Frauen zwischen Mitarbeit und Ausschluss in der Kirche (2/3)

Lesezeit: 21 Minuten
Lesezeit: 21 Minuten

by Claudius Buser | 30. Jan. 2022 | 0 comments

Schon gewusst, dass es in der Bibel Ämter für Frauen gibt wie Diakonin, Prophetin, Lei­t­erin ein­er Haus­ge­meinde und sog­ar Apos­tolin? In diesem Artikel ler­nen wir span­nende und für die dama­lige Zeit inno­v­a­tive Rollen für Frauen ken­nen, und wie es nach der Zeit des Neuen Tes­ta­ments mit diesen Rollen weiterging. 

In diesem zweit­en Beitrag möchte ich ein weit­eres Kapi­tel in dieser kirchengeschichtlichen Rei­he erörtern. Dabei betra­cht­en wir einige Skizzen zum Ver­ständ­nis des kirch­lichen Amtes im Blick auf die Rolle der Frau. Neben geschichtlichen Fak­ten, wer­den auch the­ol­o­gis­che Bemerkun­gen ein­fliessen. Die The­men wer­den dabei häu­fig nur angeschnit­ten, kurz erörtert, aber sich­er nicht für alle Leser und Leserin­nen in der gewün­scht­en Aus­führlichkeit behan­delt. Ich ver­weise deshalb gerne auf die im Text oder in den Fuss­noten erwäh­nte Literatur.

Betra­cht­en wir in der Geschichte der Kirche die Entwick­lung der Leitungsämter, so scheinen ver­schiedene Fak­toren dazu beige­tra­gen zu haben, dass die Frauen aus den Ämtern in den Gemein­den ver­ban­nt wur­den. Doch zuerst schauen wir uns die reiche Palette an Ämtern an, die auch Frauen im NT aus­geübt haben. Danach betra­cht­en wir die Entwick­lung des Bischof­samtes, das zur Allein­leitung eines Mannes in der jew­eili­gen Orts­ge­meinde geführt hat. In einem zweit­en Teil wer­den the­ol­o­gis­che Punk­te erörtert, die mit­ge­holfen haben, Frauen aus den kirch­lichen Ämtern zu verdrängen.

Ämter, die von Frauen im Neuen Testament ausgeübt wurden

Über­raschen­der­weise find­en wir im NT das Amt der Diakonin, der Gemein­delei­t­erin, der Apos­telin, der Witwe (Lehrerin), der Evan­ge­listin und der Prophetin, ohne im Einzel­nen sehr viel darüber zu erfahren. Einige dieser Bibel­stellen wur­den im Laufe der Zeit sog­ar in den bib­lis­chen Manuskripten geän­dert, weil man es sich im Mit­te­lal­ter nicht mehr vorstellen kon­nte, dass diese Auf­gaben jemals offiziell von Frauen aus­geübt wurden.

Die Diakonin (Diakonos)

Es fällt heute in den Bibelüber­set­zun­gen oft nicht auf, dass die Frauen im NT teil­weise dur­chaus Titel tru­gen, die wir tra­di­tioneller­weise nur bei Män­nern ver­muten. Z.B. wird Rom 16:1–2 bei Luther (1984) so übersetzt:

Ich befehle euch unsere Schwest­er Phöbe an, die im Dienst der Gemeinde von Kenchreä ist, dass ihr sie aufnehmt in dem Her­rn, wie sich’s ziemt für die Heili­gen, und ihr beis­te­ht in jed­er Sache, in der sie euch braucht; denn auch sie hat vie­len beige­s­tanden, auch mir selbst.

Hier sind zwei Begriffe unzure­ichend über­set­zt, die Phöbe eigentlich als Diakon und Patron­in beze­ich­nen. Man kann ohne Weit­eres so übersetzen:.

Ich empfehle euch unsere Schwest­er Phöbe. Sie ist Diakonin (diakonos) der Gemeinde in Kenchreä. Nehmt sie im Namen des Her­rn auf, wie es Heilige tun sollen, und ste­ht ihr in jed­er Sache bei, in der sie euch braucht, denn auch sie war Patron­in (pro­sta­tis) viel­er, auch für mich.[1]

Fol­gt man den Darstel­lun­gen der evan­ge­lis­chen The­olo­gin Anni Hentschel in ihrer Dis­ser­ta­tion zum Diakonie Begriff, ist dieser viel umfassender gewe­sen, als uns der heutige Begriff der Diakonisse sug­geriert und umfasste auch Verkündi­gungs- und Leitungsauf­gaben.[2] Wörtlich:

Eine Tren­nung von ‘Wortämtern’ und ‘Dien­stämtern’ ist durch die neutes­ta­mentlichen Texte nicht belegt. […] Damit wird auch eine geschlechter­spez­i­fis­che Inter­pre­ta­tion in Verkündi­gungsämter der Män­ner und Dien­stämter der Frauen fraglich. Phoebe ist als diakonos von Kenchreä nicht ein­fach eine sozial-kar­i­ta­tiv engagierte Gemein­de­helferin, son­dern eine auch für die Lehre ver­ant­wortliche Gemein­delei­t­erin.[3]

Ganz ähn­lich argu­men­tiert der Neutes­ta­mentler Ger­hard Barth (1927 – 2002):

In der über­wiegen­den Mehrzahl der Stellen dage­gen ist ‘Diakon’ die Beze­ich­nung für einen Verkündi­ger, Predi­ger, Mis­sion­ar.[4]

Diesen Titel ‘diakonos’ trägt hier Phöbe. Wir kön­nen also davon aus­ge­hen, dass sie als Frau in dieses Amt des Diakons einge­set­zt wor­den war und alle die oben genan­nten Dinge tat.

Von Plin­ius dem Jün­geren haben wir einen inter­es­san­ten Hin­weis, dass Frauen zu Beginn des zweit­en Jahrhun­derts noch lei­t­ende Stel­lun­gen in der Gemeinde ein­nehmen kon­nten. Er schreibt in Bezug auf die zahlre­ichen Chris­ten und wie er mit ihnen umge­hen soll einen Brief an Kaiser Tra­jan, darin wörtlich:

Umso mehr hielt ich es für notwendig, von zwei Mäg­den, welche [bei ihnen] Diakonin­nen [min­is­trae] heis­sen, mit­telst der Folter die Wahrheit zu erforschen. Allein ich fand Nichts, als einen verkehrten, schwärmerischen Aber­glauben.»[5]

Vielle­icht haben auch Män­ner in der Gemeinde mit­geleit­et, Doch der Titel zeigt deut­lich zwei Frauen auf führen­den Posi­tio­nen in der Gemeinde.

