Wenn Evangelikale Brunnen bauen

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40 Grad Hitze mit­ten in der Wüste von Dji­bouti, Ost Afri­ka. Wir schreiben die 1970-er Jahre. Während epochale Umwälzun­gen die Weltchris­ten­heit erschüt­tern, gräbt die 60-jährige Hebamme Mar­jo­ry Press mit Hand und Schaufel einen Brun­nen für ein­heimis­che Anbauer. Die nur wenig jün­gere Mau­reen Yates, Dr. der Agronomie, packt eben­falls an. Was zeigen uns diese Brun­nen-Erbauer über die evan­ge­likale Bewe­gung, die zur Zeit medi­al scharf kri­tisiert wird?

Ich habe sie erlebt, diese evan­ge­likalen Chris­ten! Als Kind in Afri­ka. Sie haben Brun­nen gebaut. Ohne Hil­fe von schw­erem Baugerät, son­dern mit Hand und Schaufel. Aus Liebe zu den Men­schen, die Hil­fe nötig hat­ten. 10 Monate lang, von Jan­u­ar 1979 bis Okto­ber 1979 in der Nähe von Yobo­ki im ostafrikanis­chen Dji­bouti. Die Bevölkerung soll einen gesicherten, ganzjähri­gen Zugang zu Wass­er haben und erst­mals sollen in der Region Gemüse und Früchte ange­baut wer­den kön­nen. Ich war dabei, als Mar­jo­ry und Mau­reen Wass­er fan­den im aus­getrock­neten Boden der Danakil-Wüste, die von Glo­be­trot­ter als die lebens­feindlich­ste Wüste der Welt beze­ich­net wird. Auch mein Vater war dabei und hat­te zusam­men mit ein­heimis­chen Helfern bei 40 bis 50 Grad Hitze die Schaufel in der Hand.

Doch sind Evan­ge­likale wirk­lich so wie Mar­jo­ry, Mau­reen und mein Vater? Oder sind sie eher so, wie sie in typ­is­chen Darstel­lun­gen gängiger Medi­en, Blogs und Pod­casts präsen­tiert wer­den? Im Zusam­men­hang mit Trump’s Präsi­dentschaft in den USA wur­den ‘Evan­ge­likale’ in den ver­gan­genen Jahren ja öfter in den Medi­en the­ma­tisiert. Immer wieder im Fokus ist dabei die Kri­tik, dass viele Evan­ge­likale Trump und dessen Poli­tik unter­stützt haben. Fre­unde von mir, die sich nicht als Chris­ten beze­ich­nen, schauen sich TV-Reporta­gen an und suchen mich nach­her auf. Sie wollen wis­sen, ob ich eine men­schen­feindliche Reli­gion propagiere. Ganz so offen sagen sie es nicht. Aber ich spüre ihre Fra­gen: Wer sind Evan­ge­likale? Kann man denen trauen?

Die Frage, wer Evan­ge­likale sind und wie sie agieren hat einen inneren Zusam­men­hang mit den vor­ange­gan­gen Artikeln über Ganzheitlichkeit. Die drei Artikel (Teil 1, Teil 2, Teil 3) zeigen, was die Bibel mein­er Ansicht nach im Alten, wie auch im Neuen Tes­ta­ment lehrt:

  • Chris­ten sind Empfänger von einem unglaublich umfassenden Heil­sange­bot Gottes in allen Dimen­sio­nen des Seins: Geistlich, sozial, poli­tisch, wirtschaftlich und ökol­o­gisch.
  • Chris­ten sind Beauf­tragte in densel­ben Dimen­sio­nen den Men­schen, der Gesellschaft und ganzen Schöp­fung im Sinne Jesu Christi zu dienen.

Ganzheitlichkeit als Auf­trag lässt sich auf viele aktuelle Fragestel­lun­gen anwen­den. Und das ist span­nend! Wir wer­den deshalb in den kom­menden Wochen mehrere Artikel zu ver­schieden­sten aktuellen Her­aus­forderun­gen und zu der Frage, wie wir als Chris­ten ganzheitlich darauf reagieren kön­nen, veröf­fentlichen. Es wird dabei z.B. um Men­schen­han­del, Kaf­fee und Nach­haltigkeit gehen. Weil aber die Art, wie das Label ‘evan­ge­likal’ aktuell mancherorts geframed wird, verun­sichert, wollen wir mit zwei Artikeln das Fram­ing anhand des Thema’s der Ganzheitlichkeit kri­tisch hin­ter­fra­gen. Das Ziel ist mit einem drit­ten Artikel Chris­ten, denen das wichtig ist, was mit ‘evan­ge­likal’ gemeint ist, neu zu ermuti­gen, gemein­sam ‘Voll­gas zu geben’.

Marjory Press und Dr. Maureen Yates beim räumer der Fläche für den brunnen, 1979, Hanle-Tal bei Yoboki, Djibouti
Mar­jo­ry Press und Dr. Mau­reen Yates beim Räu­men der Fläche für den Brun­nen, 1979 bei Yobo­ki, Djibouti

Evangelikale bauen keine Brunnen?

Die Frage, wer Evan­ge­likale sind, ist aktuell sehr heiss. In den let­zten Monat­en beschäftigte sich Prof. Thorsten Dietz in ein­er ca. 20 stündi­gen (!) Rei­he von Pod­casts mit dem Titel ‘Das Wort und das Fleisch’ auch aus­führlich mit der evan­ge­likalen Bewe­gung. In ein­er Folge über die grosse ‘Schei­dung’ der Evan­ge­likalen von der Öku­menis­chen Bewe­gung in den 1960-er und 70-er Jahren beschreibt Dietz seine Sichtweise auf die dama­lige Tren­nung und redet dabei auch über Brunnenbau:

Auf der öku­menis­chen Ebene ist die Idee: Wir brauchen ein anderes Mis­sionsver­ständ­nis. Das Heil der Welt ist doch nicht See­len gewin­nen und son­st alles den Bach run­terge­hen lassen. Das Heil der Welt ist Human­isierung… Man hat­te das Gefühl, es gab ja jet­zt 200 Jahre Mis­sion für die Seele. Der Schw­er­punkt muss jet­zt die Human­isierung sein und nicht mehr die Bekehrung… Wir soll­ten da (nach Afri­ka) keine Mis­sion­are hin­schick­en, die da See­len bekehren. Die brauchen Leute, die Brun­nen graben… Das ist der wesentliche Trig­ger für Evan­ge­likale, mis­sion­ar­ische Erweck­te, dass für sie da klar war: Die Ökumene ist durch und durch antichristlich. Und da sind wir raus. (Dietz zwis­chen Zeit­mark­er 47:40 und 49:16, eigene Hervorhebung)

Die Rollen scheinen in dieser Darstel­lung klar verteilt. Dietz stellt die epochale Schei­dung in der Weltchris­ten­heit als Aus­druck eines Kon­flik­ts zwis­chen dem ‘Mes­sian­is­chen Uni­ver­sal­is­mus’ des Öku­menis­chen Rats der Kirchen ÖRK und eines ‘apoka­lyp­tis­chen Dual­is­mus’ der evan­ge­likalen Bewe­gung dar. Um die Konzepte zu ver­ste­hen, hört man am Besten den Pod­cast. Was für diesen Artikel wichtig ist, erk­läre ich fort­laufend. Dietz beschreibt dann das, was er als typ­isch für diese bei­den Konzepte ansieht. Während er für die Ökumene deren The­olo­gen, Texte und Kon­feren­zen ins Feld führt (Upsala 1968, Mis­sion­skon­ferenz Bangkok 1973), stellt Dietz zur Dar­legung der evan­ge­likalen Sichtweise den amerikanis­chen Autoren Hal Lind­say in den Mit­telpunkt, der schein­bar repräsen­ta­tiv genug sein soll, um die Evan­ge­likalen darzustellen.

Es wird klar, dass Dietz den ‘Mes­sian­is­chen Uni­ver­sal­is­mus’ sehr pos­i­tiv empfind­et und den ‘apoka­lyp­tis­chen Dual­is­mus’ sehr neg­a­tiv. Nun, mit Nuan­cen geht es mir ähn­lich wie Dietz. Und es stimmt auch, dass Lind­say in evan­ge­likalen Kreisen ein­flussre­ich war. Dietz liegt da nicht falsch. Was Dietz nicht sagt ist, dass Lind­sey auch in evan­ge­likalen Kreisen eine dur­chaus kon­tro­verse Fig­ur war. Doch Lind­say passt vielle­icht ein­fach zu gut in ein Nar­ra­tiv, das die evan­ge­likale Chris­ten­heit als Gemein­schaft darstellen will, die welt­fremd und lebens­feindlich ist. Tat­säch­lich sind Lindsay’s Endzeit­the­o­rien ein Fiasko in Bezug auf die Bedeu­tung eines christlichen ganzheitlichen Engage­ments in der Welt. Die evan­ge­likale Bewe­gung wird so als krass­er Gegen­satz zu ein­er der Welt zuge­wandten und men­schen­fre­undlichen Ökumene präsen­tiert.

Nun habe ich zufäl­liger­weise diese von Dietz beschriebene Sit­u­a­tion während mein­er Kind­heit in den 1970-er Jahren in Afri­ka erlebt. Das sah ein wenig anders aus als das, was Dietz darstellt. Zumin­d­est für EIN afrikanis­ches Land weiss ich, wer die Brun­nen gegraben hat: die 60 jährige evan­ge­likale Pio­nier­mis­sion­ar­in und Hebamme Mar­jo­ry Press und ihre durch und durch evan­ge­likale Kol­le­gin, Frau Dr. Agronomie Mau­reen Yates.

Eine weit­ere Kind­sheit­serin­nerung habe ich auch: Das wun­der­schöne Are­al der protes­tantis­chen Kirche. Ja, auch diese war in der Haupt­stadt Djibouti’s präsent. Hin­ter gut gesicherten Mauern im priv­i­legierten Quarti­er der Stadt bot der Pfar­rer der französichen protes­tantis­chen Kirche ein­er vor­wiegend weis­sen Oberk­lasse religiöse Dien­stleis­tun­gen an. Ich erin­nere mich deshalb so gut an das her­rlich gepflegte und begrünte Are­al, weil es mir wie das Paradies auf Erden vorkam im Ver­gle­ich zu unser­er staubi­gen Unterkun­ft im Erdgeschoss eines von Ein­heimis­chen bewohn­ten Mehrfam­i­lien­haus­es. Unser steter Begleit­er war die über­forderte Kanal­i­sa­tion, welche in regelmäs­si­gen Abstän­den Fäkalien­wass­er in die Woh­nung spülte. Die einzige Pflanze, die bei uns wach­sen kon­nte, war eine kleine Palme, die wir liebevoll umsorgten.

An das neue öku­menis­che Prinzip, ‘keine See­len gewin­nen zu wollen’ hielt sich der protes­tantis­che Pfar­rer jeden­falls. Als meine Eltern erste Bibel­teile in eine lokale Stammessprache über­set­zt hat­ten, war sein Inter­esse (im Unter­schied zu den katholis­chen Mis­sion­aren) äusserst ger­ing, bei der Ver­bre­itung mitzuhelfen. Inwiefern er sich ans zweite Mot­to hielt, dem sozialen Ein­satz für die Welt, kann ich nicht beurteilen. Ich will ihm nicht Unrecht tun. Gut möglich, dass Gelder für das eine oder andere Pro­jekt geflossen sind.

Das Kon­trast­pro­gramm zur wohlbe­hüteten protes­tantis­chen Enklave in der Haupt­stadt war Mar­jo­ry, die mit­ten in der Wüste Djibouti’s mit Hand und Schaufel Brun­nen grub. Wed­er sie, noch Mau­reen oder mein Vater waren am von Dietz erwäh­n­ten Kongress des ÖRK von 1973 in Bangkok. Sie waren halt Evan­ge­likale. Doch während die grossen Umwälzun­gen in der weltweit­en Chris­ten­heit mit der struk­turellen Tren­nung der öku­menis­chen von der evan­ge­likalen Bewe­gung in vollem Gange war, waren die Evan­ge­likalen in Dji­bouti am Brun­nen bauen. Ihr ange­blich­er ‘apoka­lyp­tis­ch­er Dual­is­mus’ stand ihnen offen­bar nicht son­der­lich im Weg.

