Die dreifache Wahrheit des Evangeliums (3/3)

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Das Evan­geli­um ist his­torische Wahrheit, sie ist the­ol­o­gis­che Wahrheit und sie ist schrift­gemässe Wahrheit. Wie gesagt bin ich überzeugt: Ob wir im Herzen ein «Ja» zu diesen drei grundle­gen­den Wahrheits-Aspek­ten des Evan­geli­ums find­en, macht den Unter­schied aus zwis­chen einem tragfähi­gen und einem umson­st gelebten Glauben aus. 

Wir kom­men zum drit­ten und let­zten Teil unser­er Serie. Im ersten Teil habe ich uns mit dem grundle­gen­den Bibel­text von 1.Kor 15:1–5 bekan­nt­gemacht. Dabei habe ich erörtert, dass wir im Text einen bedeut­samen frühchristlichen Beken­nt­nis­text vorfind­en und erk­lärt, wie entschei­dend der his­torische Wahrheit­saspekt des Evan­geli­ums ist. Im zweit­en Teil haben wir uns mit der Bedeu­tung des Kreuzestodes Jesu befasst und gel­ernt, dass Kreuz und Sün­den­verge­bung eine untrennbare Ein­heit bilden.

Hier gebe ich den Grund­lage­text nochmals wieder:

Ich erin­nere euch aber, Brüder und Schwest­ern, an das Evan­geli­um, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenom­men habt, in dem ihr auch fest ste­ht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so fes­thal­tet, wie ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr’s umson­st geglaubt hät­tet. Denn als Erstes habe ich euch weit­ergegeben, was ich auch emp­fan­gen habe: Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift; und dass er begraben wor­den ist; und dass er aufer­weckt wor­den ist am drit­ten Tage nach der Schrift; und dass er gese­hen wor­den ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 1.Kor 15:1–5

In diesem let­zten Artikel geht es nun um den drit­ten Wahrheit­saspekt. Es geht darum, dass das Evan­geli­um eine schrift­gemässe Wahrheit ist. Wir erin­nern uns, dass ich meine Argu­men­ta­tion für die dreifache Wahrheit des Evan­geli­ums anhand der fol­gen­den ein­fachen For­mulierung aus dem drit­ten Vers in unserem Text mache:

«Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift».

Eine schriftgemässe Wahrheit

‘Nach der Schrift’ ist Jesus gestor­ben (V3), ‘nach der Schrift’ ist er wieder aufer­weckt wor­den (V4).

Die Heilige Schrift hat­te für Paulus und die ersten Chris­ten eine wichtige Auf­gabe: sie diente ihnen als Massstab für die Wahrheit. In der The­olo­gie gibt es dafür den Fach­be­griff der «Nor­ma Nor­mans». Das bedeutet soviel wie „norm-stif­tende Norm“ oder „Die Norm, an der die Nor­men gemessen wer­den“. Man kann das ver­gle­ichen mit einem «Urme­ter».  An der Schrift sollen Ereignisse und Erken­nt­nisse gemessen und bew­ertet wer­den, gle­ich wie im 19. Jh. der Urme­ter in Paris sozusagen das “Mass aller Dinge” war.

Es ist von emi­nen­ter Bedeu­tung, dass wir diesen Schrift­massstab so klar und deut­lich einge­bun­den sehen in einem Text, welch­er ein­er der ältesten Beken­nt­nis­texte der Chris­ten ist. Gle­ich dop­pelt wird betont (V3, V4): nach der Schrift. Wir sehen hier, wie wir als Chris­ten inhaltliche Qual­itätssicherung betreiben sollen. Die Ori­en­tierung an der Schrift ist für uns Chris­ten unent­behrlich und verbindlich. Chris­ten ver­trauen der Schrift.

Das Alte Testament als Wahrheitsquelle 

Im Neuen Tes­ta­ment find­en wir dieses Schrift­prinzip immer wieder in Anwen­dung. So zum Beispiel bei den Juden in Beröa. Paulus und Silas verkün­de­ten ihnen das Evan­geli­um. Ihre Reak­tion darauf: Sie „forscht­en täglich in der Schrift, ob sich’s so ver­hielte“ (Apg 17:11).

