Dein Leben zählt

Lesezeit: 7 Minuten
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by Peter Bruderer | 17. Jun. 2024 | 0 comments

Mit dem Buch „Dein Leben zählt“ hat Chris­t­ian Hasle­bach­er ein kom­pak­tes und gut les­bares Buch geschrieben, welch­es Kern­punk­te des Evan­geli­ums hinein in die Lebenswelt von Men­schen im 21. Jahrhun­derts übersetzt. 

Es hat seine Tück­en ein Buch zu rezen­sieren von jeman­dem, mit dem man fre­und­schaftlich ver­bun­den ist. In der gründlichen Art von Daniel Option möchte ich dies den­noch an dieser Stelle tun.  Der Grund ist, dass mir das neue Buch von Chris­t­ian Hasle­bach­er sehr gut geeignet scheint als inter­es­sante Anschlus­slek­türe an meine eigene dre­it­eilige Serie über die „dreifache Wahrheit des Evan­geli­ums“, welche ich vor eini­gen Wochen pub­liziert habe.

Mit dem Buch  “Dein Leben zählt” möchte Chris­t­ian Hasle­bach­er «fünf berührende Aspek­te des christlichen Glaubens» kurzweilig und knack­ig auf den Punkt brin­gen. Es sind dies fol­gende Aspek­te: Liebe, Würde, Ver­söh­nung, Zuver­sicht, Wirk­samkeit.

Hasle­bach­er arbeit­et mit 7 kurzen Geschicht­en aus dem The­men­bere­ich ‘Fürsten’ und ‘Könige’, welche die Kapi­tel jew­eils eröff­nen. Es sind angepasste Gle­ich­nisse Jesu, welche dazu dienen, die darauf­fol­gen­den Inhalte jew­eils ver­ständlich zu illus­tri­eren. Beispiele aus dem Erleben des Autors sowie Fra­gen zur Selb­stre­flex­ion oder Grup­pendiskus­sion run­den jedes der Kapi­tel ab.

Von der Würde des Menschen

Inhaltlich getra­gen wird das Buch von ein­er Sicht auf den Men­schen als unglaublich wertvolles Geschöpf Gottes:

„In dieser Welt gibt es einen Schatz, eine unfass­bare Kost­barkeit, von der Jesus wusste und die er für sich gewin­nen wollte. Dieser Schatz bist Du. (S104)

Die Men­schheit beste­ht aus «lebendi­gen Orig­i­nal-Kunst­werken» (S40). Gott markiert seinen Ein­fluss­bere­ich auf dieser Welt «nicht durch Gold, Sil­ber, Eisen, Mar­mor und Stein». Er markiert seine Präsenz auch nicht durch Bilder oder Fotos von sich, wie das andere Herrsch­er tun. Vielmehr markiert er seine Präsenz «durch uns Men­schen, durch dich und mich.». (S41)

Aus­ge­hend von dieser pos­i­tiv­en Sicht auf den Men­schen und seine unan­tast­bare Würde bespricht Hasle­bach­er, was geschieht, wenn das, was von Gott mit Würde aus­ges­tat­tet ist, unwürdig und lieb­los behan­delt wird. Wir erleben beispiel­sweise, wie andere uns lieb­los und entwürdi­gend behan­deln. Wir wer­den auch selb­st zu Tätern, die lieb­los und entwürdi­gend mit anderen umge­hen. Oder wir behan­deln uns selb­st lieb­los und entwürdi­gend. (S52-53)

Wichtig ist dem Autoren, dass alles lieblose und entwürdi­gende Han­deln sich nicht nur gegen Men­schen richtet, son­dern auch gegen Gott. Wenn wir uns an anderen oder an uns selb­st ver­greifen, verge­hen wir uns im End­ef­fekt an Gott:

«Wird deine Würde durch andere ver­let­zt, trifft das auch Gott per­sön­lich. Wer sich an dir als Gottes Eben­bild verge­ht, ver­greift sich an Gott.» (S54)

Biblische Konzepte für heute zugänglich machen

Der Autor ist vom Anliegen getra­gen, das Evan­geli­um – die gute Nachricht von Jesus Chris­tus – in für unsere Zeit ver­ständliche Worte zu fassen. Es gibt in diesem Buch kein ‘kananäisch’ – also keine Son­der­sprache ein­er from­men Sub­kul­tur. Und wenn – dann nur, wenn er den entsprechen­den Begriff für den Men­schen von heute ver­ständlich mit Inhalt füllen kann. Zum Beispiel wird der Begriff der Sünde in Bezug zur men­schlichen Würde gesetzt:

