Das Apostolische Glaubensbekenntnis als Bollwerk gegen Antijudaismus

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by | 22. Dez. 2025 | 0 comments


In einem aktuellen Beitrag auf dem EKS-Blog kri­tisiert der The­ologe Stephan Jütte das Apos­to­likum. Es sei sozusagen ein Steig­bügel­hal­ter für Anti­judäis­mus, weil die Geschichte des Jüdis­chen Volkes (Exo­dus) nicht abge­bildet werde. Daniel Option hat den Alttes­ta­mentler Ben­jamin Kilchör, der ein Buch über die alttes­ta­mentlichen Grund­la­gen des Apos­to­likums geschrieben hat, um eine Stel­lung­nahme gebeten.


Dass die Geschichte Israels nicht im Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis vorkommt, ver­stärke die Gefahr eines christlichen Anti­ju­dais­mus – so die These von Stephan Jütte, Leit­er The­olo­gie und Ethik der Evan­ge­lis­chen Kirche Schweiz. Die Geschichte der let­zten 200 Jahre zeigt das Gegen­teil: Die Kreise, die das Apos­to­likum vertei­digt haben, haben auch das Alte Tes­ta­ment als Fun­da­ment des christlichen Glaubens vertei­digt. Das Apos­to­likum ist ein Boll­w­erk gegen Antijudaismus.

1. Der Apostolikumsstreit und die Entfremdung der liberalen Theologie vom Alten Testament

Als «Apos­to­likumsstre­it» wird der Stre­it zwis­chen Lib­eralen und Pos­i­tiv­en in den Reformierten Kirchen der Schweiz beze­ich­net, der von der Mitte des 19. Jahrhun­derts bis ins frühe 20. Jahrhun­dert dauerte und in dem sich die Lib­eralen auf der ganzen Lin­ie durchge­set­zt haben: Das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis wurde für unverbindlich erk­lärt und durch die soge­nan­nte «Beken­nt­n­is­frei­heit» abgelöst. Das Alte Tes­ta­ment ist zum Glück auch noch in der rev­i­dierten Zürcher Bibel 2007 enthal­ten, doch waren es die gle­ichen Kreise, die sich für die Loslö­sung vom Apos­to­likum ein­set­zten, in denen auch die Ansicht pop­ulär war, dass das Alte Tes­ta­ment aus dem christlichen Kanon gestrichen wer­den sollte.

Friedrich Schleier­ma­ch­er, oft als Vater oder Begrün­der der lib­eralen The­olo­gie beze­ich­net, argu­men­tierte in sein­er zweibändi­gen Dog­matik in den 1820er Jahren, das Chris­ten­tum ver­halte sich «gle­ich zum Juden­tum und zum Hei­den­tum, sofern von bei­den zu dem­sel­ben überge­gan­gen wer­den soll als zu einem andern». Man könne das Chris­ten­tum auf keine Weise als eine Umbil­dung oder erneuernde Fort­set­zung zum Juden­tum ver­ste­hen. Daraus schloss er auch, dass für eine christliche Glaubenslehre das Alte Tes­ta­ment keine Rolle spiele, «muss doch auch jed­er zugeben, dass, wenn ein Lehrsatz wed­er mit­tel­bar noch unmit­tel­bar Bewährung finde im Neuen Tes­ta­ment, son­dern nur im Alten, nie­mand recht­en Mut haben kön­nte, ihn für einen wahrhaft christlichen zu hal­ten; woge­gen, wenn ein Satz durch das Neue Tes­ta­ment bewährt ist, nie­mand eine Ein­wen­dung daher nehmen wird, dass sich im Alten gar nichts darüber find­et. Mithin erscheint das Alte Tes­ta­ment doch für die Dog­matik nur als eine über­flüs­sige Autorität.» Weit­er schrieb er:

«Die alttes­ta­mentlichen Schriften ver­danken ihre Stelle in unser­er Bibel teils den Beru­fun­gen der neutes­ta­mentlichen auf sie, teils dem geschichtlichen Zusam­men­hang des christlichen Gottes­di­en­stes mit der jüdis­chen Syn­a­goge, ohne dass sie deshalb die nor­male Dig­nität oder die Einge­bung der neutes­ta­mentlichen theilen.»

