Der Glaube hat mir noch nie gepasst.

Lesezeit: 63 Minuten
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by Peter Bruderer | 11. Feb. 2023 | 24 comments

Mit seinem aktuellen Buch «Wenn der Glaube nicht mehr passt» hat Mar­tin Benz eine ver­ständliche und attrak­tiv geschriebene Dar­legung seines Glaubensweges geschrieben. Viele Leser wer­den das Buch als weg­weisend für ihre eigene geistliche Entwick­lung sehen. Bei mir hat die Lek­türe viele Fra­gen aufge­wor­fen und mich zu ein­er ver­tieften und auch kri­tis­chen Auseinan­der­set­zung motiviert.

Mar­tin Benz möchte mit seinem Glauben lei­den­schaftlich alt wer­den. Doch was tun, wenn Glaubens- und Leben­sre­al­ität immer weit­er auseinan­derk­laf­fen? Dann muss sich gemäss Mar­tin Benz der Glaube weit­er­en­twick­eln – muss ‘pro­gres­siv’ wer­den. Dann braucht es einen Umzug des Glaubens in eine neue Woh­nung, welche bess­er zu den aktuellen Bedürfnis­sen passt. Bei diesem Umzug gilt es mitzunehmen, was sich bewährt hat und zu entsor­gen, was sich als unnötig, untauglich, abgenutzt oder belas­tend erwiesen hat. Dann gilt es auch, Neuan­schaf­fun­gen zu täti­gen, welche neue Möglichkeit­en und Frei­heit­en mit sich bringen.

Mar­tin Benz hat selb­st einen solchen Prozess hin­ter sich. In einem katholis­chen Umfeld aufgewach­sen erlebt er in jun­gen Jahren eine Bekehrung und find­et ein Zuhause in der charis­ma­tis­chen Bewe­gung. Prä­gend wird für ihn die «Wort-des-Glaubens-Bewe­gung», welche den Segen Gottes stark mit materiellem Wohl­stand und per­sön­lichem Erfolg verbindet. Doch die schöne Fas­sade der «Wort-des-Glaubens-Bewe­gung» bekommt Risse, als erhoffte Wun­der nicht ein­treten und promi­nente Expo­nen­ten dieser Bewe­gung sich als Schar­la­tane ent­pup­pen. Das Glaubenssys­tem greift endgültig nicht mehr, als seine Frau ihn 2006 ver­lässt, um mit einem anderen Mann zusam­men­zuziehen. In den darauf­fol­gen­den Jahren richtet Mar­tin Benz seinen Glauben neu aus. Heute stellt er fest (S.45):

«Ich per­sön­lich habe meine Kof­fer gepackt aus den kon­ser­v­a­tiv-evan­ge­likalen oder fun­da­men­tal­is­tis­chen Denkmustern, in denen ich viele Jahre zu Hause war. Es wurde mir zu eng in der Altstadt.»

Wenn ich über das Buch von Mar­tin Benz schreibe, gehe ich von einem anderen Ansatz des Glaubens aus, als er es tut. Wie ich im Titel meines Artikels klar mache: Der Glaube hat mir noch nie gepasst und wird es wohl auch nie tun.

Ich glaube an einen unver­füg­baren (heili­gen) Schöpfer, dessen Denken und Han­deln ich bish­er nur teil­weise begreife, und an einen ungezähmten Jesus Chris­tus, dessen Worte und Tat­en mich immer wieder irri­tieren. So auch die Aus­sage, dass er mich nach wie vor liebt und an mein­er Beru­fung festhält.

Ich ver­traue den ural­ten, heili­gen Schriften der Bibel, aus der sich ver­lässliche Lehraus­sagen (Dog­men) über Gott und die Welt und mich selb­st for­mulieren lassen, die mich dann zu ein­er entsprechen­den Lebensweise (Ethik) her­aus­fordern – ja über­fordern. Aber diesel­ben Schriften ver­heis­sen uns auch die Kraft des Heili­gen Geistes!

