Zwei Menschen vor orangem Van

Toleranz oder Abgrenzung?

Lesezeit: 6 Minuten
Lesezeit: 6 Minuten

by Paul Bruderer | 06. Sep. 2019 | 18 comments

Wann sollen wir die Mei­n­ung eines anderen Chris­ten ste­hen lassen? In welchen Fällen stossen wir an eine Gren­ze? Das ‘Säulen-Konzept’ kann zu einem ehrlichen und fairen Umgang mit anderen Mei­n­un­gen weit­er helfen.

Wer die Evan­gelien liest, stösst dort auf span­nende und hitzig geführte Debat­ten inner­halb des Juden­tums zur Zeit von Jesus Chris­tus. Da gab es beispiel­sweise die Sad­duzäer und Phar­isäer, welche sich nicht eini­gen kon­nten, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht. Matthäus 22,23–33 gibt uns Ein­blick in lustige und nahezu sur­reale Auswüchse dieser Debatte.

Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, scheint mir eine gewichtige Frage zu sein. Wir erken­nen, dass es möglich war, in wichti­gen Fra­gen unter­schiedlich­er Mei­n­ung zu sein und sich trotz­dem inner­halb des Juden­tums zu bewe­gen. Die anderen betra­chteten die Per­son, welche eine andere Mei­n­ung hat­te, immer noch als Juden. Möglich war dies bei ein­er Art von The­men, die ich hier mal die ‘Tol­er­anz-The­men’ nenne.

Dann gab es im Juden­tum das, was Michael Bird ‘Säulen-The­men’ nen­nt:

  • Monothe­is­mus
  • Torah
  • Lehre der Erwäh­lung Israels
  • Der Tem­pel
  • Das Land

Wenn ein Jude eine der Säulen antastete (z.B. den Monothe­is­mus über Bord warf), rutschte er in eine andere Reli­gion ab, näm­lich ins Hei­den­tum. Die Säulen-The­men definierten das Juden­tum und gren­zten es von anderen Reli­gio­nen ab.

Mensch und Meinung unterscheiden

Es ist wichtig, dass wir jeden Men­schen akzep­tieren unab­hängig davon, was seine Mei­n­ung ist. In diesem Sinne sollen wir Tol­er­anz für jeden Men­schen haben. Ich meine damit mehr als nur ‘den Men­schen tolerieren’: Wir sollen jeden Men­schen annehmen und ihm mit Würde begeg­nen, egal, was dessen Reli­gion, Rasse, sex­uelle Ori­en­tierung oder poli­tis­che Gesin­nung ist. Gemäss der Bibel sind Chris­ten gekennze­ich­net durch fol­gende Art des Umgangs mit Men­schen der eige­nen Reli­gion und mit Men­schen ander­er religiös­er Überzeugung:

Sie sollen über nie­mand schlecht reden und keinen Stre­it suchen, son­dern fried­fer­tig sein und allen Men­schen mit aufrichtiger Fre­undlichkeit begeg­nen. (Titus 3,2)

Wenn wir einem Men­schen auf diese Weise begeg­nen, heisst es nicht, dass wir mit dessen Mei­n­ung ein­ver­standen sein müssen. Wie gehen wir dann mit der anderen Mei­n­ung um?

Toleranz


Pho­to by Balz

Bei den ‘Tol­er­anz-The­men’ inner­halb des Chris­ten­tums soll­ten wir Stre­it ver­mei­den und die andere Mei­n­ung entspan­nt ste­hen lassen. Paulus schreibt zu Chris­ten, wie sie untere­inan­der agieren sollen:

Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, und stre­it­et nicht mit ihm über unter­schiedliche Mei­n­un­gen. (Römer 14,1)

Bei diesen The­men soll­ten Chris­ten einan­der gegenüber tol­er­ant sein und erken­nen, dass die gegenüber­ste­hende Per­son grund­sät­zlich dem­sel­ben Glauben zuge­hörig ist, auch wenn sie an bes­timmten Punk­ten eine andere Mei­n­ung hat.

In unser­er Zeit gehören für Chris­ten aus mein­er Sicht viele The­men in diese ‘Tol­er­anz-Kat­e­gorie’. Ich denke, die Frage der Rolle der Frau gehört dazu, die Debat­te über Schei­dung und Wiederver­heiratung, Fra­gen über die Abfolge der Endzeit, der Kon­ti­nu­ität und Diskon­ti­nu­ität zwis­chen dieser und der näch­sten Welt. Es gibt viele The­men mehr.

