Multikulturelle Gemeinde persönlich erlebt!

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Wie erleben inter­na­tionale Men­schen die Bedeu­tung der mul­ti­kul­turellen Gemeinde? Ist es schwierig oder ein­fach, eine solche Kul­tur in den Gemein­den zu fördern? Sind sie über­haupt offen für Men­schen ander­er Rassen? In diesem Artikel erzählen Joy, Mile­na, Brigitte & Jim­my, Johannes und Kurt per­sön­lich aus ihrem Erleben und Denken!

In unserem Grund­satz-Artikel zeigen wir, dass in der Gemeinde von Jesus Men­schen aus jed­er Rasse willkom­men sind. In einem weit­eren Artikel zeigen wir auf, wie Gemein­de­bau in einem Mul­ti­kul­turellen Umfeld gelin­gen kann. Der mul­ti-kul­turelle Wesen­szug gehört zur DNA der christlichen Gemeinde und muss unbe­d­ingt gefördert und per­sön­lich erlebt wer­den! Geniesse in diesem Artikel die per­sön­lichen Berichte fol­gen­der Personen:

In zwei ergänzen­den Artikeln zeigen wir, wie Men­schen die Schön­heit der mul­ti­kul­turellen Gemeinde von Jesus erleben und wie Gemein­de­bau in einem Mul­ti­kul­turellen Umfeld gelin­gen kann.

Kurt Beut­ler ist Schweiz­er evan­ge­lis­ch­er The­ologe, mit ein­er Ägypterin ver­heiratet, Pas­tor, Ara­bist, Islamken­ner und Buchau­tor. Kurt hat erlebt, dass Hass zwis­chen Rassen über­wun­den wer­den kann.

Mile­na Šelem­ba ist Schweiz­erin und mit Dado aus Bosnien ver­heiratet, Pas­torin und Mut­ter. Mile­na weiss aus eigen­er Erfahrung, wie bere­ich­ernd und gle­ichzeit­ig her­aus­fordernd es ist, als aus­ländis­che Per­son in ein­er Gemeinde zu sein.

Ner­lande Joy Gbati aus Haiti, Sän­gerin und Mut­ter, ist als Schwarze in Frankre­ich bei Weis­sen aufgewach­sen. Nadou erlebt in der Inter­na­tionalen Kirche Thur­gau ein Stück Him­mel auf Erden.

Brigitte und Jim­my Fer­nan­dez kom­men aus der Schweiz und aus Bolivien. Brigitte hat Sozial­wis­senschaften und Jim­my Elek­trotech­nik studiert. Sie haben sich 2011 in Bolivien ken­nen­gel­ernt wo sie nach ihrer Hochzeit zusam­men gedi­ent haben. Sie wohnen seit 2018 in der schö­nen Schweiz und bauen hier an Gottes Reich. Sie erleben, wie sie als Aus­län­der durch Teil­nahme an ein­er lokalen Gemeinde in ihrem Glauben gewach­sen sind.

Kurt Beutler: Achtung, es wird scharf geschossen!

Kur­den, Chris­ten und Araber sollen im gle­ichen Heim leben, Tür an Tür, mit gemein­samer Küche und Toi­let­ten. Ist das möglich in der Schweiz, obwohl sie doch ger­ade wegen diesen Leuten ihre Heimat und geliebte Men­schen ver­loren haben? Seit hun­derten von Jahren gehen die Kriege zwis­chen ihnen weit­er und hören nicht mehr auf. Sie has­sen sich zutief­st, auch wenn sie bei jed­er Gele­gen­heit das Gegen­teil beteuern.

Ein Palästi­nenser träumt, dass er in die Ferien fliegt. Er sieht sich im Flugzeug sitzen und wun­dert sich, wohin es geht. Suchend richtet sich sein Blick nach oben. Da ent­deckt er plöt­zlich die weiss-blaue Flagge mit dem Stern in der Mitte. Nun wird ihm klar, dass er in ein­er Mas­chine der El-Al sitzt und nach Israel fliegt! Dabei fühlt er sich aber sehr wohl. Als er aufwacht, weint er vor Freude. Von da an ver­spürt er nicht mehr Hass, son­dern eine selt­same Liebe zum Volk der Juden.

