“Paul, bist du konservativ oder liberal?”, werde ich oft gefragt. Seit Jahren lautet meine Antwort, dass ich eine Dritte Option lebe. Was Christen mit den Labels “konservativ” und “liberal” assoziieren, sind oft Fälschungen oder Verkürzungen der eigentlichen Lebensweise, zu der Jesus Christus uns einlädt, nämlich dem biblisch begründeten Leben im Evangelium!
In diesem Artikel skizziere ich das, was ich seit vielen Jahren mit meiner Gemeinde lebe. Das ist es auch, was DanielOption antreibt und hoffentlich unter Christen und Gemeinden immer mehr Profil bekommen wird: Leidenschaft für die Dritte Option!
Ich bin begeistert von dem, was die DNA-Serie ans Licht gebracht hat! Gott baut sein Reich, indem er Grenzen überschreitet. Mit Menschen aller Kulturen, mit Mann und Frau, mit Randständigen und gesellschaftlich Gewichtigen, mit Ungeborenen und Geborenen, Starken und Schwachen. Dabei löst er die Grenzen nicht auf, sondern bringt durch sein Reich die Gruppen in ein versöhntes und wirkungsvolles Miteinander. Ich liebe das Bild der schönen Vielfalt von Gottes Reich, das hier sichtbar wird!
Falsche Alternativen
Diese DNA-Serie gibt nicht nur eine Vision für die Christenheit vor, sie hilft auch im Umgang mit falschen Alternativen. In meinem Leben als Christ und meinem Dienst als Pastor habe ich immer wieder festgestellt, dass man uns falsche Alternativen anbietet.
Ein Beispiel kann dies gut illustrieren. Man fordert von uns Christen lautstark, dass wir mehr politisch links sein müssen, weil konservative Christen Präsident Trump hörig seien und das immer schlecht sein muss. Postwendend höre ich Berichte von linksradikaler Gewalt mit der ausdrücklichen oder subtilen Aufforderung, dass wir Christen politisch rechts agieren sollten.
Die DNA-Serie hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass “politisch links” und “rechts” für das Christentum falsche Alternativen sind. Die DNA des Christentums ist das biblisch begründete Evangelium von Jesus Christus. Dieses führt dazu, dass wir in manchen Fragen das ausleben, was politisch im linken Spektrum liegt. In diesen Fragen wehren wir uns mitunter vehement gegen politisch rechts gelagerte Forderungen. In anderen Bereichen bewegt uns dasselbe Evangelium dazu, etwas zu fördern, das politisch rechts gelagert ist und uns entschlossen der politischen Linken entgegenzustellen.
Was wir hier am Beispiel des politischen Spektrums (links und rechts) sehen, gilt in anderen Bereichen oft auch. Man hält uns Christen falsche Alternativen vor und vergisst: Das Christentum, das Evangelium, das Reich Gottes ist oft etwas Drittes!
