Der Heilige Geist ist kein Skeptiker

Lesezeit: 6 Minuten
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by Paul Bruderer | 17. Nov. 2019 | 9 comments

“Der Heilige Geist ist kein Skep­tik­er!”, protestiert The­ologe und Refor­ma­tor Mar­tin Luther in sein­er welt­berühmten Debat­te mit Eras­mus von Rot­ter­dam. Luther und Eras­mus zeigen beispiel­haft zwei unter­schiedliche Ansicht­en darüber, ob wir im Glauben zu Gewis­sheit gelan­gen kön­nen oder Fra­gende bleiben sollten.

Die Beziehung zwis­chen Eras­mus von Rot­ter­dam und Mar­tin Luther ist ungestüm. Vielle­icht ist die Beziehung ger­ade deshalb so span­nend und ergiebig. In ihren Stre­itschriften the­ma­tisieren sie die Frage, ob wir im Glauben Gewis­sheit haben kön­nen oder nicht.

Eras­mus von Rot­ter­dam, Lucas Cranach d.Ä., 1530–36

Der Showdown

Auf der einen Seite haben wir Eras­mus, der geachtete Gelehrte und Mit­be­grün­der des europäis­chen Human­is­mus. Auf der anderen Seite ste­ht Luther, die Galions­fig­ur der deutschen Reformation.

Die hitzige Debat­te zwis­chen Luther und Eras­mus über die Frei­heit des men­schlichen Wil­lens ist in mehreren Briefen und Schriften gut doku­men­tiert. In sein­er Abhand­lung ‘Über den freien Willen’ kri­tisiert Eras­mus Luther dafür, dass er zu klaren Überzeu­gun­gen kommt und ent­geg­net ihm:

So gross ist mein Missvergnü­gen an fes­ten Behaup­tun­gen, dass ich unbe­den­klich mich der Ansicht der Skep­tik­er anzuschliessen pflege. (Eras­mus, ‘Über den freien Willen’, Seite 11)

Men­schen, die feste Überzeu­gun­gen haben, seien wie Leute, die sich im Stre­it erhitzen und…

… alles, was ger­ade zur Hand ist, sei es ein Krug oder sei es ein Teller, sich in ein Wur­fgeschoss ver­wan­delt. (Eras­mus, Seite 11)

Luthers Antwort kommt post­wen­dend in sein­er Gegen­schrift ‘Vom unfreien Willen’:

Der heilige Geist ist kein Skep­tik­er, er hat nichts Zweifel­haftes oder unsichere Mei­n­un­gen in unsere Herzen geschrieben, son­dern feste Gewis­sheit­en, die gewiss­er und fes­ter sind als das Leben selb­st und alle Erfahrung. (Luther, ‘Vom unfreien Willen’, ISBN 978–80-268‑2767‑2, Seite 13)

Luther betont deshalb, dass wir feste Überzeu­gun­gen haben dürfen:

Lass uns Men­schen sein, die feste Mei­n­un­gen haben, sich darum bemühen und an ihnen Freude haben. (Luther, Seite 13)

Viele Men­schen sehnen sich nach dem, was Luther hier beschreibt. Endlich wieder richtig glauben dür­fen — das wäre es! Doch in unser­er Kul­tur gibt es einen gewichti­gen Grund, weshalb man uns davor warnt, tiefe Glauben­süberzeu­gun­gen zuzulassen.

by Edwin Andrade from Unsplashed

Wenn Überzeugungen zu Gewalt führen

Nach der Ansicht von Eras­mus sind feste religiöse Überzeu­gun­gen ein Nährbo­den für Gewalt. Die Lösung gegen religiös begrün­dete Gewalt ist deshalb gemäss Eras­mus eine saftige Por­tion religiös­er Skep­sis. Um den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, soll­ten wir ange­blich keine fes­ten Glauben­süberzeu­gun­gen haben!

