Viktor Frankl verbringt im zweiten Weltkrieg 3 Jahre in verschiedenen deutschen Konzentrationslagern. Seine Eltern, sein Bruder und seine Frau sterben darin, während er überlebt. In seinem Buch Trotzdem Ja zum Leben sagen zeigt der Neurologe und Psychologe Frankl, wie die Menschen mit dem KZ umgegangen sind. Er gibt uns wichtige Erkenntnisse, welche Art von Hoffnung nötig ist, wenn sie uns im entscheidenden Moment wirklich tragen soll.
Frankl sagt, dass die KZ Insassen auf 4 verschiedene Arten auf die Not im KZ reagierten:
- Einige Menschen wurden grausam und gewalttätig gegenüber anderen Gefangenen. Sogar netteste Menschen wurden brutal.
- Andere Menschen resignierten. Sie verloren alle Hoffnung. Das passierte normalerweise plötzlich. Meistens haben sie sich morgens geweigert aufzustehen, anzuziehen und zu waschen. Keine Bitte, keine Schläge, keine Drohung zeigten Wirkung. Sie lagen einfach dort, haben aufgegeben und nichts kümmerte sie mehr, weil sie keine Hoffnung mehr hatten.
- Es gab auch Menschen, die vom Willen angetrieben waren zu überleben. Die Kraft, die sie antrieb, war die Hoffnung, später einmal das alte Leben zurückzubekommen. Sie hofften, nach dem KZ wieder an ihre alten Erfolge anknüpfen zu können, wieder Familie zu haben, Vermögen oder Position aufzubauen. Aber nach der Befreiung fanden viele von ihnen nicht das, was sie gesucht hatten. Als der Tag ihrer Träume kam, war er anders, als sie sich das vorgestellt hatten. Nicht wenige fielen für den Rest ihres Lebens in tiefe Depressionen und es gab auch etliche Suizide.
- Ein vierte Gruppe behielt ihre volle innere Freiheit weil sie eine Hoffnung hatten, die weder durch Leid noch durch Tod zerstört werden konnte. Diese leider sehr kleine Gruppe von Insassen waren nicht glücklich oder fröhlich, aber sie schafften etwas, das die anderen nicht schafften. Sie waren in der Lage, mehrheitlich freundlich zu bleiben mit den Anderen.
Wir leben nicht im KZ und können uns nicht vorstellen, wie grauenvoll es dort gewesen sein muss. Einen gemeinsamen Punkt gibt es jedoch. Was die KZ Insassen innerhalb kürzester Zeit erlebt haben, erfahren wir wenigstens in einigen Stücken im Verlauf unseres Lebens: Uns wird das Leben genommen. Eine Person, die wir lieben, wird wegen Krankheit, Tod, Trennung, Streit von uns gehen. Unser Körper wird seine Schönheit verlieren. Wir werden gebrechlich und krank. Auch die Arbeit wird uns genommen, wenn wir Pech haben mit der Anstellung oder in die Pension kommen. Uns alle trifft irgendwann der Tod. Wenn unsere Hoffnung in den Dingen dieses Lebens begründet liegt, die wir alle mit Sicherheit verlieren werden, lässt uns diese Hoffnung im entscheidenden Moment im Stich.
Der erste Petrusbrief ist ein Text an verfolgte Christen. Diese Christen erleben die Qualität von Hoffnung, wie sie Frankl bei der vierten Gruppen im KZ vorfand. Ihre Hoffnung war nicht darin begründet, dass es ihnen gut ging im Leben. Im Gegenteil: Sie waren verfolgt! Trotzdem war in ihnen eine Kraft, Hoffnung und Freude, welche die Menschen in ihrem Umfeld so aufhorchen liess und überraschte, dass sie anfingen, die Christen nach der Herkunft zu befragen. Deshalb sagt Petrus zu ihnen:
Seid jederzeit bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch auffordert, Auskunft über die Hoffnung zu geben, die euch erfüllt. (1 Pe 3:15)
Im ersten Kapitel des Briefes gibt Petrus selbst Auskunft, worin diese christliche Hoffnung begründet ist:
In seinem großen Erbarmen hat Gott uns durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ein neues Leben geschenkt. Wir sind von neuem geboren und haben jetzt eine sichere Hoffnung, die Aussicht auf ein unvergängliches und makelloses Erbe, das nie seinen Wert verlieren wird. (1 Petr 1,3–4)
Hier wird uns der Weg in die Gewissheit der christlichen Hoffnung gezeigt. In unserem Sprachgebrauch verbinden wir mit dem Wort ‘Hoffnung’ Unsicherheit. “Ich hoffe es ist morgen schönes Wetter” meint: Vielleicht wird es schön, vielleicht auch nicht. Ich bin unsicher. Ich weiss es nicht. Christliche Hoffnung hingegen gibt Gewissheit, weil sie auf äussere und auf unwiderrufliche Tatsachen basiert: Die in Realität geschehene leibliche Auferstehung von Jesus Christus. Diese Auferstehung Christi garantiert allen, die ihm glauben (1 Petr 1:5) ein ewiges Leben, das seinen Wert schlicht und ergreifend nicht verlieren kann!