«Der tra­di­tionelle Begriff für solche lieblosen und entwürdi­gen­den Dinge lautet Sünde.» (S55)

Sünde ist das, was eigentlich «unter unser­er Würde» als wertvolle Geschöpfe Gottes ist. Doch Gott möchte uns zu einem «würde- und liebevollen Leben» anleit­en: das ist die christliche Ethik und Morallehre. Gott verurteilt alles, wodurch die Würde sein­er Geschöpfe und schlussendlich seine eigene Würde ver­let­zt wird. Er sol­i­darisiert sich mit den Opfern und nimmt Lieblosigkeit­en und Entwürdi­gun­gen per­sön­lich. Deshalb wird er auch eines Tages «in einem Strafgericht für alle Opfer von kleineren und grösseren Gräueltat­en Gerechtigkeit schaf­fen» (S56): das ist die bib­lis­che Lehre vom Gericht Gottes. Gott lässt zu, dass wir auch zer­störerisch han­deln, weil ihm «unsere Frei­heit heilig ist» und eine erzwun­gene Beziehung des Men­schen zu Gott der Liebe wider­sprechen würde. Nicht zulet­zt bietet Gott uns aber an, uns «von aller Tatschuld, Unter­las­sungss­chuld und struk­turellen Schuld» zu befreien (S57).

Positive Sicht auf das Leben

Eine grund­sät­zlich pos­i­tive Sicht des Autors auf das Leben und die Zukun­ft zieht sich durch das ganze Buch. Die christliche Botschaft ver­schweigt zwar die gegen­wär­ti­gen Prob­leme nicht, son­dern benen­nt Missstände sehr klar, zum Teil «klar­er, als uns lieb ist» (S71). Doch gle­ichzeit­ig eröffnet sie einen Blick auf alles hoff­nungsvolle und Gute. Chris­ten kön­nten nach dem Mot­to leben: «Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende» (S71). Der christliche Glaube habe in der Per­son Jesu eine Quelle der Zuver­sicht, denn dieser sagte: «Ich bin die Aufer­ste­hung, und ich bin das Leben. Wer an mich glaubt wird leben, selb­st wenn er stirbt.» (Joh 11:25)

So ist der christliche Glaube eine Ein­ladung, nicht mit ein­er Angst zu leben, welche «den Tod und das Schlechte in dieser Welt nicht ver­hin­dern kann», son­dern stattdessen mit ein­er Hoff­nung zu leben, «die selb­st durch den Tod und all das Schlechte in dieser Welt nicht zer­stört wer­den kann» (S75). Hasle­bach­er ermutigt seine Leser, nach Möglichkeit­en und Chan­cen zu suchen, wirk­sam zu sein. Lei­t­end ist für ihn dabei das in pietis­tis­chen Kreisen bekan­nte Mot­to von Chris­t­ian Hein­rich Spit­tler:

«Was hilft’s, wenn wir beim war­men Ofen und ein­er Pfeife Tabak die Not­stände der Zeit bejam­mern? Hand anle­gen müssen wir, und sei es auch ganz im Kleinen!» (S85)

Das «ange­broch­ene Frieden­sre­ich» Gottes könne bere­its heute an ver­schiede­nen Orten unter uns Gestalt annehmen. Chris­ten hät­ten den Men­schen in ihrem Umfeld und in der Welt Entschei­den­des weiterzugeben:

Ein­er Welt voll Bedeu­tungs- und Sinnlosigkeit: Bedeu­tung.
Ein­er Welt voll Lieblosigkeit und Gle­ichgültigkeit: Liebe.
Ein­er Welt voll Mob­bing, Entwürdi­gung und Scham: Würde.
Ein­er Welt voll Stre­it, Krieg und Zwi­etra­cht: Ver­söh­nung.
Ein­er Welt voll Hoff­nungslosigkeit und Prob­le­men: Zuver­sicht.
Ein­er Welt, in der viele sich fra­gen: «Was kann ich denn schon ändern?»: ein neues Ver­ständ­nis von Wirk­samkeit. (S87)

Die ausgestreckte Hand Gottes

Im let­zten Kapi­tel rückt Hasle­bach­er mit ver­schiede­nen Bildern die Bedeu­tung von Jesus in den Mittelpunkt.