Lei­der zeigt die europäis­che Geschichte, dass wir hier tat­säch­lich ein Prob­lem haben. Ein Beispiel dafür ist der dreis­sigjährige Krieg, der als Reli­gion­skrieg von 1618 bis 1648 gross­es Leid nach Mit­teleu­ropa brachte. Dieser führte dazu, dass man Reli­gion aus dem öffentlichen Raum ver­ban­nte. Dafür durfte die Ide­olo­gie des Human­is­mus die Öffentlichkeit bestimmen.

Doch auch der Human­is­mus hat religiösen Charak­ter mit tief­greifend­en Überzeu­gun­gen. Auch für diese ver­meintlich ’nicht-religiösen’ Überzeu­gun­gen war man bere­it, zur Gewalt zu greifen. Dies sehen wir beispiel­haft in der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion, wo im Namen des human­is­tis­chen Man­i­fests Lib­erté, Égal­ité, Fra­ter­nité die Guil­lo­tine für ‘Frieden’ sor­gen musste.

Die Lösung zum The­ma Gewalt liegt also nicht darin, dass wir in religiösen Fra­gen eine skep­tis­che Grund­hal­tung ein­nehmen und möglichst darauf acht­en, zu kein­er fes­ten Überzeu­gung zu gelan­gen. Das Prob­lem ist nicht, dass wir tiefe religiöse Gewis­sheit­en in uns tra­gen, son­dern welche Mei­n­un­gen und Gewissheiten.

Sturm auf die Bastille — pub­lic domain

Wenn Überzeugungen zur Gewaltlosigkeit führen

Im Leben der Chris­ten in den ersten Jahrhun­derten nach Chris­tus erken­nen wir eine Lösung zu diesem Dilem­ma: Sie haben tiefe, feste Überzeu­gun­gen und greifen gle­ichzeit­ig nicht zur Gewalt. Im Gegen­teil! Sie erdulden, dass ihnen Gewalt ange­tan wird, und sie schaf­fen dies, eben ger­ade weil sie tiefe Glauben­süberzeu­gun­gen haben!

Es gibt viele Beispiele dafür. Ich erwähne nur eines davon: Die Chris­ten aus der Region Kap­padozien (in der heuti­gen Türkei), welche von den Goten auf Kriegszü­gen ent­führt wur­den, bewirk­ten als Sklaven unter den Goten eine Erweck­ung des Chris­ten­tums. Die gläu­big gewor­de­nen Goten wur­den anschliessend vom eige­nen Volk bis aufs Blut ver­fol­gt. Oft wur­den sie im eige­nen Haus verbrannt.

Diese Chris­ten wider­standen der Ver­suchung, mit Gewalt zurück­zuschla­gen. Die faszinierende Geschichte über die friedliche Chris­tian­isierung der Ost­goten kann im span­nen­den Buch von Erich Schne­pel nachge­le­sen werden.

Der Heilige Geist ist kein Skeptiker

Diese Goten-Chris­ten und deren christliche Sklaven wur­den ver­mut­lich durch den 1. Petrus-Brief geistlich auf diese Sit­u­a­tio­nen vor­bere­it­et. Wir sehen dies daran, dass die christlichen Sklaven aus Kap­padozien stam­men, wo auch die Empfänger des 1. Petrus-Brief ange­siedelt waren (siehe 1Pe 1:1). In diesem Brief kön­nen wir also her­aus­find­en, welche tiefen Überzeu­gun­gen diesen Chris­ten halfen, unter dem Druck der Ver­fol­gung nicht zu Gewalt zu greifen, son­dern ihre Feinde zu lieben.

Der Brief spricht von den Feuer-Prü­fun­gen, welche diese Chris­ten real erlebt haben:

Geliebte, lasst euch durch das Feuer der Ver­fol­gung unter euch, das euch zur Prü­fung geschieht, nicht befrem­den, als begeg­ne euch etwas Fremdes (1Pe 4:12)

Diese Art von Prü­fung beste­ht man nicht, indem man Eras­mus-mäs­sige skep­tis­che Dis­tanz zum Glauben hal­tet. Im Gegen­teil! Man muss in tiefe Glauben­süberzeu­gun­gen hinein fliehen! Man braucht klare Überzeu­gun­gen, um in solchen Sit­u­a­tio­nen ein­er­seits den Glauben zu behal­ten und ander­er­seits nicht zur Waffe zu greifen.