Kön­nte es sein, dass die Darstel­lung der Evan­ge­likalen, wie Thorsten Dietz sie beispiel­haft dar­legt, zu wenig dif­feren­ziert und akku­rat ist? Warum wird eine ein­flussre­iche, aber kon­tro­verse Einzelfig­ur wie Hal Lind­say als evan­ge­likales Gegen­stück zur öku­menis­chen Bewe­gung gewählt? Das natür­liche und nahe­liegende Gegen­stück zur öku­menis­chen Bewe­gung würde auf der Hand liegen: Die Lau­san­ner Bewe­gung! Dietz nen­nt diese Bewe­gung in der Pod­cast Serie mehrmals lobend. Zum Beispiel meint Dietz in der span­nen­den Folge über die Deutsche Evan­ge­lis­che Allianz, dass Lau­sanne eigentlich eine eigene Folge ver­di­ent hätte (ab Zeit­mark­er 01:03:00). Viel mehr hören wir aber nicht über diese vielfältige und bre­ite Bewe­gung, die grossen Ein­fluss auf das evan­ge­likale Ver­ständ­nis von Ganzheitlichkeit hat­te und anhand der­er man den Kon­flikt zwis­chen Ökumene und Evan­ge­likalen wesentlich fair­er hätte beschreiben kön­nen als anhand von Hal Lind­say, der das The­ma Ganzheitlichkeit voll in den Sand setzt.

Vielle­icht holt Dietz diese ver­säumte Folge nach. In der Zwis­chen­zeit mache ich eine kurze Ein­führung in die Lau­san­ner Bewegung.

Handarbeit an grösster Hitze: Marjory Press (links) und Dr. Maureen Yates (rechts)
Han­dar­beit an grösster Hitze: Mar­jo­ry Press (links) und Dr. Mau­reen Yates (rechts)

Die Lausanner Bewegung

Neben der älteren ‘Evan­gel­i­cal Alliance’ ist die Lau­san­ner Bewe­gung eine der grössten Bewe­gun­gen evan­ge­likaler Chris­ten in der Welt. Die Lau­san­ner Bewe­gung ist ver­mut­lich der Haupt­play­er in den dama­li­gen Aus­d­if­feren­zirung­sprozessen zwis­chen der Ökumene und den Evan­ge­likalen. Im Jahr 1974, also ein Jahr nach der erwäh­n­ten Kon­ferenz des ÖRK in Bangkok, hat die Lau­san­ner Bewe­gung im Rah­men ein­er eige­nen Kon­ferenz betont, dass Chris­ten Wort und Tat zusam­men ausleben müssen. In der Lau­san­ner Verpflich­tung, welche an der Kon­ferenz ver­ab­schiedet wurde, liest man im Para­graph 5 mit dem Über­ti­tel ‘Soziale Ver­ant­wor­tung der Chris­ten’:

Wir bekräfti­gen, dass Gott zugle­ich Schöpfer und Richter aller Men­schen ist. Wir müssen deshalb Seine Sorge um Gerechtigkeit und Ver­söh­nung in der ganzen men­schlichen Gesellschaft teilen. Sie zielt auf die Befreiung der Men­schen von jed­er Art von Unter­drück­ung… Wir tun Buße… dafür, dass wir manch­mal Evan­ge­li­sa­tion und soziale Ver­ant­wor­tung als sich gegen­seit­ig auss­chließend ange­se­hen haben. (Lau­san­ner Verpflich­tung, Abschnitt 5)

Von welt­frem­dem ‘apoka­lyp­tis­chem Dual­is­mus’ ist hier keine Rede. Die Lau­san­ner Kon­ferenz von 1974 war von span­nen­den Sub-Grup­pen und teils auch kon­tro­vers geführten Diskus­sio­nen geprägt. Ein aus mein­er Sicht akku­rater Beschrieb dieser Kon­ferenz und dem darauf fol­gen­den, glob­alen Ein­fluss von Evan­ge­likalen ist Bri­an Stanley’s The Glob­al Dif­fu­sion of Evan­gel­i­cal­ism: The Age of Bil­ly Gra­ham and John Stott (2013). Auf jeden Fall ist Lau­sanne 1974 der Startschuss für einen inten­siv­en innere­van­ge­likalen Dia­log über das Ver­hält­nis der geistlichen Dimen­sion zu den anderen Dimen­sio­nen. In den kom­menden Jahrzehn­ten wer­den mitunter ganze Kon­feren­zen der The­matik der sozialen Ver­ant­wor­tung gewidmet.

Wenn man nur das Nar­ra­tiv von Thorsten Dietz hört, kön­nte man glauben, dass Evan­ge­likale kein Anliegen für Ganzheitlichkeit hät­ten. Aber die Lau­san­ner Bewe­gung zeigt beispiel­haft: Evan­ge­likale haben ein äusserst starkes Anliegen für Ganzheitlichkeit! Sich­er gibt es evan­ge­likale Chris­ten, die eine Engführung auf die geistliche Dimen­sion leben (gibt es so eine Ver­nach­läs­si­gung der prak­tisch gelebten Näch­sten­liebe vielle­icht auch unter Chris­ten in anderen Seg­menten der Kirche?). Doch die grosse Mitte der Evan­ge­likalen hat mein­er Mei­n­ung nach stets ein gesun­des Gle­ichgewicht von ‘Wort und Tat’ gesucht, und zwar bis hinein in die ökol­o­gis­che Dimen­sion.