Welch­es Anse­hen Diakonin­nen in Teilen der frühen Kirche gehabt haben, zeigt zudem ein Text aus der syrischen Didaskalia um 205 n.Chr.:

[Der] Lev­it aber und Hoher­priester ist der Bischof; dieser ist der Diener des Wortes und Mit­tler, […] ja er sollte von euch wie Gott geehrt wer­den. […] Der Diakon aber ste­ht an der Stelle Christi, und ihr sollt ihn lieben; die Diakonin aber soll nach dem Vor­bild des Heili­gen Geistes von euch geehrt wer­den.[6]

Dieses Wis­sen ver­siegt und mit der Zeit wird die Frau aus den kirch­lichen Ämtern ver­drängt, wie wir weit­er unten sehen werden.

Die Hausgemeindeleiterin

In Kol 4:15 wird Nympha als eine Frau vorgestellt, die in ihrem Haus eine Gemeinde hat. In vie­len Bibelüber­set­zun­gen wird hier aber ein Mann mit Namen Nymphan genan­nt. Schaut man den ganzen Vers an, wird aber sicht­bar, dass das Per­son­al­pronomen sich auf eine Frau bezieht. Einige alte Manuskripte haben dort näm­lich die weib­liche Form: Grüs­set die Brüder in Laodizea und die Nympha und die Gemeinde in ihrem Hause.“ (Kol 4:15) Tex­tkri­tisch muss man davon aus­ge­hen, dass die schwierigere Lesart die ursprünglichere ist.

Ähn­lich­es kön­nen wir über Lydia in Apg 16:13–40 lesen. Es scheint zwar eher sel­ten, aber doch wie selb­stver­ständlich, dass Frauen im NT gewisse Leitungsauf­gaben wahrgenom­men haben.

Die Apostelin

Weit­er soll hier auf einen der wichtig­sten Leitungsti­tel im NT einge­gan­gen wer­den, den wir tra­di­tioneller­weise im NT nur mit Män­nern in Verbindung brin­gen: Das Apos­te­lamt. Über­raschen­der­weise hat man diesen Titel über Jahrhun­derte hin­weg selb­stver­ständlich auch ein­er Frau ver­liehen. In Rom 16:7 wird Junia genan­nt, die unter den Apos­teln berühmt ist. Bis ins Mit­te­lal­ter ist man davon aus­ge­gan­gen, dass es sich hier um eine Frau han­delte und dass sie eine Apos­telin war. Chrisos­to­mos (347 – 407) schreibt dazu in seinem Kom­men­tar zum Rom 16:7:

Es ist schon etwas Gross­es, ein Apos­tel zu sein; aber erst unter den Apos­teln her­vor­ra­gend zu sein, bedenke, was für ein Lob das ist! Her­vor­ra­gend waren sie auf­grund ihrer Arbeit und ihrer rechtschaf­fe­nen Tat­en. Wie groß muss doch die Weisheit (griech. philosophia) dieser Frau gewe­sen sein, dass sie sog­ar für würdig gehal­ten wurde, den Apos­telti­tel zu tra­gen![7]

Heute ste­ht noch immer in vie­len Bibelüber­set­zun­gen Junias; die Frau wurde zum Mann umfunk­tion­iert. Bernadette Brooten kon­nte schlüs­sig beweisen, dass erst im 13. Jh. Aegid­ius von Rom (1245–1316) aus der Junia einen Junias gemacht hat­te. Mod­erne Bibelüber­set­zun­gen weisen ver­mehrt auf diese Tat­sache hin.

Das Witwenamt

Als näch­stes sei der Titel der Witwe und die Auf­gaben der alten Frauen erwäh­nt. Witwen wer­den im NT vor allem im 1Tim 5:5–11 genan­nt. Es entwick­elte sich daraus das Amt der Witwe, deren Arbeit wir in der frühen Kirchengeschichte klar umris­sen vorfind­en: Es «waren vor allem das Gebet und die Für­bitte, die the­ol­o­gis­che Unter­weisung, die Sal­bung der Täu­flinge und die Kranken­für­sorge.»[8] Diese Auf­gaben, kom­biniert mit einem erst von eini­gen weni­gen Auslegern ent­deck­ten Hin­weis über den Lehrauf­trag an ältere Frauen in Tit 2:1–10, ergeben ein noch stärk­eres Bild der auch lehren­den, älteren Frau und/oder Witwe.

Bei Tit 2 wird meis­tens so über­set­zt, als ob Paulus die älteren Frauen anleite, sie sollen die jün­geren Frauen lehren. Aber der Text ist anders struk­turi­ert und führt eigentlich aus, was Titus vier Grup­pen in der Gemeinde sagen soll: den alten Män­nern, den alten Frauen, den jun­gen Frauen und den jun­gen Män­nern. Dann lautet die Anweisung an die älteren Frauen:

Du [Titus] aber lehre, was angemessen ist der gesun­den Lehre: […] die alten Frauen eben­so im Ver­hal­ten der Heiligkeit angemessen, nicht ver­leumderisch, nicht vielem Wein unter­wor­fen, Gutes lehrend, damit sie beson­nen machen.[9]

Danach wird Titus instru­iert, was er den jün­geren Frauen aus­richt­en soll. Damit wird hier ein Lehrauf­trag sicht­bar, den die älteren Frauen wahrnehmen sollen.

Der The­ologe Ulrich Wen­del schreibt dazu:

«Alte Kreterin­nen, auch wenn sie keine Witwen waren, gehörten nicht aufs Abstell­gleis. Es gab eine Auf­gabe für sie.»[10]

Sie soll­ten in der Gemeinde in der Lehre mithelfen, damit sie andere beson­nen machen. Kom­biniert man die Hin­weise auf Witwen und den Aufruf zu Lehren an ältere Frauen, dann erstaunt es nicht, dass sich ein lehren­des Witwe­namt entwick­elte, das die Kirche mit der Zeit als Konkur­renz emp­fand und dazu führte, dass die Bis­chöfe dieses Amt zurückdrängten.

