Die dreifache Wahrheit des Evangeliums (1/3)

Lesezeit: 7 Minuten
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by Peter Bruderer | 21. Apr. 2024 | 0 comments

Das Evan­geli­um ist eine Wahrheit, die von drei Seit­en her bezeugt ist. Sie ist his­torisch, geistlich und schrift­gemäss bezeugte Wahrheit. Ob wir im Herzen ein «Ja» zu diesen drei grundle­gen­den Wahrheits-Aspek­ten des Evan­geli­ums find­en entschei­det, ob unser Glaube tragfähig sein wird oder ob wir umson­st geglaubt haben.

In den ver­gan­genen Monat­en hat­te ich das Vor­recht eine Predigt zu 1.Kor 15:1–5 zu hal­ten. Der Inhalt dieser Predigt ist eine Botschaft, die mir am Herzen liegt und die mir auch grundle­gend wichtig erscheint. Es ist nicht immer ein­fach, etwas, was als Predigt konzip­iert wurde, in einen Lese­text zu trans­ferieren. Im Bewusst­sein der Ein­schränkung möchte ich auf Wun­sch hin den­noch ver­suchen, diese Predigt in eine schriftliche Form zu brin­gen. Ich hoffe, dass dabei Gottes Wort selb­st das Aus­rufeze­ichen wird.

Der Bibel­text:

Ich erin­nere euch aber, Brüder und Schwest­ern, an das Evan­geli­um, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenom­men habt, in dem ihr auch fest ste­ht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so fes­thal­tet, wie ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr’s umson­st geglaubt hät­tet. Denn als Erstes habe ich euch weit­ergegeben, was ich auch emp­fan­gen habe: Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift; und dass er begraben wor­den ist; und dass er aufer­weckt wor­den ist am drit­ten Tage nach der Schrift; und dass er gese­hen wor­den ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 1.Kor 15:1–5

Ein Bekenntnistext

Was macht diesen Text bedeut­sam und interessant?

Zum einen kom­mu­niziert Paulus hier mit Nach­druck. Er spart in den ersten Sätzen nicht mit klaren Worten, um der Gemeinde bewusst zu machen, wie fun­da­men­tal wichtig das ist, was er gle­ich weit­ergeben wird.

Was er weit­ergibt, ist dann im Grunde genom­men lediglich eine Wieder­hol­ung von bere­its Gesagtem. Das mag vielle­icht erstaunen. Aber gewisse Dinge sollte man wieder­holen. Gewisse Wahrheit­en sollte man nie vergessen, soll­ten wir einan­der als Chris­ten immer wieder in Erin­nerung rufen, und zwar ohne Abstriche, mit unverän­dert­er Klarheit. Um solch eine Wahrheit geht es hier: Das Evan­geli­um, die gute Nachricht, den inneren Kern der christlichen Botschaft. Es geht um die Grund­sub­stanz unseres Glaubens, welche uns als Chris­ten mit Iden­tität, Kraft und Sta­bil­ität versorgt.

Hier kommt sie, diese wertvolle Botschaft (V3‑5):

Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift; und dass er begraben wor­den ist; und dass er aufer­weckt wor­den ist am drit­ten Tage nach der Schrift; und dass er gese­hen wor­den ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

Diese Worte mögen uns vielle­icht als ein­fach und selb­stver­ständlich vorkom­men. Doch wie eine Melodie nicht ohne gewisse ‘Grundtöne’ auskommt, welche diese Melodie tra­gen, so auch unser Glaube nicht. Drei von diesen tra­gen­den Klän­gen, welche uns in diesen Zeilen begeg­nen, möchte ich nach­fol­gend ver­tiefen. Ich rede vom Dreik­lang der his­torischen, geistlichen und schrift­gemässen Wahrheit des Evangeliums.

