Raus aus den Höhlen der Angst

Lesezeit: 6 Minuten
Lesezeit: 6 Minuten

by Peter Bruderer | 29. Dez. 2019 | 3 comments

“Mal sehen was unser grossar­tiger Gott so alles vorhat”- schreibt ein guter Fre­und meinem Brud­er Paul und mir vor eini­gen Tagen. Ja — was hat Gott wohl vor? Ein Jahr, ja ein ganzes Jahrzehnt neigt sich dem Ende zu. Wir bilanzieren und resümieren — und wir spekulieren auf die von uns erhoffte oder befürchtete Zukun­ft. Wer sein Ver­trauen auf Gott set­zt, der hat allen Grund für einen pos­i­tiv­en Blick in die Zukun­ft und darf sich auf das eine oder andere Aben­teuer freuen.

Ich bin kein beson­ders mutiger Men­sch. Es fällt mir oft schw­er, Entschei­dun­gen zu tre­f­fen. Meine schw­er­mütige Seite lässt mich manch­mal lieber untätig sein als aktiv, lässt mich lieber grü­beln anstatt die Ini­tia­tive zu ergreifen. Darum bin ich Gott dankbar, dass ich als Tee­nie Zuver­sicht find­en durfte durch sein ‘Ja’ zu mir. Und in der Ein­samkeit mein­er Jugend, während meine besten Fre­unde sich von Gott abwandten, wurde Gott mein Gesprächspart­ner und meine Zuflucht.

Anschliessend ergaben sich erstaunliche Aben­teuer für Einen, der Mut oft in anderen Men­schen gese­hen, aber kaum in sich sel­ber gefun­den hat. Vor 20 Jahren durfte ich einen erweck­lichen Auf­bruch unter der Jugend mein­er Region miter­leben und mit­gestal­ten. Die Godi-Jugen­dar­beit in Frauen­feld war eine Reak­tion auf eine Not­si­t­u­a­tion und Jahre des zahlen­mäs­si­gen Rück­gangs der christlichen Jugend­grup­pen in der Region. Diese Jugend-Basis­be­we­gung war keine auf dem Reiss­brett von Kirchen­strate­gen ent­wor­fene Sache. Wir waren gän­zlich unvor­bere­it­et. Das Wach­s­tum war explo­sion­sar­tig. Die Leitun­gen und Pas­toren unser­er Kirchen waren mehr oder weniger über­fordert. Wir als Ini­tia­toren waren es eigentlich auch. Aber wir hat­ten Gott auf unser­er Seite und die Zuver­sicht war grenzenlos.

Auch wenn die dama­lige Jugend­be­we­gung ihr Ende fand, haben die vie­len Erleb­nisse von damals mich geprägt. Ich sel­ber durfte damals schmeck­en, was es heisst, mit Gott etwas zu wagen und sein Wirken und Ein­greifen zu erleben: Erstaunlich­es kann geschehen, wenn Men­schen sich im Ver­trauen und in der Hoff­nung auf Gottes Wirken auf­machen. Kön­nte in den näch­sten Jahren etwas Ähn­lich­es geschehen? Wer weiss! Dazu etwas Inspi­ra­tion von ein­er der Geschicht­en der Bibel, welche uns damals begeis­tert hat und uns vom ein­gangs erwäh­n­ten Fre­und vor weni­gen Wochen zuge­spielt wurde.


Pho­to: iStock

Mut, im Wissen um Gottes Möglichkeiten.

Die Geschichte, die uns damals als ‘junge Wilde’ begeis­tert hat, ist die Geschichte von Jonathan und seinem Waf­fen­träger (1.Sam 14:1–23). Kein Wun­der! Jonathan verkör­pert in dieser Geschichte per­fekt die — sagen wir es mal fre­undlich — grosse Eigenini­tia­tive, welche auch unsere dynamis­che Jugen­dar­beit kennze­ich­nete. Ohne Rück­sprache mit seinem Vater Saul, immer­hin der Ober­be­fehlshaber der Armee, geht er auf seinen eige­nen kleinen Feldzug gegen den Feind seines Volkes: die Philister.

