Deutschsprachige kirchliche Reaktionen auf Charlie Kirks Tod und Trauerfeier blieben weitgehend aus. Soweit vorhanden, zeigen sie eine Mischung aus Misinformation und eklatanter Auslassung.
Beide Befunde deuten darauf hin, dass weite Teile der deutschsprachigen kirchlichen Landschaft an geistlicher Blindheit leiden.
Pastor Henning Kiene etwa verweigert Kirk den Status „Märtyrer“. Kiene definiert Märtyrer korrekt als jemand, der für das Wort Gottes in den Tod geht, kann aber offensichtlich nicht erkennen, dass Kirk genau dies getan hat. Ein Problem ist, dass Kiene eine mindestens verkürzte, wenn nicht sogar fehlerhafte Vorstellung vom Evangelium hat. Er behauptet zunächst einmal irreführenderweise, Kirk habe Empathie für einen esoterischen Begriff gehalten. Wahr ist, dass Kirk dies im Kontrast zu „Sympathie“ getan hat. Empathie sei problematisch, weil sie verlange, dass man genau das fühlt, was ein anderer Mensch fühlt; Sympathie („Mitgefühl“) dagegen sei wünschenswert. Man kann Kirk mangelnde Gelehrsamkeit im Griechischen vorwerfen, aber nicht, dass er Mitgefühl ins Reich des Esoterischen verbannt. Anschliessend fasst Kiene, Luther zitierend, das Evangelium zusammen als: „Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht.“ Es wäre besser, Kiene würde sich an dem Dokument orientieren, das für Martin Luther massgebend war, nämlich die Heilige Schrift.
Denn ich habe euch vor allem überliefert, was ich auch empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; und dass er begraben wurde und dass er auferweckt worden ist am dritten Tag nach den Schriften. (1. Korinther 15,3–4)
Diese Definition bezieht sich auf historische Ereignisse (welche Kirk im Fall des Falles immer wieder verteidigt hat) sowie unsere Sünden. Gott ein „Backofen voller Liebe“? Ja, aber auch ein „verzehrendes Feuer“ (Hebräer 12,29). Gottes Liebe besteht zu einem grossen Teil darin, dass Er Sünde in uns hasst und sie verzehren will. Eine harsche Realität, insbesondere wenn Menschen gegen Gott rebellieren. Dann kommen auch Märtyrer nicht umhin, ihre Rhetorik etwas deftiger zu gestalten. Aber war das nicht schon immer so? Wie haben denn Petrus (Apostelgeschichte 2), Stephanus (Apostelgeschichte 7), Johannes der Täufer (Matthäus 3) und sogar Jesus Christus selbst (Matthäus 23) geredet? Waren sie hartherzig und polemisch?
Wiederum korrekt weist Kiene darauf hin, dass christliche Märtyrer der Wahrheit Gottes dienen. Hier liegt der Knackpunkt: Hat Charlie Kirk dies verpasst, nur weil er zuweilen polemisch war? (Dann müssten sich auch die eben biblischen Figuren und der Herr der Kirche selbst dem Vorwurf stellen). Oder weil er Themen ansprach, die nicht der „Kernbotschaft“ des Evangeliums entsprechen (unter der Annahme, dass die Kernbotschaft in den ersten Versen von 1. Korinther 15 zusammengefasst wird)? Aber wie Kiene richtig hinweist, dienen Märtyrer der „Wahrheit Gottes“, unabhängig vom genauen Aspekt. Johannes der Täufer wurde nicht aufgrund seiner Christuspredigt hingerichtet, sondern weil er Herodes verbot, die Frau seines Bruders zu heiraten (Matthäus 14). Charlie Kirk sprach unter anderem über Themen, welche die Schöpfungsordnung Gottes betreffen – Geschlechteridentität, Familie, Ehe, die ethischen Grundlagen von Gleichbehandlung. Wenn er dafür starb, zu diesen Themen Gottes Wahrheit zu bekennen, war er gemäss Definition ein Märtyrer.