Dieses Beispiel zeigt die Bedeu­tung des Alten Tes­ta­ments für die ersten Chris­ten. Die ersten Chris­ten hat­ten anfänglich das Neue Tes­ta­ment ja nicht zur Hand. Das Alte Tes­ta­ment war die Bibel von Jesus und der ersten Chris­ten. Wir kön­nen davon aus­ge­hen, dass sich Lukas als Autor der Apos­telgeschichte in Apg 17,11 auf die alttes­ta­mentlichen Texte bezieht und die Mes­sias-Hoff­nung, welche das Alte Tes­ta­ment durchzieht. Möglicher­weise wurde das bekan­nte Kapi­tel 53 in Jesa­ja konsultiert:

Aber er ist um unsr­er Mis­se­tat willen ver­wun­det und um unsr­er Sünde willen zer­schla­gen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hät­ten, und durch seine Wun­den sind wir geheilt. (Jes 53:5)

Es ist entschei­dend, dass die gute Nachricht von Jesus, das Evan­geli­um, ‘in der Spur’ dessen ist, was Gott in der Ver­gan­gen­heit schon seinem Volk offen­bart hat. Das Alte Tes­ta­ment wird mit dem Kom­men Jesu nicht etwa zum Weg­w­erf­pro­dukt. Vielmehr baut das Neue auf dem Alten auf.

Ich möchte dieses Prinzip kurz an weit­eren Beispie­len erläutern.

Im Matthäu­se­van­geli­um ist die Zurück­bindung an die Schriften des Alten Tes­ta­mentes beson­ders promi­nent. Der Autor ver­weist in soge­nan­nten “Reflex­ion­sz­i­tat­en” immer wieder auf das Alte Tes­ta­ment und sieht im Wirken Jesu die Erfül­lung alttes­ta­mentlich­er Ver­heis­sun­gen. Zehn­mal find­en wir in diesem Evan­geli­um in Bezug auf Jesus die For­mulierung «damit erfüllt wurde» (Mt 1:22; 2:15; 2:17; 2:23; 4:14; 8:17; 12:17; 13:35; 21:4; 27:9). Dies und jenes ereignete sich im Leben von Jesus, damit erfüllt wurde, was im Alten Tes­ta­ment schon angekündigt war. Leben und Wirken von Jesus waren also ‘nach der Schrift’.

Das erste solche Reflex­ion­sz­i­tat find­en wir im Matthäu­se­van­geli­um im Zusam­men­hang mit der Geburt Jesu. Hier erscheint ein Engel bei Josef und sagt ihm Folgendes:

Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk ret­ten von ihren Sün­den. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie wer­den ihm den Namen Immanuel geben« Mt 1:21–23

In diesem Text wird das Kom­men Jesu also in der Spur des Alten Tes­ta­mentes gedeutet. Der Engel, welch­er die Geburt Jesu ankündigt, bezieht sich auf Jesa­ja 7:14. Jesu Kom­men ist ‘nach der Schrift’.

Inter­es­sant ist diese Matthäus-Stelle aber nicht nur, weil wir hier das erste Reflex­ion­sz­i­tat find­en, son­dern weil wir in den Ankündi­gungsworten des Engels an Josef etwas Bekan­ntes ent­deck­en, näm­lich den Grund für das Kom­men Jesu auf die Welt: «dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk ret­ten von ihren Sün­den» (V21). Dies ist eine wichtige Ergänzung zu dem, was ich im zweit­en Teil dieser Serie erläutert habe, als es um die geistliche Wahrheit des Evan­geli­ums ging. Die Zen­tral­ität der Erret­tung des Men­schen aus der Sünde durch Jesus war dem­nach nicht nur die Fest­stel­lung von Paulus, nicht nur die Ein­sicht der Zeu­gen am Kreuz, nicht nur Voraus­deu­tung von Jesus selb­st, es war auch alttes­ta­mentliche Prophetie und Inhalt der Ankündi­gung durch Engel bei der Geburt Jesu. Was für eine wun­der­bare Kon­ti­nu­ität und Übere­in­stim­mung all dieser Zeugen!