Adolf von Har­nack, der wohl bedeu­tend­ste lib­erale The­ologe des frühen 20. Jahrhun­derts, schrieb in seinem Werk über Mar­cion (1921), der schon im 2. Jahrhun­dert das Alte Tes­ta­ment aus dem christlichen Kanon ent­fer­nen wollte, den bekan­nten Satz:

«Das Alte Tes­ta­ment im 2. Jahrhun­dert zu ver­w­er­fen, war ein Fehler, den die große Kirche mit Recht abgelehnt hat; es im 16. Jahrhun­dert beizube­hal­ten, war ein Schick­sal, dem sich die Ref­or­ma­tion nicht zu entziehen ver­mochte; es aber seit dem 19. Jahrhun­dert als kanon­is­che Urkunde im Protes­tantismus noch zu kon­servieren, ist die Folge ein­er religiösen und kirch­lichen Lähmung.»

Karl Barth, der sich nach dem Ersten Weltkrieg von seinem Lehrer Har­nack ent­täuscht abwandte, ent­fal­tete seine Dog­matik im Grun­driss (1947) vom Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis her. Dieses machte ihn offen­sichtlich nicht blind für den Anti­ju­dais­mus und Anti­semitismus sein­er Zeit, son­dern auf dieser Grund­lage erhob er seine Stimme dage­gen in ein­er Klarheit und Entsch­ieden­heit, die vie­len The­olo­gen sein­er Zeit abhan­den ging. Die Geschichte gibt der These, das Apos­to­likum ver­stärke die Gefahr eines christlichen Anti­ju­dais­mus, nicht recht.

Zwis­chen den Aus­sagen von Schleier­ma­ch­er und Har­nack liegen genau 100 Jahre. In diesen 100 Jahren wurde das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis in allen Reformierten Kirchen der Schweiz abgeschafft. Es ist nicht so, dass die the­ol­o­gis­che Bewe­gung, die sich mit dem Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis so schw­er tat, dafür umso mehr die alttes­ta­mentlich-jüdis­chen Wurzeln des christlichen Glaubens würdigte. Im Gegen­teil: Die Ent­frem­dung vom Apos­to­likum ging ein­her mit der Ent­frem­dung vom Alten Tes­ta­ment. Warum das so ist, möchte ich im Fol­gen­den darlegen.

2. Ein Bekenntnis ohne Exodus?

«Ein Beken­nt­nis ohne Exo­dus? Warum das Apos­to­likum für Jesus und Paulus über­raschend gewe­sen wäre» – so steigt Stephan Jütte in seinen Beitrag ein. Und er schreibt weit­er: «Für Jesus ist das Herz des Glaubens ein anderes ‘Cre­do’: das Schema Jis­rael aus 5 Mose 6: ‘Höre, Israel, der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig.’» Eines teilt das Schema Jis­rael mit dem Apos­to­likum: Es ist ein Beken­nt­nis ohne Exo­dus. Es ist ein Beken­nt­nis, das sich über­haupt nicht auf Ereignisse aus der Geschichte Israels bezieht, son­dern deut­lich macht, auf wen sich der Glaube Israels richtet: Auf den einen Gott. Danach fol­gt die Auf­forderung zur Kat­e­ch­ese. Hier der ganze Wort­laut (5 Mose 6,4–9):

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.
Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb­haben von ganzem Herzen, von ganz­er Seele und mit all dein­er Kraft.
Und diese Worte, die ich dir heute gebi­ete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern ein­schär­fen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unter­wegs bist, wenn du dich nieder­legst oder auf­stehst.
Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkze­ichen zwis­chen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfos­ten deines Haus­es und an die Tore.

Der Fokus liegt auf zwei Din­gen: Die exk­lu­sive Bindung an JHWH, den Gott Israels, durch die Liebe zu ihm, sowie die Katechese.

Viele Bibel­wis­senschaftler haben darauf hingewiesen, dass Paulus in seinen chris­tol­o­gis­chen Beken­nt­nis­sen sich an das Schema Jis­rael angelehnt hat. Die kürzeste Form ist «Kyrios Jesus» («der Herr ist Jesus», 1. Korinther 12,3; auf Griechisch begin­nt das Schema Jis­rael mit «Kyrios ho theos», d.h. «der Herr ist Gott»). Beson­ders in 1. Korinther 8,5–6 aber knüpft Paulus an das Schema Jis­rael an, wenn er schreibt:

Und obwohl es solche gibt, die Göt­ter genan­nt wer­den, es sei im Him­mel oder auf Erden, wie es ja viele Göt­ter und viele Her­ren gibt, so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Her­rn, Jesus Chris­tus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.