So denkt beispiel­sweise der ein­flussre­iche evan­ge­likale Vor­denker Fran­cis Scha­ef­fer in seinem Buch Polu­tion and the Death of Man bere­its 1970 öffentlich über ein radikales christlich­es Engage­ment in der Ökolo­gie nach. Der renomierte The­ologe Klaus Bock­mühl, Dozent auf Chrischona, ver­tieft Schaeffer’s Arbeit 1975 in Umweltschutz — Lebenser­hal­tung. Inspiri­ert von solchen Über­legun­gen startet 1983 das Ehep­aar Miran­da und Peter Har­ris in der por­tugiesis­chen Algarve die Umwel­tor­gan­i­sa­tion A Rocha, die inzwis­chen in vie­len Län­dern agiert. A Rocha war ein für uns Stu­den­ten inspiri­eren­des Pro­jekt, als ich Ende der 1990-er Jahre in Eng­land evan­ge­likale Mis­sion­s­the­olo­gie studiert habe. Das Vor­wort zum Buch über die Grün­dung von A Rocha (Unter the bright Wings) schreibt der Ur-Evan­ge­likale John Stott, der 2005 vom Time Mag­a­zine zu den 100 ein­flussre­ich­sten Men­schen dieser Welt gezählt wurde und vielle­icht die prä­gen­dend­ste Fig­ur der Lau­san­ner Bewe­gung war.

Von Anfang an war es den Grün­dern der Lau­san­ner Bewe­gung wichtig, dass Leitungsper­sön­lichkeit­en die Bewe­gung mit­prä­gen, die nicht aus den USA oder aus der west­lichen Welt kom­men. Damit woll­ten sie der Gefahr begeg­nen, dass das Chris­ten­tum sich zu sehr von west­lichen Werten oder von den USA prä­gen lassen. Sie woll­ten der Gefahr eines nation­al­is­tis­chen Chris­ten­tums ent­ge­gen­wirken — also genau solche Entwick­lun­gen ver­hin­dern, die im Zusam­men­hang mit Trump schief gelaufen sind.

Ein­er der nicht-west­lichen The­olo­gen, welche die Lau­san­ner Bewe­gung von Anfang an prägte, war René Padil­la, den ich in den 90-er Jahren per­sön­lich ken­nen­lernte durch seinen Unter­richt am All Nations Chris­t­ian Col­lege. Wie Mar­jo­ry, Mau­reen und mein Vater, sieht auch Padil­la über­haupt nicht aus wie ein Lind­sey-mäs­siger, welt­fremder, apoka­lyp­tis­ch­er Dual­ist. Und Man’o’­mann, dieser Padil­la kan­nte die Bibel! Er zeigte uns dessen radikale Beto­nung von Ganzheitlichkeit, was mein Christ­sein enorm inspiri­ert hat. Zur Lau­san­ner Kon­sul­ta­tion 2004 in Pat­taya, an der ich teil­nahm, trug Padil­la eine gute und lesenswerte Zusam­men­fas­sung der Bemühung um Ganzheitlichkeit in der Lau­san­ner Bewe­gung bei.

Wasser wurde gefunden!
Wass­er wurde gefunden!

Zwischenfazit

Die meis­ten, die über die dama­li­gen Entwick­lun­gen zwis­chen dem ÖRK den Evan­ge­likalen schreiben, gehen im Gegen­satz zu Dietz aus­führlich auf Lau­sanne ein, welch­es das natür­liche Gegen­stück zur dama­li­gen öku­menis­chen Bewe­gung bildet. Warum wählt Thorsten Dietz, einen Hal Lind­say aus? Es ist ja nicht so, dass er Lau­sanne nicht ken­nen würde. Einzelne pos­i­tive, über die lange Pod­cas­trei­he ver­streute Randbe­merkun­gen machen klar, dass er um die sozialen Anliegen dieser Bewe­gung weiss. Doch die deut­liche Beto­nung von sozialer Gerechtigkeit in der Lau­san­ner Bewe­gung würde Dietz zwin­gen, ein grund­sät­zlich anderes Bild der evan­ge­likalen Bewe­gung zu zeich­nen. Daran scheint er aber kein Inter­esse zu haben. Eine kon­tro­verse Einzelfig­ur wie Hal Lind­say passt da bess­er. Und was auch immer die Gründe sind für diese bewusste Wahl, die Wirkung scheint mir klar: Die evan­ge­likale Bewe­gung kommt als eine an dieser Welt desin­ter­essierte, von apoka­lyp­tis­chen Wah­n­vorstel­lun­gen geprägte Bewe­gung rüber. Die implizite Botschaft ist klar: ‘Evan­ge­likale bauen keine Brun­nen, denn sie warten auf das Ende der Welt’.

Die evan­ge­likale Gemein­schaft hat sich aus der Per­spek­tive von Thorsten Dietz von ein­er Hal Lind­say ‘Matrix’ indok­trinieren zu lassen: bei allem, was geschieht, weisst du, wo du Alarm rufen musst” (ab Zeit­mark­er 1:02:00). In ein­er weit­er­führen­den Blog-Rei­he auf der Reflab Plat­tform der Reformierten Kirche im Kan­ton Zürich beschreibt er aus sein­er Sicht weit­ere Merk­male evan­ge­likaler Gemein­schaften. Unter anderem stellt er im Blog-Artikel Segen und Fluch fest: “Das Phänomen des Evan­ge­likalis­mus lässt wenig Raum für wohltem­perierte Neu­tral­ität”. Anschliessend wird anhand von Orwell’s Analyse von Nation­al­is­mus (inter­es­sante Wahl — 1984 klingt bei mir impliz­it mit!) beschrieben, welche… naja… nation­al­is­tis­chen Ten­den­zen evan­ge­likale Gemein­schaften ange­blich haben. Des Weit­eren heisst es: “Nichte­van­ge­likale Kirchen leg­en häu­fig großen Wert darauf, Men­schen nicht zu indok­trinieren” Eine wirk­lich inter­es­sante Wort­wahl. Das ten­den­z­iöse Wort ‘Indok­tri­na­tion’ wird sub­til als Mark­er evan­ge­likaler Gemein­den einge­bracht. Und ich will nicht ein­mal sagen, dass dies nie der Fall ist. Aber das Fram­ing finde ich schon bemerkenswert. Vielle­icht hat Dietz auf sein­er Reise durch die Kirchen Deutsch­lands immer die falschen Gemein­den erwischt?

