Wer die Geschichte von Bileam kennt, der tut dies oft nur noch aus dem Besuch der Sonntagsschule. So ist es mir jedenfalls ergangen, als mir diese alttestamentliche Geschichte vor einigen Monaten neu begegnet ist. Der eigentliche ‘Star’ in der Geschichte von Bileam ist ein Esel. DER berühmte sprechende Esel.
Die Geschichte von Bileam entführt uns in eine völlig andere Zeit als der unsrigen, und das eine oder andere mag auf den Leser befremdend wirken. Doch diese kuriose und vergessene Geschichte, diese Randnotiz in meiner biblischen Kindheitserinnerung, hat mich in den vergangenen Monaten bewegt wie schon lange keine Geschichte mehr.
Gott hat mir durch die Bileam-Geschichte den Spiegel vorgehalten und mich zu Busse und Umkehr gerufen. Durch sie ist mir der Vorhang zur Grösse und Treue Gottes neu geöffnet worden. Insbesondere habe ich auch neue und erstaunlich konkrete Einsichten zu einer Vielzahl aktueller ‘heisser Eisen’ bekommen wie der Ehe für alle, der interreligiösen Spiritualität, Sexualität, dem Zusammenspiel von göttlichem und menschlichem Willen, der Rolle des Wort Gottes für die Gemeinde und mehr.
Dieser Beitrag ist als dreiteilige Serie aufgebaut. Hier die weiteren zwei Teile:
Bileam (2/3) – Treuer Gott, untreues Volk
Bileam (3/3) – Botschaft für unsere Zeit
Ich bin durch eine Leseempfehlung meines mittlerweile 81-jährigen Vaters auf Bileam aufmerksam geworden. Wenn er mal redet, tut man gut daran hinzuhören. Ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
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Bileam – der zwiespältige Seher
Ich habe die Chance bekommen, in einer Kirche über Bileam zu predigen, was auf Video festgehalten worden ist.
Als Einstieg in die Predigt habe ich die Leute abstimmen lassen, was sie für ein Bild von diesem Propheten haben: Ob positiv, negativ oder neutral. Das Resultat war durchmischt, meistens kam ’neutral-positiv’. Doch ist Bileam wirklich ’neutral-positiv’?
Um ihn gut beurteilen zu können, lade ich dich auf die Spuren seiner Geschichte ein.
Die Ausgangslage: Das Volk Gottes kurz vor dem Ziel
Die Geschichte Bileams finden wir in folgenden Kapiteln der Bibel: Num 22:1–41, Num 23:1–30, Num 24:1–25.
Nach einer langen Wanderung durch die Wüste lagert sich das Volk Israel vor den Toren des verheissenen Landes auf dem Gebiet der Moabiter. Deren König Balak bekommt es angesichts des Gottesvolks, welches sich auf seinem Gebiet aufhält, mit der Angst zu tun. Ihm ist klar: Dieses Volk kann nur besiegt werden, wenn es gelingt, es von seinem Gott zu trennen.
Der offenbarte Wille Gottes: Das Volk Gottes ist gesegnet
Hier kommt nun Bileam ins Spiel. Balak schickt eine Delegation zu Bileam mit der Bitte mitzukommen, um das Volk Gottes zu verfluchen.
Bileam muss namhaft gewesen sein. Er wohnte in der Stadt Petar. Diese Stadt — so ein allgemeiner Konsens — befand sich am Euphrat ca. 800 km nördlich von Moab nahe der heutigen Grenze von Syrien zur Türkei. Bileam muss also DER Spezialist gewesen sein, wenn es um Eingriffe in die spirituellen Welten ging. Nur so ist es zu erklären, dass Balak von ihm gehört hat und bereit ist, ihn von so weit weg nach Moab kommen zu lassen.
Es wird aus der Geschichte klar, dass Bileam tatsächlich eine besondere Verbindung zu Gott hat. Nun soll diese spezielle Fähigkeit Bileams gegen das Volk Gottes eingesetzt werden.
Doch die Antwort, die Bileam von Gott beim Besuch der Abgesandten Balaks in der Nacht erhält, ist glasklar. Gott hat sein Volk gesegnet, und diesen Segen kann nichts und niemand wegnehmen:
«Geh nicht mit ihnen! Verfluche das Volk nicht, denn es ist gesegnet!» (Num 22.12).
