Wüstenzeit — wenn Gott dich in die Warteschlaufe schickt

single-image

Bevor ein neuar­tiges Mate­r­i­al auf ein­er Baustelle ver­wen­det wer­den darf, wird es geprüft. Hitze, Kälte, Druck, Wass­er und Wind. Was alle Tests beste­ht, kann einge­set­zt wer­den. Was ver­sagt, ist Schrott. Genau­so testet Gott auch dich. Zugegeben: Im ersten Moment ist das kein angenehmer Gedanke, aber wohl ein­er, mit dem wir uns beschäfti­gen soll­ten, wenn wir als Chris­ten nicht bequem und irrel­e­vant sein wollen. Und ein­er, der uns let­z­tendlich in die liebende Gegen­wart Gottes führt. Darum ist es für uns an der Zeit, eine Spir­i­tu­al­ität wiederzuent­deck­en, die der Wüste nicht nur wider­ste­hen kann, son­dern auch eine, die über­haupt nur hier entste­hen kann. Diese Serie zu Israels Wüsten­zeit will dazu einen kleinen Beitrag leisten.

Wir reden über das grosse Ereig­nis des Alten Tes­ta­ments: den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Oder kürz­er: den Exo­dus. Oder länger: Gott beruft einen Mann mit Namen Abram und ver­spricht ihm Nachkom­men wie Sand am Meer. Dieses Ver­sprechen erfüllt sich Schritt für Schritt. Abra­hams Enkel Jakob wan­dert wegen ein­er Hunger­snot mit sein­er Fam­i­lie nach Ägypten aus. Hier geht es richtig los und das Volk wächst so stark, dass sich die Ein­heimis­chen davon bedro­ht fühlen. Sie begin­nen die Israeliten zu ver­sklaven. Auch vor dem Mord an kleinen Kindern wird nicht zurück­geschreckt. Das Unrecht schre­it zum Him­mel. Gott hört. Durch seinen Propheten Mose tut er viele Wun­der und zwingt den Pharao, die ver­sklavten Israeliten freizu­lassen. Endlich kann dieses grosse Volk Rich­tung Kanaan ziehen. Dieses Land hat­te Gott Abra­ham und seinen Nachkom­men ver­sprochen. Gott hält seine Versprechen.

Car­a­van in a sand­storm, Her­mann David Salomon Cor­ro­di, 1844–1905

Der Umweg

Eine wun­der­bare Geschichte – wenn sie hier zu Ende wäre. Doch wer nach 2Mose 16 weit­er­li­est, stösst auf ein schein­bares Para­dox: Bevor sich eine Ver­heis­sung Gottes erfüllt, geschieht oft erst­mal das Gegen­teil von dem, was man erwartet. Als Gott Mose am bren­nen­den Dorn­busch seinen Auf­trag gegeben hat­te, hat­te Gott gesagt:

Ex 3,8a: Ich bin gekom­men, um sie [die Israeliten] aus der Gewalt der Ägypter zu ret­ten und sie aus Ägypten zu führen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig überfließen

Toll, Schlaraf­fen­land! Das von Gott ver­sproch­ene Land scheint unübertr­e­ff­bar zu sein. Doch was die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten erleben, fühlt sich ein biss­chen anders an:

Ex 16,1b: Einen Monat, nach­dem sie Ägypten ver­lassen hat­ten, erre­icht­en sie die Wüste Sin, die zwis­chen Elim und dem Berg Sinai liegt.

Schaut man sich das auf der Karte an, drängt sich die Frage auf: Lieber Gott, ist dein Navi kaputt? Um in das ver­sproch­ene Land zu kom­men, muss man von Ägypten aus nur der Mit­telmeerküste in östlich­er Rich­tung fol­gen. Die Wüste Sin liegt an der «falschen», der südlichen Küste in Rich­tung Sinaige­birge. Doch Gottes Navi ist nicht kaputt. Am Sinai hat­te Gott Mose versprochen:

Ex 3,12: Er [Gott] antwortete: »Ich werde mit dir sein. Und dies soll der Beweis sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du die Israeliten aus Ägypten geführt hast, werdet ihr mir an diesem Berg dienen.«