Noch ein let­ztes Beispiel aus dem Artikel: “In der prob­lema­tis­chen Form der Gemein­schaft schafft man sich eine eigene Wirk­lichkeit. Um diese Real­ität aufrecht zu erhal­ten, muss sie beständig vertei­digt wer­den gegen alles, was sie in Frage stellen kön­nte” Nach so einem Satz traut sich kein­er mehr, die gemacht­en Aus­sagen zu hin­ter­fra­gen — man kön­nte ja Teil ein­er Gruppe sein, die sich nach aussen vertei­digt und damit sogle­ich auch Dietz’ Fest­stel­lung bele­gen, dass man zu ein­er ’nation­al­is­tis­chen und indok­trinieren­den’ evan­ge­likalen Gemein­schaft gehört. Doch ist sich Dietz sich­er, dass es bei pro­gres­siv-lib­eralen Gemein­schaften keine Indok­tri­na­tion und keine Vertei­di­gung gibt? Bei Worthaus habe ich jeden­falls so manche Polemik gehört, die ich dur­chaus als indok­trinierend und abschot­tend gegen Kri­tik empfinde.

Let­ztlich ver­mit­telt auch Thorsten Dietz eine Dok­trin, die eine neue Matrix in den Köpfen der Leser bilden will: Wenn du auf diese Art von (evan­ge­likaler) Gemein­schaft triff­st, sollst du so und so denken über sie. Anstatt Lehre/Doktrin an sich anzukrei­den, wäre es ehrlich­er zuzugeben, dass Lehre/Doktrin in allen Gemein­schaften stat­tfind­et und dass wir dabei die Zuhör­er ermuti­gen soll­ten, das Gehörte selb­st zu prüfen.

Wer hat recht in sein­er Darstel­lung der Evan­ge­likalen? Das aktuell beliebte Fram­ing der evan­ge­likalen Bewe­gung scheint mir nicht repräsen­ta­tiv und sog­ar regel­recht unfair angesichts der evan­ge­likalen Brun­nen­bauer von Dji­bouti und Expo­nen­ten wie René Padil­la. Gerne würde ich jet­zt mit Thorsten Dietz zusam­men­sitzen, bei einem feinen Bier die Argu­mente aus­tauschen auf der Suche nach ein­er aus­ge­wo­ge­nen Darstel­lung der Evan­ge­likalen, des ÖRK und der jew­eili­gen Stärken und Schwächen. Vielle­icht kön­nten wir gemein­sam eine aus­ge­wo­genere Darstel­lung entwick­eln als diese typ­is­che, aktuell häu­fig anzutr­e­f­fende Lesart der Evan­ge­likalen, die dadurch, dass man sie stetig wieder­holt, nicht wahrer wird.

In 2 weit­eren Artikeln werde ich ein weit­eres aktuelles Darstel­lungs-Beispiel doku­men­tieren und eine pos­i­tive Zukun­fts-Vision für eine gesunde evan­ge­likale Bewe­gung besprechen.

Links: Marjory Press mit einem Mittarbeiter. Rechts: Ulrich Bruderer bei den Grabarbeiten
Links: Mar­jo­ry Press mit einem Mitar­beit­er / Rechts: Ulrich Brud­er­er bei den Arbeit­en am Brunnen

Vielfältig gesegnet und inspiriert

Zum Schluss dieses Artikels möchte ich gerne beto­nen, wie viel Segen ich per­sön­lich  durch Chris­ten evan­ge­likaler Prä­gung emp­fan­gen durfte. Sie sind in vie­len ‘Vari­anten und Schat­tierun­gen’ in mein Leben gekom­men, aber sie haben alle etwas von Gott in mein Leben fliessen lassen.

Da ist Woody aus ein­er englis­chen Bap­tis­ten Gemeinde und seine Frau Solange aus ein­er Pfin­gst­ge­meinde in Brasilien, mit denen ich viel lachen durfte. Oder Mar­tin aus ein­er Chrischona Gemeinde in der Nähe, der mein bester Fre­und gewor­den ist. Ueli, der noch immer in mein­er ‘alten’ Gemeinde dient, zeigt mir, was Treue ist. Andreas, ein Mis­sion­ar aus Kenia, ist mein lei­t­en­der Pas­tor gewor­den und ein geistlich­er Vater. Nol­di aus der kon­ser­v­a­tiv­en Brüderge­mei­de hat mich während meinem ersten Studi­um bei sich wohnen lassen. Es war keine Minute lang­weilig um ihn herum, weil er so viele span­nende Sachen zu besprechen hat­te! Chris, mein anglikanis­ch­er Pro­fes­sor hat Liebe für das Alte Tes­ta­ment in mich gelegt. Mein afrikanis­ch­er Fre­und Diji hat als Christ Ver­fol­gung erlebt, aber er strahlt übers ganze Gesicht, wenn er mir begeg­net. Les­ley hat ihren Mann im Rwan­dis­chen Genozid ver­loren und lehrte uns Stu­den­ten, was Verge­bung und Ver­söh­nung zwis­chen ver­fein­de­ten Eth­nien bedeutet. Pen­ny, die in meinem Team in Frauen­feld gedi­ent hat, musste als Kind ihre Heimat wegen poli­tis­ch­er Unruhen fluchtar­tig ver­lassen. Ihre Hingabe an inter­na­tionale Men­schen ist ansteck­end. Michi und Susan­na aus Frauen­feld haben stets ihr Haus und ihre Herzen für mich geöffnet. Die Liste ist zu lange. Ich kann sie nicht zu Ende führen, ohne meine Leser zu lang­weilen! Aber zum Schluss muss ich sie noch erwäh­nen: meine Eltern.

Durch meine Eltern ist so viel Schön­heit und Inspi­ra­tion in mein Leben geflossen! Bei­de wur­den Mis­sion­are im Nahen Osten und in Ostafri­ka, wo sie ein Aben­teuer nach dem anderen erlebten. Ihr Leben ist erfüllt von Lei­den­schaft, anderen Men­schen von Jesus zu erzählen und ihnen zu dienen. Wie oft habe ich gese­hen, wie meine Eltern sich ganz und gar auf die gle­iche Ebene der Men­schen stell­ten, die in ihrem Umfeld lebten! Sie haben Seite an Seite mit Ein­heimis­chen die Brun­nen gegraben. Sie waren jed­erzeit bere­it, harte und schmutzige Arbeit zu machen, welche anderen Men­schen zugute kam. Ihr christlich­es Zeug­nis war stets eines von Wort und Tat.