Der his­torische Glaube, wie er beispiel­sweise auch im altkirch­lichen Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis for­muliert wird, hat mir noch nie «gepasst» und er wird mir auch nie zu eng wer­den kön­nen. Denn er ist viel gröss­er, als ich und meine Leben­sre­al­ität es je sein wer­den. Solch­er Glaube ist auch gröss­er, schön­er und sta­bil­er als alle gesellschaftlichen Trends der let­zten zweitausend Jahre.

Wenn Mar­tin Benz also ein Buch vor­legt mit dem Titel «Wenn der Glaube nicht mehr passt», dann ver­mute ich schon da ein grundle­gen­des Missver­ständ­nis, dem auch andere Gläu­bige erliegen: Der Glaube ist nicht dazu gedacht, dass er uns passt, son­dern dass wir lebenslang mehr und mehr in ihn hineinwach­sen. Nicht der Glaube muss sich weit­er­en­twick­eln, son­dern wir müssen es. Wer einen Glauben sucht, der ihm passt, hat nicht begrif­f­en, dass der bib­lisch-tra­di­tionelle christliche Glaube keine «Woh­nung» ist, son­dern ein Universum.

Ich werde in meinen Erörterun­gen um der Ver­ständlichkeit willen primär mit dem Bild agieren, das Mar­tin gewählt hat: Das Bild der Woh­nung und des Umzugs. Dabei will ich schon zu Beginn meine Schlussfol­gerung nen­nen, damit dies beim Lesen meines Textes mitbe­dacht wer­den kann: Ich werde den Umzug nicht mit­machen, den mir Mar­tin nahelegt. Die Woh­nung, die er mir schmack­haft macht, ist aus mein­er Sicht wed­er so neu, wie sie den Anschein macht, noch hat sie die nötige Bausub­stanz, die ich für meine Woh­nung wün­sche. Sie ist mir viel zu klein.

Lieber Leser: Vielle­icht bist du an einem anderen Punkt als ich. Vielle­icht über­legst du es dir, mit Mar­tin einen (wie auch immer geart­eten) Umzug des Glaubens in ein anderes Haus mitzu­machen. In diesem Fall habe ich einen Wun­sch. Ich hoffe, dass du trotz der Tat­sache, dass ich den Umzug nicht mit­mache, meine Gedanken, Argu­mente und Rück­fra­gen an Mar­tin ern­sthaft in Betra­cht ziehst. Wer weiss, vielle­icht ent­deckst du in den Antworten, die du find­est, Hin­weise auf das Uni­ver­sum, das Gott vor unseren Augen aufspannt.

Meine Rezen­sion hat zwei Teile. In einem ersten Teil fasse ich die Inhalte und Gedankengänge des Buch­es zusam­men. In einem zweit­en Teil erfol­gt meine aus­führliche Reflex­ion. Zur Ori­en­tierung in diesem sehr umfan­gre­ichen Artikel (Lesezeit ca. 60min) dient ein Inhaltsverze­ich­nis. Da ich Mar­tin Benz auch schon per­sön­lich begeg­nen durfte, erlaube ich mir zwis­chen­durch die Ver­wen­dung des Vornamens.

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Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Buchinhalt
Ein neues Bibelverständnis
Neue Ethik und Moral
Geist-geleit­ete Neuordnungen
Teil 2: Buchreflexion
1. Wohin will Mar­tin Benz uns führen?
2. Der Strohmann
3. Die Bibel als Steinbruch
4. Wenn das Nar­ra­tiv regiert
5. Falsche Dilemmas
6. Chro­nol­o­gis­che Fehlschlüsse
7. Poet­is­che oder fak­tis­che Wahrheit?
8. Der post­mod­ern gezähmte Jesus
9. Von der Notord­nung zur Neuordnung
10. Wenn der Geist neue Offen­barung schenkt
11. Dog­matik oder Ethik?
12. Wort-des-Glaubens-Bewe­gung
Faz­it
Ressourcen

Teil 1: Buchinhalt

Nach dem biografis­chen Ein­stieg in das Buch, welchen ich in der Ein­leitung kurz beschrieben habe, doku­men­tiert Mar­tin, wo und wie sich aus sein­er Sicht Glauben­süberzeu­gun­gen weit­er­en­twick­eln soll­ten. Es geht dabei um Bibelver­ständ­nis, Ethik und deren konkrete Anwen­dung beim The­ma Homosexualität.