Auch Jesus selb­st wen­det das Schrift­prinzip an, oft kom­biniert mit Worten wie «es ste­ht geschrieben» (Vgl. z.B. die Ver­suchung Jesu, Mt 4:1–11) oder «habt ihr nicht gele­sen» (z.B. Mt 19:4). Er erk­lärt seinen Dienst den fra­gen­den Jüngern nach der Aufer­ste­hung, indem er mit ihnen eine aus­führliche Studie des Alten Tes­ta­ments macht:

„Dann ging er mit ihnen die ganze Schrift durch und erk­lärte ihnen alles, was sich auf ihn bezog – zuerst bei Mose und dann bei sämtlichen Propheten.“ Lukas 24:27

Frühchristliche Spuren zeigen die Wichtigkeit der Schrift

Wir find­en aber auch in anderen Quellen als in der Bibel Hin­weise auf die Bedeu­tung der Kon­ti­nu­ität zwis­chen Altem und Neuem Tes­ta­ment. Zum Beispiel kön­nen wir uns den ersten Gen­er­a­tio­nen von Chris­ten zuwen­den und aus deren Kul­tur Schlüsse ziehen.

Ein Beispiel: Let­zten Som­mer machte ich mit mein­er Fam­i­lie eine Stip­pvis­ite nach Rom, wo wir unter anderem die vatikanis­chen Museen besucht­en. Die wun­der­schö­nen frühchristlichen Sarkophage im Museo Pio Cris­tiano faszinierten mich dabei besonders:

Beispiel eines christlichen Sarkophag im Museo Pio Cris­tiano in Rom, ca. 300 n. Chr mit Jon­ageschichte und Aufer­weck­ung des Lazarus. Bild: Peter Bruderer

Ich fotografierte und analysierte später so viele dieser Sarkophage wie möglich. Eines der inter­es­san­testen Merk­male dieser Sarkophage, welche mir dabei aufge­fall­en ist: Die Chris­ten der ersten Jahrhun­derte scheinen immer Geschicht­en sowohl aus dem Alten wie dem Neuen Tes­ta­ment auf ihren Sarkopha­gen abge­bildet zu haben. Tat­säch­lich traf dies bei allen 16 von mir unter­sucht­en Sakopha­gen zu. Einzige Aus­nahme war der kleine Sakophag eines Kindes, auf dem der Platz für mehrere Abbil­dun­gen fehlte. Die Kon­ti­nu­ität zwis­chen Altem und Neuem Tes­ta­ment scheint den ersten Chris­ten der­massen wichtig gewe­sen zu sein, dass sich dies in der Gestal­tung ihrer Gräber zeigte.

Das lebendige Wort Gottes oder menschliche Worte über Gott?

In unserem Bibel­text sehen wir das Schrift­prinzip mit­ten im nicht aufgeb­baren Kern des christlichen Beken­nt­niss­es ange­siedelt. Wir haben auch gese­hen, wie Jesus, die Apos­tel und auch die ersten Gen­er­a­tio­nen der Chris­ten nach diesem Prinzip geglaubt und gelebt haben.

Ein Bibelvers im Hebräer­brief verdeut­licht die Wirk­mächtigkeit und beab­sichtigte Funk­tion des Wortes Gottes sehr schön:

Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schär­fer als jedes zweis­chnei­di­ge Schw­ert und dringt durch, bis es schei­det Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. (Heb 4:12)

Das Schrift­prinzip ist eine notwendi­ge Grund­lage, um über­haupt als Chris­ten einen gemein­samen Ref­eren­zpunkt zu haben, welch­er unser Nach­denken, unser Forschen, unsere Pri­or­itäten und ja – auch unser Stre­it­en – bes­timmt. Chris­ten sind «Peo­ple of the Book» — Men­schen des Buch­es. In Fra­gen, die sich stellen, wer­den sie stets mit höch­ster Pri­or­ität danach fra­gen, was ‘nach der Schrift’ wahr, richtig, gut und weise ist. Sie wer­den auch nach der Schrift beurteilen, was unwahr ist, falsch, böse oder unweise.