In seinem großen Erbar­men hat er uns durch die Aufer­ste­hung Jesu Christi von den Toten ein neues Leben geschenkt. Wir sind von neuem geboren und haben jet­zt eine sichere Hoff­nung, die Aus­sicht auf ein unvergänglich­es und makel­los­es Erbe. (1Pe 1:3–4)

Wenn wir wis­sen, dass Jesus tat­säch­lich (leib­lich) von den Toten aufer­standen ist, dür­fen wir eine tiefe Gewis­sheit in uns tra­gen, dass auch wir ewiges Leben haben im Glauben an den aufer­stande­nen Jesus! Und diese Gewis­sheit hil­ft entschei­dend, im Angesicht von Ver­fol­gung und Tod stand­haft zu bleiben und auch nicht zur Gewalt zu greifen.

Bish­er habt ihr Jesus nicht mit eige­nen Augen gese­hen, und trotz­dem liebt ihr ihn; ihr ver­traut ihm, auch wenn ihr ihn vor­läu­fig noch nicht sehen kön­nt. Daher erfüllt euch schon jet­zt eine über­wälti­gende, jubel­nde Freude, eine Freude, die die kün­ftige Her­rlichkeit wider­spiegelt; denn ihr wisst, dass ihr das Ziel eures Glaubens erre­ichen werdet – eure endgültige Ret­tung. (1Pe 1:8–9)

Die Bibel spricht an dieser Stelle von klar­er Glaubens­gewis­sheit, und das, obschon man Jesus nicht gese­hen hat. Es ist eine Gewis­sheit, die grosse Freude weckt. Diese Freude ist von der gle­ichen Sub­stanz wie jene Freude, welche wir eines Tages in der Her­rlichkeit erleben wer­den. Warum kann sie erlebt wer­den? Weil wir etwas wis­sen! Weil wir eine Gewis­sheit in uns tra­gen! Hier ist nicht die Rede von ein­er wagen Hoff­nung, von unsicherem Glauben oder skep­tis­ch­er Zurück­hal­tung. Es stimmt, was Luther sagt:

Der heilige Geist ist kein Skep­tik­er, er hat nichts Zweifel­haftes oder unsichere Mei­n­un­gen in unsere Herzen geschrieben, son­dern feste Gewis­sheit­en, die gewiss­er und fes­ter sind als das Leben selb­st und alle Erfahrung. (Luther, Seite 13)

Mar­tin Luther, Lucas Cranach d.Ä., 1529

Dass der Heilige Geist so wirkt, ist nötig, wenn wir die Prü­fun­gen des Lebens als Chris­ten beste­hen wollen! Andere Stellen des Neuen Tes­ta­ments blasen ins gle­iche Horn:

Aus diesem Grund lei­de ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anver­traut ist, bis an jenen Tag. (2Tim 1:12)

… damit ihre Herzen gestärkt und zusam­menge­fügt wer­den in der Liebe und zu allem Reich­tum an Gewis­sheit und Ver­ständ­nis, zu erken­nen das Geheim­nis Gottes, das Chris­tus ist. (Kol 2:1)

… so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewißheit des Glaubens. (Heb 10:22)

Lasst euch nicht durch mancher­lei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welch­es geschieht durch Gnade. (Heb 13:9)

Fazit

Unsere Kul­tur sollte ihrer eige­nen Skep­sis-Gläu­bigkeit etwas skep­tis­ch­er gegenüber treten. Tiefe religiöse Gewis­sheit zu haben ist nicht das Haupt­prob­lem hin­ter religiös motiviert­er Gewalt. Das Prob­lem ist, welche Überzeu­gun­gen wir in uns zulassen.