Ein neues Bibelverständnis

Grundle­gend im Prozess der Glaubensverän­derung ist für Mar­tin Benz ein neues Bibelver­ständ­nis. Mar­tin geht hart ins Gericht mit Chris­ten, welche sich als ‘bibel­treu’ beze­ich­nen und damit meinen, sich «schlicht und ein­fach an die Bibel zu hal­ten und sie wörtlich zu nehmen» (S.54). Für Mar­tin ist klar: Man nimmt die Bibel eben ger­ade nicht ernst, wenn man ver­sucht, alles in ihr wörtlich zu nehmen. Vielmehr sei die Bibel in die Ver­ant­wor­tung des Men­schen gegeben, welch­er diese mit Gottes Hil­fe und dem eige­nen Gewis­sen inter­pretieren soll.

Mar­tin Benz möchte, wie er selb­st sagt, nicht die Inspi­ra­tion der Bibel in Zweifel ziehen. Doch wer davon aus­ge­he, dass die Bibel fak­tis­che Wahrheit enthalte, müsse sie dauernd gegenüber kri­tis­chen Anfra­gen aus Natur­wis­senschaft und his­torisch­er Wis­senschaft vertei­di­gen. Dabei sei es ein Phänomen der Neuzeit, natur­wis­senschaftlich an einen Text her­anzuge­hen. Die Bibel jedoch sei voller Geschicht­en, deren Anspruch es gar nicht sei, his­torisch bewiesen wer­den zu müssen. Die Bibel sei weniger ein Text der Fak­ten und his­torischen Tat­sachen als vielmehr ein Buch von «poet­is­ch­er Wahrheit» (S.70). Wer die Bibel so ver­ste­he, der könne darin «tiefe Weisheit­en und Prinzip­i­en in ein­er Form zum Aus­druck brin­gen, wie das fak­tis­che Wahrheit nie kön­nte» (S.70).

Mar­tin Benz geht von ein­er fortschre­i­t­en­den Offen­barung Gottes in der Bibel aus. Auch moralis­che Ein­sicht­en wür­den sich verän­dern und das Gottes­bild sei in Bewe­gung. In gewis­sen alttes­ta­mentlichen Tex­ten macht Benz einen «anderen Geist» (S.85) aus, der im Kon­trast ste­he zu neutes­ta­mentlichen Tex­ten und dem Gott der sich uns in Jesus zeige. Der Grund dafür liege in den «antiken Gottesvorstel­lun­gen» (S.96) des Alten Tes­ta­mentes, deren Autoren men­schliche Eigen­schaften auf die Göt­ter­welt über­tra­gen hät­ten. Die per­sön­liche Sicht von Mar­tin hin­sichtlich der Bibel lautet heute: «Alles in der Bibel ist Absicht Gottes, aber nicht alles in der Bibel ist Ansicht Gottes.» (S.88)

Das tief­ste Wesen Gottes offen­bare sich glasklar in Jesus Chris­tus: «Es braucht keine weit­ere Offen­barung Gottes neben Jesus» (S.99). Ja, die «einzig objek­tive Darstel­lung Gottes» (S.102) finde sich in Jesus Chris­tus, während Gott es im Rest der Bibel den Men­schen ges­tat­tet habe, dass sie ihre sub­jek­tiv­en Gottes­bilder und ihr religiös­es Empfind­en zum Aus­druck brin­gen. Wer nun die ganze Bibel durch den «Fil­ter Jesu» (S.102) lese, der bekomme ein umfassendes Bild des Charak­ters Gottes, welch­er die Liebe ist (S98-103).

Die Per­son Jesus ist Mar­tin wichtig. Der Grund: «Gott ist nie anders, als er sich in Jesus Chris­tus gezeigt hat» (S.101). Während uns in diversen alttes­ta­mentlichen Geschicht­en ein «sadis­tis­ch­er Gott» (S.93) begeg­ne, der kein Mitleid mit Sün­dern hat, son­dern diese «erbar­mungs­los ver­fol­gt» (S.93) zeige sich uns in Jesus Chris­tus ein Gott von bedin­gungslos­er Liebe und grossem Erbar­men.