Er benutzt dafür das hil­fre­iche Bild eines Aquar­i­ums. In gewis­sen Sit­u­a­tio­nen greift der Men­sch mit sein­er Hand ins Aquar­i­um hinein, um zum Beispiel «die Ord­nung im Aquar­i­um zu verbessern oder Ver­schmutzun­gen zu ent­fer­nen». Die Fis­che sehen dann jew­eils nur die Hand, auch wenn «der Men­sch natür­lich als Ganzes am Wirken ist.» (S100). In etwa so kön­nen wir uns das Wirken Jesus vorstellen:

«In ver­gle­ich­bar­er Weise hat Gott durch Jesus bildlich gesprochen ins Aquar­i­um dieser Welt hineinge­fasst. Sein Reden und wirken war das Reden und Wirken Gottes… Und so wie die Hand im Aquar­i­um ein fes­ter Bestandteil des Men­schen selb­st ist, so kann auch Jesus als per­son­ifizierte Hand Gottes gese­hen wer­den.» (S101)

Das Kreuzes­geschehen bespricht er mit den Bildern des Siegels und des Kauf­preis­es. Das Blut von Jesus ist «das Siegel Gottes für die ganze Welt, für alle Men­schen, auch für dich, wenn du es im Glauben für dich annimmst» (S102). Der Kauf­preis ist ein Bild dafür, dass Jesus alles hingab, dass er für uns «den vollen Kauf­preis» bezahlte. (S104)

Nicht zulet­zt macht Hasle­bach­er klar: Jesus ist der Friede­fürst, der König: «Chris­tus ist nicht der Nach­name von Jesus, son­dern sein Königsti­tel.» (S105). Die Aufer­ste­hung von Jesus sei die Bestä­ti­gung, dass Jesus «König der Welt» sei (S108). An die Königsh­errschaft Jesu zu glauben könne sehr befreiend wirken, denn es bewahre sowohl vor All­machts­fan­tasien als auch vor Min­der­w­er­tigkeits­gedanken. (S105)

Anregende Lektüre zum Weiterdenken.

Dieses Buch kann für unter­schiedliche Per­so­n­en­grup­pen inter­es­sant sein. Zum einen ist das Buch abwech­slungsre­ich und ver­ständlich geschrieben. Mit etwas über 100 Seit­en ist das Buch im Umfang über­schaubar, was in diesem Fall ein Qual­itätsmerk­mal ist. Die sieben Kapi­tel eige­nen sich von der Länge her zur Bear­beitung in Hauskreisen und Gesprächs­grup­pen, am Ende der Kapi­tel gibt es immer inter­es­sante Fra­gen als Gespräch­san­re­gung. Das Buch ist auch ein schönes Geschenk für Men­schen, welche sich für den Glauben inter­essieren oder denen man Glaubens­grund­la­gen näher­brin­gen möchte (z.B. Kon­fir­ma­tion). Die Home­page des Autors weist Staffel­preise aus.

Her­aus­gestellt wer­den muss sich­er das offen­sichtliche Anliegen, dem post-christlichen Men­schen grundle­gende bib­lis­che Konzepte so näherzubrin­gen, dass sie für ihn nachvol­lziehbar und ver­ständlich wer­den. Dieses Anliegen macht das Buch auch inter­es­sant für Pas­toren oder kirch­liche Leitungsper­so­n­en, welche in ihrem eige­nen Dienst mit den gle­ichen Her­aus­forderun­gen kon­fron­tiert sind. Sie wer­den sich die Frage stellen: Wie macht das Chris­t­ian Haslebacher?

Die Argu­men­ta­tion dieses Buch­es nimmt, so meine Wahrnehmung, die dem Men­schen innewohnende und von Gott geschenk­te Würde als Aus­gangspunkt, um dem Leser wichtige Evan­geli­ums-Aspek­te näherzubrin­gen. Sünde ist dann beispiel­sweise das, was «unter unser­er Würde» als wertvolle Geschöpfe Gottes ist. Das Sünde nicht nur ein zwis­chen­men­schlich­es Ereig­nis ist, son­dern eben auch ein Verge­hen gegen Gott, den Schöpfer, leuchtet in diesem Nar­ra­tiv eben­falls erstaunlich gut ein.

