Mit dem Buch „Dein Leben zählt“ hat Christian Haslebacher ein kompaktes und gut lesbares Buch geschrieben, welches Kernpunkte des Evangeliums hinein in die Lebenswelt von Menschen im 21. Jahrhunderts übersetzt.
Es hat seine Tücken ein Buch zu rezensieren von jemandem, mit dem man freundschaftlich verbunden ist. In der gründlichen Art von Daniel Option möchte ich dies dennoch an dieser Stelle tun. Der Grund ist, dass mir das neue Buch von Christian Haslebacher sehr gut geeignet scheint als interessante Anschlusslektüre an meine eigene dreiteilige Serie über die „dreifache Wahrheit des Evangeliums“, welche ich vor einigen Wochen publiziert habe.
Mit dem Buch “Dein Leben zählt” möchte Christian Haslebacher «fünf berührende Aspekte des christlichen Glaubens» kurzweilig und knackig auf den Punkt bringen. Es sind dies folgende Aspekte: Liebe, Würde, Versöhnung, Zuversicht, Wirksamkeit.
Haslebacher arbeitet mit 7 kurzen Geschichten aus dem Themenbereich ‘Fürsten’ und ‘Könige’, welche die Kapitel jeweils eröffnen. Es sind angepasste Gleichnisse Jesu, welche dazu dienen, die darauffolgenden Inhalte jeweils verständlich zu illustrieren. Beispiele aus dem Erleben des Autors sowie Fragen zur Selbstreflexion oder Gruppendiskussion runden jedes der Kapitel ab.
Von der Würde des Menschen
Inhaltlich getragen wird das Buch von einer Sicht auf den Menschen als unglaublich wertvolles Geschöpf Gottes:
„In dieser Welt gibt es einen Schatz, eine unfassbare Kostbarkeit, von der Jesus wusste und die er für sich gewinnen wollte. Dieser Schatz bist Du. (S104)
Die Menschheit besteht aus «lebendigen Original-Kunstwerken» (S40). Gott markiert seinen Einflussbereich auf dieser Welt «nicht durch Gold, Silber, Eisen, Marmor und Stein». Er markiert seine Präsenz auch nicht durch Bilder oder Fotos von sich, wie das andere Herrscher tun. Vielmehr markiert er seine Präsenz «durch uns Menschen, durch dich und mich.». (S41)
Ausgehend von dieser positiven Sicht auf den Menschen und seine unantastbare Würde bespricht Haslebacher, was geschieht, wenn das, was von Gott mit Würde ausgestattet ist, unwürdig und lieblos behandelt wird. Wir erleben beispielsweise, wie andere uns lieblos und entwürdigend behandeln. Wir werden auch selbst zu Tätern, die lieblos und entwürdigend mit anderen umgehen. Oder wir behandeln uns selbst lieblos und entwürdigend. (S52-53)
Wichtig ist dem Autoren, dass alles lieblose und entwürdigende Handeln sich nicht nur gegen Menschen richtet, sondern auch gegen Gott. Wenn wir uns an anderen oder an uns selbst vergreifen, vergehen wir uns im Endeffekt an Gott:
«Wird deine Würde durch andere verletzt, trifft das auch Gott persönlich. Wer sich an dir als Gottes Ebenbild vergeht, vergreift sich an Gott.» (S54)
Biblische Konzepte für heute zugänglich machen
Der Autor ist vom Anliegen getragen, das Evangelium – die gute Nachricht von Jesus Christus – in für unsere Zeit verständliche Worte zu fassen. Es gibt in diesem Buch kein ‘kananäisch’ – also keine Sondersprache einer frommen Subkultur. Und wenn – dann nur, wenn er den entsprechenden Begriff für den Menschen von heute verständlich mit Inhalt füllen kann. Zum Beispiel wird der Begriff der Sünde in Bezug zur menschlichen Würde gesetzt:
«Der traditionelle Begriff für solche lieblosen und entwürdigenden Dinge lautet Sünde.» (S55)
Sünde ist das, was eigentlich «unter unserer Würde» als wertvolle Geschöpfe Gottes ist. Doch Gott möchte uns zu einem «würde- und liebevollen Leben» anleiten: das ist die christliche Ethik und Morallehre. Gott verurteilt alles, wodurch die Würde seiner Geschöpfe und schlussendlich seine eigene Würde verletzt wird. Er solidarisiert sich mit den Opfern und nimmt Lieblosigkeiten und Entwürdigungen persönlich. Deshalb wird er auch eines Tages «in einem Strafgericht für alle Opfer von kleineren und grösseren Gräueltaten Gerechtigkeit schaffen» (S56): das ist die biblische Lehre vom Gericht Gottes. Gott lässt zu, dass wir auch zerstörerisch handeln, weil ihm «unsere Freiheit heilig ist» und eine erzwungene Beziehung des Menschen zu Gott der Liebe widersprechen würde. Nicht zuletzt bietet Gott uns aber an, uns «von aller Tatschuld, Unterlassungsschuld und strukturellen Schuld» zu befreien (S57).