Ein Spektrum zwischen zwei Polen
C.S. Lewis schreibt:
Der Teufel […] schickt die Irrtümer immer paarweise in die Welt – und zwar als gegensätzliche Paare. Und er ermuntert uns stets dazu, ausgiebig darüber nachzudenken, welcher der schlimmere ist … Er nutzt ihre besonders starke Abneigung gegen den einen Irrtum aus, um sie ganz allmählich in den anderen hineinzulocken. Aber lassen wir uns nicht hinters Licht führen. Wir müssen unseren Blick aufs Ziel richten und geradewegs zwischen beiden Irrtümern hindurchgehen. (C.S. Lewis, Pardon ich bin Christ, Kindle Position 2802)
Tim Keller verweist auf eine ähnliche Aussage von Tertullian:
“So, wie Jesus zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt wurde, wird das Evangelium auf ewig zwischen zwei Irrtümern gekreuzigt.” (Tim Keller, Center Church Deutsch, Seite 42)
Wenn wir dem Evangelium von Jesus Christus in der Bibel begegnen, wird uns eine sehr ermutigende und wohltuende Nachricht übermittelt:
Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, hat er uns gerettet — nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit, die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen. (Titus 3,4)
Hier liegt die Kraft, als Beschenkte von Gott in die Fülle des Lebens mit ihm vorzustossen! Es ist aber auch möglich, das Evangelium in zwei Irrtümer hinein zu entstellen. Tim Keller nennt sie “Relativismus” und “Moralismus” oder auch “Gesetzlosigkeit” und “Gesetzlichkeit”:
Diese beiden Irrtümer wollen uns ständig die Gute Nachricht verderben und uns der Kraft des Evangeliums berauben. Die Gesetzlichkeit sagt, dass wir ein gutes, geheiligtes Leben führen müssen, um erlöst zu werden. Die Gesetzlosigkeit sagt, dass wir kein gutes, geheiligtes Leben führen müssen, weil wir bereits erlöst sind. (Tim Keller, Center Church Deutsch, Seite 42)
Wir können das graphisch darstellen, indem wir links und rechts zwei Pole anbringen und dazwischen die Dritte Option:
Wichtig ist zu verstehen, dass die Mitte nicht ein (gutschweizerischer) Kompromiss der anderen beiden Seiten ist, sondern das Eigentliche, das Original. Hier findet das echte Leben statt! Die Aussenpole sind eine einseitige Verzerrung und somit eine Verarmung der eigentlichen Evangeliums-Option.
Weiter ist der Weg von einem Pol zum anderen als Spektrum gedacht. Es gibt fliessende Übergange von einer Option zur nächsten Option. Ich kann zum Beispiel irgendwo zwischen dem linken Pol und der Mitte sein, oder irgendwo zwischen der Mitte und dem rechten Pol.
Zwischen “liberal” und “konservativ”
In den Köpfen von vielen Christen werden “liberal” und “konservativ” als Alternativen gesehen. Diese beiden Worte verweisen auf zwei grundlegende theologische Ansätze, die wir als Pole einander gegenüberstellen können. Ich möchte in einer Tabelle anhand einiger Beispiele zeigen, wie ich die Dritte Option im Spektrum zwischen den Polen “liberal” und “konservativ” sehe.
Es gibt auch die Labels “progressiv” und “postevangelikal”. Vieles, was unter diesen Labels daherkommt, ist meiner Meinung nach wenig anderes als die theologischen Ansätze der liberalen Theologie. Was als neu verkauft wird, ist schon lange auf dem theologischen Markt, nur findet es aktuell Einzug in evangelikalen Kreisen. Ich begründe diese Aussage hier nicht, sondern bitte den Leser, der sich damit auskennt, beim weiteren Lesen zu prüfen, ob das passt. Um darauf aufmerksam zu machen, spreche ich hier manchmal nicht nur von “liberal” sondern auch von “liberal/progressiv”.
Beim Lesen der Tabelle gilt es, folgende Punkte zu beachten:
- Labels wie “liberal/progressiv” oder “konservativ” repräsentieren Personen nicht immer korrekt. Ich bitte die Leser, diese Wörter und Zuordnungen als Beschreibung von Tendenzen zu verstehen, die zum Nachdenken anregen sollen.
- Es ist klar, dass ich mich selbst in der Dritten Option und die anderen Optionen mitunter problematisch sehe. Entsprechend können meine Beschreibungen der anderen Optionen negativ sein. Ich will damit die Personen, die sich in diesen anderen Optionen sehen, nicht beleidigen oder ihnen vorschreiben, was sie denken sollen. Mein Ziel ist, den LeserInnen zu helfen, aus dem vereinfachten Denken in nur zwei Optionen herauszufinden.
- Wie vorhin erklärt sind die Optionen auf einem Spektrum positioniert, das fliessende Übergänge möglich macht. Es gibt aber bei einigen Themen “Brüche”, sodass die Idee eines fliessenden Spektrums nicht immer passend ist. Mehr dazu weiter unten. Ich wage hier eine Mischform, weil viele Christen in meinem Umfeld die Übergänge zwischen den beiden Alternativen “liberal” und “konservativ” als fliessend betrachten.