Auf Bergen haben Men­schen in der Bibel oft beson­dere Begeg­nun­gen mit Gott oder einem sein­er Boten (1Mose 22; 2Mose 3; 1Könige 19; Markus 9,1–10). Wenn Gott sein Volk diesen Umweg Rich­tung Sinai führt, dann führt er sie zu ein­er Gottes­begeg­nung. Er hat mehr für sein Volk bere­it als ein frucht­bares Land in dem bildlich gesprochen Milch und Honig über­fliessen. Gott möchte sich selb­st dem Volk geben. Für uns ist das eine Erin­nerung daran, nicht nur Gottes Segen (das Land), son­dern ihn selb­st zu suchen. Später ein­mal dro­ht Gott Mose an, das Volk zu ver­lassen, ihnen aber einen Engel mitzuschick­en, der sie führen wird (2Mose 33,1–3). Mose will daraufhin lieber in der Wüste bleiben als ins ver­sproch­ene Land zu ziehen (2Mose 33,15): Was nützt der Engel, was nützt das Land, wenn man es ohne Gott hat? Hierin steckt auch für uns die Frage: Was suchst du? Gottes Segen oder Gott selbst?

Mir scheint, dass wir mit­teleu­ropäis­chen Chris­ten langsam, aber sich­er in eine Wüsten­zeit kom­men. Wohl auch dem Let­zten scheint es zu däm­mern, dass die Idee eines christlichen Abend­lan­des vor­bei geht. Die Zeit, in der man mit «christlichen Werten» in der Poli­tik punk­ten kon­nte, neigt sich dem Ende zu. Die Mei­n­ung der Kirche ist höch­stens noch bei diakonis­chen und ökol­o­gis­chen The­men gefragt. Es macht sich die Frage bre­it: Wer sind wir Chris­ten eigentlich? Wozu gibt es uns? Alle Jahre wieder kommt ein neues Buch, ein neues Gemein­de­bau­mod­ell auf den Markt, das den Weg ins gelobte Land beschreibt. Doch nach der anfänglichen Begeis­terung sieht man doch mehr Steine als Flüsse von Milch und Honig. In der Gemeinde sind wir absorbiert. Die Welt der tausend Optio­nen raubt uns die Ori­en­tierung. In der Wüste der tausend Steine sieht alles gle­ich aus. Ob man nicht ger­ade im Kreis läuft, lässt sich gar nicht immer so genau sagen. Manche hal­ten sich in dieser Zeit an einem Traum­bild aus ver­gan­genen Tagen fest: Wenig­stens hat­ten wir in Ägypten zu essen. Andere passen sich an: Ägypten war ja nicht so schlecht. Was kaum jemand tut, ist zu fra­gen: Muss ich vielle­icht in dieser Wüste sein? Will Gott vielle­icht ger­ade hier – zwis­chen Schlangen, Geröll und Dor­nengestrüpp – etwas tun, was er nur hier tut? Und falls das so ist: Wie ver­halte ich mich in der Wüste, damit ich den Weg ins ver­sproch­ene Land tat­säch­lich schaffe, ohne zu ver­dursten oder nach hal­ber Strecke umzukehren?

