Die dreifache Wahrheit des Evangeliums (1/3)

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Das Evan­geli­um ist eine Wahrheit, die von drei Seit­en her bezeugt ist. Sie ist his­torisch, geistlich und schrift­gemäss bezeugte Wahrheit. Ob wir im Herzen ein «Ja» zu diesen drei grundle­gen­den Wahrheits-Aspek­ten des Evan­geli­ums find­en entschei­det, ob unser Glaube tragfähig sein wird oder ob wir umson­st geglaubt haben.

In den ver­gan­genen Monat­en hat­te ich das Vor­recht eine Predigt zu 1.Kor 15:1–5 zu hal­ten. Der Inhalt dieser Predigt ist eine Botschaft, die mir am Herzen liegt und die mir auch grundle­gend wichtig erscheint. Es ist nicht immer ein­fach, etwas, was als Predigt konzip­iert wurde, in einen Lese­text zu trans­ferieren. Im Bewusst­sein der Ein­schränkung möchte ich auf Wun­sch hin den­noch ver­suchen, diese Predigt in eine schriftliche Form zu brin­gen. Ich hoffe, dass dabei Gottes Wort selb­st das Aus­rufeze­ichen wird.

Der Bibel­text:

Ich erin­nere euch aber, Brüder und Schwest­ern, an das Evan­geli­um, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenom­men habt, in dem ihr auch fest ste­ht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so fes­thal­tet, wie ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr’s umson­st geglaubt hät­tet. Denn als Erstes habe ich euch weit­ergegeben, was ich auch emp­fan­gen habe: Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift; und dass er begraben wor­den ist; und dass er aufer­weckt wor­den ist am drit­ten Tage nach der Schrift; und dass er gese­hen wor­den ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 1.Kor 15:1–5

Ein Bekenntnistext

Was macht diesen Text bedeut­sam und interessant?

Zum einen kom­mu­niziert Paulus hier mit Nach­druck. Er spart in den ersten Sätzen nicht mit klaren Worten, um der Gemeinde bewusst zu machen, wie fun­da­men­tal wichtig das ist, was er gle­ich weit­ergeben wird.

Was er weit­ergibt, ist dann im Grunde genom­men lediglich eine Wieder­hol­ung von bere­its Gesagtem. Das mag vielle­icht erstaunen. Aber gewisse Dinge sollte man wieder­holen. Gewisse Wahrheit­en sollte man nie vergessen, soll­ten wir einan­der als Chris­ten immer wieder in Erin­nerung rufen, und zwar ohne Abstriche, mit unverän­dert­er Klarheit. Um solch eine Wahrheit geht es hier: Das Evan­geli­um, die gute Nachricht, den inneren Kern der christlichen Botschaft. Es geht um die Grund­sub­stanz unseres Glaubens, welche uns als Chris­ten mit Iden­tität, Kraft und Sta­bil­ität versorgt.

Hier kommt sie, diese wertvolle Botschaft (V3‑5):

Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift; und dass er begraben wor­den ist; und dass er aufer­weckt wor­den ist am drit­ten Tage nach der Schrift; und dass er gese­hen wor­den ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

Diese Worte mögen uns vielle­icht als ein­fach und selb­stver­ständlich vorkom­men. Doch wie eine Melodie nicht ohne gewisse ‘Grundtöne’ auskommt, welche diese Melodie tra­gen, so auch unser Glaube nicht. Drei von diesen tra­gen­den Klän­gen, welche uns in diesen Zeilen begeg­nen, möchte ich nach­fol­gend ver­tiefen. Ich rede vom Dreik­lang der his­torischen, geistlichen und schrift­gemässen Wahrheit des Evangeliums.

Was es damit auf sich hat, werde ich nach­fol­gend erläutern. Doch vorher muss uns klar wer­den, was für einen Text wir hier vor uns haben. Der ein­fache ‘Mark­er’ «was ich auch emp­fan­gen habe» (V3) macht deut­lich, dass wir einen frühchristlichen Beken­nt­nis­text vor uns haben. Paulus ist hier nicht am Philoso­phieren, son­dern am Rez­i­tieren. Er hat nicht etwas Neues gefun­den, das er allen weit­ergeben will, son­dern etwas Altes, das längst gek­lärt ist und niemals vergessen wer­den sollte. Es geht Paulus nicht um seine Gedanken, son­dern um das Zeug­nis, welch­es er emp­fan­gen hat und der Gemeinde in Korinth weit­ergibt. Wir ste­hen hier vor ein­er fix­en For­mulierung in der frühchristlichen Kirche – vor einem Beken­nt­nis­text der ersten Christen.

Einige Leser dieser Zeilen haben vielle­icht wie ich das Apos­tolis­che Glaubens­beken­nt­nis auf ihre Kon­fir­ma­tion hin auswendig ler­nen müssen: «…gelit­ten unter Pon­tius Pila­tus, gekreuzigt, gestor­ben und begraben…». Die Sätze sind mir geblieben. Chris­ten in der Ver­gan­gen­heit haben sehr gerne mit solchen stan­dar­d­isierten, kom­prim­ierten For­mulierun­gen gear­beit­et, welche wesentliche Infor­ma­tio­nen oder Wahrheit­en des Glaubens fes­thiel­ten. Die Liebe für solche For­mulierun­gen hat­te spez­i­fis­che Gründe, auf die ich noch einge­hen werde.