Bild: unsplash
Weil es diese Gewissheit gibt, verwandelt christliche Hoffnung das Verhältnis von Freude und Leid auf radikale Weise. Im Leben eines Menschen, der diese Hoffnung nicht kennt, sind Freude und Leid gegenläufig. Ab einem bestimmten Punkt schliessen sich Freude und Leid sogar gegenseitig aus. Wenn Leid da ist, kann dieser Mensch nicht gleichzeitig Freude empfinden. Umgekehrt kann Freude im Leben dieses Menschen nur in Zeiten der Abwesenheit von grösserem Leid vorhanden sein. So läuft es normalerweise. Das ist auch verständlich, denn nur die christliche Hoffnung kann das Gegenteil bewirken: Freude wecken gerade und besonders dann, wenn es leidvoll wird:
Deshalb seid ihr voll Freude, auch wenn ihr jetzt – wenn Gott es so will – für kurze Zeit leiden müsst und auf die verschiedensten Proben gestellt werdet. (1 Pe 1:6)
Was wir hier sehen ist eine Freude, die gerade dann anfängt erlebt zu werden, wenn es schwierig wird. Im Verlauf dieser Verse im 1. Petrus Brief wird sogar klar: Je grösser das Leid, desto grösser die Freude. Nicht Freude AN den leidvollen Umständen, sondern Freude IN ihnen. Christliche Hoffnung macht uns nicht zu Masochisten, sondern zu Menschen, die im Leid innere Freiheit behalten, Menschenwürde leben und Freude erfahren können.
Bisher habt ihr Jesus nicht mit eigenen Augen gesehen, und trotzdem liebt ihr ihn; ihr vertraut ihm, auch wenn ihr ihn vorläufig noch nicht sehen könnt. Daher erfüllt euch schon jetzt eine überwältigende, jubelnde Freude, eine Freude, die die künftige Herrlichkeit widerspiegelt. (1 Pe 1:8)
Hier ist nicht nur von Freude die Rede, sondern von Jubel. Krass! Unverständlich für Menschen, die christliche Hoffnung nicht kennen! Doch der Mensch, der an Jesus glaubt, darf eine fundamentale Veränderung des Verhältnisses von Freude und Leid erleben. Sie schliessen sich nicht mehr gegenseitig aus.
Bild: unsplash
Es ist ein wenig wie mit der Heizung eines Hauses. Wenn es kalt wird (Leid kommt), wollen wir einen Mechanismus, der die Heizung einschaltet (Freude bringt). Noch besser ist es, wenn mit wachsender Kälte die Heizleistung steigt. Wenn es keinen solchen Mechanismus gibt, dann überkommt die Kälte irgendwann alles Leben im Haus. Christliche Hoffnung ist im Bilde gesprochen eine Heizung. Wenn Leid und Not in unser Leben kommt, weist sie uns auf die vor uns liegende Herrlichkeit hin und weckt in uns Freude daran. Ein eindrückliches persönliches Beispiel dieser Hoffnung erzählt Viktor Pfister in seinem Bericht, wie er und seine Familie den Verlust seiner Tochter Evelyne durch Suizid erlebt haben.
Wer diese christliche Hoffnung nicht hat, wird Christen die sie haben, nicht verstehen können. Er wird den Christen Weltfremdheit und Lebensfeindlichkeit vorwerfen. Schade! Denn mich dünkt, dass die Bibel hier etwas beschreibt und anbietet, das die meisten reflektierten Menschen haben möchten. Probleme, Nöte und Leid werden zwangsläufig in alle unsere Leben kommen. Wer möchte dann nicht etwas in seinem Leben haben, das eine Quelle der Freude wird, wenn die anderen schönen Dinge des Lebens als Quelle der Freude versiegen?
Nächste Woche befassen wir uns mit der Frage, wie diese christliche Hoffnung in unser Leben kommt. Bis dahin könnte es interessant sein, 1. Petrus 1,3–9 zu lesen und über folgende Fragen nachzudenken?
- Wie geht es mir, wenn mir Dinge im Leben genommen werden, die mir sehr wichtig sind?
- Woran mache ich meine Hoffnung fest? Wie kann ich diese Frage überhaupt beantworten?
- Kenne ich die christliche Hoffnung, welche zu einem Zuwachs von Freude führt, wenn es zu einem Zuwachs von Problemen und Leid kommt in meinem Leben?
- Glaube ich an die reale, leibliche Auferstehung von Jesus Christus von den Toten? Erkenne ich, warum dieses historische Ereignis die Grundlage für meine persönliche Hoffnung sein kann?
- Was bedeutet es, an Jesus Christus zu glauben?
Titelbild: unsplash