Das Land der Prüfung

In der Ödnis wird das Leben auf seine wichtig­sten Funk­tio­nen reduziert. Nie­mand wird nach Stun­den unter der glühen­den Sonne auf Coca-Cola beste­hen, wenn ihm Pep­si ange­boten wird. Haupt­sache Flüs­sigkeit. In der Wüste gibt es keine Kapaz­ität für unnöti­gen Bal­last. Darum hat die Wüste die Macht, unsere wahren Überzeu­gun­gen ans Licht zu brin­gen. Es gibt drei Arten von Überzeu­gun­gen, die offiziellen, die pri­vat­en und die wahren. Die offiziellen Überzeu­gun­gen tra­gen wir nach aussen mit uns herum. Diese Art macht es all den­jeni­gen schw­er, die Wahlkampfer­geb­nisse voraus­sagen sollen. Z.B. hat­te eine ganze Rei­he an Leuten bei den amerikanis­chen Präsi­dentschaftswahlen bei Befra­gun­gen angegeben, Joe Biden zu wählen. Für den Fam­i­lien­frieden, das Arbeit­skli­ma in der Fir­ma oder die Chan­cen auf ein zweites Date wäre es unklug gewe­sen, etwas anderes zu sagen. Pri­vat hat­te man eine andere Überzeu­gung. Doch auch die pri­vat­en Überzeu­gun­gen sind trügerisch. Denn in diese Kat­e­gorie gehören auch all die Dinge, die wir gerne über uns glauben wür­den. Wir wür­den gerne glauben, dass wir Gott in jed­er Lebenslage ver­trauen. Immer­hin ist das doch eines der Ker­nele­mente des Glaubens! Und dann kommt die Wüste. Und mit ihr unsere wahren Überzeu­gun­gen. Hier wird es exis­ten­tiell. Job­ver­lust, Krankheit, zer­broch­ene Beziehun­gen, die Anfein­dung wegen meines Glaubens oder meine Lieblingsver­suchung. Die, für die ich mich abgrundtief has­sen oder auch die, die ich sehr leicht­fer­tig entschuldigen kann und so vor ihr kapit­uliere. In der Wüste fall­en alle from­men Vorstel­lun­gen von Gott in sich zusam­men – oder sie bewähren sich. Bei den Israeliten klang das so:

Ex 16,3: »Hätte uns der Herr doch nur in Ägypten getötet«, klagten sie. »Dort hat­ten wir immer­hin Fleisch und genü­gend Brot zu essen. Stattdessen habt ihr uns in diese Wüste geführt, damit wir hier alle verhungern.«

Autsch, anscheinend war die Zeit der Ver­sklavung bess­er als die Zeit der Frei­heit. In Ägypten wur­den die Israeliten geschla­gen und mussten mit dem Tod rech­nen. Aber immer­hin gab es genug zu essen. Dann doch lieber mit vollem Bauch ver­sklavt in der Fremde ster­ben als mit Gott in der Wüste zu ver­dursten. Lieber der sex­uellen Ver­suchung nachgeben als mit Gott diese Ver­suchung aushal­ten. Lieber meine finanzielle Sicher­heit selb­st in die Hand nehmen als zu riskieren, mit Gott zu ver­ar­men. Lieber eine halb­wahre Stan­dar­d­ant­wort wieder­holen als mit Gott um Liebe und Wahrheit zu rin­gen. Lieber meine Zeit für mich ver­wen­den als über­müdet mit Gott dem undankbaren Nach­baren einen Gefall­en tun, der nicht erwidert wer­den wird.

Das Land der Reinigung und Vorbereitung

Es gibt Dinge, die man erst in der Wüste lernt und ohne die man nicht im ver­heis­se­nen Land leben kann. Im Land von Milch und Honig lernt man nicht, Gott an die erste Stelle zu set­zen. Auch Ver­trauen, Geduld, Hoff­nung, Mut und Wider­stand­skraft lernt man dort nicht. Das lernt man in der Wüste. Gott möchte, dass Israel im ver­heis­se­nen Land lebt. Aber dieses Land nützt Israel nichts, wenn es nicht im Ver­trauen auf Gott und mit sein­er Weisheit dort lebt. Nur wer ver­traut, kann selb­st­los lieben, mutig hof­fen, geduldig das Gute tun, das sich nicht auszahlt. Darum reicht Gottes Segen nicht, wir brauchen Gott selb­st. Völk­er, die in einem schö­nen Land ohne Gott leben gibt es schon genug.

Um Erz zu Met­all zu ver­ar­beit­en, muss man es erhitzen. Das Met­all im Gestein schmilzt und wird von Fremd­stof­fen gere­inigt. Erst jet­zt kann man es tat­säch­lich brauchen. Den bib­lis­chen Autoren ist dieser Prozess zu einem Bild dafür gewor­den, wie Gott mit seinem Volk umge­ht (Ps 66,10–12; Spr 17,3; Jes 48,10; Sach 13,9; Mal 3,3; 1Pet 1,6–7).

