), Das Leben der Geschlechter. Zwischen Gottesgabe und menschlicher Gestaltung, Berlin 2017. S. 8.
[10] Tal Ilan, Frau VI. Judentum, 1 Antike, in: Religion in Geschichte und Gegenwart (Bde. 3), Tübingen, Studienausgabe 2008, S. 266–268, hier S. 268.
[11] Günter Stemberger, Der Talmud, Einführung, Texte, Erläuterungen, München 42008, S. 72. Die Aussage wird Jose ben Jochanan (2. Jh. vor Christus) aus Jerusalem zugesprochen. Natürlich wird im Talmud und anderen jüdischen Texten auch positiv über die gute Frau gesprochen, aber eben, das hier gehört zur guten Frau…
[12] Babylonischer Talmud, Sota 21 b.
[13] Clemens von Alexandrien, Teppiche (strom.) Buch IV, 55,9 – 60,1; bkv 48.
[14] Prinz Max Herzog zu Sachsen (HG), Johannes Chrysostomos. Homilien über die Genesis oder das erste Buch Mosis, Paderborn 1913, S. 208.
[15] Von Padberg, in Gottes Namen, S. 52.
[16] Ebd., S. 53.
[17] Paul Gerhardt Schmidt, Die misogyne Tradition von der Antike bis ins Frühmittelalter, in: Comportamenti e immaginario della sessualità nell’alto medioevo (SSAM 53), Spoleto 2006, S. 419f.
[18] Max Funke, Sind Weiber Menschen? Mulieres homines non sunt. Studien und Darlegungen auf Grund wissenschaftlicher Quellen, Marhold, Halle 1910.
[19] Lat. wörtlich: «Vir quidem non debet velare caput quia imago et gloria Dei est, mulier ideo velat, quia non est gloria aut imago Dei.» dt: «Der Mann sollte in der Tat nicht das Haupt verhüllen, weil er Bild und Herrlichkeit Gottes ist, die Frau muss deswegen verhüllen, weil sie nicht Herrlichkeit und Bild Gottes ist.» (Übersetzung vom Autor). Dieser Satz stammt vom Kirchenrechtler Gratian (? – 1160) von 1140: Decretum Gratiani Questio V Causa 13 in Corpus Juris Canonici, A. Friedberg (Hg.), Leipzig 1879–1881; Nachdruck: Graz 1955; vol. 1, Spalte 1254.
[20] Küng, Die Frau im Christentum, S. 55.
[21] Vgl. ebd., S. 55.
[22] Vgl. Christine Globig, Frauenordination im Kontext lutherischer Ekklesiologie, Göttingen 1994, S. 34.
[23] Ebd., S. 36.
[24] Vgl. ebd., S. 43.
[25] Wir müssen uns vor einer zu vereinfachenden Darstellung hüten. Die Ehen waren nicht einfach durch die Lehre der Reformatoren plötzlich besser oder vorher alle schlechter, nicht einmal in den Darstellungen der vorreformatorischen Ehebücher. Für Luther blieb die Sexualität sündlich. (Luther, Vom ehelichen Leben: «Aber mit all diesem Preis [Lob] des ehelichen Lebens will ich nicht der Natur zugegeben haben, dass dort keine Sünde sei, sondern ich sage, (…) dass keine Ehepflicht ohne Sünde geschieht. Aber Gott verschont sie aus Gnade deshalb, weil die eheliche Ordnung sein Werk ist, und behält auch mitten und durch die Sünde hindurch all das Gute, das er darein gepflanzt und gesegnet hat.» (WA 10, 2, 304) Hingegen für Calvin, Bucer und Bullinger ist der eheliche Sexualakt frei von Sünde (siehe Roth Detlef, Heinrich Bullingers Eheschriften, in: Zwingliana XXXI, Zürich 2004, S. 297).
[26] Argula von Grumbach ist eine Adlige aus Bayern, die sich mutig für die Reformation einsetzt. Birnstein Uwe, «Argula von Grumbach. Das Leben der bayerischen Reformatorin, Neufeld 2014.
[27] Marie Dentière, verheiratet mit zwei reformierten Pfarrern der Reformationszeit, ist eine fast gänzlich vergessen gegangene «Reformatorin» in Genf und Umgebung. Frauen sollen ihrer Meinung nach auch predigen dürfen. Als Schriftstellerin und Historikerin prägte sie die Reformation mit. Da es aber Frauen damals verboten war, Bücher zu veröffentlichen, bediente sie sich eines Pseudonyms. 2002 wurde ihr Name als einziger Name einer Frau dem Reformationsdenkmahl in Genf hinzugefügt.
[28] Dazu das Standardwerk: Yvonne Voegeli, Zwischen Hausrat und Rathaus. Auseinandersetzungen um die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971, Zürich 1997.
Ich bin einverstanden. Das störte mich auch immer wieder, dass man(n) so über Frauen dachte und aus dogmatischen Überzeugungen verhinderte, dass Frauen ihr Gaben, ihre Leidenschaften, ihre Talente, etc. für das Reich Gottes einsetzen konnten und durften.
Nur ein Detail finde ich nicht so wirklich stimmig: Unter “Wie es Jesus machte” werden der Lobgesang der Maria und die Verkündigung der Hanna aufgeführt. Klar in beidem geht es um Jesus, aber er selbst trug da jetzt mal auf der rein menschlichen Ebene nichts dazu bei. Diese beiden Texte können auch so gelesen werden, dass auch in Zeiten vor Jesu Geburt Frauen nicht nichts zu sagen hatten, auch wenn ihr Wort vor Gericht bspw. deutlich weniger (bzw. kein) Gewicht hatte. Umso erstaunlicher, dass Lukas diese Worte festgehalten hatte. Und das bedeutet doch auch, dass man diese Worte weitererzählte. Er selbst war ja nicht dabei. Dafür, dass in manchen Kreisen eine Frau nichts zu sagen hat, hatten sie damals deutlich mehr Einfluss.
Danke für Ihren Hinweis. Beide Texte haben es — wie sie selbst schreiben — eben doch in die Evangelien geschafft als Teil der Lebensdarstellung Jesu. Ich sehe darin einen starker Hinweis dafür, dass solche öffentlich geäusserten Texte von Frauen eben gut zum Leben und zum Handeln Jesu passen. Natürlich gibt es noch andere Stellen in den Evangelien, bei denen Frauen das Wort öffentlich ergriffen, z.B. Martha, die Jesus entgegenlief und draussen auf der Strasse — also in der Öffentlichkeit — Jesus ansprach (Joh. 11,20ff), oder Maria (Joh. 11,32f), oder auch Maria Magdalena (Joh. 20,15f), oder die kananäische Frau (Mt. 15,22ff), oder die kranke Frau (Lk. 8,47ff) um nur einige Stellen zu nennen.
Sehr aufschlussreicher Beitrag. Bin schon gespannt auf die nächsten Blogbeiträge (dann vielleicht mit nur einem G).
Vielen Dank!