Natür­lich müssen wir uns bewusst sein, dass unser «Ja» zum Schrift­prinzip nicht alle Fra­gen löst. Unsere Zeit bringt dur­chaus auch Fragestel­lun­gen, zu denen die Bibel sich vorder­gründig nicht äussert. Die Bibel ist auch kein mech­a­nis­tis­ches ‘Lexikon’, welch­es uns Antworten stets gle­ich einem Auto­mat­en ‘rausspuckt’. Die Bibel ist lebendig und von uns damit nie ganz in den Griff zu bekom­men. Das ist auch gut so!

Es ist bedauer­lich, dass einige fromm klin­gende Men­schen auch diese dritte Wahrheit — das Schrift­prinzip — in Frage stellen. Sie stellen in Frage, ob die Bibel tat­säch­lich Gottes lebendi­ges Wort an seine Kinder ist. Sie sie reden von der Bibel eher als ‘men­schliche Worte über Gott’[1]. Nach ihnen haben Men­schen in der Bibel über ‘Gott und die Welt’ nachgedacht und teilen uns darin ihre wertvollen, aber let­z­tendlich sub­jek­tiv­en, zeitbe­d­ingten und fehler­be­hafteten Gottesvorstel­lun­gen mit.

Lei­t­end ist dabei oft die Vorstel­lung, dass wir heute in unser­er Gotte­serken­nt­nis viel fort­geschrit­ten­er sind als ‘unzivil­isierte’ Men­schen ver­gan­gener Tage. Aus unserem grösseren Wis­sen schöpfend, kön­nen wir Gott dieser Ansicht nach heute viel bess­er beschreiben. Wer so denkt wird die Bibel eher als einen Stein­bruch sehen, wo der mod­erne Men­sch das brauch­bare vom unbrauch­baren, das wertvolle vom wert­losen tren­nen muss.[2] Diese Sichtweise bringt mit sich, dass der Men­sch sich zum Richter über die bib­lis­chen Texte auf­schwingt. Er legt nun seine Massstäbe an die Schrift an, anstatt dass er die Schrift als Massstab für sein Leben und Denken akzep­tiert. Nicht mehr Gottes Wort diag­nos­tiziert den Men­schen, son­dern der Men­sch diag­nos­tiziert und beurteilt die Schrift.

An dieser Stelle ist auch Selb­stkri­tik ange­bracht. Die freikirch­lich-evan­ge­likale Kul­tur, welche mein eigenes geistlich­es ‘Biotop’ ist, hat in den ver­gan­genen Jahrzehn­ten zum Teil ziem­lich undiszi­plin­iert mit der Schrift gear­beit­et. Die Suche nach ‘ver­w­ert­baren Dia­man­ten’ hat lei­der zu oft den Vor­rang gehabt vor der Bere­itschaft, die Heilige Schrift in ihren Zusam­men­hän­gen und in ihrer Sper­rigkeit zu uns reden zu lassen. Dies im Detail darzule­gen, wäre ein Artikel für sich.

Beson­ders auf­fäl­lig treten die oben beschriebe­nen Mech­a­nis­men aber auch in neueren the­ol­o­gis­chen Strö­mungen zutage. Ins­beson­dere zu erwäh­nen sind meines Eracht­ens gewisse Aus­prä­gun­gen der Befreiungs­the­olo­gie. Ob es nun die etwas in die Jahre gekommene klas­sis­che Befreiungs­the­olo­gie aus Südameri­ka ist, oder fem­i­nis­tis­che, postkolo­niale oder queere The­olo­gie – die Autorität befind­et sich im Stand­punkt und im Erleben der jew­eili­gen Per­so­n­en­gruppe. Und von diesem Stand­punkt aus wird die Bibel kri­tisiert [3] oder die per­sön­liche Ansicht in sie hinein pro­jiziert[4].

