«Jesus is King». Es war die absolute Provokation als Superstar Kanye West im vergangenen Herbst sein neues Album veröffentlichte. Monate im Voraus hatte die Gerüchteküche gebrodelt. War er religiös geworden? Was hatte es mit seinen ‘Sunday Services’ auf sich, bei denen er sich plötzlich mit Gospelchor und Pfarrpersonen umgab? Die Veröffentlichung des Albums machte vieles klar. Kein Fluchen mehr — Bibelzitate. Keine sexistischen Sprüche — Gotteslob.
Diese Provokation ist nicht neu. Ich meine damit nicht die Provokation um die Person Kanye, sondern um die Person Jesus. Schon immer haben sich die Geister an Jesus gespalten. «Every knee shall bow. Every tongue confess. Jesus is Lord.” singt Kanye auf dem letzten Lied des Albums. Ein frühchristliches Gedicht — der ‘Christushymnus’:
Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Phil 2:5–11
Der Anspruch der ersten Christen war revolutionär. Ihr ‘Rabbi’, ihr Meister, war nicht einfach nur ein grosses Vorbild oder ein grosser Lehrer. Nein, sie erhoben den Anspruch, dass sie in Jesus Gott selbst begegnet sind. Ihr Rabbi hat schon immer existiert, und er würde immer sein. Sein Kreuzestod sei nicht sein Ende gewesen, sondern er sei von den Toten auferstanden. Er lebe! Er sei der wahre König!
Kaum jemand zweifelt daran, dass der Mensch Jesus existiert hat. Kaum jemand würde in Abrede stellen, dass Jesus ein inspirierendes und vorbildliches Leben geführt hat. Sogar der Islam anerkennt Jesus als Propheten, als einen Gesandten Gottes. Aber ist der Jesus auch der lebendige, auferstandene und anbetungswürdige Herr und Gott (Joh 20:28)? «Ja!», sagten dazu die ersten Christen.
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Provokation
Wir müssen uns bewusst sein, wie dramatisch die Aussagen der ersten Christen im Kontext des monotheistischen Judentums waren. So ist Phil 2:10 eine klare Referenz zum Buch Jesaja. Hier stellt sich Gott selbst als derjenige vor, dem sich alle Knie beugen werden, und dem alle Zungen bekennen werden: «Ja, mir soll sich jedes Knie beugen und jede Zunge schwören!» Jes 45:23
Die Juden hatten eine glasklare Trennungslinie zwischen Jahwe, dem allmächtigen Herrn, und allem anderen. Es gab den Schöpfer, und es gab das Geschaffene. Egal wie wertvoll ein Geschöpf war – die Trennungslinie zwischen Schöpfer und Geschöpf blieb erhalten. Denn nichts und niemand war Gott gleich. Etwas aus der Schöpfung anbeten war Götzendienst, weil es dem Erschaffenen die Eigenschaften des Schöpfers zuschrieb — ein absolutes ‘No-Go’ für die Juden.
Im Buch Jesaja Kapitel 40–66 finden wir einige der stärksten Ausformulierungen dieses monotheistischen jüdischen Gottesbildes. Hier wird Gott als transzendenten Schöpfer der Welt präsentiert, als souveränen Herr der Geschichte, als Denjenigen der allein würdig ist angebetet zu werden. Hier wird dem Volk Israel das Bild des einzigen Gottes Jahwe vor Augen gemalt, vor dem alle anderen Götter nichts sind (Jes 41:24). Er ist der ewige Gott, der Schöpfer der Erde, der unendlich Weise, der nimmer Müde (Jes 40:28).
Im Christushymnus erkennen die ersten Christen die gleichen Attribute in Jesus, wie den Juden durch ihre Propheten über den Schöpfer Gott offenbart worden war. Der Hymnus beginnt mit der Gottgleichheit von Jesus und endet wieder mit seiner Ehrhöhung in höchste Autorität. Jesus wird der Name verliehen, «der über allen Namen ist».
Für Juden musste dies eine absolute Provokation sein. Dass ein Mensch sich auf die gleiche Stufe mit Gott stellt, war schlicht und einfach Gotteslästerung. Und deshalb erstaunt es auch, wie schnell die Apostel, die ja selbst Juden waren, eine solche Klarheit über das Wesen von Jesus finden konnten. Die Entstehung des Christushymnus und der weiteren frühchristlichen Bekennntnistraditionen wie beispielswiese 1. Kor 15: 3–5 wird allgemein in die Jahre 35–40 n. Chr. datiert – also in die Zeit unmittelbar nach dem Tod von Jesus. Zu diesem Schluss kommen sogar kritische Forscher wie der Agnostiker/Atheist Bart Ehrman (Vgl. sein Buch ‘Did Jesus Exist’, Kindle Pos. 1920). Dass Jesus nicht nur ganz Mensch, sondern auch ganz Gott ist, davon waren die ersten Christen trotzt ihres monotheistischen Gottesbildes sehr schnell überzeugt. Das ist erstaunlich und aussergewöhnlich!