Die Philis­ter. Das waren die über­mächti­gen Feinde des Volkes Israel und wohl mit ein Grund, warum die Stämme Israels einen König woll­ten. In der Hoff­nung auf einen men­schlichen Anführer, der das Volk im Kampf gegen die Feinde Israels einen kön­nte, wurde Saul zum ersten König über die Stämme Israels gesalbt (1.Sam 10:1). Doch die Über­legen­heit der Philis­ter ist erdrück­end. Sie kön­nen im Gegen­satz zu den Israeliten aus befes­tigten Städten her­aus operieren. Sowohl in Aus­rüs­tung als auch in Per­so­nen­zahlen sind sie den Trup­pen Sauls weit über­legen (1.Sam 13:5). Ihr Monopol auf Eisen­ver­ar­beitung hat­ten die Philis­ter geschickt genutzt, um den Israeliten eine Bewaffnung zu erschw­eren und sich an ihnen auch noch zu bere­ich­ern (1.Sam 13:19–22).

Der Kampftruppe Sauls man­gelt es an Organ­i­sa­tion, Erfahrung und brauch­baren Waf­fen. Vor allem aber man­gelt es dieser Truppe an Moral. Während die Philis­ter sich auf dem Vor­marsch befind­en (1.Sam 13:17–18) und strate­gis­che Posi­tio­nen ein­nehmen (1. Sam 13:23) scheint sich die Kampftruppe um Saul zunehmend zu ver­flüchti­gen. Dre­itausend hat­ten sich ihm ihn den Dienst gestellt (1.Sam 13:2), nun ste­hen ihm noch sechs­hun­dert Mann als Kampftruppe zur Seite (1.Sam 14:2). Das Volk hat sich nach ersten Offen­siv­en der Phillis­ter entwed­er in die ‘Höhlen und Klüfte und Felsen und Gewölbe’ verkrochen oder sich auf die ‘bessere Seite der Geschichte’ geschla­gen — und ist zu den über­mächti­gen Philis­tern überge­laufen (1.Sam 13:6–7).

Wie erfrischend ist da das mutige Han­deln von Jonathan und seinem Waf­fen­träger! Allen Umstän­den zum Trotz ergreift Jonathan die Ini­tia­tive und durch­bricht damit die Angst­starre von Volk und König:

“Komm, lass uns zu dem Posten dieser Unbeschnit­te­nen hinüberge­hen! Vielle­icht wird der HERR durch uns wirken; denn es ist dem HERRN nicht schw­er, durch viele oder durch wenige zu ret­ten!” (1.Sam 14:6)

Wom­öglich hat Jonathan bei der erst kür­zlich erfol­gten Stab­süber­gabe Samuels an seinen Vater Saul bess­er zuge­hört als dieser. Denn diese feier­liche Gele­gen­heit hat­te der altge­di­ente Prophet weniger genutzt um dem ersten König Israels den Rück­en zu stärken, als um dem Volk noch ein­mal das viel Wesentlichere klarzu­machen: nicht von einem irdis­chen König hat­ten sie ihre Hil­fe let­ztlich zu erwarten, son­dern vom himm­lis­chen König:

Nur fürchtet den HERRN und dient ihm treu von ganzem Herzen; denn seht doch, wie große Dinge er an euch getan hat. (1.Sam 12:24)

Wenn der HERR in der Ver­gan­gen­heit Men­schen wie Mose und Aaron als seine Hil­fe fürs Volk Israel geschickt hat­te (1.Sam 12:8), warum kön­nte er dann nicht ihn, Jonathan, für seine ret­ten­den Pläne ver­wen­den? Der Mut von Jonathan, sich der Real­ität der Bedro­hung des Volk Israels zu stellen, liegt darin begrün­det, dass er um Gott und seine Möglichkeit­en weiss. Dieser Gott kann auch ‘durch Wenige’ helfen. Und so ger­at­en Jonathan und sein Waf­fen­träger ins Aben­teuer ihres Lebens und erleben, wie von ihnen aus­ge­hend die ganze Dynamik der Kon­fronta­tion zwis­chen Israeliten und Philis­tern eine andere Rich­tung nimmt. Ja, Gott hat darauf gewartet dass ein­er auf­ste­ht für die Ehre des Höch­sten. Und mit Diesem ste­ht er sel­ber auch auf und greift mit seinen über­natür­lichen Mit­teln ein (1.Sam 14:15).


Pho­to: iStock

Gottes Alternative zu Rückzug und Anpassung.