Auch im Neuen Tes­ta­ment find­en wir solche kom­pak­ten, stan­dar­d­isierten For­mulierun­gen. Eine davon ist die Beschrei­bung des Evan­geli­ums, wie sie in unserem Bibel­text wiedergegeben ist. Inter­es­san­ter­weise wird die Entste­hung des uns vor­liegen­den kurzen Beken­nt­nis­textes selb­st von kri­tis­chen Forsch­ern wie dem Agnostiker/Atheisten Bart Ehrman in die Zeit unmit­tel­bar nach Ostern datiert.[1] Wir haben es bei 1. Korinther 15,3–5 also mit einem der ältesten Texte des Chris­ten­tums zu tun, einem der uns in Tuch­füh­lung bringt mit dem Ursprung unseres Glaubens und der Wahrheit über Jesus Christus.

Auf der nun gelegten Grund­lage auf­bauend möchte ich ver­suchen, die drei erwäh­n­ten Wahrheit­en näher zu beschreiben. Ich werde dafür auf die For­mulierung ganz am Anfang dieses Beken­nt­niss­es fokussieren:

«Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift».


Eine historische Wahrheit

Erstens geht es beim Evan­geli­um, der guten Nachricht von Jesus Chris­tus, um eine his­torische Wahrheit, also um etwas, das tat­säch­lich geschehen ist in Raum und Zeit.

Wir müssen ver­ste­hen, dass der christliche Glaube sich von anderen bekan­nten Reli­gio­nen wesentlich darin unter­schei­det, dass er auf einem his­torischen Ereig­nis beruht und nicht ein­fach auf ein­er bes­timmten Lehre oder Philoso­phie. Der christliche Glaube beruht auf dem tat­säch­lich stattge­fun­de­nen Tod, dem Begräb­nis und der bezeugten Aufer­ste­hung von Jesus Chris­tus. Dies bildet das zen­trale Ereig­nis, ohne welch­es es das Chris­ten­tum nicht geben würde.

Wenn man die Evan­gelien liest, also die neutes­ta­mentlichen Büch­er wie Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes, dann merkt man immer wieder an der Dynamik der Erzäh­lung, wie die ganze Geschichte von Jesus auf dieses zen­trale Ereig­nis hinzielt. Auch Jesus selb­st war sich der Ziel­rich­tung seines Lebens sehr bewusst und hat auch darüber gesprochen. Ein gutes Beispiel dafür find­en wir im Marku­se­van­geli­um in den fol­gen­den Worten Jesu an seine Jünger:

Denn auch der Men­schen­sohn ist nicht gekom­men, dass er sich dienen lasse, son­dern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10:45)

Der „Men­schen­sohn“ – das ist im Marku­se­van­geli­um die Selb­st­beze­ich­nung von Jesus. Dadurch macht er klar, dass sein Leben und Dasein einen Zielpunkt haben, einen soge­nan­nten ‚Telos‘. Der Zielpunkt ist fol­gen­der: Er wird sein Leben geben. Jesus lebt sein Leben auf ein reales his­torisches Ziel und Ereig­nis hin. Was bei Jesus der Zielpunkt seines Wirkens war, das wird für die ersten Chris­ten zum Aus­gang­punkt ihrer Iden­tität und ihres Glaubens.

Wichtig ist hier: Gott ist ein Gott, der in der Geschichte han­delt. Ganz real. Hand­fest. Konkret. Wirklich. 

Diese schlichte Fest­stel­lung der Real­ität des Wirkens und Ein­greifens Gottes in der Welt­geschichte war den ersten Chris­ten so wichtig, dass sie es durch die Angabe von Raum- und Zeit-Koor­di­nat­en über­prüf­bar machen wollten.

Viele haben sich schon gefragt, was eigentlich Pon­tius Pila­tus, ein nicht sehr bedeu­ten­der römis­ch­er Funk­tionär, im wohl bedeu­tend­sten christlichen Glaubens­beken­nt­nis, dem bere­its erwäh­n­ten Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis, ver­loren hat. Wer so fragt hält diese Namen­snen­nung vielle­icht für eine unnötige und über­flüs­sige Neben­säch­lichkeit. Viele würde lieber andere Dinge noch Ein­bauen in dieses Beken­nt­nis, welche sie ver­mis­sen: ein paar christliche Werte zum Beispiel. Doch anstatt Beken­nt­nisse zu rev­i­dieren, soll­ten wir uns bess­er fra­gen, warum sie so sind, wie sie sind!