Abgrenzung

Aber was ist, wenn mein Gegenüber an ein­er Säule rüt­telt? Was ist, wenn mein Fre­und anfängt Überzeu­gun­gen aufzugeben, die zen­tral zum christlichen The­is­mus gehören, ihn stützen und ihn unter­schei­den von anderen Religionen?

Der­selbe Paulus, der vorhin dazu aufgerufen hat, keinen Stre­it über Mei­n­un­gen vom Zaun zu reis­sen, schreibt:

Nehmt euch vor denen in Acht, die euch mit ein­er leeren, trügerischen Philoso­phie ein­fan­gen wollen, mit Anschau­un­gen rein men­schlichen Ursprungs, bei denen sich alles um die Prinzip­i­en dreht, die in dieser Welt herrschen, und nicht um Chris­tus. (Koloss­er 2,8)

Johannes ruft in seinem ersten Brief Chris­ten ein­dringlich dazu auf, sich in der Lehre gegenüber bes­timmten Grup­pen abzu­gren­zen. Hier ein Beispiel, wie das klingt:

Liebe Fre­unde, glaubt nicht jedem, der behauptet, seine Botschaft sei ihm von Gottes Geist eingegeben, son­dern prüft … An Fol­gen­dem kön­nt ihr erken­nen, ob jemand sich zu Recht auf Gottes Geist beruft: Wer sich zu Jesus Chris­tus als zu dem beken­nt, der ein Men­sch von Fleisch und Blut gewor­den ist, hat den Geist, der von Gott kommt. Wer sich nicht zu Jesus beken­nt, hat nicht den Geist, der von Gott kommt. Aus ihm spricht vielmehr der Geist des Antichrists. (aus 1. Johannes 4,1–6)

Die ersten Chris­ten liebten alle Men­schen, doch in der Lehre gren­zten sie sich an den ‘Knack­punk­ten’, oder eben bei den ‘Säulen-The­men’, in aller Deut­lichkeit ab.

Wir dür­fen heute in aller Entspan­ntheit und Klarheit das­selbe tun. Geben wir doch ehrlich zu: Wenn eine Per­son in einem ‘Säulen-The­ma’ grundle­gend ihre Mei­n­ung ändert, wech­selt sie damit in eine andere Reli­gion. Bart Cam­po­lo hat die Ehrlichkeit gehabt zuzugeben, dass er diesen Punkt erre­icht hat. Ich finde ihn darin vorbildlich!

Natür­lich wer­den wir dieser Per­son gegenüber nicht intol­er­ant! Diese Per­son ist weit­er­hin mein Fre­und, wir lieben und akzep­tieren einan­der. Aber wir soll­ten uns von sein­er grundle­gend anderen Mei­n­ung abgren­zen kön­nen, ohne gle­ich als ‘intol­er­an­ter Fun­di’ ver­schrien zu werden.

Wenn dies alles auch nur ansatzweise in die richtige Rich­tung geht, ist dies eine wichtige Frage: Was sind heute die ‘Säulen-The­men’?

Was sind die ‘Säulen-Themen’?


Pho­to by Daniel Pra­do on Unsplash

Aus mein­er Sicht ist eines der Säulen-The­men für Chris­ten die Unter­schei­dung von Schöpfer und Geschöpf. Es ist die bib­lis­che Überzeu­gung, dass der Schöpfer in ein­er anderen Seins-Kat­e­gorie existiert als alles, was er erschaf­fen hat. The­olo­gen nen­nen das Gottes Tran­szen­denz. Das Beken­nt­nis der Bibel ist:

Unsre Hil­fe ste­ht im Namen des HERRN, der Him­mel und Erde gemacht hat. (Psalm 124,8)

Fol­gende berühmte Aus­sagen unter­stre­ichen: Gott ist der Schöpfer von allem, was ausser­halb sein­er selb­st existiert. Und weil er der Schöpfer ist, befind­et er sich in ein­er anderen Seins-Kat­e­gorie als alles andere:

»Mit wem also wollt ihr mich ver­gle­ichen? Wer ist mir gle­ich?«, fragt der Heilige. Blickt zum Him­mel hin­auf und schaut. Wer hat erschaf­fen, was ihr da seht? Er bes­timmt die Zahl der Sterne, die aufge­hen und nen­nt jeden bei seinem Namen. Durch seine große Kraft und die Fülle sein­er Macht fehlt kein­er von ihnen. Warum also sagst du, Jakob, und du, Israel: »Der Herr weiß nicht, wie es mir geht, und mein Recht ist ihm egal.«? Weißt du es denn nicht? Hast du denn nicht gehört? Der Herr ist ein ewiger Gott, der Schöpfer der ganzen Erde. Er wird nicht matt oder müde. Sein Ver­stand ist uner­gründlich. (Jesa­ja 40,25–28)

Bei­de Texte brin­gen wun­der­bar zum Aus­druck, dass uns Gottes Ander­sar­tigkeit als Schöpfer unendlich zugute kommt. Sie ist der Grund, warum Gott uns Heil brin­gen kann (Psalm 124,8). Sie ist der Grund, weshalb Gott weiss, wie es uns geht, Kraft hat zu helfen, Weisheit hat, wenn wir keine mehr haben (Jesa­ja 40).

Gottes Tran­szen­denz ist der Aus­gangspunkt für einige wichtige Überzeu­gun­gen von Chris­ten. Nur weil Gott ausser­halb des erschaf­fe­nen Uni­ver­sums existiert, kann:
  • die Bibel sein inspiri­ertes und autori­ta­tives Wort sein
  • Jesus Chris­tus von den Toten aufer­standen sein
  • seine neue Schöp­fung in der Ewigkeit (von vie­len fälschlicher­weise ‘der Him­mel’ genan­nt) real sein
  • unser Heil in Gott selb­st gesichert sein und nicht von unser­er men­schlich-religiösen Leis­tung abhängen
  • Gerechtigkeit für alle Men­schen Teil unser­er Hoff­nung sein
  • die Würde aller Men­schen (ab der Zeu­gung!) ein Men­schen­recht sein

Beim let­zten Punkt möchte ich eines von vie­len Beispie­len her­aus­pick­en. Es waren Chris­ten, welche die am Fluss Tiber aus­ge­set­zten Säuglinge, Kranken und Altern­den von Rom sam­melten, pflegten und ihnen eine Exis­tenz gaben. Die römis­che Weltan­schau­ung hat­te keinen Platz für die Sorge der Schwachen. Es brauchte Men­schen, die an einen Schöpfer-Gott glaubten, der alle Men­schen nach seinem Bild erschaf­fen hat, um diese him­melschreien­den Umstände zu ändern. Mehr Infor­ma­tion dazu in einem Artikel der Chris­t­ian His­to­ry Mag­a­zine.

John Adams war der zweite Präsi­dent der USA. In einem Brief schrieb er, dass die Hebräer mehr zur Zivil­i­sa­tion der Men­schheit beige­tra­gen hat­ten als alle anderen Natio­nen. Sie hat­ten das sein­er Mei­n­ung nach getan wegen ihrer Lehre …

eines höch­sten, intel­li­gen­ten, weisen und allmächti­gen Regen­ten des Uni­ver­sums, von dem ich glaube, dass es das Fun­da­ment aller Ethik ist und folgedessen der Aus­gangspunkt aller Zivil­i­sa­tion. (siehe Link)

Auch wenn man nicht jeman­dem glauben sollte, nur weil er Präsi­dent der USA ist, haben wir hier eine Ein­sicht, die uns ins Nach­denken brin­gen muss. Es ist die Behaup­tung, dass der Unter­schied Schöpfer-Geschöpf wesentlich ist für die Begrün­dung aller men­schlich­er Ethik und demzu­folge aller Zivilisation.

Wer den wesens­mäs­si­gen Unter­schied zwis­chen Gott und sein­er Schöp­fung aufgibt, ver­liert mein­er Mei­n­ung nach alle oben genan­nten Punk­te. Die Tran­szen­denz Gottes ist ein ‘Säulen-The­ma’. Für Chris­ten und deren The­olo­gen ist das Gebot der Stunde, den wesens­mäs­si­gen Unter­schied zwis­chen Schöpfer und Geschöpf aufrecht zu erhal­ten. Selb­stver­ständlich sollen wir dabei die Nähe Gottes nicht aufgeben (seine Imma­nenz). Doch aktuell ist die Beto­nung von Gottes wesens­mäs­sigem Unter­schied zu allem, was er erschaf­fen hat, äusserst wichtig.