Positive Sicht auf das Leben
Eine grundsätzlich positive Sicht des Autors auf das Leben und die Zukunft zieht sich durch das ganze Buch. Die christliche Botschaft verschweigt zwar die gegenwärtigen Probleme nicht, sondern benennt Missstände sehr klar, zum Teil «klarer, als uns lieb ist» (S71). Doch gleichzeitig eröffnet sie einen Blick auf alles hoffnungsvolle und Gute. Christen könnten nach dem Motto leben: «Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende» (S71). Der christliche Glaube habe in der Person Jesu eine Quelle der Zuversicht, denn dieser sagte: «Ich bin die Auferstehung, und ich bin das Leben. Wer an mich glaubt wird leben, selbst wenn er stirbt.» (Joh 11:25)
So ist der christliche Glaube eine Einladung, nicht mit einer Angst zu leben, welche «den Tod und das Schlechte in dieser Welt nicht verhindern kann», sondern stattdessen mit einer Hoffnung zu leben, «die selbst durch den Tod und all das Schlechte in dieser Welt nicht zerstört werden kann» (S75). Haslebacher ermutigt seine Leser, nach Möglichkeiten und Chancen zu suchen, wirksam zu sein. Leitend ist für ihn dabei das in pietistischen Kreisen bekannte Motto von Christian Heinrich Spittler:
«Was hilft’s, wenn wir beim warmen Ofen und einer Pfeife Tabak die Notstände der Zeit bejammern? Hand anlegen müssen wir, und sei es auch ganz im Kleinen!» (S85)
Das «angebrochene Friedensreich» Gottes könne bereits heute an verschiedenen Orten unter uns Gestalt annehmen. Christen hätten den Menschen in ihrem Umfeld und in der Welt Entscheidendes weiterzugeben:
Einer Welt voll Bedeutungs- und Sinnlosigkeit: Bedeutung.
Einer Welt voll Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit: Liebe.
Einer Welt voll Mobbing, Entwürdigung und Scham: Würde.
Einer Welt voll Streit, Krieg und Zwietracht: Versöhnung.
Einer Welt voll Hoffnungslosigkeit und Problemen: Zuversicht.
Einer Welt, in der viele sich fragen: «Was kann ich denn schon ändern?»: ein neues Verständnis von Wirksamkeit. (S87)
Die ausgestreckte Hand Gottes
Im letzten Kapitel rückt Haslebacher mit verschiedenen Bildern die Bedeutung von Jesus in den Mittelpunkt.
Er benutzt dafür das hilfreiche Bild eines Aquariums. In gewissen Situationen greift der Mensch mit seiner Hand ins Aquarium hinein, um zum Beispiel «die Ordnung im Aquarium zu verbessern oder Verschmutzungen zu entfernen». Die Fische sehen dann jeweils nur die Hand, auch wenn «der Mensch natürlich als Ganzes am Wirken ist.» (S100). In etwa so können wir uns das Wirken Jesus vorstellen:
«In vergleichbarer Weise hat Gott durch Jesus bildlich gesprochen ins Aquarium dieser Welt hineingefasst. Sein Reden und wirken war das Reden und Wirken Gottes… Und so wie die Hand im Aquarium ein fester Bestandteil des Menschen selbst ist, so kann auch Jesus als personifizierte Hand Gottes gesehen werden.» (S101)
Das Kreuzesgeschehen bespricht er mit den Bildern des Siegels und des Kaufpreises. Das Blut von Jesus ist «das Siegel Gottes für die ganze Welt, für alle Menschen, auch für dich, wenn du es im Glauben für dich annimmst» (S102). Der Kaufpreis ist ein Bild dafür, dass Jesus alles hingab, dass er für uns «den vollen Kaufpreis» bezahlte. (S104)
Nicht zuletzt macht Haslebacher klar: Jesus ist der Friedefürst, der König: «Christus ist nicht der Nachname von Jesus, sondern sein Königstitel.» (S105). Die Auferstehung von Jesus sei die Bestätigung, dass Jesus «König der Welt» sei (S108). An die Königsherrschaft Jesu zu glauben könne sehr befreiend wirken, denn es bewahre sowohl vor Allmachtsfantasien als auch vor Minderwertigkeitsgedanken. (S105)
Anregende Lektüre zum Weiterdenken.