Doch die ersten Christen machen damit nicht eine kreative neue Erfindung, sondern sie folgen mit ihren Argumentationslinien lediglich dem Selbstanspruch ihres Meisters Jesus. Auch dieser hatte provoziert. Und auch dieser hatte immer wieder unter Bezugnahme auf die Thora Hinweise auf sein göttliches Selbstverständnis gegeben. Und mit einer solchen Bezugnahme besiegelte er vor dem Hohen Rat dann auch sein eigenes Todesurteil:
Wieder fragte ihn der Hohepriester und sagte zu ihm: Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten? Jesus aber sprach: Ich bin’s. Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels! Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sagte: Was brauchen wir weitere Zeugen? Ihr habt die Lästerung gehört. Was meint ihr? Und sie fällten alle das Urteil, dass er des Todes schuldig sei. Mk 14:61–62
Mit seiner Selbstaussage vor dem Hohen Rat nimmt Jesus zwei Stellen in der Thora mit klarem göttlichem Herrschaftsanspruch für sich selbst in Anspruch. Den ‚Sohn des Menschen‘ kannten die anwesenden Schriftgelehrten aus Psalm 110, wo dieser ‚Sohn des Menschen‘ als Richter und Herrscher von Zion aus seine Macht ausübt. Den, der ‚mit den Wolken des Himmels kommt‘, kannten die anwesenden Schriftgelehrten aus Daniel 7, als den, dem Herrschaft, Ehre und Königtum verliehen wird, und dem alle Völker, Stämme und Sprachen dienen würden, und dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft sein würde (Dan 7:14).
Trotz der grossen Herausforderungen, welche sich durch ihre monotheistische Glaubensprägung ergeben musste, stand also die göttliche Natur von Jesus für die ersten Christen fest. Dies war nicht eine theologische Erfindung späterer Jahrhunderte. Nein, genau die frühesten christlichen Überlieferungen zeigen uns die feste Überzeugung der ersten Christen, dass sie in Jesus Gott selbst begegnet waren, dem höchsten Richter, dem ewigen Herrscher. Die ‚früheste‘ Christologie war die ‚höchste‘ Christologie.
Jesus als Gott zu sehen heisst nicht, dass die Christen nun plötzlich den damals weit verbreiteten Vielgötter-Vorstellungen angehangen wären. Sie hielten an ihrem monotheistischen Glauben fest. Und sehr bald fand das Geheimnis um das Wesen Gottes eine konkrete Ausformulierung in der christlichen Lehre der Dreieinigkeit, welche die Wesenseinheit Gottes in drei Personen (Vater, Sohn, Heiliger Geist) beschreibt. Gott ist immer noch ‚der Eine‘, aber er stellt sich als Gott-Vater, Gott-Sohn, und Gott-Geist dar.
Wer sich mit dem Menschen Jesus befasst, findet sich letztlich immer mit Gott konfrontiert, dem transzendenten Schöpfer der Welt. Dies war im damaligen Judentum eine Provokation, und es ist es auch heute noch – gerade auch für die Schriftgelehrten unserer Zeit: den Theologen. Viele von ihnen sprechen gerne über Jesus als Vorbild, Inspiration und grossartigen Lehrer. Doch die Vorstellung dass dieser Jesus tatsächlich derjenige ist, den er selbst behauptete zu sein… das würde die Möglichkeit realer Wunder bedeuten! Das würde bedeuten, die eigene Autonomie aufgeben und sich unter die Herrschaft dieses Königs zu begeben! Das würde bedeuten, die Anbetung der eigenen grossartigen Gedanken abzulegen, und sich im Vertrauen den Gedanken des einen Herrn anzuvertrauen!
Doch mit seinem Selbstanspruch lässt Jesus uns die Möglichkeit nicht offen, ihn einfach nur als Vorbild oder grossen moralischen Lehrer zu haben. Jesus will nicht unser ‘Ghandi’ sein. Dies formuliert der bekannte Autor C.S. Lewis im von ihm popularisierten ‚Trilemma‘ treffend:
«Sie müssen sich entscheiden. Entweder war und ist dieser Mann tatsächlich der Sohn Gottes, oder er war ein Spinner oder noch Schlimmeres. Sie können ihn ins Irrenhaus sperren, sie können ihn anspucken und totschlagen wie einen Dämon; oder Sie können ihm zu Füssen fallen und ihn Herr und Gott nennen. Aber sparen wir uns bitte diesen herablassenden Blödsinn, er sei ein grosser Lehrer der Menschheit gewesen. Diese Möglichkeit hat er uns nicht offengelassen. Das war auch nicht seine Absicht.» C.S. Lewis, Pardon ich bin Christ, Kindle Position 980
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Hoffnung
Christ ist der, welcher Jesus als Herr und Gott bekennt. Wer das tut, der hat einen Bundespartner, der sich nicht zu schade war, als Mensch Anteil zu nehmen an den Nöten, den Leiden und Ungerechtigkeiten, welche die Menschheit plagen. In Jesus schmeckt Gott sogar den bitteren Kelch des Todes, welcher für uns Menschen so unausweichlich ist.