Ist dieser Punkt gek­lärt, dür­fen wir unsere See­len wieder öff­nen und die Gewis­sheit­en zulassen, die der Heilige Geist durch die Bibel in uns weck­en möchte! Unsere Herzen dür­fen im Glauben fest wer­den. Daran ist nichts falsch, son­dern so soll es eben grad sein!

Wenn du dich nach Glaubens­gewis­sheit sehnst, lies nochmals die in diesem Artikel genan­nten Bibel­stellen durch. Du kannst auch das ganze erste Kapi­tel des ersten Petrus-Briefes lesen. Strecke dich aus nach dem, was diese Bibel­texte versprechen!

Wenn du gerne mehr darüber erfahren willst, wie sich­er wir sein kön­nen, dass Jesus leib­lich aufer­standen ist, dann kannst du fol­gende Links benutzen, um dir darüber Klarheit zu verschaffen:


Ben White from Unsplashed

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Über den Kanal

Paul Bruderer

Paul Bruderer, Jahrgang 1972, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, 1998 Gründungsmitglied der erwecklichen ‹Godi›-Jugendarbeit in Frauenfeld. Seit 2001 Pastor in der Chrischona Gemeinde Frauenfeld. Paul lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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Kommentare zu diesen Beitrag

9 Comments

  1. Pascal

    Danke für den Artikel. Das The­ma “religiöse Gewalt” schaue ich vor allem aus dem Blick­winkel der Geschichte an. Schnell wird einem bei der Suche nach den Ursachen dann aber klar, dass bei vie­len der soge­nan­nten “Glauben­skriege” die Ursachen meis­tens nicht im Glauben oder der Kon­fes­sion liegen. Zwar wer­den oft religiöse Motive vorgeschoben, meis­tens geht es schlussendlich aber um Macht und/oder Geld.

    Wenn man den dreis­sigjähri­gen Krieg aus dieser Per­spek­tive anschaut (oder auch die Vilmerg­er Kriege, Son­der­bund­krieg usw.) kann man also dur­chaus zur Erken­nt­nis gelan­gen, dass die Kon­fes­sion der gute Grund war, der wahre Grund aber ger­ade so gut in wirtschaftlichen Inter­essen und Macht­poli­tik gefun­den wer­den kann.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Danke Pas­cal, da ist was dran. Reli­gion muss mitunter so ziem­lich für jedes Übel der Welt hin­hal­ten. Lei­der stimmt es manch­mal. Aber nicht immer. Wir müssen da dif­feren­ziert­er hin­schauen, welche Kom­po­nen­ten zusammenwirken.

      Reply
  2. Dave S.

    Lieber Paul

    Ich bedanke mich haupt­säch­lich für die bei­den ver­link­ten Predigten von dir! Ein­fach stark wie du “ohne Bibel” argu­men­tierst über die Aufer­ste­hung Jesu!

    Auch die Predigt über die Zuver­läs­sigkeit der Über­liefer­ung des NT hat mich neu begeis­tert, ich habe vor ca. 3 Wochen mich schon damit beschäftigt um meine Unti-Lek­tion vorzu­bere­it­en und habe viele Bestä­ti­gun­gen gefun­den und einige neue Aspek­te die ich gle­ich mit rein nehme um dem näch­sten Jahrgang zu erzählen 🙂

    Vie­len Dank für eure Arbeit, ich warte jew­eils ganz ges­pan­nt auf den näch­sten Artikel.
    Seid gesegnet

    Reply
    • Paul Bruderer

      Thx Dave, ich hoffe deine ‘Kön­fler’ prof­i­tieren! Wenn ich dir sonst­wie dienen kann, meld’ dich — Lieber Gruss Paul

      Reply
  3. Nadja

    Guten Mor­gen!