Die Ergeb­nisse solch­er ‘Stand­punk­t­the­olo­gien’ sehen nur zu oft aus, wie die ide­ol­o­gis­che Pro­gramm­schrift der jew­eili­gen Gruppe oder wie die The­olo­gen, die sie schreiben. Der bekan­nte Autor Tim­o­thy Keller hat dies tre­f­fend kom­men­tiert[5]:

«Wenn dein Gott nie ander­er Mei­n­ung ist, als du, kön­nte es sein, dass du lediglich eine ide­al­isierte Ver­sion von dir selb­st anbetest» (meine Übersetzung)

Wollen wir als Chris­ten nicht zu Sklaven von Ide­olo­gien und men­schlichen Denk-Kon­struk­ten wer­den, so müssen wir ler­nen, diszi­plin­iert­er das Schrift­prinzip in unseren Gemein­schaften anzuwenden.

Das destabilisierte Evangelium ohne Bekenntnis

Mit diesen Zeilen zur Schrift möchte ich auf die Ziel­ger­ade unser­er dre­it­eili­gen Serie einbiegen.

Unser Beken­nt­nis­text von 1.Kor 15:3–5 macht unmissver­ständlich klar: Autorität der Schrift und Evan­geli­um gehören zusam­men. Ein Blick in die Geschichte zeigt uns fol­gende Real­ität: Wer sich vielle­icht sog­ar mit guten Absicht­en über die Schrift erhebt, wird in irgen­dein­er Form über kurz oder lang die His­tor­iz­ität und Bedeu­tung des Evan­geli­ums in Frage stellen. Wer die Schrift in Frage stellt, sägt den Ast ab, auf dem das Evan­geli­um sitzt, den wir ken­nen das Evan­geli­um aus beziehungsweise “nach der Schrift”.

Dieser Zusam­men­hang wird gut beschrieben in einem Zitat des ver­stor­be­nen Pap­stes Benedikt in seinem Buch ‘Jesus von Nazareth’:

«Heute wird die Bibel wei­thin dem Massstab des soge­nan­nten mod­er­nen Welt­bildes unter­wor­fen, dessen Grund­dog­ma es ist, dass Gott in der Geschichte gar nicht han­deln kann – dass also alles, was Gott bet­rifft, in den Bere­ich des Sub­jek­tiv­en zu ver­legen sei.»[6]

Hier wird deut­lich, wie das Anle­gen eines eige­nen Massstabes an die Schrift (das ‘mod­erne Welt­bild’) auch zur Infragestel­lung von Gottes Han­deln in der Geschichte führt. In der Folge ver­liert auch die Deu­tung der Geschichte ihre Bindung an die Real­ität, der Men­sch ver­liert sich in sub­jek­tiv­en Deutungen.

Eine Erken­nt­nis aus dieser Serie kön­nte deshalb sein, dass die drei Wahrheit­se­le­mente des Evan­geli­ums (his­torisch, geistlich, schrift­gemäss) sich gegen­seit­ig stützen und sta­bil­isieren. Das Ver­w­er­fen eines dieser Ele­mente wird auch die anderen desta­bil­isieren. Wenn wir nicht ‘umson­st’ glauben möcht­en (V2), müssen wir alle drei Wahrheit­en zu Eckpfeil­ern unseres per­sön­lichen Glaubens machen — und sie in unseren Gemein­schaften thematisieren.

Ver­bun­dene Säulen sind sta­bil­er: Säulen im Forum Romanum in Rom. Bild: Peter Bruderer

Das Fes­thal­ten an diesen Wahrheit­en bringt in unser­er west­lichen Welt sich­er Her­aus­forderun­gen mit sich. Der Advent der Post­mod­erne hat in den ver­gan­genen Jahrzehn­ten zu einem ver­stärk­ten Hin­ter­fra­gen des tra­di­tionellen Wahrheits­be­griffes geführt und zum Einzug ein­er ten­den­tiell agnos­tis­chen Sicht auf Glaubens­fra­gen. Grosse Erzäh­lun­gen wie die bib­lis­che von Schöp­fung, Fall und Erlö­sung wer­den kri­tisch gese­hen. Statt sein Leben auf der Wahrheit der Schrift aufzubauen, betreibt der von der Post­mod­erne geprägte Men­sch lieber eine Dekon­struk­tion der Schrift.