Der Neutes­ta­mentler N. T. Wright kom­men­tiert dazu (Worum es Paulus wirk­lich ging, 2010, 81):

«Angesichts dieser erstaunlichen Aus­sage muss man sagen, dass man die frühen Kirchen­väter der ersten Jahrhun­derte erfind­en müsste, wenn es sie nicht gegeben hätte. Paulus hat die Grundbe­deu­tung der Wörter neu definiert, die die Juden jeden Tag in ihren regelmäs­si­gen Gebeten benutzten, um auf den einen wahren Gott zu ver­weisen. Die gesamte Argu­men­ta­tion des Kapi­tels ste­ht und fällt mit der Tat­sache, dass er ein Monothe­ist jüdis­ch­er Art ist im Gegenüber zum hei­d­nis­chen Poly­the­is­mus; und als Dreh- und Angelpunkt hat er das zen­tral­ste und heilig­ste Beken­nt­nis dieses Monothe­is­mus zitiert und Jesus genau in dessen Mitte geset­zt

Das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis knüpft genau daran an:

Der Herr ist unser GottEin Gott – der VaterIch glaube an Gott, den Vater
Der Herr ist einerEin Herr – Jesus Christusund an Jesus Chris­tus … unseren Herrn
(5 Mose 6,4)(1. Korinther 8,6)(Apos­to­likum)

Als drit­ter Artikel kommt beim Apos­to­likum der Heilige Geist dazu. Auch das ist keine freie Erfind­ung, son­dern grün­det auf den let­zten Worten Jesu nach dem Matthäu­se­van­geli­um (Matthäus 28,18–20):

Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Him­mel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völk­er. Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heili­gen Geistes und lehret sie hal­ten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Wir haben hier die Verbindung der Taufe auf den Vater, den Sohn und den Heili­gen Geist sowie die Auf­forderung zur Kat­e­ch­ese – wie beim Schema Jis­rael. Das trini­tarische Beken­nt­nis zu dem einen Gott soll sich verbinden mit ein­er Taufunterweisung.

3. Das Apostolische Glaubensbekenntnis als Taufbekenntnis

Während es im Nicäno-Kon­tan­ti­nop­o­li­tanum heisst «Wir glauben …», for­muliert das Apos­to­likum indi­vidu­ell: «Ich glaube …». Ersteres ist ein gottes­di­en­stlich­es Beken­nt­nis, das Apos­to­likum ist aber ein Tauf­beken­nt­nis. Es set­zt eine Tau­fun­ter­weisung voraus, die entwed­er der Taufe voraus­ge­ht, oder auf die Taufe fol­gt (im reformierten Kon­text abgeschlossen durch die Konfirmation).

Und hier kom­men wir zum entschei­den­den Punkt. Stephan Jütte merkt sel­ber, dass das Schema Jis­rael ja auch nicht den Exo­dus erwäh­nt, schreibt aber:

«Für Jesus ist das Herz des Glaubens ein anderes „Cre­do“: das Schema Jis­rael aus Deuteronomi­um 6: ‘Höre, Israel, der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig.’

Dazu gehören für ihn untrennbar:
- die Tora,
- die Propheten,
- der Exo­dus als Grundgeschichte der Befreiung,
- die Psalmen als Gebets­buch Israels.»

Das ist alles richtig, aber kein Wort und nicht ein­mal eine Andeu­tung darauf find­et sich im Schema Jis­rael. All das gehört ein­fach untrennbar dazu, weil sich mit dem Schema Jis­rael eine Unter­weisung in all diesen Din­gen verbindet. Das­selbe gilt aber auch für das Apos­to­likum. Es for­muliert den Glauben an den dreieini­gen Gott in ein­er Weise, die sich im Lichte des Chris­tusereigniss­es aus dem Schema Jis­rael entwick­elt hat. Ger­ade, indem es den Glauben aber in ein­er vom Alten und Neuen Tes­ta­ment gesät­tigten Sprache for­muliert, set­zt es die Inhalte bei­der Tes­ta­mente voraus. Zum Beken­nt­nis zum dreieini­gen Gott gehören die Tora, die Propheten, der Exo­dus als Grundgeschichte der Befreiung und die Psalmen als Gebets­buch Israels untrennbar dazu. Tat­säch­lich bezieht sich das Apos­to­likum expliziter darauf als das Schema Jis­rael, indem es schon im ersten Satz den ersten Vers des Alten Tes­ta­ments zitiert:

Am Anfang schuf Gott Him­mel und Erde.Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächti­gen, den Schöpfer des Him­mels und der Erde.
(1 Mose 1,1)(Apos­to­likum)

Wie in der Antike üblich, wird damit nicht nur dieser eine Vers zitiert, son­dern der ganze «daran hän­gende» Text. Ein Zitat funk­tion­iert wie ein Link, den man anklick­en kann, so dass sich ein ganz­er Text öffnet. Das Beken­nt­nis zu Gott als dem Schöpfer von Him­mel und Erde ist ein Link zum ersten Vers des Alten Tes­ta­ments. Wer den Link klickt, weiss (sofern eine Kat­e­ch­ese stattge­fun­den hat), was alles dazu gehört. Der Exo­dus, die Tora, die Propheten, die Psalmen. Hebräer 11 nen­nt als christliche Glaubensvor­bilder aus dem Alten Tes­ta­ment Abel, Henoch, Noah, Abra­ham, Sara, Isaak, Jakob, Josef, Mose, Rahab, Gideon, Barak, Sim­son, Jef­tah, David, Samuel und die Propheten. Sie umgeben uns wie eine «Wolke von Zeu­gen» (Hebräer 12,1). Das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis braucht dafür die For­mulierung «Gemein­schaft der Heili­gen». Wer es beken­nt, tritt in diese Gemein­schaft, in diese Wolke von Zeu­gen ein und ist von ihnen umgeben.

Stephan Jütte schreibt:

«Das Apos­to­likum ken­nt diesen Res­o­nanzraum nur ganz am Rand:
‘Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächti­gen, den Schöpfer des Him­mels und der Erde.’
Gott als Schöpfer – ja. Aber Gott als der,
- der Israel aus Ägypten befre­it,
- der „der Gott Abra­hams, Isaaks und Jakobs“ heisst,
- der durch die Propheten Recht und Gerechtigkeit ein­fordert –
kommt im Text nicht vor.»

Das Prob­lem ist hier das «Aber» (von mir kur­siv geset­zt): Wer das Alte Tes­ta­ment nicht ken­nt, erfährt in diesem Satz in der Tat nur etwas von der Schöp­fung, aber nichts vom Exo­dus, von der Erwäh­lung Abra­hams, Isaaks und Jakobs, von der Gesellschaft­skri­tik der Propheten. Genau­so wenig wie jemand, der das Schema Jis­rael spricht, aber keine Ahnung hat von der Tora. Hier ist nun einzuwen­den: Das Schema Jis­rael wird aber ger­ade von denen gesprochen, die in der Tora unter­wiesen wur­den! Ja, und das Apos­to­likum wird von denen gesprochen, die im Alten und Neuen Tes­ta­ment unter­wiesen wur­den. Das war zumin­d­est seine Bedeu­tung, bis es durch «Beken­nt­n­is­frei­heit» erset­zt wurde. Hat man die Unter­weisung emp­fan­gen, dann ver­schwindet das Aber. Dann muss es vielmehr heis­sen: «Gott als Schöpfer – ja. Das ist Gott als der, der Israel aus Ägypten befre­it, der ‘der Gott Abra­hams, Isaaks und Jakobs’ heisst, der durch die Propheten Recht und Gerechtigkeit einfordert.»

Damit sollte nun auch deut­lich wer­den, warum das Apos­to­likum ein Boll­w­erk gegen christlichen Anti­ju­dais­mus ist. Solange es verbindlich­es Tauf­beken­nt­nis war, hat es voraus­ge­set­zt, dass vor oder nach der Taufe eine Unter­weisung im Alten und Neuen Tes­ta­ment stat­tfind­et, dass diejeni­gen, die das Beken­nt­nis sprachen, wussten, dass der Schöpfer von Him­mel und Erde auch der ist, der Israel aus Ägypten geführt und der durch die Propheten des Alten Tes­ta­ments gere­det hat. Die Loslö­sung vom Apos­to­likum ist ein­her gegan­gen mit ein­er Ent­frem­dung von den bib­lis­chen Schriften und damit auch von den Schriften Israels. Nicht im Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis liegt die Gefahr eines christlichen Anti­ju­dais­mus, son­dern in der Ver­nach­läs­si­gung der mit dem Glaubens­beken­nt­nis untrennbar ver­bun­de­nen Kat­e­ch­ese (Glauben­sun­ter­weisung) und damit in ein­er Ent­frem­dung von den jüdis­chen Schriften und der jüdis­chen Wurzel unseres Glaubens.