    Ich habe ger­ade deinen neuen Artikel auf Daniel Option gele­sen. Kleine kri­tis­che, fra­gende Anmerkung dazu: Du zitierst einen Teil­satz von Eras­mus von Rot­ter­dam: So gross ist mein Miss­ver­gnü­gen an fes­ten Behaup­tun­gen, dass ich unbe­denk­lich mich der Ansicht der Skep­ti­ker anzu­schlies­sen pfle­ge. Aber du unter­schlägst den direkt darauf­fol­gen­den Teil des Satzes: ‚wo immer es die unver­let­zliche Autorität der Heili­gen Schrift und die Entschei­dun­gen der Kirche erlauben, denen ich mein Han­deln in allen Stück­en gern unterordne, ein­er­lei ob ich deren Anord­nun­gen ver­ste­he oder nicht. —> Kürzt du da Eras­mus nicht auf eine Aus­sage zusam­men, die er der Kirche im Bezug auf die Bibel ein biss­chen weit­er unten vor­wirft, näm­lich seine Mei­n­ung so vehe­ment vertreten zu wollen, dass man bere­it ist, Worte zu ver­drehen, bis sie ihnen zur Bestä­ti­gung ihrer Mei­n­ung dienen? Im Sinne von: Ich weiss, was ich aus­sagen will, darum wäh­le ich gezielt aus, was ich zitiere und was nicht?
    Ich muss geste­hen, dass ich Eras­mus von Rot­ter­dam nicht kenne und auch die Schrift­ten von Luther habe ich nicht gele­sen — ich gehe jedoch davon aus, dass sie eher in den „Genen“ der Chrischona mitschwin­gen… Ger­ade wenn Eras­mus ein Mit­be­grün­der des Human­is­mus ist, darf man ver­mut­lich auch kri­tisch hin­ter­fra­gen, wie er zu seinen Mei­n­un­gen kommt. In diesem Fall fand ich es aber etwas verkürzt in Anbe­tra­cht dessen, dass Daniel Option ja auch bemüht sein möchte, in Gegen­the­sen nicht „nur den Feind“ sehen zu wollen, son­dern bewusst auch das Gute daran zu suchen und daran anzuknüpfen…
    Bin ges­pan­nt auf deine Gedanken dazu!
    Liebe Grüsse
    Nadja

    Reply
    • Paul Bruderer

      Du sprichst einen Punkt an, den ich im Vor­feld so gut ich kon­nte über­prüft habe. Das im Artikel aufge­führte Zitat geht bei Eras­mus tat­säch­lich weit­er. Ich habe das Zitat aber bewusst an der Stelle unter­brochen, damit nicht ein weit­eres The­ma angeschnit­ten wird, welch­es die Länge des Artikels ver­grössert hätte.

      Eras­mus war von der kath. Kirche bezahlt. Seine Arbeit und sein Leben­sun­ter­halt hing ein ganzes stück am anhal­tenden Wohlwollen der Kirche. Eras­mus war kein ‚pushover‘ (wie die Englän­der sagen — kein Kusch­er). Aber er war doch immer wieder an entschei­den­den Punkt nicht bere­it, sich mit aller Kon­se­quenz gegen die Kirche zu stellen. In sein­er drit­ten Aus­gabe des Griechis­chen NT (Eras­mus erstellte mehrere Fas­sun­gen des Griechis­chen NT — die als Tex­tus Recep­tus bekan­nt wur­den) akzep­tierte er ver­mut­lich bewusst ein gefälscht­es griechis­ches Manuskript von der Kirche und inte­gri­erte diese Vari­ante in seine Aus­gabe. Luther hätte sowas nie gemacht. Luther war im Unter­schied zu Eras­mus, bere­it in let­zter Kon­se­quenz zu brechen mit der Kirche.