Andere Religionen

Das ‘Säulen-Mod­ell’ funk­tion­iert auch für andere Weltan­schau­un­gen, denn jede Weltan­schau­ung hat zen­trale Überzeu­gun­gen (Säulen) und Tol­er­anz-The­men. Ich plädiere für eine zweifache Entspan­nung respek­tive für Ehrlichkeit.

Ange­hörige jed­er Weltan­schau­ung soll­ten ehrlich zugeben, dass diese ‘Tol­er­anz-The­men’ hat. Bezüglich diesen The­men sollte ein­er ander­s­denk­enden Per­son der Glaube nicht abge­sprochen, son­dern seine Mei­n­ung als mögliche Alter­na­tive ange­se­hen werden.

Sie soll­ten aber auch ehrlich zugeben, dass ihre Weltan­schau­ung Gren­zen hat (die ‘Säulen-The­men’). Wer behauptet, es gebe sie nicht, ist mein­er Mei­n­ung nach nicht ehrlich. Wer die Real­ität dieser Gren­zen anerken­nt, sollte eben­so ehrlich zugeben: Wenn jemand die Mei­n­ung bei einem Säulen-The­ma ändert, dann behei­matet sich diese Per­son neu in ein­er grundle­gend anderen Religion.

Artikel als PDF herunterladen

Über den Kanal

Paul Bruderer

Paul Bruderer, Jahrgang 1972, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, 1998 Gründungsmitglied der erwecklichen ‹Godi›-Jugendarbeit in Frauenfeld. Seit 2001 Pastor in der Chrischona Gemeinde Frauenfeld. Paul lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

Werde Teil der Diskussion

Kommentare zu diesen Beitrag

18 Comments

  1. Ron

    Ich kann diese “Mei­n­ung” über den Umgang mit “Mei­n­ung­sun­ter­schieden” aus bib­lis­chen Grün­den nicht zus­tim­men. Im Gegen­teil. Beispiele: Röm 14 spricht nicht über the­ol­o­gis­che The­men wie z.B. “Schei­dung und Wieder­heirat”, son­dern dort geht es generell um neu­trale Hand­lun­gen (wie z.B. Veg­an­er sein). Und wenn wir schon bei diesem Beispiel sind: Wieder­heirat nach Schei­dung wird vom NT durch­weg als “Ehe­bruch” deklar­i­ert! Will dieser Artikel den Ehe­bruch hier für den christlichen Glauben salon­fähig machen? Was ist mit z.B. 1 Kor 5,9–13 [vgl. Römer 16,17; 2 Tim 2,20f; 3,5; Tit 3,9–11; 2 Joh 9–11 u.a.]? Schon mal jeman­den aus der Gemeinde oder vom pri­vat­en Mahl/Haus aus­geschlossen, weil eine sich als “wiederge­boren­er Christ” beze­ich­nete Per­son unbußfer­tig andere ver­leumdet hat oder von der “Lehre Christi” (und das meint wirk­lich alles was Chris­tus — auch über sich sel­ber — gelehrt hat vgl. Mt 7,21) abgewichen ist? Und 1 Kor 5,9–13 ste­ht in keinem Wider­spruch zu 1 Kor 13, da “Liebe” eben nicht von uns Men­schen human­is­tisch ver­standen wer­den darf. Gottes Liebe zeigt sich im Opfer Christi am deut­lich­sten — aber eben auch in der Sint­flut, der Land­nahme Kanaans und der Wirk­lichkeit der Hölle.