Der Lockruf von Ehre, Einfluss und Geld
Bileam lehnt aufgrund dieser ersten Anweisung Gottes die Einladung Balaks ab und schickt die Boten zurück. Doch bereits in der Antwort an die Boten ist angedeutet, wie zwiespältig der Umgang Bileams mit der klaren Weisung Gottes in der weiteren Entwicklung der Geschichte sein wird:
«Geht hin in euer Land, denn der HERR hat mir die Erlaubnis verweigert, mit euch zu ziehen!» (Num 22:13).
Dies ist kein: «Ich will nicht mit euch ziehen, weil mein Gott es nicht will!». Eher ein: «Ich würde ja gerne mitkommen, aber mein Chef erlaubt es leider nicht».
Möglicherwiese haben die Boten diese feinen Nuancen aufgenommen. Auf jeden Fall erweist sich Balak als ein gewiefter Taktiker. Nur zu gut weiss er, wie er menschliche Schwächen ausnutzen kann, um an seine Ziele zu gelangen.
Balak schickt umgehend eine noch prominenter besetzte Delegation zu Bileam, welche ihn nochmals mit einem einmaligen Angebot des moabitischen Königs lockt:
«Lass dich doch nicht davon abhalten, zu mir zu kommen! Denn ich will dir große Ehre erweisen, und alles, was du mir sagst, das will ich tun.» (Num 22:16–17).
Ja, jeder hat seine Schwachstellen. Und Balak hatte diejenige von Bileam zielsicher ermittelt: Ehre, Ansehen, Einfluss. Und wie es im Neuen Testament angetönt wird wohl auch Geld (2 Petr 2:15–16). Man wird unweigerlich an die Versuchung Christi erinnert, welcher in der Wüste durch den Teufel versucht wird (Mt 4:9). Der Teufel kann uns sehr viel versprechen. Nur verschweigt er dabei den Preis: Den Verlust des Friedens im Herzen und den Verlust der Gemeinschaft mit Gott.
Wenn Gott Bileam nun bei dieser zweiten Anfrage mit der Delegation Balaks ziehen lässt (Num 22:20), so hat dies nichts damit zu tun, dass Gott seine Meinung in der Sache Israel geändert hätte. Es hat vielmehr damit zu tun, dass er Bileam hier schon in sein eigenes Gericht ziehen lässt, weil dieser nicht von ganzem Herzen gehorsam ist (vgl. Röm 1:28).
Bileam in der Darstellung von Rembrandt
Ein Mensch auf Abwegen
Der weitere Weg des Bileam zeigt nun auf beispielhafte Weise die Vorgänge im Leben eines Menschen, der sich vom offenbarten Willen Gottes abwendet.
Bileam verliert seine Sensibilität gegenüber Zeichen und Reden Gottes.
Den Engel des Herrn, der sich ihm in den Weg stellt, sieht er nicht. Ebenso versteht er die Signale seines Esels nicht, welcher den Engel sieht und dreimal versucht, diesem auszuweichen (Num 22:23–27).
Bileam scheint blind gegenüber den Zeichen Gottes geworden zu sein. Auch die deutlichste Warnung Gottes durch seinen Engel will er nicht wahrhaben. Dieser zeigt sich ihm nämlich schlussendlich und warnt ihn ausdrücklich vor einem Weg, der ihn ins Verderben führen wird (Num 22:32).
Die Ereignisse um den sprechenden Esel zeigen: Gott lässt Bileam nicht ohne Warnung ziehen, sondern geht ihm unter Einsatz von drastischen Mitteln nach. Darin zeigt sich seine Liebe und Fürsorge für ihn (vgl. Ez 34:11–12). Doch auch diese deutlichen Signale Gottes führen bei Bileam nur zu einer oberflächlichen Reue (Num 22:34), nicht aber zu einer Umkehr.
Bileam verliert innere Ruhe und Frieden.
Die Zeichen Gottes kann oder will Bileam nicht mehr verstehen. Dafür zeigt er alle Symptome eines Menschen, der im Herzen eigentlich weiss, dass er nicht auf dem richtigen Weg ist: Bileam verliert die Fassung und fängt an, sein Reittier zu schlagen (Num 22:23–27).
Schlaflosigkeit, Ungeduld, Nervosität, Unruhe, schlechte Laune, Verlust an Selbstbeherrschung – so viele Signale des Gewissens, die einen darauf hinweisen könnten, dass es im eigenen Leben etwas zu bereinigen gäbe, dass man auf dem ‘Holzweg’ ist. Glücklich ist, wer sich anders verhält als Bileam und diese Signale des Gewissens nicht unterdrückt, sondern mit Gottes Hilfe jene Schritte unternimmt, die eine echte Lösung bringen.
