Jesus hat auf Fragen manchmal mit einer Rückfrage geantwortet. Die Idee, dass er dies sehr häufig getan hat, passt aber nicht zum Bild von Jesus, das uns die Evangelien geben. Meine Meinung: Jesus ist der menschgewordene Schöpfer des Universums und er möchte letztlich vor allem Antworten geben auf die Fragen der Menschen!
In unserem Blog ‘Fragen erlaubt — Antworten auch’ haben wir drei Kategorien von Fragen-Stellungen vorgeschlagen. Wir haben um Rückmeldungen gebeten und bedanken uns für den Hinweis auf eine wichtige weitere Kategorie. Ich nenne sie hier ‘lernendes Fragen’.
Was ist ‘lernendes Fragen’? Man sagt: “Wenn du einem Juden eine Frage stellst, antwortet er mit einer weiteren Frage!” Es stimmt, dass die Juden — auch zur Zeit von Jesus — diese Art von ‘lernendem Fragen’ geübt und gelebt haben. Ein wichtiges Ziel dieser Art von Gespräch war, besser zu verstehen, was das Gegenüber wirklich meint. ‘Lernendes Fragen’ führt dazu, dass ich Neues lerne über mein Gegenüber und in meinen eigenen Gedanken weiterkomme.
Jesus war mitunter ein Meister im ‘lernenden Fragen’. Diese Erkenntnis, die einen neuen Zugang zu gewissen Texten möglich gemacht hat, hat sich inzwischen in der Christenheit herumgesprochen. Ich begegne unterdessen bei vielen Christen der Idee, dass Jesus auf Fragen vor allem mit Rückfragen geantwortet hat. Ich habe zwei Anfragen an diese Idee:
- Menschen, die gut sind im Rückfragen stellen, haftet manchmal etwas charakterlich Schwieriges an. Könnte es sein, dass wir dieses charakterlich Schwierige auf Jesus übertragen, wenn wir sagen, dass Jesus vor allem mit Rückfragen geantwortet hat?
- Stimmt es, dass Jesus vor allem mit Rückfragen reagiert hat?
Nur mit Rückfragen zu antworten kann irritieren
In meiner Gemeindearbeit begegne ich immer wieder Menschen, die misstrauisch reagieren, wenn jemand eine Frage nicht direkt beantwortet. Vielleicht ist es die Desillusionierung über Politiker. Vielleicht kommt es anderswo her. Aber es ist das dumpfe Gefühl, dass Leute, die bewusst und strategisch mit Fragen antworten, damit oft ihre Überlegenheit zum Ausdruck bringen möchten. Oder sie wollen die andere Person auf Abstand halten.
Diese Vorstellung kann sich auf Jesus übertragen. Die Annahme, Jesus könnte in den Gesprächen seine krasse Überlegenheit zum Ausdruck bringen oder mühsame religiöse Leute auf Distanz halten wollen, wäre äusserst problematisch, weil er — dessen bin ich mir sicher — den Menschen Antworten geben will.
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Jesus antwortet häufiger mit direkten Antworten
Das ‘lernende Fragen’ ist etwas, das Jesus als jüdischer ‘Rabbi’ auch gepflegt hat. Aber er gibt erstaunlich viele direkte Antworten! In den vier Evangelien der Bibel, welche zusammen eine verlässliche Darstellung des Lebens von Jesus geben, sehen wir zusammengefasst etwas über 50 Vorkommnisse, bei denen Jesus eine Frage gestellt wird. In über 80% dieser Fälle reagiert Jesus nicht mit einer Rückfrage, sondern gibt eine konkrete Antwort.
Die Antworten von Jesus kommen in verschiedenen Formen. Er benutzt Parabeln und Metaphern, aber auch immer wieder propositionale Aussagen. Hier ein Beispiel von einer direkten und klaren Antwort:
»Rabbi«, fragten die Jünger, »wer ist schuld daran, dass dieser Mann blind ist? Hat er selbst Schuld auf sich geladen oder seine Eltern?« »Weder noch«, antwortete Jesus. »Vielmehr soll an ihm die Macht Gottes sichtbar werden.” (Joh 9:2–3)
Logisch: Die Implikationen dieser Antwort bringen alle Synapsen in unserem Gehirn zum Explodieren. Aber die Antwort ist direkt und klar und zeigt uns, wie Gott ‘tickt’.