Was es damit auf sich hat, werde ich nach­fol­gend erläutern. Doch vorher muss uns klar wer­den, was für einen Text wir hier vor uns haben. Der ein­fache ‘Mark­er’ «was ich auch emp­fan­gen habe» (V3) macht deut­lich, dass wir einen frühchristlichen Beken­nt­nis­text vor uns haben. Paulus ist hier nicht am Philoso­phieren, son­dern am Rez­i­tieren. Er hat nicht etwas Neues gefun­den, das er allen weit­ergeben will, son­dern etwas Altes, das längst gek­lärt ist und niemals vergessen wer­den sollte. Es geht Paulus nicht um seine Gedanken, son­dern um das Zeug­nis, welch­es er emp­fan­gen hat und der Gemeinde in Korinth weit­ergibt. Wir ste­hen hier vor ein­er fix­en For­mulierung in der frühchristlichen Kirche – vor einem Beken­nt­nis­text der ersten Christen.

Einige Leser dieser Zeilen haben vielle­icht wie ich das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis auf ihre Kon­fir­ma­tion hin auswendig ler­nen müssen: «…gelit­ten unter Pon­tius Pila­tus, gekreuzigt, gestor­ben und begraben…». Die Sätze sind mir geblieben. Chris­ten in der Ver­gan­gen­heit haben sehr gerne mit solchen stan­dar­d­isierten, kom­prim­ierten For­mulierun­gen gear­beit­et, welche wesentliche Infor­ma­tio­nen oder Wahrheit­en des Glaubens fes­thiel­ten. Die Liebe für solche For­mulierun­gen hat­te spez­i­fis­che Gründe, auf die ich noch einge­hen werde.

Auch im Neuen Tes­ta­ment find­en wir solche kom­pak­ten, stan­dar­d­isierten For­mulierun­gen. Eine davon ist die Beschrei­bung des Evan­geli­ums, wie sie in unserem Bibel­text wiedergegeben ist. Inter­es­san­ter­weise wird die Entste­hung des uns vor­liegen­den kurzen Beken­nt­nis­textes selb­st von kri­tis­chen Forsch­ern wie dem Agnostiker/Atheisten Bart Ehrman in die Zeit unmit­tel­bar nach Ostern datiert.[1] Wir haben es bei 1. Korinther 15,3–5 also mit einem der ältesten Texte des Chris­ten­tums zu tun, einem der uns in Tuch­füh­lung bringt mit dem Ursprung unseres Glaubens und der Wahrheit über Jesus Christus.

Auf der nun gelegten Grund­lage auf­bauend möchte ich ver­suchen, die drei erwäh­n­ten Wahrheit­en näher zu beschreiben. Ich werde dafür auf die For­mulierung ganz am Anfang dieses Beken­nt­niss­es fokussieren:

«Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift».


Eine historische Wahrheit

Erstens geht es beim Evan­geli­um, der guten Nachricht von Jesus Chris­tus, um eine his­torische Wahrheit, also um etwas, das tat­säch­lich geschehen ist in Raum und Zeit.

Wir müssen ver­ste­hen, dass der christliche Glaube sich von anderen bekan­nten Reli­gio­nen wesentlich darin unter­schei­det, dass er auf einem his­torischen Ereig­nis beruht und nicht ein­fach auf ein­er bes­timmten Lehre oder Philoso­phie. Der christliche Glaube beruht auf dem tat­säch­lich stattge­fun­de­nen Tod, dem Begräb­nis und der bezeugten Aufer­ste­hung von Jesus Chris­tus. Dies bildet das zen­trale Ereig­nis, ohne welch­es es das Chris­ten­tum nicht geben würde.