Es ist ihm klar, dass nur Gott hin­ter diesem Traum steck­en kann. Doch seine Fre­unde ver­ste­hen seine Verän­derung nicht. Sie hat­ten keinen der­ar­ti­gen Traum und alle seine Ver­suche, Brück­en zu bauen, führen nur zu neuen Ver­let­zun­gen. Es ist keineswegs ein­fach, Vorurteile, gen­er­a­tio­nen­lan­gen Hass und geeit­erte Ver­let­zun­gen zu über­winden. Auch in der Kirche nicht. Wer sich nicht bewusst ist, auf was er sich da ein­lässt, wird tief ent­täuscht werden.

Es ist viel ein­fach­er, monokul­turelle Gemein­den zu bauen – Gemein­den mit nur ein­er Kul­tur. Dazu braucht man auch viel weniger Heili­gen Geist. Die Leute passen natür­licher­weise zusam­men und müssen sich auch nicht verän­dern. Die Ein­heit, die dabei entste­ht, ist aber eine ober­fläch­liche, weil es nur eine eth­nisch und kul­turell Ein­heit ist. Es ist keine geistliche, son­dern eine äusser­liche Scheinein­heit ohne Tief­gang. Die Leute kön­nen weit­er­hin die Vorurteile und den alten Hass in ihren Herzen pfle­gen und mit sich tra­gen. Sie kön­nen auch in die Kirche kom­men, ohne zu lieben.

Interkul­turelle Gemein­den kann man nur bauen, wenn man die Mörder­gruben in den Herzen aus­räuchert, und dies als grossen Erfolg feiern kann. Das ist schwierig. Es ist wohl eines der Prob­leme dieser Welt, die nur Jesus höch­st­per­sön­lich lösen kann. Nur durch die Liebe des Hei­lan­des kön­nen die Gräben zwis­chen den Völk­ern über­wun­den wer­den, denn er hat am Kreuz sein Leben sowohl für Iran­er als auch Afgha­nen, für Hutus wie auch Tut­sis, für Amerikan­er, aber auch Russen und für Ange­hörige aller indis­chen Kas­ten gegeben. Aber ehrlich gesagt: Es gibt Leute, die sich nie darauf ein­lassen, auch wenn sie gläu­big wer­den. Automa­tisch läuft das nir­gends ab. Es braucht enorme Seel­sorge- und Verge­bungsar­beit, um die Ver­ach­tung und den Hochmut der Völk­er gegeneinan­der zu über­winden. Doch die Chance ist da. Wer es tut, der ist wirk­lich Salz für diese Erde und tut etwas, was die Welt verän­dert. Und wenn wir alle mit Chris­tus gekreuzigt sind, so gibt es keine gravieren­den kul­turellen Unter­schiede mehr.

Vor dem Thron Gottes wer­den dere­inst Men­schen aus allen Völk­er ste­hen. Kein­er bess­er als der andere, denn sie sind alle erlöste Sün­der, und kön­nen dort nicht ste­hen, weil sie Schweiz­er sind oder aus nobler Fam­i­lie stam­men, son­dern weil sie durch das kost­bare Blut Jesu erkauft sind. Sie alle wer­den sich zu Boden wer­fen vor dem Lamm, das sie gerettet hat. Wenn in unseren heuti­gen Gemein­den ein Stück davon erlebt und sicht­bar wer­den darf, ist das ein Vorgeschmack auf Himmel!

Milena Šelemba: Nach Bosnien und zurück

Schon die Anfänge der ersten Gemeinde sind mul­ti-eth­nisch. In Apos­telgeschichte 2 lesen wir davon, dass die zurück­ge­bliebe­nen Jünger Jesu mit dem Heili­gen Geist erfüllt wur­den und anfin­gen in Sprachen zu reden, so dass die anwe­senden Fes­t­be­such­er, die aus den ver­schieden­sten Län­dern angereist waren (in den Versen 8 – 12 lesen wir davon), ihre eigene Sprache hörten. Gottes Ziel mit der neuen Gemeinde war von Beginn weg, alle Natio­nen zu erre­ichen. In Apos­telgeschichte 1,8 lesen wir: «Ihr werdet die Kraft des heili­gen Geistes emp­fan­gen, der auf euch kom­men wird, und werdet meine Zeu­gen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.» In Apos­telgeschichte 8 wird dieser Vers bere­its Real­ität: Die Ver­fol­gung set­zt ein und die Gemeinde in Jerusalem zer­streut sich. Später begin­nen die Mis­sion­sreisen von Paulus – und das zu ein­er Zeit, wo Reisen weitaus beschw­er­lich­er war als für uns heute!