Dieses Buch kann für unterschiedliche Personengruppen interessant sein. Zum einen ist das Buch abwechslungsreich und verständlich geschrieben. Mit etwas über 100 Seiten ist das Buch im Umfang überschaubar, was in diesem Fall ein Qualitätsmerkmal ist. Die sieben Kapitel eigenen sich von der Länge her zur Bearbeitung in Hauskreisen und Gesprächsgruppen, am Ende der Kapitel gibt es immer interessante Fragen als Gesprächsanregung. Das Buch ist auch ein schönes Geschenk für Menschen, welche sich für den Glauben interessieren oder denen man Glaubensgrundlagen näherbringen möchte (z.B. Konfirmation). Die Homepage des Autors weist Staffelpreise aus.
Herausgestellt werden muss sicher das offensichtliche Anliegen, dem post-christlichen Menschen grundlegende biblische Konzepte so näherzubringen, dass sie für ihn nachvollziehbar und verständlich werden. Dieses Anliegen macht das Buch auch interessant für Pastoren oder kirchliche Leitungspersonen, welche in ihrem eigenen Dienst mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert sind. Sie werden sich die Frage stellen: Wie macht das Christian Haslebacher?
Die Argumentation dieses Buches nimmt, so meine Wahrnehmung, die dem Menschen innewohnende und von Gott geschenkte Würde als Ausgangspunkt, um dem Leser wichtige Evangeliums-Aspekte näherzubringen. Sünde ist dann beispielsweise das, was «unter unserer Würde» als wertvolle Geschöpfe Gottes ist. Das Sünde nicht nur ein zwischenmenschliches Ereignis ist, sondern eben auch ein Vergehen gegen Gott, den Schöpfer, leuchtet in diesem Narrativ ebenfalls erstaunlich gut ein.
Fachmännisch ‘deformierte’ Mensch – spricht Theologen wie ich – werden natürlich da oder dort Rückfragen an einzelne Inhalte haben oder sich andere Schwerpunktsetzungen wünschen. Mit den Wörtern ‘Liebe’, ‘Würde’, ‘Versöhnung’, ‘Zuversicht’, ‘Wirksamkeit’ stellt Haslebacher fünf sehr positiv konnotierte Worte in den Mittelpunkt seines Buches. Das kann man gut finden oder in Frage stellen. Diese Begriffe sind wohl auch für den Autoren keine abschliessende Liste, sondern diejenigen, die sich für ihn als wichtig herausgeschält haben. Ich zum Beispiel habe beim Lesen stets darauf gewartet, dass irgendwann die Geschichte von den ‘bösen Weingärtnern’ (Mt 21: 33–46) als ‘Fürstengeschichte’ am Anfang eines Kapitels auftauchen würde, weil sie so gut den Aspekt der menschlichen Rebellion gegen den ‘Fürsten’ dokumentiert. Nun – die Geschichte ist nicht gekommen. Aber jemand anderes vermisst am Ende eines so kompakten Buches vielleicht nochmals etwas anderes. Ich denke, dass solche Wahrnehmungen Möglichkeiten für einen konstruktiven und interessanten weiteren Diskurs aufzeigen.
Leitungspersönlichkeiten unserer Tage, welche das Evangelium gesellschaftlich anschlussfähig kommunizieren möchten, neigen manchmal dazu dies zu tun, indem sie gewisse in der Bibel fest verankerten Lehren ‘ausrangieren’. Ein beliebtes ‘Entsorgungsobjekt’ ist zum Beispiel die klassische christliche Sühnelehre – leider! Ebenfalls beliebt ist das Reframing von Jesus Christus als ‘Guru’ oder beeindruckenden moralischen Lehrer — unter Preisgabe seines Königstitels. Auch das ist bedauerlich. Doch Christian Haslebacher kann man nicht vorwerfen, er würde die Auseinandersetzung mit den ‘schwierigen’ biblischen Themen scheuen. Im Gegenteil – er möchte ein gewinnendes Bild des christlichen Glaubens zeichnen, ohne theologischen Revisionismus zu betreiben. Und gerade in dieser Hinsicht kann das Buch Schule machen. Die Bedeutung des Blutvergiessens am Kreuz wird dem Leser erklärt – nicht wegerklärt. Das populäre Bild von Jesus als ‘gutem Morallehrer’ muss hintenanstehen zugunsten des biblischen Bildes der Königsherrschaft Jesu Christi, welches ein zentrales Motiv des Buches ist.
Persönlich herausgefordert hat mich das Buch aber noch auf einer anderen Ebene. Eines der wesentlichen Merkmale des Buches ist die Entschlossenheit des Autors zu einem Leben in Zuversicht, trotz den Herausforderungen unserer Zeit. Die Frage, ob das Zwielicht in unserer Welt das ‘Anbrechen eines neuen Tages’ oder der ‘Beginn einer dunklen Nacht’ bedeutet, würde der Autor wohl mit ersterem beantworten. Mir persönlich fällt es nicht immer leicht, diese hoffnungsvolle Perspektive zu teilen, aber ich möchte mich von ihr herausfordern lassen. Denn die biblische Botschaft ist und bleibt eine unglaublich hoffnungsvolle.
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