Wir sehen aber auch, wie diese Trends unser­er Zeit dem Men­schen nicht das erhoffte Glück brin­gen. Wo das Evan­geli­um desta­bil­isiert wird, ist der Men­sch selb­st auch bald halt­los. Wir lan­den in ein­er Welt, in der alles, was Gott bet­rifft, in den ‘Bere­ich des Sub­jek­tiv­en’ ver­legt wor­den ist, in der Welt des desta­bil­isierten Glaubens. Es ist eine Welt, in der zwar religiös, spir­ituell und vielle­icht gar fromm gere­det und gedacht wird, aber den­noch nichts mehr da ist, was echt­en Halt geben würde.

Steht fest in der Wahrheit des Evangeliums

Wir alle dür­fen uns die ein­lei­t­en­den Worte in unserem Text nochmals zu Herzen nehmen:

«Ich erin­nere euch aber, Brüder und Schwest­ern, an das Evan­geli­um, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenom­men habt, in dem ihr auch fest ste­ht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so fes­thal­tet, wie ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr’s umson­st geglaubt hät­tet.» (1Kor 15,1–2)

Die Gute Nachricht muss verkündigt wer­den. Sie muss angenom­men wer­den. Sie ist der Schlüs­sel zu unser­er Seligkeit, sie bringt uns also Heil und Rettung.

Paulus spricht mit erstaunlich­er Deut­lichkeit: Es ist entschei­dend, dass wir uns diese Kern­botschaft des Evan­geli­ums ohne Abstriche, ohne Verän­derun­gen und ohne Rel­a­tivierun­gen zu Herzen nehmen. Sich­er wird unser Glaube noch viel mehr bein­hal­ten als die in dieser Serie präsen­tierten drei Wahrheit­en — unser Glaube ist ein ganzes ‘Uni­ver­sum’. Aber unser Glaube wird und darf nicht weniger sein als die Real­ität des für unsere Sünde gekreuzigten, begrabenen und aufer­stande­nen Chris­tus, der sich uns in der Schrift offenbart.

Mit Paulus möchte ich uns deshalb zurufen: Lasst uns fest­ste­hen in der his­torischen, geistlichen und schrift­gemässen Wahrheit des Evangeliums! 


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Titel­bild:
iStock, Bear­beitung: Peter Bruderer

Fuss­noten:
[1] Vgl. z.B. Bri­an Zah­nd: «Die Bibel ist ein Buch, das sich auf der Suche befind­et nach dem Wort Gottes.» Zah­nd, Bri­an. Sin­ners in the Hands of a Lov­ing God (S.14). The Crown Pub­lish­ing Group. Kin­dle-Ver­sion. (eigene Übersetzung)
[2] Vgl. z.B. Bri­an Zah­nd: «Die Bibel ist nicht per­fekt; Teile davon sind heute ent­behrlich.», Zah­nd, Bri­an. Sin­ners in the Hands of a Lov­ing God (S.61). The Crown Pub­lish­ing Group. Kin­dle-Ver­sion. (eigene Übersetzung)
[3] Vgl. z.B. Richard Rohr: «Inter­pretieren Sie die Bibel doch ein­mal so, wie Jesus es tat! Er ignori­ert sie, leugnet sie oder wider­spricht ihr, wo sie impe­ri­al­is­tisch, strafend, auss­chließend oder nach Stammes­denken klingt.» Rohr, Richard. Der göt­tliche Tanz: Wie uns ein Leben im Ein­klang mit dem dreieini­gen Gott zutief­st verän­dern kann. (Ger­man Edi­tion) (S.161–162). adeo. Kindle-Version.
[4] In der queeren The­olo­gie find­en wir zum Beispiel viele halt­lose und auch blas­phemis­che Speku­la­tio­nen über die sex­uelle Ori­en­tierung und das sex­uelle Leben von Jesus.
[5] https://www.facebook.com/TimKellerNYC/posts/if-your-god-never-disagrees-with-you-you-might-just-be-worshiping-an-idealized‑v/754367937936428/
[6] Joseph Ratzinger / Benedikt XVI, «Jesus von Nazareth», S64

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