    Reply
  2. 카지노사이트

    I do con­sid­er all the ideas you have pre­sent­ed in your post.
    They’re very con­vinc­ing and can cer­tain­ly work. Still, the posts are very short
    for new­bies. Could you please extend them a lit­tle from next
    time? Thank you for the post.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Thx for your kind com­ment! Believe me: I would love to make the blogs longer 🙂 We tend to get the feed­back, that they are already rather long. So we prob­a­bly won’t add to much text in the next posts. That’s where books can help. If you tell me, what areas you are inter­est­ed in, I might be able to make a few rec­om­men­da­tions. Be blessed Paul

      Reply
  3. Peter Bruderer

    Span­nen­des Inter­view in diesem Zusam­men­hang mit Prof. Thomas Schirrma­ch­er, stv. Gen­er­alsekretär der Weltweit­en Evan­ge­lis­chen Allianz (WEA), welche rund 600 Mio. evan­ge­lis­che Chris­ten ver­tritt. Auf Her­aus­forderun­gen hin befragt meint er:

    “Die größte Bedro­hung ist, dass die Bibelken­nt­nis abnimmt…
    …Weil das Chris­ten­tum nie nur religiöse Prax­is ist, son­dern IM KERN EIN BEKENNTNIS HAT. Wenn den Chris­ten zum Beispiel inhaltlich nicht mehr bewusst ist, dass die Dreieinigkeit aus der Offen­barung kommt, dann ist Tor und Tür dafür geöffnet, dass jed­er aus dem Chris­ten­tum das macht, was ihm sel­ber ger­ade passt. Das kann man keinem ver­bi­eten, wir haben Reli­gions­frei­heit. Aber das ist dann nicht mehr Chris­ten­tum. Das Chris­ten­tum kommt nicht ohne Inhalte aus. Das, was uns verbindet, sind die Inhalte, nicht die For­men, mit denen wir sie zum Aus­druck bringen.”

    https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/2020/06/25/mangelnde-bibelkenntnis-bedroht-christenheit/?fbclid=IwAR338Tu0cNuRrcRDySwMVTs4PwdUn3VLK5BUzBMXexNZKNP-JspjcpptBo8

    Reply
  4. Claudia

    Lieber Paul, vie­len Dank für deine umfassend argu­men­tierten Erläuterun­gen. Gerne würde ich dem meine Gedanken hinzufügen.
    Tol­er­anz ist gemäss Def­i­n­i­tion auf Dinge und Aspek­te bezo­gen, Liebe und Gnade jedoch auf den Mit­men­schen. Ich denke die Bibel zeigt uns, wieso diese Tren­nung zwis­chen Sichtweise und Men­sch wichtig ist, und auch ob wir Tol­er­anz, oder Liebe und Gnade als Leit­bild für unser Ver­hal­ten nehmen sollten.
    Die Liebe leben zu ler­nen, die Jesus uns als Vor­bild vorgelebt hat, heisst (Ehr)Furcht vor Gott zu haben und an ober­ster Stelle die Notwendigkeit zu set­zen, sich nach seinem Willen ver­hal­ten zu wollen. Ein Leben geprägt durch Tol­er­anz kann jedoch den Mit­men­schen und seine Sichtweise höher stellen als Gott. Dadurch wird tol­er­antes Ver­hal­ten leicht bee­in­fluss­bar durch die Angst, vor den Men­schen nicht ange­se­hen zu sein und nicht als tol­er­ant zu gel­ten. Wenn wir mit der Richtlin­ie leben, uns gegen­seit­ig Gottes Liebe und Gnade ent­ge­gen­zubrin­gen, dann ver­hal­ten wir uns also in bes­timmten Sit­u­a­tio­nen unter Umstän­den kom­plett unter­schiedlich, als wenn wir den Wert der Tol­er­anz leben.
    Auf sprach­lich­er Ebene kön­nte dies vielle­icht als klein­er Unter­schied beze­ich­net wer­den, bezüglich der Antrieb­skraft die dahin­ter­steckt, ist es jedoch ein abso­lut entschei­den­der Unter­schied. Anzus­treben ist daher mein­er Mei­n­ung nach, uns liebend und gnädig einem Mit­men­schen gegenüber zu ver­hal­ten, bei Uneinigkeit­en aber auf Gott zu hören, und von ihm Weisheit zu erbit­ten und zu prüfen, was dies in der einzel­nen Sit­u­a­tion im Kon­takt mit einem Mit­men­schen, für unser Ver­hal­ten und unsere möglichen Äusserun­gen bedeutet.