Ein Zeug­nis dafür liefert die Didas­calia Apos­tolo­rum, eine frühchristliche Gemein­de­ord­nung aus dem syrischen Raum, die die Kom­pe­ten­zen der Witwen zurück­drän­gen wollte.[11] Wobei auch die sehr restrik­tiv­en Erk­lärun­gen eben ger­ade zeigen, dass es dieses Amt gegeben hat. Hans Ache­lis fasst die Bemühun­gen der Diskalia, den Witwen­stand zu reg­ulieren, ja förm­lich abzuschaf­fen, fol­gen­der­massen zusammen:

Das Witwenin­sti­tut hat­te eine lange Vorgeschichte, die bis in die ältesten Zeit­en des Chris­ten­tums hin­aufre­ichte. Ein Vertreter des mod­er­nen Episkopats, wie der Ver­fass­er der Didaskalia es war, musste ihre alten Rechte als Ein­griffe in seine Stel­lung empfind­en, und er suchte sie alle zu beseit­i­gen. Da die Witwe die Taufe vol­l­zo­gen hat­te, die ihr unmöglich zu ges­tat­ten war, nimmt ihr der Bischof selb­st die Han­dre­ichun­gen bei dem wichti­gen Akt; und da sie die Seel­sorge als ihr spezielles Gebi­et ange­se­hen hat­te, so sieht er sie auch am Kranken­bett nicht gern.[12]

Die Prophetin

Noch ein kurz­er Blick auf das Amt der Prophetin sei hier gewährt. In der Apos­telgeschichte (Apg 21:9) wird von den vier Töchtern des Philip­pus gesprochen, die alle­samt Prophetinnen waren. Aus ausser­bib­lis­chen Quellen wis­sen wir, dass die bei­den heili­gen Hermione und Euty­che zwei dieser vier Töchter, des Evan­ge­lis­ten und Diakons Philip­pus gewe­sen sind. Hermione gilt als Mär­tyrerin unter Tra­jan in Eph­esus. (das Amt der Evan­ge­listin beschreibe ich weit­er unten)

Das Wis­sen um solche Frauen in Dien­sten und Ämtern des Urchris­ten­tums führt aber nicht dazu, dass die Kirchen­väter Frauen für den Dienst als Bis­chöfin oder Pries­terin vorschla­gen, son­dern sie haben — meist in Bezug­nahme auf Paulus — den Lehr- und Leitungs­di­enst von Frauen zurück­gewiesen. Die Möglichkeit eines nich­tamtlichen Lehrens sahen einige aber durch das Beispiel von Priscil­la und Apol­los gegeben.

Nur das Amt der Diakonin über­lebt län­gere Zeit, vor allem im Osten und wird dort durch Chrysos­to­mos gefördert, ver­schwindet dann aber später und wird erst seit 2004 wieder neu in der Ortho­dox­en Kirche Griechen­lands zuge­lassen. Im West­en scheint man dieses Amt stärk­er bekämpft zu haben. Dadurch ist es schon früh in Vergessen­heit ger­at­en. Deshalb kann man sich bei der Syn­ode von Nymes von 394 – 396 entset­zt zeigen, «dass ‘irgend­wo’ Frauen zu ein­er Art ‘Amt’ zuge­lassen und damit zum Klerus gerech­net wor­den seien.»[13]

Die Syn­ode von Orange 441 set­zte dem Treiben dann defin­i­tiv ein Ende: Es darf zwar weit­er­hin Diakonin­nen geben, aber sie dür­fen nicht mehr ordiniert wer­den, son­dern müssen als Laien ihren Dienst tun. Die wieder­holte Verurteilung der Diakonis­senwei­he an weit­eren Syn­oden zeigt aber, dass es trotz­dem solche geben haben muss.[14] Erst im Ver­laufe von Vatikanum II wurde der Wei­he­grad des Diakonats wiederhergestellt.

An der Spitze wird die Luft dünn

Es scheint bei allen Ämtern der urchristlichen Gemein­den in Bezug auf die Frauen schon sehr früh einen Bruch gegeben zu haben, der die Frau aus Lehre und Leitung ver­drängt. Neben den oben erwäh­n­ten patri­ar­chalen und frauen­feindlichen Grund­stim­mungen und der Ver­drän­gung spezieller weib­lich­er Ämter, scheint die Entwick­lung der Leitungsstruk­turen dabei eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Diese wird in der Folge kurz geschildert.

Die gemein­same Leitung ein­er Gemeinde durch Pres­byter wird im zweit­en Jahrhun­dert mehr und mehr erset­zt durch die alleinige Leitung der Gemeinde durch einen Bischof (Episkopen). Dadurch wer­den nicht nur die anderen Män­ner von der Spitze ver­drängt und hier­ar­chisch degradiert, son­dern auch die mitar­bei­t­en­den Frauen müssen sich den neuen Regeln beu­gen. Das Wis­sen um die ursprüngliche Leitung der Gemeinde durch ein Pres­by­teri­um hält sich aber lange. So kann noch Hierony­mus (347 – 420) schreiben:

[…] Bevor in [unser­er] Reli­gion durch Ans­tiftung des Teufels Parteiun­gen ent­standen und bevor unter den Men­schen gesagt wurde: ‘Ich gehöre zu Paulus, ich zu Apol­los und ich zu Kephas’, wur­den die Gemein­den gemein­sam von einem Pres­by­teri­um­srat geleit­et. Sobald jed­er von ihnen begann, die von ihm getauften als seine Eige­nen zu betra­cht­en, und nicht als von Chris­tus, war es für die ganze Welt entsch­ieden, dass ein einzel­ner, welch­er aus dem Kreis der Pres­byter [in jed­er Gemeinde] gewählt wurde, über den Rest geset­zt wer­den sollte, um für die ganze Gemeinde Sorge zu tra­gen. […] Aus diesem Grund soll­ten Vorste­her beacht­en, dass sie gemäß ein­er überkomme­nen Gewohn­heit und nicht wegen eines Gebotes des Her­rn über Pres­byter einge­set­zt sind.[15]

Dieser Prozess kann nicht mehr umgekehrt wer­den. Jed­er Gemeinde ste­ht im Ver­laufe des 2. Jahrhun­derts ein Bischof vor, später wer­den aus den Land­bis­chöfen ein­fache Priester, die den Bis­chöfen grösser­er Orte unter­stellt sind. In Anlehnung an den römis­chen Beamten­staat, ent­stand eine christliche Beamtenkirche, mit klaren Hier­ar­chien und ohne Frauen in lei­t­en­den Ämtern. Nach­dem das Chris­ten­tum im Laufe des 4. Jahrhun­derts zur römis­chen Staat­sre­li­gion emporgestiegen ist, übern­immt die Kirche noch mehr die Form eines römis­chen Beamtenapparates.