Solange ich in der prak­tis­chen Umset­zung sehe, dass Evan­ge­likale in Demut bere­it sind, ganzheitlich zu dienen, bekenne ich mich gerne zu dieser Bewe­gung — egal ob sie mit dem Label ‘evan­ge­likal’ ref­eren­ziert wird oder einem anderen Wort. Wie jede Bewe­gung sind auch die Evan­ge­likalen nicht vor Fehlen­twick­lun­gen gefeit. Die Vor­bilder von Mar­jo­ry, Mau­reen und meinen Eltern kön­nen uns ermuti­gen und ermah­nen, unser Leben neu auf Gott und seine Vision für die Men­schen auszuricht­en. Ich lade Chris­ten aller Schat­tierung und Herkun­ft ein, am Schein der Medi­en und der irreführen­den Nar­ra­tiv­en vor­bei zu schauen und mit einzusteigen in das christliche Aben­teuer, Jesu ganzheitlich­es Heil zu emp­fan­gen und weiterzugeben!

Nach 10 Monat­en Bauzeit ist das Werk im Okto­ber 1979 vol­len­det / Per­so­n­en von Links: Mar­i­on Brud­er­er, Paul Brud­er­er (8 Jahre), Mar­jo­ry Press, ein­heimis­ch­er Mithelfer, Thomas Rech­er, Dr. Mau­reen Yates, Peter Brud­er­er (6 Jahre)

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Bilder: Ulrich und Mar­i­on Brud­er­er, Bear­beitung: Peter Bruderer

16 Comments
  1. Nicola vollkommer 3 Monaten ago
    Reply

    Ihr Lieben,

    bin ger­ade auf diesen Artikel gestoßen, ist echt super! Auch ich bin ein Kind Afrikas (Nord­nige­ria). Und … wer hat Kranken­häuser gebaut und betrieben? Kindergärten, Schulen? Begleitung für wer­dende Müt­ter und Geburten­hil­fe? Agrar­en­twick­lung? … alles evan­ge­likale Chris­ten, Mis­sion­are. Viele von ihnen enge Fre­unde mein­er Eltern, die in unserem Haus ein und aus gin­gen .… Liebe Grüße, Nicola

    • Paul Bruderer 3 Monaten ago
      Reply

      Danke Nico­la! Nord-Nige­ria — inzwis­chen ein Pul­ver­fass. Ich habe einen Fre­und der dort lebt. Was haben deine Eltern damals gemacht?

      • Nicola vollkommer 3 Monaten ago
        Reply

        Meine Eltern war Geschäft­sleute, 60-iger Jahre (wir haben auch den Biafrakrieg haut­nah mit erlebt), beken­nende Chris­ten, die meis­ten unser­er Fre­unde waren Mis­sion­are aus aller Welt. Ich habe mit SCM ein Buch über meine Kind­heit in Afri­ka geschrieben- “Unter dem Flam­men­baum”. Die Vorurteile des sog. “Pro­gres­siv­en” gegen tra­di­tionelle Evan­ge­likale ner­ven mich echt — fast alle soziale Ein­rich­tun­gen, Hil­f­swerke usw in Nige­ria waren von evan­ge­likalen Chris­ten betrieben! Sehr dankbar für Eure Erfahrun­gen in diesem Artikel geschildert! Lg

        • Paul Bruderer 3 Monaten ago
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          Vie­len Dank — inter­es­sant und bewe­gend. Ja es nervt…

  2. Wolfgang 3 Jahren ago
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    Gute Aus­führung. Frage:
    Wer ist das Zielpublikum?
    Welch­es ist/wäre deine Kurzde­f­i­n­i­tion von evangelikal?

    • Paul Bruderer 3 Jahren ago
      Reply

      Danke Wolf­gang! Wer ist das Zielpub­likum: GUTE FRAGE! Ist mir selb­st nicht 100% klar. Nor­maler­weise würde ich solch einen Text nicht so öffentlich laufen lassen. Das Prob­lem ist, dass die Medi­en dieser Art von Fra­gen öffentlich bre­it­machen. Und ich erlebe wie Leute, die in unsere Sem­i­nare kom­men, diese Art von Fra­gen stellen. Darum habe ich mich entsch­ieden, öffentlich darüber zu reden. Primär ist der Text an Chris­ten gerichtet, die sich diesen Fra­gen stellen. Er sollte so for­muliert sein, dass auch Men­schen, die sich nicht als Chris­ten beze­ich­nen, prof­i­tieren kön­nen in dem Sinne, dass sie unsere inner­christlichen Auseinan­der­set­zun­gen ehrlich mitbekommen.

      In einem anderen Artikel gebe ich eine kurze Def­i­n­i­tion von ‘evan­ge­likal’: https://danieloption.ch/featured/die-evangelikalen-post-evangelikalen
      Hier der Ausschnitt:
      “Was ist evan­ge­likal? Es ist das Bemühen um his­torisches Chris­ten­tum… um das zen­trale Christ­stein. Ich glaube die evan­ge­likale Bewe­gung hat im inner­sten Impuls dieses Bemühen, das in den Kern zu stellen… also his­torisch ortho­dox an Jesus Chris­tus zu glauben.… Und das merkt man heute in Dialogbe­mühun­gen, dass oft ger­ade an dieser Kern­sub­stanz des Glaubens die Evan­ge­likalen sehr gut anschlussfähig sind zu den ortho­dox­en, katholis­chen und alt-ori­en­tal­is­chen Kirchen.” (Roland Wern­er, Auszüge Was ist evan­ge­likal? 3/3 zwis­chen Zeit­mark­er 0:30 und 2:30)

      Es lohnt sehr, 20 Minuten einzuset­zen, um diesen Pod­cast zu hören, denn Wern­er schafft es in weni­gen Minuten, die wesentlichen Dinge auf den Punkt zu brin­gen: Evan­ge­likalen Chris­ten ist die per­sön­liche Hin­wen­dung zu Jesus wichtig, die Bibel, die Verkündi­gung des Evan­geli­ums, soziales Engage­ment, Weltver­ant­wor­tung sowie Ver­net­zung über die Gren­zen der eige­nen Kirche und des eige­nen Ver­ban­des hin­aus mit anderen Chris­ten, die sich auch um den Kern des his­torischen Chris­ten­tums bemühen.