Jes 1,26–27: Ich werde meine Hand gegen dich wen­den und deine Schlack­en auss­chmelzen und all dein Blei auss­chei­den und dir wieder Richter geben, wie sie früher waren, und Rat­ge­ber wie im Anfang. Dann wirst du eine Stadt der Gerechtigkeit und eine treue Stadt genan­nt werden.

Dieser Prozess ist nicht schön, aber wichtig und gut. Ohne Hitze wird aus Erz nie Eisen. Israel hat­te die Beru­fung, ein Segen für alle Men­schen zu wer­den (1Mose 12,1–3). Zu so einem Volk wird man nicht ein­fach so. Die Wüsten­zeit nach dem Auszug aus Ägypten war nur ein­er von vie­len Schmel­zofen, durch die das Volk Israel musste. Immer ging es darum, dass Israel oder einzelne aus diesem Volk geprüft, gere­inigt und vor­bere­it­et in eine neue Phase ein­treten kon­nten (2Mose 34,28; 1Könige 19; Lukas 4,1–21). Die Wüste ist nicht das Ende. Gott führt in die Wüste hinein, aber auch wieder aus ihr heraus.

Das Land der Versorgung

Gott hat­te Abra­ham ver­sprochen, dass er viele Nachkom­men haben und dass diese das Land Kanaan besitzen wür­den. D.h. es ist ganz unmöglich, dass Gottes Volk in der Wüste stirbt. Gott hat­te ihnen ein Land voll über­fliessender Milch und Honig ver­sprochen. Doch jet­zt sitzt Israel mit­ten in der Wüste. Über­flüs­sig sind dort höch­stens die Hitze und die Steine. Die Israeliten ste­hen vor der Frage, wem sie ver­trauen: Ver­trauen sie darauf, dass die Ägypter doch nicht so schlecht sind? Oder ver­trauen sie darauf, dass Gott so gut ist, dass er sein Volk ver­sor­gen wird? Von der Freude und der Dankbarkeit über Gottes Befreiung ist schon ein Monat nach dem Auszug nichts mehr spür­bar. Wir Men­schen vergessen schnell, was Gott bere­its getan hat. Die Israeliten haben gese­hen, wie Gott die Ägypter durch die zehn Pla­gen in die Knie gezwun­gen hat. Gle­ichzeit­ig haben die Israeliten bei kein­er Plage Schaden erlit­ten (2Mose 7–12). Wie kann das sein? Gott hat machtvoll einge­grif­f­en. Und jet­zt? Dieser Gott, der Israel schon in Ägypten schützen und ver­sor­gen kon­nte, sollte der nicht das gle­iche auch in der Wüste schaf­fen? Das bedeutet glauben. Glauben meint nicht, dass man irgendwelche from­men Sätze aus einem mehr oder weniger starr vorgegebe­nen Kat­e­chis­mus wieder­holen kann. Glauben bedeutet auch nicht, dass man sich an irgendwelchen unbe­weis­baren Mythen fes­tk­lam­mert. Glauben bedeutet, zu sehen, was Gott bere­its getan hat und dementsprechend sein Leben zu gestal­ten. Ist es eine gute Idee, ohne Vor­räte in die Wüste zu ziehen, nur weil ein religiös­er Fanatik­er etwas von einem Gott erzählt? Nein, das ist dumm. Ist es eine gute Idee, mit einem Gott in die Wüste zu ziehen, der schon bewiesen hat, dass er sein Volk beschützen und ernähren kann? Ja defin­i­tiv! Es gibt nichts Sicher­eres als sich auf die Zusagen Gottes zu ver­lassen. Was Gott ein­mal getan hat, kann er wieder tun. Das Schöne ist, dass Gott Israel und uns auch in der Wüste nicht vergisst:

Ex 16,12–15: 12 »Ich habe die Kla­gen der Israeliten gehört. Teile ihnen Fol­gen­des mit: ‘Gegen Abend werdet ihr Fleisch zu essen bekom­men; mor­gen früh werdet ihr Brot erhal­ten und davon satt wer­den. Dann werdet ihr erken­nen, dass ich der Herr, euer Gott, bin.´« 13 An diesem Abend flog eine große Anzahl Wachteln her­bei. Sie ließen sich im ganzen Lager nieder. Am näch­sten Mor­gen lag Tau rings um das Lager. 14 Als der Tau später am Mor­gen ver­schwun­den war, bedeck­ten feine Körn­er — wie Reif — den Boden. 15 Die Israeliten sahen es und fragten einan­der: »Was ist das?« Denn sie wussten nicht, was es war. Mose antwortete: »Das ist das Brot, das der Herr euch zum Essen gegeben hat.«