Diese Hier­ar­chie wird nicht ein­mal in der Ref­or­ma­tion durch­brochen, obwohl sich das Amtsver­ständ­nis grundle­gend ändert und viele Frauen hof­fen, dass sich dieses neue Ver­ständ­nis auch auf ihre Rolle in der Kirche auswirken würde. Ute Gause fasst zusammen:

Die reformierten Frauen erhofften sich von der neuen Glaubens­be­we­gung neue religiöse Möglichkeit­en. […] In ihrer Frühzeit war die Ref­or­ma­tion […] eine Bil­dungs­be­we­gung für Frauen, die die bib­lis­che Botschaft als für sich befreiend inter­pretierten. Da jedoch das lutherische wie reformierte Selb­stver­ständ­nis an den bib­lis­chen Sub­or­di­na­tionsvorstel­lun­gen fes­thielt und der Gedanke des Priester­tums aller Gläu­bi­gen mit der Kon­fes­sion­al­isierung in den Hin­ter­grund trat, wurde dieser Ver­such der Verän­derung des weib­lichen Rol­len­bildes [hin zur religiösen Mitar­beit in der Kirche] zurück­gewiesen.[16]

Somit kann sich in den Kirchen kein «weib­lich­es Amt» der Frühzeit hal­ten und bis in die Neuzeit hinein auch keines entwick­eln. Während die Katholis­chen und die Ortho­dox­en Kirchen darum bis heute keine Frauenor­di­na­tion ken­nen, haben sich seit dem 19. Jh. bei den evan­ge­lis­chen Lan­deskirchen,[17] der anglikanis­chen Kirche und bei eini­gen Freikirchen die Dinge geän­dert.

Die Anfänge bei den evan­ge­lis­chen Kirchen gehen zurück auf den lutherischen Alt­pi­etismus der Her­rn­huter, gegrün­det durch Niklaus Lud­wig Graf von Zinzen­dorf (1700 – 1760). Dort gibt es für Frauen und Män­ner die gle­ichen Ämter, wobei die Geschlechter stark getren­nt sind. Doch kön­nen sich Frauen bei Zusam­menkün­ften frei äussern.

Die evan­ge­lis­che Amerikaner­in Antoinette Brown (1825 – 1921) wird zur ersten ordinierten Frau der neueren Kirchengeschichte. Als junge amerikanis­che Frauen­recht­lerin und Christin will sie unbe­d­ingt eine geistliche Aus­bil­dung. Als sie 1850 das Ober­lin-Col­lege been­det hat, wird sie aber nicht ordiniert. Erst als drei Jahre später eine Gemeinde sie anstellt, hat sie die Ordi­na­tion erhalten.

Cather­ine (1829 – 1890) und William Booth (1829 – 1912) grün­den im 19. Jahrhun­dert die Heil­sarmee. Sie set­zen rasch bei­de Geschlechter als «Sol­dat­en Christi» gle­ich­berechtigt zum Dienst ein. Cathrine schreibt 1859 eine Schrift,[18] worin sie das Recht der Frau zu predi­gen verteidigt.

Die erste ordinierte Pas­torin der evan­ge­lis­chen Kirchen Deutsch­lands wird Elis­a­beth Haseloff (1914 – 1974). 1958 wird sie im Sinne des west­deutschen Geset­zes zur Gle­ich­berech­ti­gung von Mann und Frau als ledi­ge Frau in den Pfar­r­di­enst eingesetzt.

Theologische Begründungen

Die Entwick­lung zur rein durch Män­ner geleit­eten Gemeinde hat auch the­ol­o­gis­che Gründe. Erstens wird die Geschlechter­sym­bo­l­ik der Schrift betont, die in Chris­tus den Bräutigam, in der Kirche die Braut oder Mut­ter sieht. Zweit­ens wird dazu die Tat­sache als Vor­bild genom­men, dass Chris­tus keine Frauen in ein Amt hinein berufen hat und drit­tens überträgt man das alttes­ta­mentliche Priester­tum in das Leitungsver­ständ­nis der Kirche.

Daraus ergibt sich die fol­gende Argu­men­ta­tion­slin­ie: Jesus als Bräutigam und Hohe­p­riester tritt im Priester als seinem Repräsen­tan­ten der Gemeinde (der Braut Christi) gegenüber. Der Priester allein hat in dieser Stel­lung auch das Recht, die Sakra­mente (speziell das Abendmahl) zu ver­wal­ten. So tritt im Priester Chris­tus unter die Gemeinde und bringt im Abendmahl das «Opfer» dar.

Hier wer­den mehrere Entwick­lun­gen angedeutet, die die Män­neror­di­na­tion als alleinige Möglichkeit offen­lassen und damit die Amts­fähigkeit der Frau grund­sät­zlich in Frage stellen. Dazu einige Erläuterun­gen: Zur Repräsen­tanz Christi kam es durch den Gedanken, dass der Priester als Repräsen­tant des Bräutigams (Chris­tus) der Braut (die Gemeinde) gegenüber­tritt. Daher kann die katholis­che Kirche bis heute keine Frau zulassen, denn Chris­tus ist ein Mann, ihn kann keine Frau vertreten. Dazu ist aus evan­ge­lis­ch­er Sicht zu sagen, dass dies aus bib­lis­ch­er Per­spek­tive gar nicht nötig ist. Chris­tus ist durch den Heili­gen Geist unter uns und nicht durch ein Amt oder einen Amt­sträger. Der Priester muss auch nicht Chris­tus beim Abendmahl repräsen­tieren. Dieses Mahl ist der Gemeinde zur Ver­wal­tung gegeben und sie kann die Durch­führung so ord­nen, wie sie es inner­halb der bib­lis­chen Lin­ien für angemessen erachtet.

Auch die Über­tra­gung alttes­ta­mentlich­er Priester­vorstel­lun­gen auf das Amt des Gemein­deleit­ers ist vom NT her nicht geboten. Der Pfar­rer bringt in evan­ge­lis­chen Kirchen im Abendmahl kein Opfer dar, ist nicht Mit­tler zwis­chen Gott und Gemeinde und hat keine sakra­men­tale Wei­heg­nade, die in irgen­dein­er Art und Weise die Wand­lung von Brot und Wein zus­tande brin­gen kön­nte und so nur ihm die Sakra­mentsver­wal­tung ermöglicht. Der Priester (resp. Pfarrer/Pastor) ist auch nicht das Gegenüber im Blick auf die Gemeinde. Er ist ein­er aus der Gemeinde, der einen wichti­gen Dienst in der Kirche Jesu ausübt, wobei es noch viele andere wichtige Auf­gaben und Dien­ste daneben gibt.