Wenn man die Evan­gelien liest, also die neutes­ta­mentlichen Büch­er wie Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes, dann merkt man immer wieder an der Dynamik der Erzäh­lung, wie die ganze Geschichte von Jesus auf dieses zen­trale Ereig­nis hinzielt. Auch Jesus selb­st war sich der Ziel­rich­tung seines Lebens sehr bewusst und hat auch darüber gesprochen. Ein gutes Beispiel dafür find­en wir im Marku­se­van­geli­um in den fol­gen­den Worten Jesu an seine Jünger:

Denn auch der Men­schen­sohn ist nicht gekom­men, dass er sich dienen lasse, son­dern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10:45)

Der „Men­schen­sohn“ – das ist im Marku­se­van­geli­um die Selb­st­beze­ich­nung von Jesus. Dadurch macht er klar, dass sein Leben und Dasein einen Zielpunkt haben, einen soge­nan­nten ‚Telos‘. Der Zielpunkt ist fol­gen­der: Er wird sein Leben geben. Jesus lebt sein Leben auf ein reales his­torisches Ziel und Ereig­nis hin. Was bei Jesus der Zielpunkt seines Wirkens war, das wird für die ersten Chris­ten zum Aus­gang­punkt ihrer Iden­tität und ihres Glaubens.

Wichtig ist hier: Gott ist ein Gott, der in der Geschichte han­delt. Ganz real. Hand­fest. Konkret. Wirklich. 

Diese schlichte Fest­stel­lung der Real­ität des Wirkens und Ein­greifens Gottes in der Welt­geschichte war den ersten Chris­ten so wichtig, dass sie es durch die Angabe von Raum- und Zeit-Koor­di­nat­en über­prüf­bar machen wollten.

Viele haben sich schon gefragt, was eigentlich Pon­tius Pila­tus, ein nicht sehr bedeu­ten­der römis­ch­er Funk­tionär, im wohl bedeu­tend­sten christlichen Glaubens­beken­nt­nis, dem bere­its erwäh­n­ten Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis, ver­loren hat. Wer so fragt hält diese Namen­snen­nung vielle­icht für eine unnötige und über­flüs­sige Neben­säch­lichkeit. Viele würde lieber andere Dinge noch Ein­bauen in dieses Beken­nt­nis, welche sie ver­mis­sen: ein paar christliche Werte zum Beispiel. Doch anstatt Beken­nt­nisse zu rev­i­dieren, soll­ten wir uns bess­er fra­gen, warum sie so sind, wie sie sind!

Pila­tus-Münze, 26–36 n. Chr. Bild: Peter Bruderer

Es geht in der Sache mit Pila­tus eben genau darum: Unser Glaube baut nicht auf Märchen und Sagen, son­dern ist vielmehr ver­ankert im Han­deln Gottes in der Geschichte. Über Pila­tus kann man auch bei anderen antiken Geschichtss­chreibern nach­le­sen[2]. Sog­ar heute noch kann in Jerusalem diesem Pila­tus nachge­spürt wer­den. So find­et ein reger Han­del statt mit antiken ‚Pila­tus-Münzen‘. Diese waren im Rah­men sein­er Regentschaft geprägt wor­den. Ich selb­st habe mir eine solche Münze erwor­ben, samt Zer­ti­fikat und Aus­fuhrbescheini­gung. Die Münze, die ich wie einen wertvollen kleinen Schatz horte, ist zwar unschein­bar und abgenutzt, aber sie ist den­noch hand­fest und real – so real wie die Ereignisse von Kar­fre­itag und Ostern.

Historische Wahrheit oder poetische Wahrheit?

Als Chris­ten soll­ten wir keine Angst haben, unseren Glauben ein­er his­torischen Über­prüf­barkeit auszuset­zen. Die ersten Chris­ten haben das auch getan.

Wir müssen uns aber bewusst sein, dass diese erste Wahrheit des Evan­geli­ums keineswegs unange­focht­en ist. Es ist wohl kein Zufall, dass Paulus einen solchen Nach­druck darau­flegt, dass wir als Chris­ten am Evan­geli­um unverän­dert fes­thal­ten sollen – auch in Bezug auf seinen Sitz im realen his­torischen Geschehen.