Wir erleben heute eine Gegen­be­we­gung wie noch nie zuvor – eine regel­rechte Völk­er­wan­derung, die zur Folge hat, dass die Men­schen ander­er Kul­turen direkt vor unser­er Haustüre leben. Natür­lich bringt das viele Prob­leme mit sich und die Entwick­lung an und für sich ist extrem schwierig. Trotz­dem sehe ich, als ein Men­sch, den andere Kul­turen faszinieren, grosse Chan­cen in unser­er Zeit, nicht nur für die Men­schen, die zu uns kom­men, son­dern auch für uns als Chris­ten und Gemeinden.

Die grund­sät­zliche Frage, die sich dabei wohl stellt, ist die Frage: Was lösen Men­schen aus anderen eth­nis­chen Hin­ter­grün­den und Reli­gio­nen bei uns aus? Machen sie uns Angst, weil wir ihr Denken, ihre Tra­di­tio­nen, ja ihre ganze Art zu leben nicht ver­ste­hen? Kön­nte es vielle­icht sog­ar sein, dass es ihnen im Blick auf ihre Gastkul­tur ähn­lich geht und dass wir genau darum Schritte auf sie zutun müssen, damit sie hier Fuss fassen, die Kul­tur ver­ste­hen und sich let­ztlich inte­gri­eren können?

Als ich vor mehr als 11 Jahren nach Bosnien-Herze­gow­ina zog, in die Heimat meines Mannes, fühlte ich mich zuerst ein­fach mal fremd. Auf den ersten Blick schienen die kul­turellen Unter­schiede gar nicht so gross zu sein, aber ich wurde schnell eines Besseren belehrt und die Her­aus­forderun­gen began­nen. Ich war wohl noch nie zuvor in meinem Leben, so sehr mit mein­er Iden­tität als Schweiz­erin kon­fron­tiert, wie in den ersten Monat­en in mein­er neuen Heimat. Das betraf mein ganzes Sein: meine Wahrnehmung der Dinge, mein Denken und Fühlen, meine Beurteilun­gen, auch mein geistlich­es Denksys­tem. Ich war plöt­zlich auf mich sel­ber zurück­ge­wor­fen und musste mich mit meinen Werten auseinan­der­set­zen: Was ist für mich richtig? Warum ist es das? Woher kommt meine Beurteilung eigentlich?

In dieser Zeit wäre es am ein­fach­sten gewe­sen, mich zurück­zuziehen, aber ich war froh um Ein­heimis­che, die Zeit mit mir ver­bracht­en, die mir halfen, die Sprache zu üben, die mir Sit­u­a­tio­nen erk­lärten und mir halfen, Dinge einzuord­nen. Es war ein langer Weg zum Punkt – nicht nur im Kopf, son­dern auch im Herzen – an dem ich sagen kon­nte: «Ja, man kann es auch anders machen. Und: Auch anders ist gut!» Und damit ist der Weg noch nicht zu Ende, son­dern er führt weit­er zum Punkt: Anders ist nicht nur gut, anders bere­ichert auch mein Leben, reisst neue Hor­i­zonte auf und hil­ft, manch­es ganz neu zu ver­ste­hen – ger­ade auch im Blick auf Gottes Reich, auf die Gemeinde.

Warum tun wir, was wir tun, so wie wir es tun? Das wurde für mich zur zen­tralen Frage. Wei­h­nacht­en liegt ger­ade hin­ter uns. Die let­zten 11 Jahre lebten wir als Fam­i­lie in ein­er ethisch und kul­turell sehr gemis­cht­en Kul­tur. Auf den Kon­flikt, der diesen Kul­turen zugrunde liegt, will ich gar nicht einge­hen. Aber eine Kon­se­quenz dieses Kul­turengemis­ches war, dass Wei­h­nacht­en, Ostern und auch typ­isch christliche Sym­bole wie das Kreuz in unsern Gemein­den gar nicht vorka­men – ein­er­seits weil das ehe­mals kom­mu­nis­tis­che Land diese Tra­di­tio­nen gar nicht ken­nt, ander­er­seits auch aus Rück­sicht­nahme gegenüber den­jeni­gen, die aus mus­lim­is­chem Hin­ter­grund stam­men und mit diesen Sym­bol­en, Krieg, Mord und Hass verbinden – Fol­gen eines Krieges im Namen der Religionen.