Neben der Frage nach der Amts­fähigkeit der Frau ste­ht die Frage der Verkündi­gung der Frau als zweites the­ol­o­gis­ches Hin­der­nis zum Dienst der Frau im Raum. Nach der Zeit des deut­lich offeneren Urchris­ten­tums war es über Jahrhun­derte klar, dass die Frau nicht lehren und reden darf in der Gemeinde. Der einzige Ausweg der katholis­chen Frau war der Weg ins Kloster oder auf evan­ge­lis­ch­er Seite in die Mis­sion (siehe Artikel 3/3) und/oder seit dem 19. Jh. in die neu aufgekommene Diakonie, wo Frauen unter sich waren. Die Frage konzen­tri­erte sich hier auf das ver­meintliche Lehr- und Rede­ver­bot für Frauen bei Paulus. Dies wurde im Ver­laufe der Kirchengeschichte fast durchge­hend so aus­gelegt, dass die Frau kein Recht zum Predi­gen hat­te. Aus­nah­men, wie das oben erwäh­nte Notrecht bei Luther und Calvin, bestäti­gen die Regel nur.

Grund­sät­zlich geht es meis­tens um die bei­den Stellen im 1Tim 2:12 und im 1Kor 14:33–34. Als Gedanke­nanstösse wer­den hier zu jed­er Stelle einige Hin­weise gegeben ohne Voll­ständigkeit zu beanspruchen, da dies ja auch nicht der Fokus dieses Textes ist.

Zur Stelle von 1Tim 2: 1992 erschien eine philol­o­gis­che Arbeit von Cather­ine Clark Kroeger (1925 – 2011)[20]: Lehrver­bot für Frauen? Was Paulus wirk­lich meinte – eine Auseinan­der­set­zung mit 1. Tim­o­theus 2, 11–15. Durch alter­na­tive Über­set­zungsvari­anten zeigt Kroeger auf, dass Paulus hier eventuell ganz falsch ver­standen wor­den ist und er gar kein Rede- und Lehrver­bot aussprechen, son­dern nur eine gängige Irrlehre und ihre Verkündi­gung ver­bi­eten wollte. Es muss hier auch mit allem Nach­druck darauf hingewiesen wer­den, dass der Kon­text, in der diese Aus­sage gemacht wird eigentlich das Gebet ist und Paulus dann noch kurz auf die Frage der Frau einge­ht, einen Exkurs ins AT macht und anschliessend ganz sin­gulär davon spricht, dass Frauen durch Kinderge­bären gerettet wer­den (V15), was Paulus ja sich­er nicht so meint, mah­nt er doch im 1Kor 7 noch, dass Frauen ledig bleiben sollen, um dem Her­rn bess­er dienen zu kön­nen. Diese Stelle ist also nicht ein­fach zu ver­ste­hen. Abschliessend: Grund­sät­zlich sollte von so ein­er eher «dun­klen» Stelle her, keine Lehre entste­hen mit so weitre­ichen­den Folgen!

Fern­er ist in diesem Zusam­men­hang zu beacht­en, dass Paulus in den Pas­toral­briefen an eini­gen Stellen betont, dass er sich dem (dama­li­gen) Zeit­geist anpassen möchte, damit das Evan­geli­um nicht «ver­lästert» werde (z.B. 1Tim 6:1; Tit 2:5). Ihm scheint daran gele­gen, auch in dieser Frage die hei­d­nis­che und jüdis­che Umge­bung nicht schon dadurch zu verärg­ern, dass Frauen öffentlich reden und sich in Män­nerangele­gen­heit­en ein­mis­chen. Wie sehr die römis­che Kul­tur dies miss­bil­ligt, habe ich schon früher erwähnt.

Hier möchte ich noch Plutarch aus dem ersten Jahrhun­dert nach Chris­tus zitieren:

Dem Stand der Athena gab Phidias die Schlange zur Seite und dem der Aphrodite in Elis die Schild­kröte, um anzudeuten, dass Jungfrauen der Bewahrung bedür­fen, den ver­heirateten Frauen aber Häus­lichkeit und Schweigen ziemt.[21]

Paulus will sich also dem Zeit­geist anpassen, damit das Evan­geli­um nicht schon durch unzeit­gemäss­es Ver­hal­ten neg­a­tiv wahrgenom­men wird. Mit diesem Hin­weis und der schon früher gemacht­en Fest­stel­lung, dass der jüdis­che Mann nicht mit ein­er frem­den Frau sprechen soll, ist die Über­leitung zum Schweigege­bot im 1. Korinther­brief schon geschehen.

Aber will Paulus dort ein Schweigege­bot über­haupt ein­fordern? Zu 1Kor 14:33–34 liefert Heinzpeter Hempel­mann 1997 in seinem Buch Gottes Ord­nun­gen zum Leben – Die Stel­lung der Frau in der Gemeinde hil­fre­iche Hin­weise, dass es in 1Kor 14 nicht um ein generelles Schweigege­bot, son­dern um ein spezielles gehe, das die Frau nur in Fra­gen der Ausle­gung von prophetis­chem Reden betr­e­ffe. Damit schafft es Hempel­mann auf überzeu­gende Weise, die bei­den Stellen im 1. Korinther­brief (Kapi­tel 11 und 14) zu har­mon­isieren, ohne eine Stelle als Inter­po­la­tion wegdisku­tieren zu wollen.[22]

Exkurs zur Vordringlichkeit der Evangeliumsverkündigung bei Paulus

Der fol­gende Exkurs löst sich­er einiges an Diskus­sion­sstoff aus. Aber ich wage es hier trotz­dem: Paulus muss grund­sät­zlich von sein­er Vor­dringlichkeit das Evan­geli­um zu verkündi­gen ver­standen wer­den. Das ist sein Auf­trag von Chris­tus her. Die hier aufge­führten Stellen aus dem Römer­brief sollen das unterstreichen:

Paulus, Knecht Jesu Christi, berufen­er Apos­tel, aus­geson­dert zum Evan­geli­um  Gottes, welch­es vorher ver­heißen wurde durch seine Propheten in heili­gen Schriften, betr­e­ffs seines Sohnes, der her­vorge­gan­gen ist aus dem Samen Davids nach  dem Fleisch und erwiesen als Sohn Gottes in Kraft nach dem Geiste der Heiligkeit  durch die Aufer­ste­hung von den Toten, Jesus Chris­tus, unser Herr; durch welchen wir Gnade und Apos­te­lamt emp­fan­gen haben, um für seinen  Namen Glaubens­ge­hor­sam zu ver­lan­gen unter allen Völk­ern,… (Rom 1:1–5)

Denn Gott, welchem ich in meinem Geist diene am Evan­geli­um seines Sohnes (Rom 1:9)

Dass ich ein Diener Jesu Christi für die Hei­den sein soll, der das Evan­geli­um Gottes priester­lich ver­wal­tet, auf dass das Opfer der Hei­den angenehm werde, geheiligt im heili­gen Geist. (Röm. 15:16)