Jesus sucht menschliche Nähe
Im folgenden Beispiel gibt Jesus eine Antwort und kombiniert sie mit einer Einladung, Zeit mit ihm zu verbringen:
»Rabbi, wo wohnst du?«»Kommt mit, dann werdet ihr es sehen!«, sagte Jesus. Also gingen sie mit Jesus dorthin, wo er wohnte. Es war ungefähr vier Uhr nachmittags, und sie blieben bei ihm bis zum Abend. (Joh 1:38–39)
Jesus benutzt Gleichnisse, um die Dinge deutlich zu machen
Manchmal erzählt Jesus eine gleichnishafte Geschichte, um seine Antwort deutlich zu machen:
»Und wer ist mein Mitmensch?« Daraufhin erzählte Jesus folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinunter…” (Lk 10:29ff)
Der Zweck des Gleichnisses ist nicht Verschleierung, sondern eine Antwort zu geben. Es stimmt auch, dass die Antworten von Jesus manchmal schwierig zu verstehen sind, wie wir an dieser Reaktion der Zuhörer sehen:
Die Zuhörer Jesu verstanden nicht, was er ihnen mit diesem Vergleich sagen wollte. (Joh 10:6)
Jesus benutzt Rückfragen zielgerichtet
Es gibt einige Situationen, in denen Jesus Rückfragen benutzt. In diesem Beispiel setzt er Rückfragen ein, um die Fragenden in die Schranken zu weisen:
»Woher nimmst du dir das Recht, das alles zu tun? Wer hat dir die Vollmacht dazu gegeben?« (fragen die jüdischen Leiter) »Ich will euch eine Gegenfrage stellen«, erwiderte Jesus. »Wenn ihr mir darauf antwortet, werde ich euch sagen, woher ich die Vollmacht habe, so zu handeln.” (Mt 21:23ff — Es lohnt sich, den Rest zu lesen.)
In einer anderen Gegebenheit benutzt Jesus Fragen in liebevoller seelsorgerischer Art, um Petrus wiederherzustellen, nachdem er Jesus verleumdet hat:
»Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?« (Joh 21:15ff)
An den Antworten Jesu scheiden sich die Geister
Grundsätzlich ist Jesus ein ausgezeichneter Kommunikator. Das Problem scheint weniger zu sein, dass seine Antworten schwer zu verstehen sind, sondern eben gerade, dass sie verstanden werden!
Seit Beginn seiner Dienstzeit geht es um die Frage, wer Jesus ist. Vor einem jüdischen Gericht wird er wiederholt gefragt: «Bist du der Christus?» Zuerst antwortet er nicht, dann aber sagt er:
«Ich bin’s; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels.» (Mk 14:62)
Diese Antwort ist nicht verschleiernd. Sie ist nicht taktisch geschickt angelegt. Diese Antwort auf die Frage nach der wahren Identität von Jesus ist derart klar, dass sie zu einer krassen Reaktion des Hohepriesters führt:
«Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: «Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Ihr habt die Gotteslästerung gehört.» (Mk 14:63–64)
Jesus reizt! Aber er reizt nicht mit einer geschickten rhetorischen Technik, sondern mit einer krassen Behauptung über seine Person. Jesus weiss, wer er ist. Er lebt dementsprechend. Er antwortet dementsprechend. Aber er erniedrigt sein Gegenüber nicht, indem er seine Überlegenheit zeigt. Auch weicht er seinem Gegenüber nicht aus, sondern gibt Antworten, die Gottes Sicht der Dinge zeigen.
Jesus stellt uns die entscheidende Frage
Jesus ist gemäss Kol 1:16–20 der menschgewordene Schöpfer und Heiland des Universums. Wenn du einen Moment Zeit hättest, diesem Schöpfer der Sterne und Galaxien eine Frage zu stellen, was würdest du ihn fragen?
Eines bin ich mir sicher: Er würde dir antworten. Und in seiner Antwort würde Jesus dir auf für dich verständliche Weise zeigen, wer er ist. Und irgendwann würde Jesus dir dieselbe Frage stellen, die er seinen Jüngern stellt:
»Und ihr – für wen haltet ihr mich?«, fragte er sie. Da antwortete Simon Petrus: »Du bist der Christus, der von Gott gesandte Retter! Du bist der Sohn des lebendigen Gottes.« (Mt 16:16–17)
Wie würdest du Jesus antworten?
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