Als Fam­i­lie erlebten wir 2019 zum ersten Mal die Wei­h­nacht­szeit in der Schweiz mit all ihren Bräuchen und Tra­di­tio­nen, auch in unsern Gemein­den, die wir oft nicht hin­ter­fra­gen. Aber mein Mann hin­ter­fragt, ist kri­tisch, will wis­sen, was dahin­ter­ste­ht! Er geht näm­lich zur Zeit ger­ade durch die Phase, die ich in mein­er Anfangszeit in Bosnien-Herzeg­woina erlebt habe. Und er hin­ter­fragt, wie ich finde zurecht! Das ist nicht immer ein­fach, weil wir Schweiz­er uns ange­grif­f­en fühlen, aber es zwingt uns dazu, her­auszufind­en, wo wir tat­säch­lich Jesuskul­tur leben und nicht ein­fach Tradition.

Unsere tra­di­tionellen Gemein­den in der Schweiz sind kul­turell oft nicht sehr gemis­cht. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein und haben nicht zulet­zt damit zu tun, dass sich Kul­turen nicht so leicht miteinan­der verbinden und wir die oben beschriebe­nen Prozesse oft nicht bewusst durch­leben, son­dern bei uns sel­ber ste­hen­bleiben und dem, was uns richtig erscheint. Es hat sich­er auch damit zu tun, dass uns Fremdes Angst macht und damit, dass wir uns nicht gerne hin­ter­fra­gen lassen. Wer­den wir hin­ter­fragt, braucht es gute Antworten. Und ich behaupte: Sie fehlen uns oft. Das weiss ich aus eigen­er Erfahrung. Warum tun wir, was wir tun, so wie wir es tun? Die zen­trale Frage!

Um in unserem Land, in dem so viele Kul­turen behei­matet sind, rel­e­vant zu wer­den, müssen wir neugierig wer­den und uns öff­nen für das, was wir nicht ken­nen. Per­sön­lich habe ich so viel Hor­i­zon­ter­weiterung erlebt und Impulse bekom­men durch Chris­ten ander­er Kul­turen, die ihren Glauben anders leben, deren Anbe­tung anders geschieht als meine. Plöt­zlich ist im Lobpreis nicht mehr wichtig, ob ein Lied alt oder neu ist, ob der Text englisch oder deutsch ist und ich mitsin­gen kann oder nicht, wenn ich miter­lebe, wie durch ein Lied in Urdu, Gottes Gegen­wart plöt­zlich den Raum füllt und ich mich hinein­nehmen lasse, obwohl ich kein Wort ver­ste­he und der Melodie über­haupt nicht fol­gen kann. Dabei geht es nicht in erster Lin­ie darum, dass sich die Men­schen aus andern Kul­turen unser­er Kul­tur anpassen, son­dern dass wir voneinan­der ler­nen und gemein­sam neue Wege beschre­it­en. Geistliche und per­sön­liche Hor­i­zon­ter­weiterung durch das Miteinan­der unter­schiedlich­er Kul­turen – das wün­sche ich mir für unsere Gemeinden.

Nerlande Joy Gbati: Die internationale Gemeinde gab mir Heimat

Ich wurde in Haiti geboren, mit acht Jahren in Frankre­ich adop­tiert und bin schwarz­er Haut­farbe. Mein Vor­name lautet Ner­lande, der Herr taufte mich auf den Namen Joy.

Mit meinen Eltern, die sich selb­st als Athe­is­ten beze­ich­neten, war es schwierig, über meinen Glauben zu reden. Das Zusam­men­sein mit mein­er Gross­mut­ter habe ich immer sehr genossen. Sie kan­nte Gott und sprach mit mir über die Bibel, trotz der Ein­stel­lung mein­er Eltern. Ich wollte, dass meine Eltern die Liebe, die ich zu meinem himm­lis­chen Vater habe, ver­ste­hen und an ihr teil­haben, denn Gottes Absicht ist es, das Evan­geli­um allen Natio­nen, Gläu­bi­gen und Nicht­gläu­bi­gen zu brin­gen. Er ist eine Quelle der Hoff­nung für alle. Und ich wollte, dass meine Eltern gerettet wer­den. Schliesslich benutzte Gott mich eines Tages, um mein­er Mut­ter die fro­he Botschaft des Evan­geli­ums mitzuteilen. Was ich damit meine, wird in Apos­telgeschichte 11, 1–24 genauer ver­an­schaulicht. Wir sind dazu aufgerufen, uns unter der Führung von Jesus, unserem einzi­gen Hirten, zu vere­inen. Er ist unsere einzige Möglichkeit zur Erlösung.