Gott ver­sorgt sein Volk mit Lebens­mit­teln, die schein­bar aus dem Nichts entste­hen. Wie der Tau am Mor­gen schein­bar aus dem Nichts entste­ht, so kamen auch diese Körn­er. Man hat viel darüber debat­tiert, was das genau gewe­sen ist, was die Israeliten da gegessen haben. Waren es Flecht­en, Auss­chei­dun­gen von bes­timmten Insek­ten oder vielle­icht Samen? Die Antwort ist ganz ein­fach: Wir haben keine Ahnung. Das Prob­lem bei all diesen Vari­anten ist, dass keine davon natür­lich­er Weise aus­re­ichend in der Wüste vorkommt, um ein ganzes Volk zu ernähren. Und das ist genau der Punkt. Die Israeliten nan­nten dieses Essen «Man­na». «Man-hu» bedeutet auf Hebräisch: «Was ist das?». Die Israeliten wussten es also auch nicht. Obwohl sie schon eine gewisse Zeit in der Wüste gelebt hat­ten, kan­nten sie das Man­na nicht. Wichtig ist nicht, was sie genau gegessen haben, son­dern woher es gekom­men ist: vom Him­mel. Auch wenn in der Wüste fast nichts wächst, hat das Gott nicht daran gehin­dert, sein Volk zu ver­sor­gen. Wenn es sein muss, greift Gott ganz tief in die Trick­kiste und lässt Brot wie Tau schein­bar aus dem Nichts entste­hen. Die Frage bleibt: Auf was schaust du? Auf die Wüste oder auf den allmächti­gen Gott?

Wir kön­nen heute noch lang auf die Wüste um uns herum schauen. Und wir kön­nen uns darüber bekla­gen, dass das Kli­ma bei Debat­ten zu sex­u­alethis­chen The­men zu hitzig ist. Wir kön­nen auch über die Trock­en­heit unser­er Gottes­di­en­ste nörgeln, in denen Kirchen­ferne anscheinend viel zu sel­ten das Lebenswass­er find­en, dass wir ihnen in Aus­sicht stellen. Wir kön­nen uns wie später Elia unter einem Dor­nengestrüpp im Sand ein­rollen und resig­nieren. Wir kön­nen uns zurück­wün­schen an einen Ort, an dem es vielle­icht angenehmer gewe­sen ist. Oder wir kön­nen begin­nen, dieses ein­fache und doch beängsti­gende Gebet sprechen: «Herr, lieber ver­durste ich mit dir in dieser Wüste, als dass ich an irgen­deinem anderen Ort Wass­er suche.»

Wo stehe ich

Nicht jede Wüsten­zeit kommt von Gott. Manch­mal manövri­eren wir uns selb­st hinein. Nach­dem die israelitis­chen Kund­schafter von der Stärke der kanaani­tis­chen Völk­er berichtet hat­ten, weigerte sich das Volk ins Land einzuziehen. 40 weit­ere Jahre Wüsten­zeit waren die Folge (4Mose 13–14). Die wären nicht nötig gewe­sen, wenn das Volk seine Lek­tion in der Wüste bere­its gel­ernt und Gott ver­traut hätte. Manch­mal sind auch andere Schuld an dein­er Wüsten­zeit. Hiob war so ein­er. Er erfährt nie, wie ein­er an Gottes Hof kommt und den Herrsch­er der Welt her­aus­fordert, Hiobs Loy­al­ität zu testen. Hiobs Elend wird so schw­er, dass er daran zer­bricht. Und doch ste­ht für ihn am Ende eine ver­tiefte Gotte­serken­nt­nis bere­it. Doch egal wie die Wüste aussieht und warum wir uns darin befind­en: Gott kann sie nutzen. Er wird unsere wahren Überzeu­gun­gen prüfen und uns auf bes­timmte Dinge vor­bere­it­en. Darum ist die Wüste nicht das Prob­lem. Die Frage ist lediglich: Bist du bere­it, eine Wüsten­lek­tion zu lernen?