Diesem Auf­trag ord­net Paulus alles unter. Er ist um des Evan­geli­ums willen bere­it, sich sel­ber völ­lig hinzugeben:

Denn wiewohl ich frei bin von jed­er­mann, habe ich doch mich selb­st jed­er­mann zum Knechte gemacht, auf dass ich ihrer viele gewinne. (1Kor 9:19)

Und dies fordert er auch von den Gemein­den, die durch ihn ent­standen sind. Betra­cht­en wir unter diesem Aspekt nur einige Hin­weise bei Paulus:

  1. Er möchte am lieb­sten, dass alle ledig bleiben (1Kor 1:1 und fol­gende) und die, welche ver­heiratet sind, müssen «in der noch verbleiben­den Frist» so leben, «als hät­ten sie keine» (1Kor 7:29).
  2. Obwohl die Taufe für ihn etwas ganz Wichtiges ist, nimmt er sich kaum die Zeit dafür, wie er selb­st aus­führt im 1Kor 1:14: «Ich danke Gott, dass ich nie­mand von euch getauft habe, auss­er Kris­pus und Gajus; so kann doch nie­mand sagen, ihr sei­et auf meinen Namen getauft! Ich habe aber auch das Haus des Stephanas getauft. Son­st weiß ich nicht, ob ich noch jemand getauft habe; denn Chris­tus hat mich nicht gesandt zu taufen, son­dern das Evan­geli­um zu verkündigen.»
  3. Die Gesellschaft­sor­d­nung lässt er ste­hen, obwohl er im Blick auf z.B. die Sklaverei dur­chaus die Gemein­den ermutigt (Phile­mon) hier einen neuen Kurs einzuschla­gen. Aber er fordert die Sklaven auf, treue Sklaven zu bleiben, auch wenn sie im Her­rn frei gewor­den sind. Kol 3:22 zeigt dies deut­lich: «Ihr Knechte, gehorchet in allen Din­gen euren leib­lichen Her­ren, nicht mit Augen­di­enerei, um den Men­schen zu gefall­en, son­dern in Ein­falt des Herzens, als solche, die den Her­rn fürcht­en.» (siehe auch Eph 6:5, 1Petr 2:18, etc.). In 1Tim 6:1 bringt er den Gehor­sam der Sklaven direkt mit der Ver­lästerung des Evan­geli­ums zusam­men: «Alle, welche Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre eige­nen Her­ren aller Ehre würdig acht­en, auf dass nicht der Name Gottes und die Lehre ver­lästert werde.»
  4. Daher wird er auch den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche und erwartet dies auch von seinen Mitar­beit­ern. Deshalb lässt er den Tim­o­theus beschnei­den (Apg 16:3) und geht auf ein Gelübde ein (Apg 21:24).

Diesem Auf­trag ord­net Paulus auch die Gemein­de­ord­nung unter. Für Paulus zählt eigentlich alles Nichts, wenn es um das Evan­geli­um geht, sog­ar seine eigene Herkun­ft beze­ich­net er als Kot, obwohl er darauf doch echt stolz hätte sein kön­nen (Phil 3:8). Umgekehrt kann man auch sagen alles zählt, wenn es darum geht, der Ver­lästerung des Evan­geli­ums unter den Hei­den durch irgen­deine Hand­lung in der Gemeinde keinen Vorschub zu leisten.

Wir betra­cht­en das hier aber nur im Blick auf die Frau in der Gemeinde. Obwohl er Frauen in sein­er Mitar­beit­er­schaft hat, und sie grüsst an etlichen Stellen in den Briefen, geht er doch auch hier Konzes­sio­nen ein, um der Verkündi­gung des Evan­geli­ums Willen. Wir müssen die Stellen, wo er den Frauen schein­bar oder je nach Ausle­gung auch ziem­lich klar etwas ver­bi­etet, nicht abweisen unter dem Vor­wand, das war damals halt so und ist heute nicht mehr so. Son­dern wir müssen es viel mehr als eine Konzes­sion — wider besseres Wis­sen – an den Zeitgeist/die Kul­tur betra­cht­en. Paulus nimmt bewusst auf diese Sit­ten Rück­sicht, damit das Evan­geli­um nicht ver­lästert wird. Schauen wir die Aus­sagen des Paulus unter diesem Schlüs­sel an.

Paulus will die Frauen förm­lich gewin­nen für die Arbeit am Evan­geli­um, darum ruft er sie auf ledig zu bleiben, damit sie sich ganz der Arbeit am Evan­geli­um hingeben kön­nen (1Kor 7:34). Er freut sich über die Haus­ge­mein­den bei Lydia (Apg 16) und Nympha (Kol 4:15). Er betont, dass die Frauen auch ler­nen sollen, ein­fach Zuhause, bis sie in der Gemeinde mitre­den, respek­tive mit­beten und weis­sagen kön­nen (1Kor 11:5). Er übergibt seine bedeu­tend­ste Schrift ein­er Diakonos (Phoebe), um sie nach Rom zu brin­gen und dort vorzule­sen, sozusagen als seine Botschaf­terin. Er grüsst die Apos­telin Junia und seine Mite­van­ge­listin­nen Tryphä­na, Tryphosa, Per­sis, (alle Römer 16), aber auch die Euo­dia und Syn­ty­che (Phil 4:2–3).

Er will aber nicht, dass sich die Dinge in der Gemeinde so verän­dern, dass dadurch die Hei­den abgeschreckt wer­den. Darum ist er zurück­hal­tend, wenn es um die Leitung in den Gemein­den geht. Er will nicht, dass die Umge­bung das Gefühl hat, in den Gemein­den der Chris­ten herrschen die Frauen (1Tim 2:12)[23]. Er will über­haupt nicht, dass in den Gemein­den jemand allein herrscht: Chris­tus ist das Haupt! Ja, Chris­tus ist der einzige Meis­ter in der Gemeinde: «Und ihr sollt euch nicht lassen Meis­ter nen­nen; denn ein­er ist euer Meis­ter, Chris­tus (Mat 23:10).» Daher hat Paulus immer Gremien einge­set­zt und nicht eine einzelne Person.