    Her­zliche Grüsse, Claudia

    Reply
  5. ALexander Pollhans

    Hal­lo, hab den Ein­trag heute gele­sen und frage mich, ob wir nicht bei manchen Fragestel­lun­gen nicht nach neuen Lösun­gen, son­dern auf bewährte zurück­greifen soll­ten? Das apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis bspw. hat­te m. W. n. genau die Funk­tion, das, was Du, wenn ich Dich richtig ver­ste­he, “Säulen” nennst, zu beschreiben. Aber ger­ade im freikirch­lich-christlichen Spek­trum erlebe ich, dass man mit dem Aufnehmen neuer “For­men” (z. B. von Gottes­di­enst) Altes über Bord wirft. Ich denke, dass es da einiges wiederzuent­deck­en gäbe…

    Reply
    • Paul Bruderer

      Hi Alexan­der — ich bin in vie­len mit dir einig. Ich denke das Apos­to­likum war eine Art, wie die Chris­ten damals die ‘Säulen’ definierten — also das, was so zen­tral ist, dass man es nicht aufgeben darf. Ich halte viel vom Apos­to­likum ger­ade auch in dieser Hin­sicht. Es fängt ja auch genau mit dem Punkt an, den ich im Artikel erwähne: “Ich glaube an Gott den Vater, den SCHÖPFER des Him­mels und der Erde”.

      Reply
  6. Michael Berra

    Ps: (kannst das gern auch wieder löschen)
    Kön­ntet ihr keine Benachrich­ti­gungs­funk­tion für Kom­mentare aktivieren, damit man weiss, ob jemand geant­wortet hat oder so? Wär hil­fre­ich und würde das Gespräch ankurbeln…

    Reply
    • Paul Bruderer

      thx für den Tipp Micha — ich klär’s mit meinem Web­mas­ter — meinem Bruderherz 🙂

      Reply
  7. Matthias Teh

    Span­nen­der Artikel. Das Säu­len­prinzip ist dann wohl gute Ergänzung zur Hier­ar­chie der Wahrheit. Das Konzept von Brun­ner ist auch span­nend. Da muss ich mal nachforschen.

    Ich finde den Artikel nicht wirk­lich als “con­tra” son­dern als “pro”. Zudem glaube ich, dass man nicht das Gute lieben kann ohne das Böse zu has­sen (PS 97,10 / Spr 8,13 / Am 5,15 / Röm 12,9) sprich: Es ist ganz gut auch mal Din­gen zu wider­sprechen. Auch glaube das fehlt unser­er Zeit extrem! Wider­spruch ist nicht zwin­gend Lieblosigkeit.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Thx Matthias für dein Feed­back! Kannst du erk­lären was du meinst mit ‘Hier­ar­chie der Wahrheit’? Ich würde gerne mehr darüber hören

      Reply
    • Michael Berra

      Matthias, das Gesetz der Beziehungsnähe find­est du über­all bei Brun­ner, aber vor allem in “Offen­barung und Ver­nun­ft” — dort bezieht er es vor allem auf die pot. Rel­e­vanz ein­er christlichen Philoso­phie und auch auf den Zusam­men­hang von Wis­senschaft und Glaube/Theologie.
      Ps: Natür­lich darf man auch con­tra geben und das ist wichtig. Die Frage ist ob primär gegen etwas oder für etwas gekämpft wird — ich glaube das ist ein klein­er aber fein­er Unter­schied… by the way kann man die Entwick­lung vom con­tra zum pro auch in der Biogra­phie von Brun­ner schön beobacht­en… ein­fach damit ich ihn mal wieder erwäh­nt habe; ist ja schon lange her 😉 …

      Reply
      • Paul Bruderer

        Micha, die Funk­tion sollte jet­zt aktiviert sein — wenn du magst, probier’s doch mal aus. Wir kön­nen nach­her deine entsprechende Nachricht wieder löschen

        Reply
        • Michael Berra

          Per­fekt. Helden. & Word­Press halt 😉
          PS: hast du eigentlich schon mal auf meinem Blog, den ich nach langer Zeit wieder mal reak­tiviert habe rumgeschnup­pert? http://www.berraspektiven.ch

          Reply
          • Paul Bruderer

            ich schnup­pere äusserst gerne in deinem blog! ich wusste nichts davon! thx für den hinweis