Was für eine Inspi­ra­tion ist der Mut von Jonathan und seinem Waf­fen­träger! Kein Wun­der hat seine Geschichte uns damals vor 20 Jahren motiviert. Damals war unser jugendlich­er Auf­bruch ein Ruf aus den ‘Höhlen’ unser­er Jugend­grup­pen-Keller her­vorzukom­men und Gott in aller Öffentlichkeit mit einem Jugend­gottes­di­enst zu bekennen.

Aber auch heute inspiri­ert mich diese Geschichte von Jonathan. Denn sie zeigt beispiel­haft die drei Möglichkeit­en eines Volkes Gottes, welch­es durch eine ihr ‘feindlich’ gesin­nte Kul­tur her­aus­ge­fordert wird.

Wie damals viele Israeliten (1.Sam 13:6) wählen manche Chris­ten in unseren Tagen eine Strate­gie des ‘Rück­zugs in die Höhlen’ und ver­suchen den aktuellen kul­turellen Sturm der Säku­lar­isierung und Neo-Pagan­isierung in ihrem Ver­steck auszusitzen. Diese Strate­gie set­zt darauf, jeglichen Kon­takt mit der Bedro­hung zu ver­mei­den. Irgend­wann — so scheint die Hoff­nung zu sein — wird der Sturm vorüberziehen und ein besser­er Tag kommen.

Aber auch das Andere lässt sich in zunehmen­dem Mass fest­stellen: dass Chris­ten in der Hoff­nung “auf der richti­gen Seite der Geschichte zu ste­hen”, mit ein­stim­men in die lautesten Sprechchöre unser­er Zeit. Genau­so haben manche Israeliten zu Zeit­en von Jonathan sich auf die Seite der Philis­ter geschla­gen, wohl in ‘weis­er Voraus­sicht’ des zu erwartenden Aus­gangs (1.Sam 13:6). Viele Chris­ten, die sich heute ‘pro­gres­siv’ nen­nen, meinen damit fak­tisch eine Strate­gie der nahezu beliebi­gen Anpas­sung an die dom­i­nante Gegen­wart­skul­tur. Diese Strate­gie des Über­lebens durch Anpas­sung bringt die Pro­tag­o­nis­ten aber let­ztlich in Kon­flikt mit Gott sel­ber, der für sein Volk kämpft.

Es gibt aber auch die dritte Option. Das ist die des muti­gen Auf­ste­hens für den HERRN, für seine Ehre, seine Werte. Diese Werte sind let­z­tendlich jen­seits von kon­ser­v­a­tiv oder pro­gres­siv. Sie sind, wie Alisa Childers es in einem unser­er let­zten Artikel for­muliert hat, ewig. Und so heisst Treue zu Gott (1.Sam 12:24) auch nicht Rück­zug oder Anpas­sung, son­dern beherztes Ein­ste­hen für diese Werte. Die Strate­gie ist mit Risiko ver­bun­den. Man zeigt sich, macht sich angreif­bar. Aber es gibt auch Aben­teuer, die Zusage der Gegen­wart Gottes und die begrün­dete Hoff­nung auf sein Eingreifen.

Diese dritte Strate­gie braucht nicht die beson­ders Muti­gen. Sie braucht nur Men­schen, die im Ver­trauen zu Gott einen Schritt ins Ungewisse machen und dabei ihre Hoff­nung auf ihn set­zen. Es braucht für diese Strate­gie die ‘Esel’ der Bileam-Geschichte.

Genau deshalb gibt es auch unseren Blog, die Daniel Option. Auch im kom­menden Jahr möcht­en wir diese Men­tal­ität weit­er beschreiben, welche Jonathan und seinen Leib­wächter, oder eben auch Daniel und seine Fre­unde, gekennze­ich­net hat.


Pho­to: iStock

Wo versteckst du dich?

“So half der HERR Israel an jen­em Tage.” (1.Sam 14:23), stellt der Chro­nist des 1. Samuel-Buch­es am Schluss der Erzäh­lung fest. Und ein klein­er aber nicht unwesentlich­er Teil dieser Hil­fe waren zwei junge mutige Män­ner: Jonathan und sein Waf­fen­träger. Ihr Ein­satz stand am Anfang eines bemerkenswerten Turn­arounds in der Geschichte des Volkes Gottes. Ihr Mut nötigte schlussendlich auch den von Angst gelähmten König Saul zum Han­deln (1Sam 14:20) und lock­te das Volk Gottes aus seinen falschen Ver­steck­en (1.Sam 14:21–22).