Bei einigen Themen ist die Dritte Option eine mutige Kombination beider Pole. In diesen Fällen sind die Aussagen bei den beiden Polen zwar einseitig, aber sie sind nicht grundsätzlich negativ zu verstehen. Werden die Pole kombiniert ausgelebt, entsteht eine kraftvolle Dynamik.
Wenn die Pole positiv kombiniert werden können, ist es wichtig zu verstehen, dass die Dritte Option nicht ein Kompromiss der anderen Optionen (50% liberal und 50% konservativ) ist, sondern ein “sowohl als auch” (100% liberal und 100% konservativ). Hier kann eine gute, dynamische Bewegung entstehen, wie Emanuel Hunziker in seinem Artikel über Spannungen aufzeigt. Dieser Artikel muss unbedingt gelesen werden, um die Dritte Option gut zu verstehen und die Gründe zu erkennen, weshalb es uns schwerfällt, gegensätzliche Pole dynamisch zu kombinieren.
Die Pole können nicht immer kombiniert werden
Es gibt Themen, da grenzt sich die Dritte Option ab gegenüber einem Pol oder beiden Polen. In diesen Fällen sehe ich die Aussage eines Poles nicht nur als “halbe, aber bedenkenswerte Wahrheit”, sondern als falsche Aussage. Deshalb kann eine solche Aussage nicht in die Dritte Option integriert werden.
Manchmal grenzt sich die Dritte Option ab gegenüber dem liberalen/progressiven Pol, manchmal gegenüber dem konservativen, manchmal gegenüber beiden.
Worin liegt das Wesen der Abgrenzung zum liberalen Pol? Meine Wahrnehmung ist, dass es einen weltanschaulichen Bruch gibt irgendwo zwischen der Dritten Option und dem liberalen Pol. Die konservative Option und die Dritte Option sind vereint durch die gemeinsame Grundlage in der judeo-christlichen Weltanschauung, welche dem liberalen/progressiven Pol fehlt. Hier ist der Graben sehr tief.
Worin liegt das Wesen der Abgrenzung zum konservativen Pol? Hier ist die Abgrenzung anders gelagert und hat wesentlich damit zu tun, dass die Dritte Option ein ganzheitliches Verständnis des Evangeliums hat, während der konservative Pol dies nicht hat. Der Bruch ist nicht weltanschaulich, sondern biblisch-theologisch. In diese Richtung ist der Graben also nicht so gross wie in die andere Richtung.
Ich könnte mir deshalb vorstellen, die Dritte Option mit dem Label “differenziert konservativ” zu bezeichnen. In Zeiten, in denen das Label “konservativ” für einige einem Unwort nahe kommt, stehe ich in grosser Versuchung, mich genau deshalb damit zu schmücken. Ich lasse diese Spielereien und schlage vor, dass wir einem neuen Label Profil geben, nämlich der Dritten Option.
Wie reden wir miteinander?
Nahezu egal, wo man auf dem Spektrum steht: Was links von mir steht, werde ich als “liberal”, und was rechts von mir ist, als “konservativ” einstufen. Diese Tatsache führt zu mitunter spannungsvollen Beziehungen. Christen, die ganz am äusseren Rand des konservativen Pols sind, stufen zum Beispiel die Dritte Option so ein, denn sie ist ja links von ihnen. Obschon die Dritte Option immense Unterschiede zur liberalen Option hat, sehen sehr konservative Christen die teilweise vorhandene Ähnlichkeit zur liberalen/progressiven Seite und ängstigen sich, dass die Dritte Option eine Vorstufe ist auf dem Weg Richtung liberal.
Der liberalen Seite geht es ähnlich. Sie sieht zum Beispiel das Bibelverständnis der Dritten Option und denkt, dass diese nur getarnter Ultra-Konservativismus ist.
Ich habe mich längst entschieden, es zu akzeptieren, in diesen Dingen missverstanden zu werden. Ich hoffe immer wieder, dass es mittels Gespräch zu einem besseren Verständnis kommt.