Bileam verliert seine Glaubwürdigkeit
Die Lichtgestalt Bileam kann nicht einmal mehr sein eigenes Reittier führen. Er verliert seine Selbstkontrolle und wird gewalttätig.
Der Mann mit dem Draht in die unsichtbare Welt muss sich von einem Esel aufzeigen lassen, was in der unsichtbaren Welt los ist. Sein Esel muss ihm zeigen, was vor ihm liegt. Schlussendlich muss Bileam seinem Esel sein unmögliches Verhalten erklären (Num 22:30)!
Wer sich Gott widersetzt und sich wie Bileam auf den falschen Weg macht, verliert letztlich auch vor der sichtbaren Welt seine Glaubwürdigkeit. Bileam wird in seiner Verblendung mit Torheit geschlagen (vgl 2Petr 2:16).
Bileam und Balak beim gemeinsamen Opfern. Illustration aus “Figures de la Bible”, Gerard Hoet (1648–1733), Publiziert durch P. de Hondt in The Hague, 1728.
Die Widersprüchlichkeit von Bileam
Letztendlich gelangt Bileam zum König Balak (Num 22:36). Die anschliessenden Kapitel 23 und 24 beschreiben die vergeblichen Versuche von Bileam und Balak, das Volk Gottes zu verfluchen.
Diese Versuche führen Bileam in einen massiven Interessenskonflikt. Man kann sich eben nicht einem heidnischen König zur Verfügung stellen, um Gottes Volk zu verfluchen und gleichzeitig auf Gott hören wollen. Für Bileam führt der Weg nun aber genau in diese tiefe Widersprüchlichkeit hinein.
Wir werden bei diesen Begebenheiten erinnert ans erste Gebot:
Du sollst keine anderen Götter neben mir haben! (Ex 20:3)
Unser Gehorsam, unser Dienst, unsere Liebe, unsere Treue sollen nur einem gelten. Das macht die Schrift ganz klar. Nur wer weiss, ‘wessen’ er ist, kann den Menschen um sich auch richtig dienen.
Im neuen Testament wird dafür das hilfreiche Bild eines Jochs verwendet. Auf der einen Seite wird davor gewarnt, sich unter ein ‘fremdes’ Joch zu stellen:
Zieht nicht in einem fremden Joch mit Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu schaffen? Und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? (2Kor 6:14).
Andererseits ermutigt Jesus Christus seine Nachfolger, sich unter sein gutes Joch zu begeben:
Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! (Mt 11:29)
Der schleichende Synkretismus von Bileam
Doch Bileam versucht wie so viele von uns das ‘sowohl als auch’. Und diese doppelte Abhängigkeit führt ihn zuerst auf die Höhe Baals (Num 22:41), benannt nach dem kanaanitischen Hauptgötzen. Dann geht es auf die Höhe Pisga (Num 23:14), dann auf den Berg Peor (Num 23:28), benannt nach einem weiteren kanaanitischen Götzen.
An diesen heidnischen Kultorten werden nun Altäre gebaut und gemeinsame Opfer dargebracht.
An diesen heidnischen Orten wird vergeblich versucht, Gott zu einer Verfluchung seines Volkes zu bewegen.
Der Weg von Bileam auf der Suche nach persönlichem Ruhm und Ansehen endet in der Verschmelzung seines Glaubens mit den heidnischen Kulten der Moabiter. Bileam gibt sich dem Synkretismus hin.
Diese Kompromisslösung bringt Bileam aber keineswegs die erhoffte Anerkennung. Vielmehr entsteht ein wachsender Erklärungsnotstand gegenüber seinem Auftraggeber, weil er nicht wie gewünscht ‘liefern’ kann. Es wird aus der Geschichte klar, wie wenig der Moabiter-König letztendlich für Bileam übrig hat. Bileam ist für Balak nur Mittel zum Zweck. Mit jedem missglückten Versuch, dem Volk Israel zu schaden, scheint sich die Verachtung zu verstärken, welche Balak für diesen ‘gespaltenen’ Bileam hat (Num 22:37; Num 23:11; Num 23:25; Num 24:10–11). Denn eigentlich ist Balak weder an Bileam noch an den Antworten Gottes interessiert, sondern einzig an seinem eigenen Ziel, dem Volk Israel Schaden zuzufügen.
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Gottes Treue gegenüber seinem Volk
Der zwiespältige Eindruck, den Bileam hinterlässt, wird jedoch überstrahlt durch die Klarheit Gottes. Der Versuch Bileams, Gottes Volk zu verfluchen, muss scheitern. Bei jedem Anlauf ist das Ergebnis dasselbe: Bileam muss das Volk Gottes segnen.