  3. Uwe Brinkmann 3 Jahren ago
    Reply

    Lieber Paul,

    vie­len Dank für den guten Artikel / bzw. die 3 Artikel … — ich werde ihn gle­ich mal pushen in meinem Blog!

    Vielle­icht noch eine kleine Kor­rek­tur: “da draußen” (in Afri­ka und weltweit) sind ein Haufen evan­ge­likaler Dis­pen­sa­tion­al­is­ten, die genau­so wie Deine berechtigten Vor­bilder u.a. auch damit beschäftigt sind “Brun­nen zu graben” … — Hal Lind­say ist / war auch in disp. Kreisen eine exzen­trische, schillernde Fig­ur / gewesen!

    Und im Übri­gen ist das eben auch 50 Jahre her (“Alter Plan­et Erde wohin …”). Es wäre für Thorsten Diez daher nur fair, wenn er zeigen kön­nte, dass heutige evan­ge­likale Mis­sion­are (die ein­er disp. The­olo­gie fol­gen), kein Inter­esse an der Sit­u­a­tion vor Ort haben … — auch Du soll­test nicht in seine Falle tappen!

    Wir haben Dank Coro­na aktuell wieder viel mehr Kon­takt in Gebet­sr­ef­fen im zoom mit ca. 10 befre­un­de­ten Mis­sion­aren weltweit: nahezu alle sind mehr oder weniger “Dispis” und nahezu alle sind neben ihrem mis­sion­ar­ischen Eifer für das “See­len­heil” (ja, dass ist der Schw­er­punkt) auch — zeitlich gese­hen sich­er gle­icher­maßen — in sozialen Pro­jek­ten engagiert:

    * ein Sprachkurs in Paris mit Westafrikanern,
    * eine Kranken­sta­tion im Senegal,
    * ein Comu­perkurs in Niger,
    * eine Klei­derkam­mer in Spanien,
    * ein Kindertr­e­ff in Rumänien,
    * eine Knas­tar­beit / Frauen­haus in Zentralasien,
    * ein Lin­gustikpro­gramm in Papua N.,
    * eine Essen­saus­gabe im Flüchtling­camp in Griechenland,
    * eine Erd­beben­hil­fe in Kroa­t­ien, usw.

    Nur zwei von zehn Miss. in Nord- und Südameri­ka sind tat­säch­lich v.a. mit der Aus­bil­dung von Bibelschülern beschäftigt … — aber das ist hof­fentlich auch noch erlaubt …?

    😉

    In Chris­tus
    Uwe

    Papp­kam­er­aden kann man immer leicht abschießen. Und wenn wir uns einig sind, dsass TD den Hal L. als soclhen aufge­baut hat, dann soll­ten wir es dabei belassen …

    • Paul Bruderer 3 Jahren ago
      Reply

      Danke Uwe — super Ergänzun­gen! Ich sehe es ähn­lich, auch einige unser­er Leute waren/sind solche Dispis. Per­sön­lich bin ich da kri­tis­ch­er, weil der Dis­pen­sa­tion­al­is­mus von der the­ol­o­gis­chen Ten­denz her das ganzheitliche Engage­ment nicht the­ol­o­gisch begrün­det. Wobei es viele Vari­anten gibt des Dis­pen­sa­tion­al­is­mus. Auch da muss man dif­feren­ziert sein. Mich dünkt, dass Men­schen, die Jesus ken­nen, ein stück­weit ‘ein­fach so’ sich sozial küm­mern — egal was ihre The­olo­gie ist. Wenn die Liebe Jesu ein Leben ergreift, wird man aktiv, egal was die The­olo­gie ist. Doch die The­olo­gie stimmt ide­al­er­weise übere­in. Und schlechte The­olo­gie kann schon dur­chaus hin­der­lich bis sehr hin­der­lich sein. Yep, ich will nicht in dieselbe Falle tappen!

      Wichtig wäre mir noch zu sagen: Ganzheitlichkeit gibt es NUR dann, wenn AUCH die geistliche Dimen­sion drin ist: also predi­gen, lehren, zu Busse und Bekehrung aufrufen. Wehe mal lässt das weg — man ist dann nicht mehr ganzheitlich.

  4. Daniel Rath 3 Jahren ago
    Reply

    Lieber Paul. Her­zlichen Dank für diesen Artikel! Sehr gut auf den Punkt gebracht. Mein Onkel macht heute noch — mit über 80 Jahren — Hil­f­trans­porte nach Bul­gar­ien und ver­sorgt die Men­schen dort gle­ichzeit­ig als Evan­ge­list mit der besten Botschaft der Welt. Das­selbe ganzheitliche Engage­ment haben auch meine Eltern gelebt und leben es noch immer. Und das ovwohl meine Eltern zeitweise stark beein­druckt waren von Hal Lind­say und in ein­er starken Naher­wartung lebten. Es hat sie jedoch keines­falls in eine Welt­fremd­heit getrieben, son­dern viel mehr in eine Hingabe in den ganzheitlichen Dienst an den Näch­sten. Geprägt von dieser Art eines ganzheitlichen Glaubens — dass man ihn als van­ge­likal beze­ich­net habe ich erst viele Jahre später erfahren — ging ich in den Gemeinde­di­enst als Pas­tor. Und ja, an manchen Stellen musste ich tat­säch­lich Evan­ge­likale überzeu­gen, dass sozial­diakonis­ches Engage­ment kein min­der­w­er­tiges Engage­ment ist, aber es war nicht son­der­lich schwer.

    Habe die Pod­cast­fol­gen von Dietz nicht gehört. Aber meine Auseinan­der­set­zung mit der Geschichte des inter­re­ligiösen Dialogs haben mich auch in die Jahrzehnte geführt, in welchen es zur Tren­nung zwis­chen Evan­ge­likalen und Ökumene gekom­men ist. Wahres Prob­lem für die Evan­ge­likalen war let­ztlich nicht ein­fach die Frage des sozialen Engage­ments, son­dern die deut­lich sicht­bar gewor­de­nen rel­a­tivis­tis­chen und synkretis­tis­chen Entwick­lun­gen in der Ökumene, die den eigentlichen Hin­ter­grund der Akzentver­schiebung darstellen. Wenn man heute die Augen auf­macht, dann sieht man, dass die Vertreter der Lau­san­ner Bewe­gung in weis­er Voraus­sicht gesprochen und gehan­delt haben.