Pila­tus-Münze, 26–36 n. Chr. Bild: Peter Bruderer

Es geht in der Sache mit Pila­tus eben genau darum: Unser Glaube baut nicht auf Märchen und Sagen, son­dern ist vielmehr ver­ankert im Han­deln Gottes in der Geschichte. Über Pila­tus kann man auch bei anderen antiken Geschichtss­chreibern nach­le­sen[2]. Sog­ar heute noch kann in Jerusalem diesem Pila­tus nachge­spürt wer­den. So find­et ein reger Han­del statt mit antiken ‚Pila­tus-Münzen‘. Diese waren im Rah­men sein­er Regentschaft geprägt wor­den. Ich selb­st habe mir eine solche Münze erwor­ben, samt Zer­ti­fikat und Aus­fuhrbescheini­gung. Die Münze, die ich wie einen wertvollen kleinen Schatz horte, ist zwar unschein­bar und abgenutzt, aber sie ist den­noch hand­fest und real – so real wie die Ereignisse von Kar­fre­itag und Ostern.

Historische Wahrheit oder poetische Wahrheit?

Als Chris­ten soll­ten wir keine Angst haben, unseren Glauben ein­er his­torischen Über­prüf­barkeit auszuset­zen. Die ersten Chris­ten haben das auch getan.

Wir müssen uns aber bewusst sein, dass diese erste Wahrheit des Evan­geli­ums keineswegs unange­focht­en ist. Es ist wohl kein Zufall, dass Paulus einen solchen Nach­druck darau­flegt, dass wir als Chris­ten am Evan­geli­um unverän­dert fes­thal­ten sollen – auch in Bezug auf seinen Sitz im realen his­torischen Geschehen.

In der The­olo­gie gibt es immer wieder Bemühun­gen, dem Evan­geli­um ein ‚Update‘ zu erweisen, indem dieser guten Nachricht von Jesus der Anspruch der His­tor­iz­ität ent­zo­gen wird. Ob etwas stattge­fun­den hat oder nicht, so ver­suchen uns gewisse The­olo­gen zu erk­lären, sei nicht so wichtig. Wichtig seien ‚tiefe Weisheit­en und Prinzip­i­en’, die ‚poet­is­chen Wahrheit­en‘, welche in den bib­lis­chen Geschicht­en zum Aus­druck gebracht wer­den. Unwichtig sei dage­gen der fak­tis­che Wahrheitsgehalt.

In Bezug auf das zen­trale Ereig­nis des christlichen Glaubens müssen wir fes­thal­ten: Doch, die Fak­ten sind wichtig. Sie sind so wichtig, dass wir diese bei den ersten Chris­ten – um der Über­prüf­barkeit willen – in ihren zen­tralen Beken­nt­nis­sen wiederfinden.

Macht es einen Unter­schied, ob das leere Grab an Ostern eine «poet­is­che Wahrheit» ist oder eine «fak­tis­che Wahrheit»? Ja, es macht DEN ganz entschei­den­den Unter­schied. Paulus for­muliert es so:

«Ist aber Chris­tus nicht aufer­weckt wor­den, so ist euer Glaube nichtig…» 1Kor 15:17

Wenn Chris­tus nur in unseren Gedanken – als gute Idee – aufer­standen ist, dann ist unser Glaube eben auch ohne Wert und Sub­stanz. Deshalb find­en wir im unverzicht­baren Kern des Evan­geli­ums zuallererst schlicht und ein­fach his­torische Fak­ten: Jesus ist gestor­ben, er wurde begraben, und seine Aufer­ste­hung wurde von ein­er Vielzahl von Men­schen bezeugt.

An dieser his­torischen Real­ität hängt die ganze Hoff­nung, welche wir als Chris­ten haben. Der Autor des 1 Petrus­briefes fasst diese Hoff­nung in wun­der­volle Worte. Es sind Worte, die klar machen, dass an der Real­ität der Aufer­ste­hung Jesu auch die Real­ität unser­er eige­nen zuküfti­gen Aufer­ste­hung hängt:

«Gelobt sei Gott, der Vater unseres Her­rn Jesus Chris­tus, der uns nach sein­er großen Barmherzigkeit wiederge­boren hat zu ein­er lebendi­gen Hoff­nung durch die Aufer­ste­hung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbe­fleck­ten und unver­welk­lichen Erbe, das auf­be­wahrt wird im Him­mel für euch» (1Pet 1:3–4)

Weil Jesus aufer­standen ist, dür­fen auch wir mit ein­er Hoff­nung leben, welche über den Tod hin­aus­ge­ht. Fromm klin­gende aber let­z­tendlich irrege­führte und irreführende Men­schen wer­den die his­torische Wahrheit von Kreuz und Aufer­ste­hung vielle­icht in Frage stellen. Wir aber beken­nen mit den dama­li­gen Zeu­gen: Chris­tus ist aufer­standen – Er ist wahrhaftig aufer­standen. (Lk 24:34)

Hier geht es zum zweit­en Teil dieser Serie.


Lese-Empfehlung:
Die Aufer­ste­hung Jesu: Fakt oder Fik­tion? Der Indizienprozess
Zum Glück aufer­stand er!

Titel­bild:
iStock (Bild­bear­beitung: Peter Bruderer)

Fuss­noten:
[1] Bart Ehrman, ‘Did Jesus Exist’, S131 (Kin­dle)
[2] z.B. bei Tachi­tus, Philon oder Josephus

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