Auch wenn der Erklärungsnotstand von Bileam gegenüber Balak von Mal zu Mal grösser wird, schafft es Bileam doch nicht wirklich, Balak reinen Wein einzuschenken: Das Volk Gottes ist gesegnet und kein Opfer, kein noch so erlesener ‘Kraftort’ wird etwas daran ändern. Aus dem erwünschten Fluch wird ein dreifacher Segen.
Der letzte dieser Anläufe, das Volk Gottes zu verfluchen, ist von besonderer Bedeutung. Denn hier kommt aus dem Munde von Bileam eine der ältesten Weissagungen auf König David und auf Christus hin:
Ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel. Es wird die Schläfen Moabs zerschmettern und alle Söhne Seths zertrümmern. (Num 24:17)
Die Bedeutung dieser Weissagung zeigt sich auch in kirchengeschichtlichen Hinweisen. So finden wir zum Beispiel in der ältesten bekannten Mariendarstellung in den Katakomben Roms Bileam und den Stern:
Bileam zeigt auf den Stern über der Jungfrau Maria in den Katakomben von Priscilla, 2. Jh. n. Chr. (Bild: Wikimedia)
Gottes Bundestreue zu seinem Volk ist ein durchgehendes Thema im Alten Testament, sie gipfelt im Kommen von Jesus Christus und gilt uns als Gemeinde Jesu bis heute. Sie gilt uns auch in ‘Zeiten Bileams’, wenn Diener Gottes — aus welchen Motiven auch immer — den Schulterschluss mit den ‘Göttern unserer Zeit’ üben. Sie gilt, auch wenn Mächte und Gewalten uns schaden möchten.
Gott ist treu (1Th 5:24), er baut seine Gemeinde (Mt 16:18), niemand kann die Seinen aus seiner Hand reissen (Joh 10:27–28). An dieser unumstösslichen Wahrheit gilt es als Volk Gottes festzuhalten, gerade in Zeiten der Anfeindung.
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Dennoch eine positive Bilanz?
Könnte man nun also eine positive Bilanz über die Geschichte von Bileam ziehen? Es gibt einige Elemente, welche uns dazu bewegen könnten.
Auch wenn Gott alles andere als begeistert war, als sich Bileam auf den Weg Richtung Moab machte, hatte er ihn doch ziehen lassen, oder nicht?
Bileam war zudem ein bisschen gehorsam. Immerhin hatte er Gottes Anweisung befolgt, nur die Wahrheit Gottes zu reden.
War nicht auch ein dreifacher göttlicher Segen über dem Volk Gottes ausgesprochen worden?
Kam nicht aus dem Munde Bileams eine wichtige Prophetie auf Christus hin? (Num 24:17)
Am Schluss der Geschichte zog Bileam wieder von dannen (Num 25:25). Und alles, was er getan hatte, war, das Volk Israel zu segnen. So aus dem Bauch heraus könnte man doch den Daumen trotz allen Vorbehalten vorsichtig ’nach oben’ drehen, oder? Bileam scheint eine gute Figur zu sein, nicht?
Das Spannende an der Geschichte von Bileam ist, dass der Schluss nicht das Ende ist. Über diese für die meisten gänzlich unbekannte Fortsetzung der Geschichte schreibe ich im zweiten Teil dieser Serie.
Wer die Bileam-Botschaft in einer Predigt aufgearbeitet sehen möchte, kann dies hier tun:
Lieber Bruder in Christus…
Herzlichen Dank für die wertvolle super Predigt über Bileam.
Mein Mann und ich lasen heute diese Geschichte . Ich wunderte mich auch weshalb Gott einen Heiden auserwählte um sein Volk zu Segnen. Gott gab Bileam 3x die Chance sich ganz Gott hinzugeben,leider suchte er bei den Menschen Ansehen. Leider ist das doch gerade heute bei uns Christen auch der Fall.
Ja , wir wollen und sollen uns ganz dem Willen Gottes unterordnen. Danke 🙏🏻 der Herr Segne und behüte Sie.
Ihre Susanna Weber
Liebe Susanna
Vielen Dank für die Rückmeldung und Ermutigung.
Peter
Gerade gelesen
Danke!
Finde ich super dargestellt.
Frage mich nur ob eigentlich alle Tiere sprechen können… bin diesbezüglich jetzt total verunsichert. Darauf bist du hier kaum oder gar nicht eingegangen.
Viele Grüße, HW
Ich denke dieser Esel konnte sprechen, weil Gott ihm ‘den Mund öffnete’. Es muss als einzelnes übernatürliches Erreignis gedeutet werden. Herzlich, Peter