Gottes Schöp­fung ist voller Far­ben und Kon­trasten, mit vie­len ver­schiede­nen Pflanzen, Land­schaften und Tieren. Ich glaube, die Men­schheit wurde auf die gle­iche Weise erschaf­fen mit unter­schiedlichen Per­sön­lichkeit­en und Charak­teren, Werten, Kul­turen … und durch den Heili­gen Geist mit vie­len ver­schiede­nen Sprachen. In jed­er Nation sind die Men­schen in der Lage, zu lehren und zu ler­nen und das Wort Gottes in ihrer eige­nen Sprache zu ver­ste­hen. Als ich aufwuchs und von Weis­sen erzo­gen wurde, fiel es mir schw­er, die Tat­sache zu würdi­gen und mich damit abzufind­en, dass ich in ein­er „weis­sen Welt“ schwarz war und nie­mand so aus­sah wie ich. Damals fragte ich meine Mut­ter: „Wenn ich viel Milch trinke, werde ich dann weiss sein wie du?“ Sie lachte und sah dabei ein wenig ver­wirrt aus. Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass die Haut­farbe in mein­er ‚geistlichen‘ Fam­i­lie keinen Unter­schied macht, denn Schwarze und Weisse sowie Men­schen aus Lateinameri­ka und sog­ar aus Asien sind in ihr vertreten.

Wir sehen alle unter­schiedlich aus und haben unter­schiedliche Lebens­geschicht­en, aber wir ver­ste­hen, dass wir alle gle­ich sind, ohne dass wir das genau erk­lären kön­nten. Ich bin mit einem afrikanis­chen Mann ver­heiratet. Und obwohl ich eine schwarze Frau bin, hat die franzö­sis­che Erziehung in mir manch­mal interkul­turelle Span­nun­gen zwis­chen uns her­vorgerufen, weil wir uns gegen­seit­ig nicht immer wirk­lich ver­standen haben. Aber Gott sei Dank war das bald vor­bei. Er ist auch ein Kind Gottes. In mein­er lokalen Gemeinde fühlte ich mich zu Beginn neugierig beobachtet, war ich doch eine von so weni­gen Schwarzen. Aber sie alle haben mich so her­zlich und ohne Vor­be­halte aufgenom­men, dass ich mich bald zu Hause fühlte, weil sie sich für mich inter­essieren und mir im Gegen­zug viel über die Kul­tur beib­rin­gen, in der ich lebe.

Ich glaube, dass wir alle, die wir Jesus als Haupt haben, die Gemeinde Gottes sind. Diese Kirche ist der Leib Christi, und wie eine gut geölte Mas­chine haben wir alle eine Auf­gabe zu erfüllen. Und es ist sehr wichtig, dass alle Natio­nen beteiligt sind, damit sich das Wort Gottes über­all ver­bre­it­et. Wenn ich in eine Ver­samm­lung gehe und dort eine Vielfalt von Kul­turen sehe und viele ver­schiedene Sprachen höre, berührt mich das sehr, da ich weiss, dass Gott dies so haben möchte. Diese interkul­turelle Gemein­schaft bringt Men­schen näher zusam­men und fördert Respekt, Tol­er­anz und Akzep­tanz. Es gibt so viele Dinge, die wir voneinan­der ler­nen kön­nen. Unab­hängig von unter­schiedlichen Hin­ter­grün­den sind wir eins. Ich empfehle Ungläu­bi­gen, sich den Film „Der König der Löwen“ („The Lion King“) anzuschauen und sie wer­den ver­ste­hen, was ich genau meine. Mit ein und dem­sel­ben Herzen, geleit­et von einem Geist, auf dem gle­ichen Weg zum Haus des Her­rn, erheben sich unsere Stim­men, um den einen und einzi­gen König zu preisen und anzu­beten, den wir alle ken­nen und gemein­sam haben. Diese Gemein­schaft ist so stark. Wir sprechen nicht dieselbe Sprache … aber in einem beson­deren Augen­blick ver­ste­hen wir uns alle gren­zen­los. Für einen winzi­gen Moment ist es mir egal, woher du kommst. Ich weiss nur, dass ich einen neuen Brud­er oder eine neue Schwest­er in Chris­tus habe und das ist wun­der­schön. In Gottes Augen sind wir alle von unschätzbarem Wert. Wir alle gehören ihm und sind seine Kinder. Seine Liebe und Tol­er­anz über­wiegen den Hass oder die Ablehnung dieser Welt, wie wir sie ken­nen. Seit mein­er Jugend hat­ten manche mein­er Mit­men­schen Vorurteile gegen mich. Sie ver­let­zten mich oder waren unfre­undlich, sei es wegen mein­er Herkun­ft, meines Ausse­hens oder wegen ihrer Angst, weil sie mich nicht kan­nten. Ich vergebe ihnen, da sie nicht wussten, dass Vielfalt der Wille Gottes ist. Wir sollen unter­schiedlich sein und wir sehen unter­schiedlich aus, um sein Kön­i­gre­ich zu bereichern.