4. Apostolikum und Altes Testament

Unter dem Titel «Das Alte Tes­ta­ment vom Glaubens­beken­nt­nis her ver­ste­hen» habe ich 2023 ein Buch veröf­fentlicht, welch­es das Apos­to­likum als Aus­gangspunkt nimmt, um das Alte Tes­ta­ment zu erk­lären, als Aus­gangspunkt für eine Unter­weisung in den Schriften Israels. Im Anhang des Buch­es habe ich in ein­er Tabelle die wichtig­sten alttes­ta­mentlichen Pas­sagen zusam­mengestellt, die hin­ter den einzel­nen Aus­sagen und For­mulierun­gen des Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­niss­es ste­hen. Die Tabelle stelle ich unten zur Ver­fü­gung. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Schon das «Ich glaube» führt zu Gen­e­sis 15,6, wo zum ersten Mal von Glauben – dem Glauben Abra­hams – die Rede ist. Im Neuen Tes­ta­ment wird dieser Vers von so unter­schiedlichen Autoren wie Paulus (Römer 4,3–5) und Jakobus (Jakobus 2,23) zitiert.
  • Dass die Nen­nung Gottes als Schöpfer zu 1. Mose 1 führt, ist offen­sichtlich. Aber auch die Beze­ich­nung Gottes als Vater grün­det im Alten Testament
  • Jesus Chris­tus – «Chris­tus» ist die griechis­che Über­set­zung des hebräis­chen Mes­sias, Gesalbter.
  • Die «Verge­bung der Sün­den» führt uns mit­ten in die Erzäh­lung vom gold­e­nen Kalb hinein, wo Gott dem Volk Israel auf der Wüsten­wan­derung Verge­bung gewährt für den Götzen­di­enst und Mose aus­ruft: «HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von gross­er Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Mis­se­tat, Übertre­tung und Sünde …».

Stephan Jütte ver­weist auf 1. Korinther 15, wo Paulus das Evan­geli­um so zusammenfasst:

Chris­tus ist gestor­ben für unsere Sün­den
nach der Schrift,
und ist begraben wor­den,
und ist aufer­weckt wor­den am drit­ten Tage
nach der Schrift.

Ja, der zweite Artikel des Apos­to­likums ist sehr nahe an diesen paulin­is­chen Worten for­muliert, doch fehle dem Apos­to­likum das «nach der Schrift». Paulus wäre irri­tiert gewe­sen über ein Beken­nt­nis, das den Namen «Israel» nicht ken­nt, den Exo­dus ver­schweigt und die Propheten nicht erwäh­nt (dafür aber den Pon­tius Pila­tus). Doch Paulus erwäh­nt das alles ja auch nicht. Warum nicht? Weil er Schriftken­nt­nis voraus­set­zt. Sieht man erst ein­mal, wie schrift­gesät­tigt das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis ist (und zwar genau­so gesät­tigt mit alt- wie neutes­ta­mentlich­er Sprache), dann wird deut­lich, dass das ganze Beken­nt­nis «nach der Schrift» for­muliert ist. Paulus wäre weniger über das Apos­to­likum irri­tiert, als darüber, wenn man das Apos­to­likum spricht, ohne die Schrift zu ken­nen, aus der es schöpft.

Ben­jamin Kilchör ist Pro­fes­sor für Altes Tes­ta­ment an der STH Basel und VDM in der Reformierten Kirche des Kan­tons Zürich


Apos­tolicum lateinischApos­to­likum deutschAlttes­ta­mentliche Stellen
Cre­do in DeumIch glaube an Gott1 Mose 15,6; 5 Mose 6,4–5; Hab 2,4
Patrem omnipo­ten­temden Vater, den Allmächtigen,1 Mose 5,1–3; 5 Mose 32,6; 2 Samuel 7,14; Ps 68,6; 89,27; 103,13; Jes 9,5; 63,16; 64,7; Mal 1,6; 2,10
Cre­atorem caeli et terraeden Schöpfer des Him­mels und der Erde.1 Mose 1,1; 2,1; 2,4; 14,19; 14,22; 2 Mose 20,11; Hiob 38,4; Ps 33,6; 90,2; 104,1–24; 121,2; 146,5–6; Jes 65,17; 66,22; Jer 32,17
   