    Natür­lich ist eine Betra­ch­tung aus dem Blick­winkel dieser Erfahrun­gen auch nicht vol­lkom­men aus­ge­wogen. Kür­zlich stiess ein rund 60jähriger nach Gott suchen­der Amerikan­er zu unser­er Gemeinde. In einem Gespräch ver­suchte ich unsere Gemeinde etwas in der religiösen Land­schaft einzuord­nen und benutzte den Begriff “evan­gel­i­cal”. Er schaute mich mit grossen Augen an und sagte: “No! You are not evan­gel­i­cal! Definit­ly not! I lived for many years in Texas and I know evan­gel­i­cal church­es. It’s some­thing total dif­fer­ent from this church”.

    • Paul Bruderer 3 Jahren ago
      Reply

      Danke für deinen Kom­men­tar Daniel. SPANNEND was du da alles erzählst! Span­nend von deinem Vater. Was du über den inter­re­ligiösen Dia­log sagst, sehe ich wie du auch 👍. Beson­ders inter­es­sant ist, was du über den amerikanis­chen Besuch­er erzählst. Ob sie ‘über dem Teich’ unter ‘evan­gel­i­cal’ doch etwas ziem­lich ander­sar­tiges laufen haben?

  5. Andi Bachmann-Roth 3 Jahren ago
    Reply

    Lieber Paul. Stark­er und wichtiger Artikel. Ich habe das ganz ähn­lich erlebt, auch wenn ich die neg­a­tiv­en Auswirkun­gen des Dis­pen­sa­tion­al­is­mus auch ken­nen gel­ernt habe. Heute begeg­ne ich dieser The­olo­gie nur noch sel­ten. Wir wer­den in unserem SEA-Fokus (Erscheint im Juni 2021) über ganzheitliche Mis­sion schreiben. Wir sind der Mei­n­ung, dass im Net­zw­erk der SEA schon lange ganzheitlich gedacht und gehan­delt wird. Ganz im Sinne von Lausanne.
    Übri­gens: Miroslav Volf legt im Buch “Zusam­men wach­sen” dar, dass man auch US-Evan­ge­likalen keineswegs Indok­tri­na­tion vor­w­er­fen kann. Im Gegen­teil. Viele Lei­t­ende ermuti­gen zum selb­ständi­gen Denken (und Wählen).
    Aber wenn man will, find­et man natür­lich immer einen Pap­pen­heimer, der seine eige­nen Vorurteile bestätigt. Aus diesem Grund ver­ste­hen ich auch nicht, warum Worthaus und RefLab so aus­führlich über “uns” schreiben und reden, aber kaum mit uns. Ich empfinde vieles von dem bei­den Quellen als Karikatur (vielle­icht, weil ich ger­ade aus der StopAr­mut-Kon­ferenz komme :-)) Da wird die Deutsche Evan­ge­lis­che Allianz por­traitiert, ohne dass erwäh­nt wird, dass eine Haup­tquelle mit der man sie kri­tisiert, im Auf­trag der DEA ver­fasst wurde. Faire Berichter­stat­tung sieht anders aus.

    • Paul Bruderer 3 Jahren ago
      Reply

      Danke Andi für deinen Kom­men­tar. Ich habe auch von der Beto­nung von Ganzheitlichkeit der SEA gehört und mich SEHR gefreut! Volf: span­nend! Erfrischend und dif­feren­ziert. Kannst du grad einen Teil des Buch­es nen­nen, wo er das rüberbringt?

  6. Viktor Pfister 3 Jahren ago
    Reply

    Und ich staune mit grossem Respekt über die unzäh­li­gen — inzwis­chen grossen — sozialen Ein­rich­tun­gen, die oft vor vie­len Jahren in beschei­den­sten, vielle­icht sog­ar mitlei­dig belächel­ten Anfän­gen ihre ersten lei­den­schaftlichen Schritte von beherzten from­men Men­schen gese­hen hat­ten. Und heute, wenn man diese alle weg­denken würde? Was bliebe in unser­er Gesellschaft alles liegen? Wieviel Not (sozial, materiell, seel­isch) würde plöt­zlich krass sicht­bar wer­den? Ich bin tief berührt von all diesem Engage­ment aus Liebe zu Men­schen, zur Schöp­fung, zur Gesellschaft.

    • Paul Bruderer 3 Jahren ago
      Reply

      Danke Vik­tor — genau so sehe ich es auch. Ich bin echt hin und weg über den Dienst, den Chris­ten zu allen Zeit­en an der Gesellschaft und Schöp­fung geleis­tet haben!

  7. Vetterli 3 Jahren ago
    Reply

    Lieber Paul, vie­len Dank für den Artikel. Sehr hil­fre­ich und notwendig. Mit Hal Lind­say wer­den let­ztlich ja auch nur die neg­a­tiv­en Früchte des dis­pen­sa­tion­al­is­tis­chen Prämil­lenial­is­mus kri­tisiert. Dass viele Dispies viel bess­er sind, als ihr the­ol­o­gis­ches Sys­tem, liegt auf der Hand. Geht man in die USA, sind es auch dort die evan­ge­likalen Kirchen, die sich mit viel Elan in ganz ver­schiede­nen Bere­ichen sozial engagieren. Ausser­dem zeigt auch die Kirchen- und Mis­sion­s­geschichte ver­gan­gener Jahrhun­derte (z.B. Method­is­mus) überdeut­lich, dass bibel­treue Chris­ten und Kirchen sich in Bere­ichen der Bil­dung, Krankenpflege, Alters­für­sorge, Behin­dertenpflege, Entwick­lung­shil­fe, sozialen Refor­men uvm einge­set­zt haben.

    • Paul Bruderer 3 Jahren ago
      Reply

      Genau! Danke dass du den Artikel gele­sen und kom­men­tiert hast! Kannst gerne auch mal einen schreiben ✍️

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