      Was ich sagen will ist: Eras­mus macht in seinen Schriften immer wieder einen Kniefall vor der Kirche auch wenn der Kniefall nicht ehrlich son­dern nur prag­ma­tisch zu ver­ste­hen ist. Ich habe seine ganze Schrift gele­sen (Vom freien Willen) und mich in sein Leben hinein­ge­le­sen. Ich finde einiges tönt sehr gut bei ihm und ich wäre poli­tisch gar nicht so unweit von ihm ent­fer­nt. Aber mich dünkt das Bild, das ich im Artikel von ihm zeichne, ist stim­mig: Er glaubte dass wir religiöse Überzeu­gun­gen ‚lose‘ hal­ten sollen um nicht zu extrem­istisch zu wer­den. Er war ein waschechter Human­ist, der das Pech hat­te, in ein­er Zeit zu leben, in der die Kirche noch an der Macht war. Der Teil des Satzes, das ich nicht im Zitat auf­führe, deute ich als eine dieser kleinen Bekun­dun­gen, dass er loy­al ist zur Kirche. Ich hoffe, dass ich Eras­mus nicht mis­repräsen­tiere. Sollte ich das tun, bitte ich um Korrektur.

      Mlg und bis hof­fentlich bald wieder! Paul

      Reply
  4. Dave

    Danke Paul für diesen Beitrag. Meine Erfahrung ist allerd­ings, dass ich wenig Men­schen kenne, die nicht eine feste Überzeu­gung von ihrem Denken/Glauben/Weltbild haben (ob ChristIn­nen oder andere). Wir zwei bilden da bekan­ntlich keine Aus­nahme. 🙂 Die Frage, die sich mir dabei stellt ist viel mehr, wie wir als ChristIn­nen damit umge­hen, wenn wir zu ver­schiede­nen Überzeu­gun­gen gelan­gen? Schliesslich hat ja jede Überzeu­gung ihre (Ab-) Gründe… Ich denke, wir sind als Nach­fol­gerIn­nen Jesu heute ger­ade hier stark her­aus­ge­fordert. Nicht im Haben und Vertreten fes­ter Überzeu­gun­gen, son­dern im Miteinan­der bei unter­schiedlichen Überzeu­gun­gen. Sehr hil­fre­ich für diese Frage finde ich den Ansatz von David Field in seinem Buch “Zu lieben sind wir da” (https://amzn.to/2Or8yiu). Grüessli.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Thx Dave. Schön dass du dich meldest! Ich lese gerne bei Gele­gen­heit das Buch, das du emp­fiehlst. Über die von dir angeregten Fra­gen habe ich mir schon etliche Gedanken gemacht und auch dazu geblog­gt: https://danieloption.ch/weltanschauuung/das-spannungsfeld-von-toleranz-und-abgrenzung
      Und auch:
      https://danieloption.ch/weltanschauuung/den-glauben-verlieren-teil-4-worauf-an-ankommt/
      Wir kön­nen das auch gerne mal im Gespräch anschauen wenn du willst

      Reply
    • Claudia

      Hal­lo zusam­men. Meine Gedanken zu diesem The­ma starten mit unser­er Denkweise Gott gegenüber. In Hiob und dem Vers 42.3 (‘’… ich habe von Din­gen gere­det, die ich nicht begreife, sie sind zu hoch für mich und über­steigen meinen Ver­stand.’’) beschreibt die Bibel zwar eine ganz spez­i­fis­che Sit­u­a­tion, mir gefällt aber, wie Hiob zu ein­er demüti­gen Hal­tung Gott gegenüber gelangt. Ich glaube, dass eine Ver­ankerung dieses Vers­es in unseren Herzen, auch in unserem aktuellen The­ma hier, eine grosse Kraft ent­fal­ten kann: Ist uns wirk­lich bewusst, dass wir auch falsch liegen kön­nen mit unser­er Mei­n­ung? Ist es wichtiger recht zu haben, als dass Gottes Wahrheit siegt? Erken­nen wir, dass wir über Gottes Wahrheit, also SEIN ‘Fachge­bi­et’ sprechen und haben daher ein offenes Ohr Gott gegenüber, wenn uns Gott in unser­er Mei­n­ung kor­rigieren möchte?
      Lieber Gruss, Claudia

      Reply

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