Et in Iesum ChristumUnd an Jesus Christus,2 Mose 28,41; 3 Mose 16,32; 1 Sam 2,10; 10,1; Ps 2,2; 89,21; Jes 45,1; 61,1; Dan 9,25; Sach 4,14
Fil­i­um eius unicum Dominum nostrumseinen einge­bore­nen Sohn, unseren Herrn,2 Mose 4,22; 2 Sam 7,14; Ps 2,7; Spr 30,4
qui con­cep­tus est de Spir­i­tu Sanctoemp­fan­gen durch den Heili­gen Geist,Jes 11,2; 42,1; 61,1; Hes 2,1–2; Mi 3,8; Sach 4,6
natus ex Maria Virginegeboren von der Jungfrau Maria1 Mose 3,15; Jes 7,14
pas­sus sub Pon­tio Pilato,gelit­ten unter Pon­tius Pilatus,Ps 22; Jes 53,3–7
cru­ci­fixus mor­tu­us et sepultusgekreuzigt, gestor­ben und begraben,5 Mose 21,23; Ps 31; Jes 53,8–9; Sach 12,10
descen­did ad inferoshin­abgestiegen in das Reich des Todes,1 Sam 2,6; Hiob 26,6; Ps 30,2; 30,4; 71,20; 88,11–13; Hos 13,14; Jona 2,3–8
ter­tia die res­ur­rex­it a mortuisam drit­ten Tage aufer­standen von den Toten,Ps 16,10; Jes 53,10; Hos 6,2; Jona 2,1; 2,11
ascen­did ad caelosaufge­fahren in den Himmel;Ps 47,6; 68,19; Dan 7,13–14
sedet ad dex­ter­am Deier sitzt zur Recht­en Gottes,Ps 110,1; Hes 1,26
Patris omnipo­ten­tisdes allmächti­gen Vaters; s. o.
inde ven­tu­rus estvon dort wird er kommen,Ps 18,10; 50,2–3; Hes 43,2; Sach 14,5; Mal 3,1
iudi­care vivos et mortuoszu richt­en die Leben­den und die Toten.Ps 50,4; 76,8–10; 96,13; 103,6; 110,6; 139,23; Jes 2,4; 11,3; 33,22; Jer 11,20; Dan 12,2; Mi 4,3
   
Cre­do in Spir­i­tum SanctumIch glaube an den Heili­gen Geist,1 Mose 1,2; Hiob 33,4; Ps 51,13; Jes 11,2; 63,10–11; Joel 2,16; Mi 2,5
sanc­tam Eccle­si­am catholicamdie heilige katholis­che (christliche/allgemeine) Kirche,2 Mose 19,5–6; 3 Mose 19,2; 5 Mose 4,10; 7,6; 23,2–9; Jes 2,2–4; 49,6; 56,1–8; Mi 4,1–3
Sanc­to­rum communionemGemein­schaft der Heiligen,5 Mose 33,3; Ps 4,4; 30,5; 32,6; 50,5; 89,6; 89,8; 145,10; 148,14; 149,1; Dan 7,18–27; Sach 14,5
remis­sionem peccatorumVerge­bung der Sünden,2 Mose 34,6–7; Ps 51; 103,1–13; 130,4; Jes 1,18; 33,24; Mi 7,18–19; Dan 9,9
car­nis resurrectionemAufer­ste­hung der TotenJes 26,14–20; Hes 37,12–14; Dan 12,2–3
et vitam aeternamund das ewige Leben.1 Mose 3,22; Ps 21,5; Jes 25,6–8; 55,1–3; Dan 12,2
AmenAmen.1 Chr 16,36; Neh 8,6; Ps 41,14; 72,19; 89,53; 106,48


Titel­bild: iStock

Buchempfehlung: Ben­jamin Kilchör, “Das Alte Tes­ta­ment vom Glaubens­beken­nt­nis her ver­ste­hen” (2023), siehe auch die Rezen­sion auf Daniel Option

Youtube: Ben­jamin Kilchör betreibt auf Youtube den Kanal «Lec­tio Con­tin­ua» (Fort­laufende Lek­türe). Dort erläutert er Vers für Vers die Bibel, ange­fan­gen in Genesis.

Über den Kanal

Benjamin Kilchör

Benjamin Kilchör ist Professor für Altes Testament an der STH Basel. Er betreibt auf Youtube den Kanal «Lectio Continua» (Fortlaufende Lektüre). Dort erläutert er Vers für Vers die Bibel, angefangen in Genesis 1,1.

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