Ich beobachte, wie sich viele meiner Glaubensgeschwister und Freunde in Sachen Umweltpolitik und Klimaschutz immer mehr in einen Schattenkampf verstricken. Da wird mit aller Polemik, mit Verschwörungstheorien, Fake-News-Beschuldigungen und Angriffen auf die Person, ob Greta Thunberg oder Donald Trump, gearbeitet.
Jesus ruft uns auf, in einem anderen Geist an die Problematik heranzutreten:
«Selig sind die Sanftmütigen…» (Mt 5:5)
An anderer Stelle lesen wir:
«die Frucht des Geistes aber sind Liebe…, Geduld, Freundlichkeit, Güte,… Sanftmut…» (Gal 5:22.23)
Zugegeben, der Kampf zwischen Klimahysterie und Klimaproblematik-Verleugnung tobt heftig. Es ist einfach, sich von der Empörungsgesellschaft mitreissen zu lassen. Kommentare, Links, Emojis etc. sind schnell gepostet. Es kostet nichts, geht schnell und lässt einen Dampf ablassen.
Als Christ sollte ich mich aber immer fragen: Entspricht solches Verhalten dem Wesen von Jesus Christus?
Es stimmt, dass Jesus mehrfach zornig wurde, einmal sogar handgreiflich. In jedem dieser Fälle hatte es damit zu tun, dass zusätzliche Gesetze oder materielle Hürden den Menschen den Zugang zu Gott erschwert oder sogar verunmöglichten. Das konnte Jesus offenbar nicht leiden.
Ansonsten war Jesus jedoch viel mehr sanftmütig, gnädig, barmherzig, liebevoll, geduldig, friedfertig. Gerade wenn es um Gescheiterte, Gestrandete, Verunsicherte, Verängstigte und Ausgegrenzte ging. Das ging so weit, dass er sogar über die Menschen, und zwar über alle, die Bösen wie die Guten, weinte. Könnte das ein Hinweis darauf sein, wie wir miteinander und mit unseren Mitmenschen umgehen sollten?
So glaube ich, dass uns im aktuell aufgeheizten Klima zwei Dinge gut anstehen würden, nämlich mehr Sachlichkeit und mehr Sanftmut.
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Mehr Sachlichkeit
Ich denke, niemand kann ernsthaft bestreiten, dass die Umweltverschmutzung zunimmt, die Ausbeutung der Erde grässliche Ausmasse erreicht hat, und unsere Konsumgesellschaft weit mehr frisst, als die Ressourcen der Weltkugel zur Verfügung hat. Die westliche und asiatische Welt spielt da eine besondere und leider traurige Rolle. So haben wir Schweizer am 7. Mai 2019 die Ressourcen fürs ganze Jahr, die uns gemäss Bevölkerungszahl zustehen würde, bereits verbraucht. Seither leben wir auf Kosten der Zukunft. Gleichzeitig sind unsere Emissionen (Licht, Abgase, Strahlen etc.) höher, als gesund ist. Auch dazu gibt es unzählige Messungen, die das belegen. Das sind die schlechten Nachrichten.
Die gute Nachricht ist, dass wir Technologien und Möglichkeiten haben, dem etwas entgegen zu setzen. Wer sich mehr damit befassen will, dem sei das Buch «Faktor Fünf» von Ernst Ulrich von Weizsäcker empfohlen. Dort werden für jeden Lebensbereich nachhaltige Möglichkeiten aufgezeigt , welche schon existieren.
Dass wir Menschen von Gott die Erde zur treuhänderischen Verwaltung bekommen haben (bebauen und bewahren), gehört zum grundlegenden Menschen- und Weltbild als Christ. Gemäss der Bibel können wir uns also nicht der Verantwortung entziehen, heilvoll mit Gottes Schöpfung umzugehen.
Das ist einerseits so, weil Gottes «es war sehr gut» nicht nur für den Menschen gilt, sondern für die ganze Schöpfung. Gott liebt die Tiere, Meere, Flüsse, Berge, Planeten, Sterne, Steine, Algen und alles in der Schöpfung (Gen 2:7).
Das ist andererseits so, weil der Auftrag an uns Menschen nicht nur das «herrschen» über die Schöpfung beinhaltet, sondern die Gesamtverantwortung des Bewahrens und Gestaltens (Gen 2:15).
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Die Verantwortung ist also gegeben. Das Problem ist, dass uns diese Verantwortung etwas kostet. Die Lösungen, wie sie bspw. in «Faktor Fünf» aufgeführt werden, kosten etwas. Sie kosten sogar recht viel. Das können sich nur die Reichen leisten. Aber das sind wir, wenn wir als Schweizer zum reichsten Prozent der Weltbevölkerung gehören (dazu gehören sogar Sozialhilfebezüger!).