Wir müssen unsere interkul­turellen Unter­schiede, die für sich genom­men ein Wun­der sind, acht­en und sie nutzen, um dem Her­rn zu dienen. Ich glaube nicht, dass in der Kirche die Farbe oder die Klei­dung der Men­schen oder ihre Art zu essen wichtig sind im Ver­gle­ich zur Rein­heit ihrer Herzen. Wir alle wer­den gestärkt, wenn wir uns vere­inen, um Gott anzu­beten. Wir sind alle unter­schiedlich, wie etwa ein Barn­abas oder Paulus, um unserem Meis­ter zu dienen. Für Gott sind wir eins, aber er liebt jedes einzelne sein­er Kinder gle­icher­massen. Kul­tur, Farbe, Tra­di­tion oder Sprachen – sie alle sind hoch zu schätzen und man braucht keine Angst vor ihnen zu haben. Die Men­schheit ist eine der Schöp­fun­gen Gottes und per­fekt gemacht, wie alles, was Er tut. Und wir alle sollen leben, um Seine Her­rlichkeit zu sehen.

Unsere Herzen schla­gen auf die gle­iche Art und Weise, und in unseren Kör­pern fliesst das gle­iche rote Blut. Wir verehren densel­ben Gott und unser let­ztes Ziel ist der Him­mel. Für mich ist kul­turelle Plu­ral­ität wie eine wun­der­schöne Lein­wand mit For­men, Far­ben, Geschicht­en und Kon­trasten, die von Gottes Hand geschaf­fen und sig­niert wurde. Ich bin stolz, ein Teil dieser Schöp­fung und in der Lage zu sein, mein­er neu gegrün­de­ten Fam­i­lie in Haiti oder Men­schen in der Schweiz die fro­he Botschaft Gottes zu über­brin­gen und ein­fach ein Kind Gottes zu sein.

Brigitte und Jimmy Fernandez: Können und sollen Kirchen multikulturell sein? 

Ich (Brigitte) erin­nere mich noch gut, vor fast zehn Jahren betrat ich zum ersten Mal eine Kirche in Bolivien. Ich war damals erst wenige Tage im Land und noch völ­lig über­wältigt von all den neuen Ein­drück­en. Alles war anders; die Land­schaft, das Essen, das Strassen­leben und eben auch die Kirche.

Ich hat­te grossen Respekt vor der Kirche, denn ich hat­te schon viel darüber gehört, wie kon­ser­v­a­tiv boli­vian­is­che Kirchen sein kön­nen. Frauen müssen Röcke und ein Kopf­tuch tra­gen, die Musik ist oft schlecht, die Predigten ober­fläch­lich und noch vieles mehr. Die Kirche, von der ich ein Teil wer­den sollte, hat­te den Ruf, sehr kon­ser­v­a­tiv und auch sehr geset­zlich zu sein. Ich befasste mich inten­siv mit der Frage, wie ich mit solchen kon­ser­v­a­tiv­en Vorstel­lun­gen umge­hen sollte. Wie kon­nte ich mich sein, wenn mir so viele Dinge vorgeschrieben wür­den? Kon­nte ich Gott in einem solchen Umfeld find­en? Wie kon­nte ich meine Beziehung zu Gott leben, wenn mir vorgeschrieben würde, was ich anziehen, essen, trinken, wie ich meine Zeit ver­brin­gen, wie ich sprechen und wohin ich gehen sollte?

Eine Kirche, die diesem Ruf entspricht, wird kaum eine erfol­gre­iche mul­ti­kul­turelle Kirche wer­den. Mit dieser Frage wollen wir (Brigitte & Jim­my) uns in diesem Artikel beschäfti­gen: Was ist eine mul­ti­kul­turelle Kirche und was braucht es, damit sie zum Segen wird?

Was ist eine interkulturelle Kirche?