Ich muss es mir sel­ber sagen: Um es in die Geschichts­büch­er Gottes zu schaf­fen muss man wed­er beson­ders mutig ver­an­lagt sein, noch beson­ders aus­gerüstet sein. Man muss nicht an die eigene Grösse glauben son­dern an einen grossen Gott:

Nur fürchtet den HERRN und dient ihm treu von ganzem Herzen; denn seht doch, wie große Dinge er an euch getan hat. (1Sam 12:24)

Ich fordere dich und mich her­aus: Lass uns als Chris­ten neu aus unseren wie auch immer geart­eten Höhlen und Ver­steck­en her­vorkom­men. Lass uns zurück­kehren aus unser­er Kon­spir­a­tion mit dem Geg­n­er. Lass uns neu auf­ste­hen ohne uns für unseren Gott zu schä­men. Schliessen wir uns der Rebel­lion des muti­gen Vetrauens in Gott und seine Möglichkeit­en an! Falsche Kom­pro­misse sind da genau­so wenig am Platz wie falsche Über­he­blichkeit. Ich bin mir sich­er: wir wer­den zurückschauen und sagen:

“So hat der Herr uns an jen­em Tag geholfen”

Ich wün­sche dir zusam­men mit dem Team von Daniel Option ein mutiges 2020. Gebor­gen in der Zuflucht die wir bei Gott find­en. Getra­gen von der Zuver­sicht welche auf seine Möglichkeit­en setzt.

Artikel als PDF herunterladen

Über den Kanal

Peter Bruderer

Peter Bruderer, Jahrgang 1974, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, seit 1986 in der Schweiz. 1998 war Peter Gründungsmitglied der erwecklichen 'Godi'-Jugendarbeit in Frauenfeld, welche er bis 2013 prägte. Heute arbeitet er als Projektleiter im kirchlichen und gemeinnützigen Bereich. Ein zweites Standbein ist die Arbeit als Architekt. Peter lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

Werde Teil der Diskussion

Kommentare zu diesen Beitrag

3 Comments

  1. Daniel Kleger

    Sehr her­aus­fordernd, ich möchte auch in diesem Jahr zum Jonathan werden. 

    Danke für all eure Arbeit

    Reply
  2. Peter Bruderer

    Danke. liebe Reg­u­la, für deine guten Ergänzungen.
    Ja bei aller Eigenin­ni­tia­tive wollte sich Jonathan auch von Gott leit­en lassen. Wir soll­ten nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen, aber mutig los­ge­hen und die Türen durch­schre­it­en, die Gott dabei auftut.
    Die Bibel scheint mir voller Biografien von Men­schen, welche so einen wesentlichen Unter­schied gemacht haben: Josua, Kaleb, David vor Goliath, Esther, Nehemia…
    Einen geseg­n­teten Start ins neue Jahr wün­sche ich Dir!
    Peti

    Reply
  3. Regula Lehmann

    Span­nend, dass Ihr genau diese Geschichte hier bringt. Unser Pas­tor hielt dazu kür­zlich eine Predigt.
    meine Kurzfassung:
    — man kann Wun­der pas­siv geschehen lassen
    — man kann ver­trauensvoll um Wun­der bitten
    — man kann Wun­der “provozieren”
    Provozieren in dem Sinn, dass man wie Jonathan los­ge­ht und etwas wagt, und dann auf Gottes Zeichen achtet.
    (In Jonathans Fall: Ganz hin­aufge­hen oder wieder umkehren ?)
    Ich möchte im neuen Jahr immer wieder mal bei denen sein, die Wun­der “provozieren”…

    Reply

Submit a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt weiterstöbern

Mehr Blogposts entdecken

Ein Pastor sollte auch Apologet sein

Ein Pastor sollte auch Apologet sein

WAS oder WARUM? Diese beiden Worte trennen meinen über 20-jährigen Dienst als Pastor in zwei Hälften. In den ersten 10 Jahren habe ich in Predigten und Seminaren vor allem erklärt, WAS der christliche Glaube sagt und möchte. Danach brach eine Zeit an,...