  8. Michael Berra

    Span­nende und hil­fre­iche Gedanken. Danke. Auch wenn man bei den Schlussfol­gerun­gen aus der Tran­szen­denz Gottes noch etwas weit­er disku­tieren dürfte…
    Vielle­icht als Inspi­ra­tion und Ergänzung: der Zürcher The­ologe Emil Brun­ner hat­te kein Säu­lenkonzept, son­dern das „Prinzip der Beziehungsnähe“, das man sich als konzen­trische Kreise um ein Zen­trum vorstellen kann. Im Zen­trum ist die Selb­stof­fen­barung Gottes in Chris­tus (und unsere Verbindung mit ihm). Alles weit­ere ist in mehr oder weniger Beziehungsnähe dazu. Je näher am Zen­trum desto mehr Kampfgeist. Je weit­er draussen, desto weniger braucht es eine spez­i­fisch „christliche“ Sicht. 

    Ps: toll wie ihr diesen Blog auf­gleist und mit welch­er Lei­den­schaft ihr dabei seid. Bewegt mich auch, dass ihr das als Brüder tut. Obwohl ich den Gedanken hin­ter „Daniel Option“ ver­ste­he, hoffe ich, dass der Groove in Zukun­ft etwas “con­tra“ son­dern mehr „pro“ sein wird. Das als per­sön­lich­es und wohlwol­len­des Feedback.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Hi Michi! Habe mich gefreut dass du den Beitrag gele­sen hast und dir Zeit genom­men hast, zu schreiben! Ja bei der Tran­szen­denz gibt es viel Platz weit­erzu­denken. Würde mich freuen, wenn du einen Vorschlag machen würdest!
      Emil Brun­ner kenne ich lei­der zu wenig. Ich werde mir das bei Gele­gen­heit anschauen. Das klingt für mich auf den ersten Blick nach ein­er Vari­ante von Paul Hiebert’s Set-The­o­rie. Du find­est sie auf Seite 8 hier: https://www.thefoxtoncentre.co.uk/wp-content/uploads/2013/10/Mission-in-Context.pdf
      Ich per­sön­lich halte viel vom ‘extrin­sic fuzzy set’ weil es auf die Beziehung zu Jesus fokussiert. Ein Schlüs­sel ist dabei aber etwas, was aktuell an vie­len Orten pro-aktiv aus­geklam­mert wird: das Propo­si­tionale. Man sagt, dass wir propo­si­tionale Wahrheit­saus­sagen mei­den sollte. Diese sind jedoch aus mein­er Sicht wichtig, um festzuhal­ten WELCHEN Chris­tus wir meinen, der sich im Zen­trum befind­en soll.
      Danke für deinen fre­und­schaftlichen Rat. Den wer­den wir befol­gen 🙂 Gle­ichzeit­ig freue ich mich, wenn Brüder und Schwest­er in unser­er Zeit etwas mehr Mut zeigen, den Kopf hinzuhal­ten wenn es um The­men geht, die aktuell den Glauben von Chris­ten beson­ders angreift.

      Reply
      • Michael Berra

        Danke für den Link. Werde das gerne mal bei Gele­gen­heit anschauen…
        Deshalb erwähne ich Brun­ner ja 🙂 … ich finde, der sollte wieder mehr Beach­tung find­en. Du erwähnst genau den Knack­punkt: welch­er Chris­tus und welche Rolle hat darin prop. Wahrheit? (dort spielt dann auch das Ver­ständ­nis der Bibel eine zen­trale Rolle). Da hat Brun­ner viel Gutes dazu geschrieben und wurde auch oft missver­standen. Die Lösung zwis­chen Sub­jek­tivis­mus und Objek­tivis­mus ist recht ver­standene “Beziehung” (v.a. In Brunner’s “Wahrheit als Begeg­nung”). Vielle­icht gibt es ja mal einen gemein­samen Kaf­fee irgend­wann 🙂 — wär toll!

        Reply

Submit a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt weiterstöbern

Mehr Blogposts entdecken

Welche Gerechtigkeit soll es denn sein?

Welche Gerechtigkeit soll es denn sein?

Gerechtigkeit in der Spannung von Einheit und Diversität Ich stehe vor dem Buffet einer Lodge in Namibia. Hier biegen sich die Tische, draussen sitzen zerlumpte Kinder, und ich frage mich im Stillen: Ist das gerecht? Viel lauter sind die Aktivistinnen der «Last...