Im evangelischen Sonntagsblatt klappert Oliver Marquart sehr schnell die Minimal-Verpflichtung ab, die Ermordung Kirks als traurig zu charakterisieren, nur um seine kritische Beleuchtung dessen zu lancieren, was er als „Instrumentalisierung des Glaubens“ versteht. Er versteht Äusserungen christlicher Influencer als „politisch“, weil sie herausheben, dass Kirk für seine Meinung starb (Johannes Hartl) oder Johannes 15,18–19 zitieren (Jasmin Friesen).
Marquart ist wie die meisten in Europa desinformiert bezüglich zentraler Positionen Kirks – er ist erwiesenermassen weder ein Rassist, noch wertete er pauschal afroamerikanische Piloten ab, und der Vorwurf des Antisemitismus wirkt absurd, da Kirk im gleichen Atemzug als „Unterstützer Israels“ dargestellt wird. Wahr ist, dass er die Trennung von Kirche und Staat ablehnte. Diese Position wäre einer ordentlichen Debatte wert, aber leider geht eine sachliche Auseinandersetzung damit im scheinheiligen Bedenkentragen um „Demokratie“ unter – und das von Medien, welche die demokratisch gewählte zweitstärkste Partei in Deutschland ausgrenzen wollen.
Angesichts solcher Haltungen überrascht es nicht, dass auch die Trauerfeier für Charlie Kirk als „widerliche“ Instrumentalisierung des Glaubens durch die Politik gebrandmarkt wird. Seltsam, wie eine abscheuliche Instrumentalisierung die Zahl der Taufen hochschnellen lässt! Könnte es sein, dass christliche Leader gerade das Wirken Gottes verpassen?
Die verkürzte und unsachgemässe Auseinandersetzung mit Charlie Kirk wird vor allem dadurch deutlich, dass seine möglichen Meriten für Causa Christi noch nicht einmal in Betracht gezogen werden (eine positive Ausnahme z.B. hier). Kirk sei zu politisch gewesen? Das wirkt wie eine billige Ausrede, um ihn schnellstmöglich abzustempeln. Die evangelischen Kirchen sind mindestens genauso politisch wie Kirk, weil sie zu den gleichen Themen Stellung beziehen wie er – nur eben auf der anderen Seite des Grabens. Und ihm Gegensatz zu ihm habe ich meine Zweifel, ob sie auch so viel Evangelium verkündigen wie er.
Aber warum wollen evangelische (und ggf. auch evangelikale) Leiter denn Kirk überhaupt schnell ad acta legen? Gibt es von ihm nichts zu lernen? Von seiner Publikumswirksamkeit, nach der sich Pastoren und Kirchenfunktionäre nur die Finger lecken können? Seiner Kommunikationsfähigkeit? Seinem Eifer für Gott? Warum all die bitteren Worte? Wiewohl die ätzende Kritik an Kirk auf falschen Fakten und Annahmen basiert, glaube ich nicht, dass sie letztendlich intellektueller Natur ist. Sie ist geistlicher Natur. Wir haben es hier mit einem tiefgreifenden epistemischen Problem zu tun: der Unfähigkeit, bestimmte Dinge zu sehen, obwohl sie offensichtlich sind. Der Grund für die Blindheit ist kein intellektueller, sondern ein geistlich-moralischer:
Die Lampe des Leibes ist das Auge; wenn nun dein Auge klar ist, so wird dein ganzer Leib licht sein; wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß die Finsternis! (Matthäus 6,22–23)
Jesus kritisierte einmal die Pharisäer und Sadduzäer – eigentlich verfeindete Parteien, in dieser Hinsicht aber eins – dafür, dass sie zwar das Wetter interpretieren, die Zeichen der Zeiten (hier, die Ankunft des Messias) aber nicht deuten konnten (Matthäus 16,1–3). Mit anderen Worten: Sie waren geistlich blind. Ich fürchte, diesen Vorwurf müssen sich all diejenigen Kirchenführer gefallen lassen, die zu Kirk entweder gar nichts oder nur warnende Worte zu sagen hatten.
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