Auch bezüglich Gesprächskultur gibt es eine Dritte Option. Sie erkennt den Bedarf, beides zu tun: Manches kombinieren und anderes konfrontieren. Wir müssen über das reden, was sich berechtigterweise positiv kombinieren lässt. Logisch! Aber wir müssen auch über die Themen reden, wo es Brüche gibt! Es gibt reale und tiefgreifende Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Diese sollten auf den Tisch kommen und offen diskutiert werden können.
Den Glauben verlieren
Viele meiner Jugendfreunde, die in sehr konservative Gemeinden gingen, glauben heute leider nicht mehr an Jesus Christus. Sie haben schlicht die Nase voll davon. Dies macht mich zutiefst traurig!
Ich suche die Fehler nicht nur in den Gemeindekulturen jener Gemeinschaften. Wer sagt denn, dass es in “meiner” Gemeinde besser ist? Ich weiss, dass Gott grösser ist als fehlgeleitete Gemeinden und Theologien. Er geht seinen Weg mit den Menschen. Gleichzeitig ist die Gemeindeausrichtung sehr wichtig, wenn es um den Glauben von jungen Menschen geht, aber auch von neuen Christen und langjährigen Christen. Darum habe ich Mühe mit Gemeinden, die sich ganz aussen am konservativen Pol positionieren.
Glaubensverlust gibt es aber nicht nur auf der konservativen Seite, sondern auch auf der liberal/progressiven. Hier werden Fragen und Zweifel geradezu zelebriert und Glaubensgewissheit ist uncool. Hier werden grundlegendste Wahrheiten der Christenheit unterwandert und damit auch der Glaube manches Christen aufgelöst. In den letzten Jahren haben Freunde von mir den Glauben nicht so sehr wegen dem Konservativen verloren, sondern wegen dem Einfluss des liberalen Pols. Auch das macht mich zutiefst traurig!
Sicher denken Vertreter, die ganz aussen am liberalen und ganz aussen am konservativen Pol stehen, Ähnliches über das, was ich hier als Dritte Option beschrieben habe. Mein Punkt ist aber folgender: Das Vorhandensein einer Dritten Option könnte manchen Glaubensverlust vermeiden, einfach durch die Tatsache, dass eine weitere Option bekannt ist.
Für sehr konservative Christen, die anfangen, ihren Glauben zu hinterfragen und Zweifel zu haben, könnte es sehr wichtig sein zu wissen, dass es nebst der liberalen/progressiven Option eine Dritte Option gibt. Man muss sich nicht in die subtil glaubensauflösenden Gefilde der liberalen Theologie begeben, um den Glauben neu beleben zu lassen. Man kann die freisetzende Kraft des Evangeliums in der Dritten Option erkunden!
Dasselbe geht auch in die andere Richtung. Wenn liberal tickende Christen die Dritte Option kennen, öffnet das ihnen unter Umständen Wege zurück in eine christliche Weltanschauung und zu einem soliden Bibelverständnis, ohne dass sie dabei super-konservativ werden müssen.
Das biblische Evangelium setzt die Kraft Gottes frei
Ich sehe in der Dritten Option die grosse Kraft des Evangeliums, wie sie uns die Bibel darstellt. Ich bin begeistert, für diese zu leben! Hierin liegt meine Motivation, Pastor zu sein und Jesus mit dieser Gemeinde zu erleben! Hierin liegt meine Freude an dieser DNA-Serie. An dieser Dritten Option wird klar, wofür wir bei DanielOption stehen und daraus abgeleitet auch, wogegen wir uns wehren.
Es gibt vieles zu diskutieren:
- Welche Themen sollten in beiden Tabelle auch noch vorkommen?
- Wie werden die ethischen Themen wie Macht, Wohlstand, Homosexualität, Gender, Abtreibung, Euthanasie etc. auf die drei Optionen aufgeteilt?
- Liegen die Brüche auf dem Spektrum wirklich dort, wo ich sie angesetzt habe? Ist das Wesen der Brüche so, wie ich sie vorschlage oder nicht?
- Was bedeuten die Optionen für politisches Engagement von Christen in unserem Staat?