In der The­olo­gie gibt es immer wieder Bemühun­gen, dem Evan­geli­um ein ‚Update‘ zu erweisen, indem dieser guten Nachricht von Jesus der Anspruch der His­tor­iz­ität ent­zo­gen wird. Ob etwas stattge­fun­den hat oder nicht, so ver­suchen uns gewisse The­olo­gen zu erk­lären, sei nicht so wichtig. Wichtig seien ‚tiefe Weisheit­en und Prinzip­i­en’, die ‚poet­is­chen Wahrheit­en‘, welche in den bib­lis­chen Geschicht­en zum Aus­druck gebracht wer­den. Unwichtig sei dage­gen der fak­tis­che Wahrheitsgehalt.

In Bezug auf das zen­trale Ereig­nis des christlichen Glaubens müssen wir fes­thal­ten: Doch, die Fak­ten sind wichtig. Sie sind so wichtig, dass wir diese bei den ersten Chris­ten – um der Über­prüf­barkeit willen – in ihren zen­tralen Beken­nt­nis­sen wiederfinden.

Macht es einen Unter­schied, ob das leere Grab an Ostern eine «poet­is­che Wahrheit» ist oder eine «fak­tis­che Wahrheit»? Ja, es macht DEN ganz entschei­den­den Unter­schied. Paulus for­muliert es so:

«Ist aber Chris­tus nicht aufer­weckt wor­den, so ist euer Glaube nichtig…» 1Kor 15:17

Wenn Chris­tus nur in unseren Gedanken – als gute Idee – aufer­standen ist, dann ist unser Glaube eben auch ohne Wert und Sub­stanz. Deshalb find­en wir im unverzicht­baren Kern des Evan­geli­ums zuallererst schlicht und ein­fach his­torische Fak­ten: Jesus ist gestor­ben, er wurde begraben, und seine Aufer­ste­hung wurde von ein­er Vielzahl von Men­schen bezeugt.

An dieser his­torischen Real­ität hängt die ganze Hoff­nung, welche wir als Chris­ten haben. Der Autor des 1 Petrus­briefes fasst diese Hoff­nung in wun­der­volle Worte. Es sind Worte, die klar machen, dass an der Real­ität der Aufer­ste­hung Jesu auch die Real­ität unser­er eige­nen zuküfti­gen Aufer­ste­hung hängt:

«Gelobt sei Gott, der Vater unseres Her­rn Jesus Chris­tus, der uns nach sein­er großen Barmherzigkeit wiederge­boren hat zu ein­er lebendi­gen Hoff­nung durch die Aufer­ste­hung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbe­fleck­ten und unver­welk­lichen Erbe, das auf­be­wahrt wird im Him­mel für euch» (1Pet 1:3–4)

Weil Jesus aufer­standen ist, dür­fen auch wir mit ein­er Hoff­nung leben, welche über den Tod hin­aus­ge­ht. Fromm klin­gende aber let­z­tendlich irrege­führte und irreführende Men­schen wer­den die his­torische Wahrheit von Kreuz und Aufer­ste­hung vielle­icht in Frage stellen. Wir aber beken­nen mit den dama­li­gen Zeu­gen: Chris­tus ist aufer­standen – Er ist wahrhaftig aufer­standen. (Lk 24:34)

Hier geht es zum zweit­en Teil dieser Serie.

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Lese-Empfehlung:
Die Aufer­ste­hung Jesu: Fakt oder Fik­tion? Der Indizienprozess
Zum Glück aufer­stand er!

Titel­bild:
iStock (Bild­bear­beitung: Peter Bruderer)

Fuss­noten:
[1] Bart Ehrman, ‘Did Jesus Exist’, S131 (Kin­dle)
[2] z.B. bei Tachi­tus, Philon oder Josephus

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Peter Bruderer

Peter Bruderer, Jahrgang 1974, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, seit 1986 in der Schweiz. 1998 war Peter Gründungsmitglied der erwecklichen 'Godi'-Jugendarbeit in Frauenfeld, welche er bis 2013 prägte. Heute arbeitet er als Projektleiter im kirchlichen und gemeinnützigen Bereich. Ein zweites Standbein ist die Arbeit als Architekt. Peter lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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