Eine interkul­turelle Kirche, auch mul­ti­kul­turell oder mul­ti­eth­nisch genan­nt, ist eine Kirche, in der nicht eine bes­timmte Kul­tur vorherrscht, son­dern in der es Mit­glieder aus ver­schiede­nen kul­turellen Hin­ter­grün­den hat und diese auch in das Gemein­deleben ein­fliessen. In der Schweiz kön­nen das zum Beispiel Kirchen sein, in denen es Schweiz­er, aber auch Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund hat. Die Leitung würde in diesem Beispiel nicht nur aus Schweiz­ern beste­hen und der Gottes­di­enst wäre nicht klas­sisch schweiz­erisch, son­dern hätte Ele­mente aus den ver­schiede­nen Kul­turen der Mitglieder.

Bevor wir ganz in das The­ma ein­tauchen, möcht­en wir aber fes­thal­ten, dass nicht alle Kirchen interkul­turell sein kön­nen oder sog­ar sein müssen. Es gibt Orte, an denen es kaum Aus­län­der gibt, wie zum Beispiel im Bünd­ner­land. Dann ist es nicht nötig eine mul­ti­eth­nis­che Gemeinde zu sein. Aber auch an Orten, an denen es Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund hat, müssen nicht alle Kirchen interkul­turell sein. Jede Kirche ist ver­schieden, hat einen spez­i­fis­chen Kon­text und ist deshalb auch einzigartig.

Welche Kultur ist richtig?

Weltweit gibt es riesige Unter­schiede, wie das Gemein­deleben und das Leben als Nach­fol­ger Jesus gestal­tet wird. Die einen wollen laute, leb­hafte Musik, die anderen mögen es lieber leise. Für einige muss der Predi­ger unbe­d­ingt ein Mann sein, für andere darf es auch eine Frau sein. Einige geben sich extra Mühe beim Aus­suchen der Klei­der für den Gottes­di­enst, andere kom­men so, wie es ger­ade bequem ist. Es gibt Kirchen, da sitzen Män­ner und Frauen getren­nt und in anderen wollen Paare zusam­men­sitzen. An eini­gen Orten dür­fen alle am Abendmahl teil­nehmen, in anderen Kirchen nur diejeni­gen, die zeigen, dass sie Jesus aus ganzem Herzen nach­fol­gen. Ein­heitlich ist eigentlich nur, dass es sehr schwierig ist, einen gemein­samen Kon­sens der ver­schiede­nen Stile und Vorstel­lun­gen zu finden.

Wenn wir es aber schaf­fen, uns so zu arrang­ieren, dass ver­schiedene Kul­turen in unseren Kirchen Platz haben, kön­nen wir viel voneinan­der ler­nen. Migranten, die neu in der Schweiz sind, kön­nen bess­er inte­gri­ert wer­den und mehr über das Leben in der Schweiz ler­nen. Schweiz­er kön­nen ler­nen, flex­i­bler und offen­er zu sein. Wir alle kön­nen neue Per­spek­tiv­en gewin­nen und neue Ideen bekom­men, wie wir Gott mit unseren Leben ehren können.

Einige Ideen, damit es funktioniert

Was machen wir nun, damit die Her­aus­forderun­gen zum Segen wer­den? Wir glauben, dass eine mul­ti­eth­nis­che Kirche nur funk­tion­iert, wenn alle bere­it sind nachzugeben. Es wird nicht funk­tion­ieren, wenn wir sagen: «Wir sind in der Schweiz und in der Schweiz macht man es so». Zen­tral ist nicht, wie wir es schon immer gemacht haben, son­dern was die Bibel dazu sagt. Nie­mand sollte in seinen Tra­di­tio­nen erstar­ren, son­dern wir alle müssen unsere Werte und Bräuche mit der Bibel abgleichen.

Gespräche und gemein­sames Bibel­studi­um sind also entschei­dend. Dabei kön­nen Men­schen aus ver­schiede­nen Kul­turen erk­lären, weshalb sie etwas auf eine bes­timmte Art und Weise machen. Alle, die an solchen Gesprächen teil­nehmen, soll­ten mit Offen­heit dabei sein. Das Ziel ist nicht, andere von der eige­nen Ansicht zu überzeu­gen, son­dern voneinan­der zu ler­nen. So begin­nen wir, nicht eine Schweiz­er Kul­tur zu leben, son­dern die Kul­tur des Reich­es Gottes. Wir schützen uns auch vor Geset­zlichkeit, denn wir wer­den unsere Vorstel­lun­gen und Richtlin­ien immer wieder über­denken und analysieren müssen.