Und hier hinein interpretiere ich den Grund für die unsägliche Polemik, gerade auch unter Christen, zu diesem Thema. Ich glaube, es ist ein Symptom von Unglauben. Egal, ob Klimaschützer oder Klimaschutzleugner: Man traut Gott nicht.
Die Klimaschutz-Gegner trauen es Gott nicht zu, dass er uns auch dann versorgt, wenn unsere Gewinne, unsere Arbeitsplätze und unser Status Quo gefährdet wird. Sie sehen Gott als einen, der nicht oder ungenügend versorgen kann. Und deshalb, denken sie, wir müssten selbst für uns sorgen.
Das läuft so ganz nach dem Motto «Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott». Dieses unselige Sprichwort ist falsch. Gott will mit uns in einer Art Jobsharing unterwegs sein. Und zwar bei allem was er in dieser Welt bewirken oder schaffen will, sogar beim Schaffen von neuem Leben. Das Jobsharing von Gott mit dem Menschen geschieht sowohl physisch wie auch geistlich. Er hat sich für diesen Weg entschieden. Heisst dieses Jobsharing, dass Gott nur wirken kann, wenn wir aktiv werden? So ist das natürlich nicht gemeint, denn damit würde ich Gott klein und von mir abhängig machen . Dann traue ich es ihm nicht zu ohne mich handeln zu können, was schlicht Unglaube ist.
Auch auf Seite der Klimaschutz-Befürworter ist oft Unglaube zu beobachten. Wer die Welt retten will spielt sich zu Gott auf. Wir sollen unseren Beitrag leisten, die Welt zu bewahren und zu einem heileren Ort in jedem besten Sinne des Wortes zu machen. Sei das ökologisch oder zwischenmenschlich. Aber keiner von uns ist berufen, Weltretter zu sein, und keiner kann das. Das ist die Aufgabe Gottes. Wer glaubt, der Schutz oder die Rettung der Welt hängt nur von unserem Handeln ab, der vertraut Gott nicht, dass er Herr der Schöpfung ist. Auch das ist eine Form von Unglauben.
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Beide Seiten glauben schlussendlich, dass das Wohl der Welt allein von ihrer Art zu Denken und zu Handeln abhängt. Es ist wie bei Adam und Eva, immer noch dieselbe Versuchung, welcher nachgegeben wird: «Ihr werdet sein wie Gott» (Gen 3,5). Wir Menschen erklären uns selbst für Gott.
Und als Götter dulden wir keine Nebengötter. Darum auch der heftige Kampf der die Intensität und Heftigkeit eines Religionskrieges hat. Und damit komme ich zu meinem zweiten Anliegen:
Mehr Sanftmut
Ich glaube, es täte uns gut, wenn wir demütiger würden. Keiner hat die Wahrheit gepachtet, gerade in einer Zeit, wo die immer komplexer werdenden Sachverhalte durch die weiterhin wachsende Informationsflut unbegreiflicher werden. Das sollte uns demütig statt überheblich machen. Aus der Demut heraus wächst Sanftmut. Sanft heisst mild, angenehm, angemessen. Und das Wort ‘Mut’ weist auf die Dynamik des Vorwärtsgehens, des Handelns hin. Wer sanftmütig ist handelt angemessen, aber mutig, vorwärtsgerichtet. Sanftmütige agieren hilfreich auf die Mitmenschen ausgerichtet, nicht anstössig, nicht zerstörerisch oder verletzend, sondern sanft. Aber sie agieren! Und sie sind damit Jesus ähnlich. Darum erhalten sie auch Macht, und «sie werden das Erdreich besitzen» (Mt 5:5).
Ein Abschlussgedanke zum Lösungsweg
Der religiös anmutende Kampf im Thema Ökologie endet beinahe immer in den zwei Positionen
- Freie Marktwirtschaft, Liberalismus, Freiwilligkeit. Adam Smith’s Theorie, welche diese Ansätze begründet, hat sich überdeutlich als falsch erwiesen. Smith’s Theorie geht davon aus, dass wenn jeder für sich selbst am Besten schaut, er damit mehr für die Gesellschaft tut, als wenn er für die Gesellschaft schauen würde. Der Kapitalismus zeigt, sofern er nicht gebremst wird, brutale Züge (Stichwort Turbokapitalismus).
- Kommunismus oder Sozialismus: Zu Recht wird von der Gegenseite darauf hingewiesen, dass das Diktat des Staates keine Lösung sein kann. Der Realsozialismus ist gescheitert.
Nur wenige denken über dieses Links-Rechts-Muster hinaus. Aber es gibt sie, neue und hilfreichere Entwürfe einer Ökonomie, zum Beispiel die ‘Gemeinwohlökonomie’ (Christian Felber, Piper Verlag). Gerade als Christen könnten wir dem viel abgewinnen und gleichzeitig viel Kraft verleihen, wenn wir da aktiv mitdenken und ‑prägen. Auch das ist ein Weg, unsere Verantwortung für und in dieser Welt Rechnung zu tragen.