Ich freue mich auf alle Gespräche und Diskussionen, welche zu einer Schärfung der Dritten Option führen und zur Entdeckung der freisetzenden Kraft des Evangeliums von Jesus Christus!
Titelbild: unsplash / Montage: Peter Bruderer
Mich irritiert der letzte Punkt “Rettung”. D.h. du bist der Ansicht die Bibel lehrt, dass Menschen auch errettet werden können, wenn sie nicht zu Lebzeiten Christus anziehen? Wie begründest du das? Wie kann jemand nach dem Tod gerettet werden? Was sagst du zu Heb 9,27? Vielleicht habe ich dich auch falsch verstanden.
Hi Patrick — super Input von dir. Ich melde mich bald mit einigen Hinweisen. Michael’s Fragen gehen in eine ähnliche Richtung. Bis bald.
Hoi Paul habe ich deine Hinweise übersehen?
Lieber Patrick — hast du nicht. Schande auf meinem Haupte — ich habe noch nicht geantwortet. Ich versuch’s grad schnell zu machen
Ich glaube zu 100% was Heb 9,27 sagt: “Sterben müssen alle Menschen; aber sie sterben nur einmal, und darauf folgt das Gericht.” Früher nahm ich diesen Text um zu sagen: Wer vor dem Tod kein Ja zu Jesus gegeben hat, ist verloren. Ich denke heute nicht mehr, dass dieser Text zwingend diese Bedeutung haben muss. Dieser Text zeigt die lineare Sicht von Zeit, die dem jüdisch-christlichen Weltbild typisch ist: Zeit und Geschichte ist nicht zyklisch, wie in den Re-Inkarnations-Religionen, sondern es gibt nur EIN Leben und EINEN Tod und es gibt ein Gericht, in dem Gott eine Beurteilung des Lebens jedes Menschen vornimmt. Ich sehe das Wort ‘danach’ als etwas, das die ABFOLGE der Ereignisse zeigt. Angenommen es gäbe andere Stellen, die eine Möglichkeit von nach-Tod-Entscheidungen zeigen oder andeuten, dann würde Hebr 9,27 einfach das bedeuten, was ich oben skizziert habe.
Es gibt Stellen, die solche Möglichkeiten wenigstens denkbar machen, aber es gibt nur eine sehr dünne biblische Basis dafür. Doch für mich ist das schon mal interessant. Ich denke, die Bibel sagt nirgends ausdrücklich, dass es KEINE Gelegenheit nach dem Tod gibt. Gekoppelt an die Überzeugung von 1. Tim 2,4 und anderen Stellen sehen wir, was Gott will: Er will dass jeder MENSCH zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Für mich ist klar, dass der Mensch Gott Nein sagen kann. Aber ich denke: wenn Gottes Wille so ist, wie 1. Tim 2,4 sagt, dann sorgt Gott dafür, dass jeder Mensch eine adequate Chance bekommt, ihn so kennenzulernen, dass dieser Mensch ja oder nein sagen kann. Wo und Wann das passiert, scheint mir zweitrangig.
Es gibt Nahtod Erlebnisse von Menschen in der Bibel — z.B. die beiden Schächer am Kreuz, wo einer ja sagt zu Jesus, der andere nein. Es gibt die Berichte von Jesus im Totenreich, wo er den Toten Geistern das Evangelium verkündet. Ich denke es passt nicht zum Wesen von Jesus, dass er soeben am Kreuz gestorben ist zur Erlösung der Menschen, dann ins Totenreich geht, den Geistern erzählt was er soeben errungen hat und ihnen dann sagt: “aber für euch alle hier gilt das nicht, sorry Jungs”. So etwas zu sagen wäre purer Hohn gewesen, und Jesus verhöhnt niemand. So etwas zu tun ist nicht sein Wesen. Nein ich denke Jesus war dort und einige haben sich dort noch bekehrt. Andere nicht.