Die Ziel­rich­tung bei Paulus ist auch im Blick auf das Miteinan­der der Geschlechter klar. Er bewegt sich zwar in Worten, die gut in die Sit­ten der Zeit hinein­passen, aber er kor­rigiert diese deut­lich, indem er den Män­nern die Liebe Christi als Vor­bild der Liebe des Mannes zur Frau aufträgt (Eph 5:25). Das sagt eigentlich schon alles.[24]

Faz­it:

  • Paulus in diesem Bere­ich unter dem Hor­i­zont der dringlichen Evan­geli­umsverkündi­gung lesen – das ist sein Ziel, dem er fast alles unterordnet.
  • Paulus unter dem Hor­i­zont der Bere­itschaft kul­turelle Konzes­sio­nen zumachen verstehen.
  • Paulus im Wis­sen lesen, dass er das AT sich­er nicht korrigieren/in Frage stellen will, son­dern dass ihn die AT Anthro­polo­gie trägt und ihn zu sehr egal­itären Aus­sagen führt.
  • Der sich­er­ste Ansatz, Paulus richtig zu ver­ste­hen in diesen Fra­gen, ist es immer bei Jesus vor­beizuschauen. Das ist die Ziel­rich­tung des Paulus.
  • Unter dem Hor­i­zont von 1Kor 13, der für Paulus den höch­sten Weg darstellt, soll­ten wir gabenori­en­tiert in Fam­i­lie und Gemeinde als in Chris­tus erlöste und befre­ite gle­ich­w­er­tige Gotte­skinder leben.

Man kann Paulus auch anders ver­ste­hen als hier beschrieben, und das tun einige. Aber, wer den Gedanken der Frei­heit des Evan­geli­ums ver­standen hat, wer die frische Luft des Evan­geli­ums geschnup­pert hat und erken­nt, dass hier stein­erne Herzen weich (Hes­ekiel), die Herzen der Gen­er­a­tio­nen ver­söh­nt (Maleachi) und die Fallgestalt von Gen­e­sis 3 aufge­hoben wird, der will nicht mehr zurück: In der Ehe nicht und in der Gemeinde nicht. Denn in der Frei­heit des Evan­geli­ums achtet man sich gegen­seit­ig höher, ist die Liebe untere­inan­der Marken­ze­ichen, freut man sich am Wohl des andern und respek­tiert die Gaben, die Gott allen gegeben hat zum Wohl sein­er Gemeinde und zum Bau seines Reiches.

Denn, wenn wir in dieser Art miteinan­der umge­hen, wird genau das sicht­bar, was Paulus so am Herzen lag und von dem er wusste, dass es sein Meis­ter will:

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einan­der liebt; dass, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einan­der liebt. Daran wird jed­er­mann erken­nen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untere­inan­der habt. (Joh 13:34–35)

Thesen

These 1: Die Ver­drän­gung der Frauen aus den noch im NT sicht­baren Ämtern hat das all­ge­meine Priester­tum unter­graben und einen grossen Teil der Gemeinde an der weit­eren Arbeit im Reich Gottes gehin­dert. Ist dadurch nicht viel Segen ver­hin­dert wor­den? Durch das all­ge­meine Priester­tum, das ger­ade bei Petrus dem ganzen Volk der Chris­ten zuge­sprochen wird (Apg 2:14 und fol­gende; 1Petr 2:9) und z.B. auch dem Bild der Gemeinde als Leib Christi (1Kor 12:12 und fol­gende) bei Paulus entspricht, ist nicht mehr der Mann Repräsen­tant Christi, son­dern die Gemeinde. Das Schweigege­bot der Frauen war damals Sitte. Paulus forderte dies, damit das Evan­geli­um nicht gelästert wird. Heute ist dies aber keine Sitte mehr und wir soll­ten uns über­legen, ob wir Paulus nicht kor­rek­ter ver­ste­hen, wenn wir uns hier – wie er damals – den Sit­ten anpassen wür­den in dieser Frage. Paulus würde heute sagen: Damit das Evan­geli­um nicht gelästert wird, sollen alle – Frauen und Män­ner ganz egal­itär und in allen Bere­ichen – ihre Gaben zum Bau der Gemeinde ein­set­zen?![25]

These 2: Die Auf­gabe der Gemein­deleitung sollte nicht in der Hand ein­er einzel­nen Per­son liegen, son­dern eines Gremi­ums. Die Auf­gabe der Verkündi­gung aber darf unter der Auf­sicht des lei­t­en­den Gremi­ums von ver­schiede­nen Men­schen wahrgenom­men werden.