Es wird Fra­gen geben, die nicht in einem ein­ma­li­gen Gespräch gelöst wer­den kön­nen. Einige müssen immer wieder gestellt und um Lösun­gen muss immer wieder gerun­gen wer­den. Es wird auch Fra­gen geben, auf die wir nie eine ein­heitliche Antwort find­en wer­den. Manche Fra­gen müssen und sollen offenbleiben.

Dabei kann uns das fol­gende Zitat leiten:

Im Notwendi­gen Ein­heit, im Nicht-Notwendi­gen Frei­heit, in bei­dem Liebe — Ruper­tus Meldenius

Welche Antworten sind notwendig und müssen darum gefun­den wer­den und wo müssen wir üben, damit zu leben nicht ein­er Mei­n­ung zu sein?

«…die größte aber von diesen ist die Liebe» (1. Korinther 13:13)

Aber das Wichtig­ste, das Zen­tral­ste ist, wie es das Zitat sagt, die Liebe. Wenn wir miteinan­der im Gespräch bleiben und gemein­sam Lösun­gen suchen, soll immer die Liebe zum Näch­sten an erster Stelle ste­hen. Es ist so schnell passiert, dass wir meinen, uns auf unser Recht berufen zu können.

Mitte Jan­u­ar haben wir in der ganzen Schweiz die Allianz­woche gefeiert. Am Son­ntag zum Abschluss der Woche haben wir andere Kirchen zu uns in den Gottes­di­enst ein­ge­laden. Der Gottes­di­enst begann eigentlich ganz gut, wir haben uns viel Mühe gegeben, damit sich unsere Gäste willkom­men fühlen. Doch dann, nach den ersten Predigt­sätzen, ste­ht ein Gast auf und beschw­ert sich darüber, dass vor ihm über­set­zt wird. Das Geräusch ein­er zweit­en Stimme, die als unregelmäs­siges Echo wahrgenom­men wurde, störte ihn in sein­er Konzen­tra­tion auf die Predigt. Wir hat­ten an diesem Son­ntag auch Besuch von jeman­dem, der kein Deutsch spricht und für ihn wurde auf Spanisch über­set­zt. Ich habe mich wie ein Kochtopf gefühlt, der gle­ich über­sprudelt, ich war so aufge­bracht. Ich habe mir Dinge, wie die fol­gen­den Sätze gedacht: «Wie wagt er es, sich als Gast zu beschw­eren?» und «Wie kann man nur so ego­is­tisch sein?» Doch gle­ich darauf hat Gott mich anges­tupst und ich habe gemerkt, wie ich mich auf meine Tra­di­tion und mein Recht berufe. Entschei­dend ist nicht, was ich will oder richtig finde, son­dern die Liebe soll regieren. Vielle­icht brauchte dieser Mann genau diese Predigt für sein Leben. Oder er hat sich für jemand anderen einge­set­zt. Ich habe gemerkt, wie vorschnell ich geurteilt habe, genau, was ich eigentlich nicht machen will.

Nun zurück zu meinem Anfang in Bolivien. Wie gesagt, es sah gar nicht rosig aus, doch es kam ganz anders als erwartet. Begrüsst wurde ich von sehr liebevollen Men­schen, die mich sofort in ihr Herz geschlossen hat­ten, obwohl ich noch gar nichts gemacht hat­te. Ich kon­nte kaum mehr sagen als «Hola». Die Kirche, die mich so her­zlich aufgenom­men hat­te, wurde zu einem riesi­gen Geschenk für mich, die Predigten waren rel­e­vant und tief­gründig und die Musik super! Obwohl «meine» Kirche in Bolivien tat­säch­lich zu den kon­ser­v­a­tivsten gehört, blühte meine Gottes­beziehung richtig auf. Ich merk­te schnell, dass viele der Regeln und Vorstel­lun­gen Sinn macht­en. Es waren auch gar nicht wirk­lich Regeln, son­dern Dinge, die ich anf­ing, aus Liebe zu Gott und meinen Mit­men­schen zu tun oder eben nicht. Und klar gibt es Überzeu­gun­gen, die ich bis heute nicht teile oder nicht ver­ste­he. Einige Dinge lebe ich bewusst anders, um ein Vor­bild zu sein und andere respek­tiere ich aus Liebe zu meinen Mitmenschen.

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Titel­bild: iStock

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