Es gibt viel zu sagen und meine Argumente sind anfechtbar — das bin ich mir bewusst. Einige Gegenargumente kann ich beantworten, andere nicht. Mich dünkt aber ganz zentral, dass das Wesen Gottes, der sogar seinen eigenen Sohn nicht schont, um die Menschen zu retten, uns dazu führt, dass er dafür sorgt, dass jeder Mensch auch eine adequate Chance bekommt — egal ob er vor oder nach Jesus gelebt hat. Egal ob er nach Jesus gelebt hat aber nie von Jesus hören konnte. Im letzten Fall denke ich tatsächlich, dass Jesus auch nach dem Tod solchen Menschen noch begegnen könnte sodass sie sich noch entscheiden könnten. Wenn er das tut, dann nicht in völliger ‘Ausstrahlungskraft’ sodass sie schon fast nicht ’nein’ sagen können. Wenn er das tut, dann ist das Wesen ihrer Chance ähnlich wie unsere, die wir Jesus in diesem Leben begegnen. Es gibt vieles zu sagen dazu. Hier eine Predigt von mir falls es dich interessiert: https://livestream.com/chrischona-frauenfeld/gd/videos/151560568
Spannender Artikel — finde es cool, wie du dich mutig für eine bisher so geartet nicht existierende Option des Glaubens einsetzt. Ausserdem habe ich mich ertappt gefühlt als du geschrieben hast, dass alles, was rechts von einem steht, konservativ ist, und alles links ist liberal :). Das hat mir aber einmal mehr gezeigt, wie gerne ich immer noch andere Denkweisen in subjektive Kisten packen, ohne mir zu überlegen, warum und wieso so geglaubt wird.
Ein Punkt hat mich ins Grübeln gebracht — was bedeutet es, seinen Glauben zu verlieren? Wer definiert, wann er verloren ist? Klar, wenn jemand einmal geglaubt hat und sich nun selbst nicht mehr als Gläubig bezeichnet — ok, dann ist der Fall relativ klar. Aber ich erlebe immer wieder — hier besonders von der Seite, die “rechts” von mir steht, dass jemand als vom Glauben abgefallen gesehen wird, wenn er die richtigen Triggerworte nicht mehr bringt (oder eben bringt — z.B. gerade “Die Bibel ist Zeugnis vom Reden Gottes” anstatt “Die Bibel ist Reden Gottes”) oder natürlich nicht mehr an den “richtigen Versammlungen” teilnimmt. Das zeugt für mich dann eher von Oberflächlichkeit und einem Bedürfnis nach Exklusivismus.
Inwiefern traue ich mir zu, über den Glauben eine anderen Person an Jesus ein Urteil zu fällen? Diese Frage wäre auch im Zusammenhang mit der Dritten Option noch spannend. Etwas karikiert ausgedrückt — die Liberalen würden wahrscheinlich sagen: “Hauptsache du bist lieb, glaube was du willst”, während die Konservativen sagen würden: “Korrektes Bekehrungsgebet, Taufe (nicht als Kind — Gott behüte!), Gemeindezugehörigkeit, … sonst kommst du in die Hölle!”
Was sagt die Dritte Option? Will sie überhaupt etwas dazu sagen? Inwiefern gehört das zum Spannungsfeld?
Hi Michael — super Input von dir. Ich melde mich bald mit einigen Hinweisen. Patrick’s Fragen gehen in eine ähnliche Richtung. Bis bald.
Es wäre spannend für mich, die Dritte Option nebst den theologischen Fragen in der Kirche auch in weiteren Verantwortungs-Kontexten zu behandeln: Staat, Geschäftswelt, Familie.
Hi Daniel, sehe ich auch so. Themen wie:
— Verhältnis Kirche zu Staat
— Werte von Arbeit und Geschäftswelt
— Erziehung, Ehe, Singlesein
— Verhältnis von Christentum zu anderen Religionen
— Umgang mit Macht, politischer und anderer Macht
— Umgang und Sicht der Schöpfung, Ökologie, Tierwelt, etc
hi zäme, merci für eure Rückmeldungen 🙂 Paul
Sehr gut!!!!!!!! Vielen Dank für die gute Ausführung. Ich sehe es genau gleich.
Herzlichen Dank! Das hilft mir sehr weiter…