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»»So haben wir Schweizer am 7. Mai 2019 die Ressourcen fürs ganze Jahr, die uns gemäss Bevölkerungszahl zustehen würde, bereits verbraucht. Seither leben wir auf Kosten der Zukunft.««
Sorry, ich versteh das nicht. Das sind Behauptungen, die gerne so von Grün-Aktivisten aufgestellt werden. Was steht den Schweizern zu?
Gemäß Bevölkerungszahl 1:1 wie jedem anderen Mensch auf der Erde?
Dabei ist doch jedem klar, dass z.B. ein Schweizer oder ein Nordeuropäer heizen muss, sonst erfriert er.
Wieviel Wasser steht jedem Menschen zu? —Wo viel Wasser ist viel…
Wieviele Menschenleben werden verlängert und gerettet durch fossile Kraftstoffe und durch Strom?
Lieber Rolf
Danke für deine Gedanken und Fragen. Ich denke, man könnte diesen wirklich näher auf den Grund gehen. Und ob der 7. Mai so genau stimmt, weiss ich nicht, zugegeben. Aber ist es sinnvoll, dass uns die fehlenden detaillierten Antworten — die je nach gewähltem Parameter ja anders ausfallen können — davon abhalten, sinnvoller und bescheidener mit unseren Ressourcen umzugehen?
Marc-Uwe Kling lässt seinen Protagonisten, das Känguru, einen für mich sehr hilfreichen Satz dazu sagen:
„Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten (Asien bspw, — Anm. David) die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schon ärgern.”
Also: lass uns fröhlich deinen Fragen echt nachgehen und gleichzeitig unseren Verschleiss zurückfahren und haushälterischer mit der Erdkugel und allem was darauf ist umgehen.
Hi David,
Luft und Flüsse sind zweifelsohne weit besser als vor 50 Jahren — in Asien sieht es anders aus — aber darauf haben wir kaum Einfluss. Was soll also der ganze Bohai?
Hallo Rolf
Luft und Wasser sind bezüglich Reinheit besser, bezüglich Biodiversität/Artenvielfalt nicht. Auch nicht bei uns. Und auf Asien haben wir sehr wohl Einfluss: Achte mal darauf, woher die meisten unserer Kaufgüter kommen. Mit mehr regionalem/lokalem Kaufverhalten und weniger Konsum ist da viel Potential drin. Darum und dafür setze ich mich (auch) ein. Ich glaube nicht, dass ich den Planeten retten muss. Aber ihn weniger kaputt machen, da sehe ich einen Beitrag. Darum dieses “Bohai” (musste Bohai googlen, kannte das nicht. Danke für den Impact 😉 ).
Hi David,
klar können wir (manchmal) regional kaufen — dann verdienen die Asiaten eben auch nichts. Genauso das “Problem” mit dem Urlaub.….
Generell scheint mir hinter dem Klima-Gedönse evlt auch was ganz anderes zu stecken — man kann so etwas wie global gouvernment ausüben mit dem Vorwand der Weltrettung. Es glaubt doch keiner ernsthaft, dass mit den Übungen der paar westlichen Staaten bei gleichzeitigem Wachstum von Indien, China und Afrika irgendwas Relevantes dabei herum kommt außer Milliarden Dollars, die umverteilt werden.
Grüess di Rolf
Tja, mit dieser Argumentationslinie können wir aber gleich alles gute Handeln abschaffen. Als ob wir gegen das Elend der Welt eine Chance hätten, wenn wir dem Nächsten helfen, Armen zu Essen geben, Tiere schützen etc. Das finde ich weder hilf- noch segensreich. Als Nachfolger Jesu sind wir berufen, zu seiner Schöpfung Sorge zu tragen. Wir sollen die Erde bebauen und bewahren, nicht auspressen und zerstören (oder ausrotten). Oder wie es Luther selbst sagte: eben noch ein Apfelbäumchen pflanzen, auch wenn Christus morgen wieder käme.
Ich habe das Gefühl, es geht soviel Energie in diesen Kampf ums Rechthaben — beidseitig — welche wir viel besser ins Leben direkt investieren sollten.
Ich wünsche dir eine reich gesegnete Weihnachten — Gott wurde Mensch, lass es uns ihm gleichtun 😉
david
Danke für diesen wegweisenden Artikel, David! Das Buch Faktor 5
gehört zu dem, was ich zu Weihnachten verschenken werde:)
Liebe Regula
Etwas spät aber doch: danke für deine Rückmeldung und es ist ein tolles Geschenk, dass du weitergibst. Habe mein Exemplar auch zu Weihnachten erhalten, von Johannes Schwarz, ehem. Kantonsrat in Bern.