Fach­män­nisch ‘deformierte’ Men­sch – spricht The­olo­gen wie ich – wer­den natür­lich da oder dort Rück­fra­gen an einzelne Inhalte haben oder sich andere Schw­er­punk­t­set­zun­gen wün­schen. Mit den Wörtern ‘Liebe’, ‘Würde’, ‘Ver­söh­nung’, ‘Zuver­sicht’, ‘Wirk­samkeit’ stellt Hasle­bach­er fünf sehr pos­i­tiv kon­notierte Worte in den Mit­telpunkt seines Buch­es. Das kann man gut find­en oder in Frage stellen. Diese Begriffe sind wohl auch für den Autoren keine abschliessende Liste, son­dern diejeni­gen, die sich für ihn als wichtig her­aus­geschält haben. Ich zum Beispiel habe beim Lesen stets darauf gewartet, dass irgend­wann die Geschichte von den ‘bösen Weingärt­nern’ (Mt 21: 33–46) als ‘Fürstengeschichte’ am Anfang eines Kapi­tels auf­tauchen würde, weil sie so gut den Aspekt der men­schlichen Rebel­lion gegen den ‘Fürsten’ doku­men­tiert. Nun – die Geschichte ist nicht gekom­men. Aber jemand anderes ver­misst am Ende eines so kom­pak­ten Buch­es vielle­icht nochmals etwas anderes. Ich denke, dass solche Wahrnehmungen Möglichkeit­en für einen kon­struk­tiv­en und inter­es­san­ten weit­eren Diskurs aufzeigen.

Leitungsper­sön­lichkeit­en unser­er Tage, welche das Evan­geli­um gesellschaftlich anschlussfähig kom­mu­nizieren möcht­en, neigen manch­mal dazu dies zu tun, indem sie gewisse in der Bibel fest ver­ankerten Lehren ‘aus­rang­ieren’. Ein beliebtes ‘Entsorgung­sob­jekt’ ist zum Beispiel die klas­sis­che christliche Süh­nelehre – lei­der! Eben­falls beliebt ist das Refram­ing von Jesus Chris­tus als ‘Guru’ oder beein­druck­enden moralis­chen Lehrer — unter Preis­gabe seines Königsti­tels. Auch das ist bedauer­lich. Doch Chris­t­ian Hasle­bach­er kann man nicht vor­w­er­fen, er würde die Auseinan­der­set­zung mit den ‘schwieri­gen’ bib­lis­chen The­men scheuen. Im Gegen­teil – er möchte ein gewin­nen­des Bild des christlichen Glaubens zeich­nen, ohne the­ol­o­gis­chen Revi­sion­is­mus zu betreiben. Und ger­ade in dieser Hin­sicht kann das Buch Schule machen. Die Bedeu­tung des Blutvergiessens am Kreuz wird dem Leser erk­lärt – nicht wegerk­lärt. Das pop­uläre Bild von Jesus als ‘gutem Morallehrer’ muss hin­te­nanste­hen zugun­sten des bib­lis­chen Bildes der Königsh­errschaft Jesu Christi, welch­es ein zen­trales Motiv des Buch­es ist.

Per­sön­lich her­aus­ge­fordert hat mich das Buch aber noch auf ein­er anderen Ebene. Eines der wesentlichen Merk­male des Buch­es ist die Entschlossen­heit des Autors zu einem Leben in Zuver­sicht, trotz den Her­aus­forderun­gen unser­er Zeit. Die Frage, ob das Zwielicht in unser­er Welt das ‘Anbrechen eines neuen Tages’ oder der ‘Beginn ein­er dun­klen Nacht’ bedeutet, würde der Autor wohl mit ersterem beant­worten. Mir per­sön­lich fällt es nicht immer leicht, diese hoff­nungsvolle Per­spek­tive zu teilen, aber ich möchte mich von ihr her­aus­fordern lassen. Denn die bib­lis­che Botschaft ist und bleibt eine unglaublich hoffnungsvolle.

Das Buch beim Ver­lag bestellen
Home­page des Autoren mit weit­eren Ressourcen und Staffelpreisen

 

Über den Kanal

Peter Bruderer

Peter Bruderer, Jahrgang 1974, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, seit 1986 in der Schweiz. 1998 war Peter Gründungsmitglied der erwecklichen 'Godi'-Jugendarbeit in Frauenfeld, welche er bis 2013 prägte. Heute arbeitet er als Projektleiter im kirchlichen und gemeinnützigen Bereich. Ein zweites Standbein ist die Arbeit als Architekt. Peter lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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