Wer Jesus als Herr und Gott bekennt hat aber auch einen Gott, für den Tod und Leid nicht das letzte Wort ist. Jesus ist auferstanden! Er lebt! Und weil er lebt, haben auch wir Hoffnung und Perspektive über den Tod hinaus. Wer aber Jesus zu einem Gutmenschen degradiert, der verliert damit auch die Hoffnung über den Tod hinaus.
Für die einen ist der Mensch-Gott Jesus Provokation, für die Seinen aber ist er eine lebendige Hoffnung (1 Petr 1:3). Auch in Zeiten von Krankheit und Pandemie. Auch in Zeiten von Wirtschaftskollaps und Arbeitslosigkeit. Wenn der Name Jesus tatsächlich über allen anderen Namen steht, dann gelten für den Christen nicht nur die Verheissungen, welche von den Lippen Jesu kamen. Dann gelten ihm auch die Verheissungen, mit denen Jahwe, der Herr, sich dem Volk der Juden vorgestellt hat in der Not der Babylonischen Verbannung. «Der Herr weiss nicht wie es uns geht» (Jes 40:27), klagte das leidende Volk fern seiner Heimat. Die Antwort Jahwes: Ich habe für euch einen Weg durchs Meer hindurch gebahnt, aus der Sklaverei in Ägypten (Jes 43:16). Nun werde ich euch wieder einen Weg machen — durch die Wüste zurück in die Freiheit (Jes 43:19). Ich gebe euch Müden neue Kraft (Jes 40:29), denn ich selber werde weder müde noch matt (Jes 40:28).
Dem Volk in der Verbannung gibt die Offenbarung eines ewigen, allmächtigen und handlungsfähigen Gottes Hoffnung, Trost und Gelassenheit. «Schaut nach vorne, denn ich will etwas neues tun», spricht dieser Gott (Jes 43:19, Hfa).
«Jesus is King». Was machen wir heute mit dieser Provokation? In diesen Tagen merken wir wie schon lange nicht mehr, an was für Könige wir unser Glück gehängt haben: unsere Bewegungsfreiheit, unsere Freizeit- und Ferienprogramme, unseren Sportclub, unseren Konsumwahn, unseren beruflichen Erfolg, unsere sicheren Finanzen, unser ausgereiftes Schulsystem, unser hochentwickeltes Gesundheitswesen, die Planbarkeit unseres Lebens. So viele Sicherheiten zerbrechen wie die selbstgemachten Götter zu Zeiten Jesajas (Jes 46:1–3).
Die frühchristliche Tradition macht im Christushymnus klar: In Jesus Christus hat uns Gott selbst besucht. Dieser Jesus ist der anbetungswürdige ‘Waymaker’ Gottes, der Retter und gerechte Richter, Gott selbst in Menschengestalt. In diesem Jesus «wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig» (Kol 2:9). Wer seine Knie vor ihm beugt, der muss sich vor keinem König dieser Welt fürchten, der weiss sich auch bei einer Bedrohung Namens ‘Corona’ (=Krone) vom Mann mit der höchsten Krone gehalten.
Lass dich in diesen Tagen vom ewigen Gott zurückrufen in die Gemeinschaft mit ihm! Sein Versprechen an dich ist das Gleiche, welches er vor vielen Jahren einem entwurzelten und leidenden Volk in der babylonischen Verbannung gab: «Bis in euer Greisenalter bin ich derselbe, und bis zu eurem Ergrauen will ich euch tragen.» (Jes 46:4). Er möchte auch dich tragen — auch in Zeiten von Viren, Quarantäne und Tod.
Jesus ist mir nicht nur menschliche Inspiration. Er ist mir Herr und Gott. Darum stelle ich dir wohl eine der wichtigsten Fragen des Lebens: Wer ist Jesus deiner Meinung nach?
Herrlich!!! Vielen Dank für diesen Text, ein Riesen Aufsteller 👍
Danke Manuela!
Grüess di Peti
Danke vielmals für diesen inspirierenden und ermutigenden Text. Über allem Nebel der zwielichten Theologien und selbstgebastelten Religionen wie auch des selbstverherrlichenden Homo Deus-Wahns (siehe Harari) leuchtet die Wahrheit. Lewis hat es wunderbar auf den Punkt gebracht, leider lassen sich immer mehr auf diesen “Blödsinn” herab wohl in der Hoffnung, sich selber zu rechtfertigen (siehe 1. Kor 1,18ff).
Ich freue mich noch auf weitere so ermutigende und glaubensstärkende Artikel auf danieloption.
Bis riich gsägnet
david
Danke David. Es freut mich das du den Artikel mit Gewinn lesen konntest. 1. Kor 1,18ff passen perfekt in das, was ich inhaltlich rüberbringen wollte.
Eine faszinierende weitere Stelle, welche ich aus Platzgründen nicht in den Artikel eingebracht habe, ist 1Kor 8:6, welches sich auf das Jüdische Glaubensbekenntnis in 5Mose 6.4 bezieht (das ‘Shema’).
en guete Tag dir.