Die Wüste hat schon manchen Glauben getötet oder zurück nach Ägypten getrieben. Andere hat die Wüste davon abge­hal­ten, über­haupt erst in Rich­tung ver­heis­senes Land aufzubrechen. Die Stra­pazen schienen zu hoch. Und dann sind da die, die ihren Blick in der Wüste auf Gott gerichtet haben. Da war z.B. das alte Ehep­aar, dem ich als Teenag­er Woche für Woche im Gottes­di­enst begeg­nete. Trotz chro­nis­ch­er Krankheit strahlten die bei­den eine tiefe Dankbarkeit und Zufrieden­heit aus. Die wün­sche ich mir auch. Doch auch hier gilt das, was Jesus über die Fein­desliebe sagt:

Lk 6,32: Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, was für Dank habt ihr davon? Denn auch die Sün­der lieben, die sie lieben.

Sollte man mich dafür loben, wenn ich Gott nur bei angenehmen Tem­per­a­turen ver­traue? Gottver­trauen, Liebe, Hoff­nung wer­den erst dort für echt erk­lärt, wo sie den Test der Wüste bestanden haben. Erst durch die Wüste bekom­men diese Eigen­schaften eine eigen­tüm­liche Macht und Anziehungskraft. Darum wächst die Kirche am schnell­sten in der Hitze der Ver­fol­gung. Dieser Gedanke ist für uns europäis­che Chris­ten befremdlich und beängsti­gend. Doch es ist ein­er, den wir wieder neu umar­men soll­ten. Nie­mand will in der Wüste leben und die Wüste ist auch nicht das Ziel. Doch wer ins ver­heis­sene Land will, der muss erst mit Gott in der Wüste gere­inigt, geprüft und gerüstet wer­den. Darum ist es für uns an der Zeit, eine Spir­i­tu­al­ität der Wüste zu entwickeln.

Artikel als PDF herunterladen

Titel­bild und Auss­chnitte: Car­a­van in a sand­storm, Her­mann David Salomon Cor­ro­di, 1844–1905

5 Comments
  1. C. K. Ashling 2 Jahren ago
    Reply

    Wahre Worte. Schöne Hin­führung zu ein­er “Spir­i­tu­al­ität der Wüste”. Dieser Artikel ver­di­ent mehr Beach­tung. Ich frage mich, wie es dem Autor jet­zt gehen darf. Ich weiß von jemand, der, als er sich mit diesem The­ma zu befassen begann, von Gott beim Wort genom­men und die Wüste geführt wurde. Es gefällt ihm dort nicht son­der­lich gut (unter­trieben gesagt), aber er weiß, dass es notwendig ist.

    • Pascal Götz 2 Jahren ago
      Reply

      Danke für die Ermu­ti­gung! Mir geht es gut. Die Wüsten waren bei mir bish­er nicht allzu gross. Aber ich bin auch noch nicht fer­tig mit dieser Wüsten­spir­i­tu­al­ität. Vor einiger Zeit habe ich begonnen, möglichst täglich Psalm 73,23–26 zu beten. Ich muss sagen, es hat begonnen, meine Sicht auf die Welt zu verändern.

      • C. K. Ashling 2 Jahren ago
        Reply

        Das ist eine gute Übung! Ich denke oft an Psalm 42,2–3.

  2. Simon 3 Jahren ago
    Reply

    Wow, ganz stark­er Beitrag! Danke lieber Pas­cal! Eine Spir­i­tu­al­ität der Wüsten­zeit. Tönt verheissungsvoll!

    • Pascal Götz 3 Jahren ago
      Reply

      Danke dir! Ich bin da selb­st noch sehr am ler­nen. Aber ich habe das Gefühl, dass noch einige Schätze in diesem Bere­ich zu heben sind 🙂

Leave a Comment

Your email address will not be published.

You may like

In the news