Artikel als PDF herunterladen


Bilder:
iStock

Fuss­noten:
[1] Ute Eisen, Hand­out am Sym­po­sium “Geh und verkündi­ge. Frauen in ‘Ämtern’ in der frühen Kirche” vom 27. Sep­tem­ber 2008 in Frank­furt a. M., S. 1. Ähn­lich über­set­zt auch Ulrich Wen­del, Priska, Junia & Co. Über­raschende Ein­sicht­en über Frauen im Neuen Tes­ta­ment, Giessen 2003, S. 27.
[2] Vgl. Anni Hentschel, Gemeinde, Ämter, Dien­ste. Per­spek­tiv­en zur neutes­ta­mentlichen Ekkle­si­olo­gie, Neukirchen-Vluyn 2013, S. 229
[3] Ebd., S. 229.
[4] Ger­hard Barth, Der Brief an die Philip­per, Zürcher Bibelkom­mentare NT (Bd. 9), Zürich 1979, S. 16.
[5] C. Plin­ius Cae­cil­ius Secun­dus. Briefe, über­set­zt von Ernst Klussmann und Dr. Wil­helm Binder, 3. Band, 8. ‑10. Buch, Stuttgart 1869, S. 138.
[6] Ache­lis, Hans, die ältesten Quellen des ori­en­tal­is­chen Kirchen­rechts. Die syrische Didaskalia, Leipzig, 1904, S. 45.
[7] PG 60/669f. Auch Ori­genes (185 – 253) und Hierony­mus (340–419) bezeu­gen, dass Junia weib­lich war.
[8] Eisen, Amt­strägerin­nen, S. 33.
[9] Wen­del, Priska, Junia & Co., S. 83.
[10] Ebd., S. 87.
[11] Vgl. Eisen, Amt­strägerin­nen, S. 33–34.
[12] Die syrische Didaskalia über­set­zt und erk­lärt von Hans Ache­lis und Johs. Flem­ming in: Die ältesten Quellen des ori­en­tal­is­chen Kirchen­rechts, Band 2, Leipzig 1904, S. 281.
[13] Chris­tiane Müller, Das Amt der Diakonin in der ersten fünfhun­dert Jahren der Kirchengeschichte, Ham­burg 2012, S. 61.
[14] Eisen, Amt­strägerin­nen, S. 191.
[15] Hierony­mus, Com­men­tar­ius in Epis­tu­lam Pauli ad Titum 1,5.
[16] Ute Gause, Calvin und Calvin­is­mus ein gegen­dert­er Blick in: Trau­gott Jäh­nichen, Thomas K. Kuhn, Arno Lohmann (Hg.), Zei­tansage. Calvin ent­deck­en Wirkungs­geschichte – The­olo­gie – Sozialethik (Bde. 6), Berlin 2011, S. 47.
[17] Vgl. «Frauen auf der Kanzel — Frauenor­di­na­tion und Frauenp­far­ramt in den reformierten Kirchen der Schweiz» von Pierre Aerne, Zürich 2017.
[18] Cather­ine Booth, Das Recht der Frau zu predi­gen, Lon­don 1859, dt. Köln 2000.
[19] Vgl. Rain­er Her­ing, Frauen auf der Kanzel? Die Auseinan­der­set­zun­gen um Frauenor­di­na­tion und Gle­ich­berech­ti­gung der The­ologin­nen in der Ham­burg­er Lan­deskirche, in: Rain­er Her­ing und Maria Jepsen (Hg.), Kirch­liche Zeit­geschichte (20. Jahrhun­dert), in: Ham­bur­gis­che Kirchengeschichte in Auf­sätzen Teil 5, Ham­burg 2008, S. 135. Sehr lesenswert zum The­ma des Amtes und der Ordi­na­tion ist das Buch von Wil­fried Här­le, Von Chris­tus berufen. Ein bib­lis­ches Plä­doy­er für Ordi­na­tion und Priester­wei­he von Frauen, Leipzig/Paderborn 2017.
[20] Cather­ine Klark Croeger war Alt­philolo­gin und Neutes­ta­ment­lerin. Sie lehrte in den USA an ver­schiede­nen the­ol­o­gis­chen Hochschulen und war Grün­dungsmit­glied in mehreren Insti­tu­tio­nen, die sich für die Rechte der Frauen in den USA ein­set­zte. Ihr Buch, das sie gemein­sam mit ihrem Mann geschrieben hat­te, wurde sehr kon­tro­vers aufgenom­men und erhielt teil­weise heftige Kritik.
[21] Plutarch (45–125 n.Chr.), der in vie­len Bere­ichen des sozialen Lebens eigentlich recht fortschrit­tlich dachte, zeigt hier deut­lich auf, dass Schweigen nicht eine paulin­is­che Sitte, son­dern eine all­ge­meine Sitte war. Plutarch, Drei Reli­gion­sphilosophis­che Schriften:  Über den Aber­glauben, über die späte Strafe der Got­theit, über Isis und Osiris, griechisch-deutsch über­set­zt und her­aus­gegeben von Her­wig Görge­manns, Düs­sel­dorf 22009, S. 263.
[22] Heinzpeter Hempel­mann, Gottes Ord­nun­gen zum Leben. Die Stel­lung der Frau in der Gemeinde, Ammer­buch 1997, S. 35–46.
[23] Der Begriff «herrschen» wird im ganzen NT über­haupt nur hier gebraucht. Paulus wäre es ein leicht­es gewe­sen, dies an ander­er Stelle (oder hier) bewusst in Bezug auf die Män­ner zu schreiben. Tut er aber nicht.
[24] Dieser Text will nicht die Beziehung der Geschlechter zueinan­der weit­er disku­tieren. Dazu fehlt der Raum. Deut­lich ist aber, dass Paulus die Ver­ant­wor­tung der Män­ner für ihre Fam­i­lie her­vorhebt und die in der Antike so oft fehlende Liebe der Män­ner zu den eige­nen Frauen fordert. Nimmt man Paulus in der Tiefe ernst, sieht man bei ihm deut­lich, dass die Liebe in jed­er Ehe der Massstab sein soll für das Miteinan­der. Und zwar die Liebe, die sich in gegen­seit­iger liebevoller Unterord­nung ausze­ich­net. Schaut man die Verse über die Ehe bei Paulus aus diesem Blick­winkel an, stellt man fest, dass er den Frauen eigentlich nur das damals kul­turell «Nor­male» zus­pricht und fordert. Die Män­ner aber wer­den zu ein­er Liebe zu ihren Ehe­frauen aufge­fordert, die nicht üblich war, denn die Ehe­frau war für den erb­berechtigten Nach­wuchs und nicht für die ehe­liche Liebe und Treue da. Für ihre sex­uellen und roman­tis­chen Aben­teuer hat­ten sie Pros­ti­tu­ierte, Mätressen und Lustknaben.

[25] Von ein­er etwas anderen Argu­men­ta­tion­slin­ie her – aber im Prinzip ähn­lich – argu­men­tiert Nor­bert Baumert in Frau und Mann bei Paulus. Über­win­dung eines Missver­ständ­niss­es, Würzburg, 1993 (2. Auflage). Siehe dort u.a. S. 180f. Auf S. 283 schreibt er: «Für uns aber kann sich aus dem­sel­ben Prinzip eine Fol­gerung ergeben, die dem Wort­laut zu wider­sprechen scheint. Wie aus dem Grund­satz, die Frau solle sich ver­hal­ten, wie es dem all­ge­meinen Empfind­en und der Gemein­de­ord­nung entspricht, damals fol­gte, dass sie in Entschei­dungsver­samm­lun­gen schweigen, heute aber, dass sie reden sollte, so würde aus dem Grund­satz: ‘Nehmt unter den jew­eili­gen Umstän­den den euch angemesse­nen Platz ein’, heute angesichts der Rechts­gle­ich­heit fol­gen: Ord­net euch in Frei­heit in Chris­tus ein­er dem anderen unter: der Mann der Frau und die Frau dem Mann.»

 

Über den Kanal

Claudius Buser

Werde Teil der Diskussion

Kommentare zu diesen Beitrag

0 Comments

Submit a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt weiterstöbern

Mehr Blogposts entdecken

Die Gamaliel-Strategie

Die Gamaliel-Strategie

In Konfliktsituationen orientieren sich Christen manchmal am Rat Gamaliels aus der Apostelgeschichte. Dieser berühmte Rat ist aktuell wieder in der Diskussion um christliche Einheit aufgetaucht. Doch der Rat eignet sich mindestens so gut als taktische Waffe, als dass...

Der Glaube hat mir noch nie gepasst.

Der Glaube hat mir noch nie gepasst.

Mit seinem aktuellen Buch «Wenn der Glaube nicht mehr passt» hat Martin Benz eine verständliche und attraktiv geschriebene Darlegung seines Glaubensweges geschrieben. Viele Leser werden das Buch als wegweisend für ihre eigene geistliche Entwicklung sehen. Bei mir hat...