Neue Ethik und Moral

Auf der Grund­lage seines Bibelver­ständ­niss­es wen­det sich Mar­tin Benz der Frage von Ethik und Moral zu. Es brauche drin­gend zeit­lose ethis­che Prinzip­i­en, welche uns helfen, auch «mutig neue Moral abzuleit­en» (S.118). Mar­tin möchte nicht die moralis­chen Fragestel­lun­gen unser­er Zeit in «mehr als 2000 Jahre alte Gebote und Regeln hineinzwän­gen» und mit «völ­lig ver­al­teten und wenig durch­dacht­en Moralvorstel­lun­gen» (S.118) beant­worten. Viele Gemein­den und Chris­ten wür­den sich hän­derin­gend danach sehnen, dass «jemand den Mut hat, diese Prinzip­i­en zu for­mulieren» (S.121). Mar­tin Benz glaubt, dass er den Mut hat und präsen­tiert in der Folge 5 Fragestel­lun­gen, welche uns im Prozess moralis­ch­er Urteils­find­ung leit­en sollen.

  1. Entspricht dieses Tun oder Ver­hal­ten der Grun­didee der 10 Gebote? Gemäss Mar­tin gehen die zehn Gebote allen weit­eren alttes­ta­mentlichen Geboten voraus, welche dann jew­eils Konkretisierun­gen dieser Grund­prinzip­i­en darstellen wür­den. Doch dieses erste Prinzip der 10 Gebote brauche selb­st auch unbe­d­ingt weit­ere Ergänzung. Mit ein Grund für die Ergänzungs­bedürftigkeit der 10 Gebote ist wohl, dass diese auch Gedanken enthal­ten, welche ein­fach «das Empfind­en der antiken Gesellschaft zu dieser Zeit» (S.78) abbilden würden.
  2. Was wäre das Barmherzigere? Jesus habe die Men­schen nicht verurteilt, auch wenn diese eines der zehn Gebote mis­sachtet hät­ten. So zum Beispiel bei der Ehe­brecherin, welche zu ihm gebracht wurde (Joh 8). Die Geschichte der Ehe­brecherin sei ein Plä­doy­er für Men­schlichkeit. Jesus habe neben dem Verge­hen der Frau auch die Umstände im Auge gehabt. Deshalb habe er seine Barmherzigkeit erwiesen und diese nicht auf dem «Altar juris­tis­ch­er Kor­rek­theit» (S.132) geopfert. Dieselbe Grund­hal­tung von Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Demut finde sich auch in gewis­sen Tex­ten des Alten Tes­ta­ments, so zum Beispiel beim Propheten Micha (Mi 6:8).
  3. Bringt meine Entschei­dung oder mein Ver­hal­ten meinem Mit­men­schen gegenüber tiefe Liebe zum Aus­druck? Die Liebe sei Quelle und Grun­didee aller Gebote der Tho­ra. In ihr sei, wie Paulus es sagt, «das ganze Gesetz erfüllt» (Rö 13:9). Ein Leben in Liebe sei «Aus­druck der Ver­bun­den­heit mit Gott und damit alles, worauf es am Ende ankommt» (S.134). Deshalb müsse bei unserem Ver­hal­ten immer die Frage gestellt wer­den, ob unser Ver­hal­ten ein Aus­druck echter Liebe sei. Nochmals anders aus­ge­drückt könne gefragt wer­den: «Behan­dle ich meinen Mit­men­schen so, wie er selb­st behan­delt wer­den möchte?» (vgl. Mt 7:12)
  4. Ist mein Ver­hal­ten oder Tun hil­fre­ich und erbauend? Dieses Leit­prinzip erörtert Mar­tin Benz anhand des Stre­ites um den Kon­sum von Götzenopfer­fleisch in der christlichen Gemeinde in Rom (Rö 14). Entschei­dend sei ein­er­seits, mit welch­er Moti­va­tion und Hal­tung man eine Tätigkeit mache, ander­er­seits gelte das Prinzip der Rück­sicht­nahme. Eine bib­lis­che Ethik habe das Wohl des Anderen im Blick. So dürfe der Glaube des Anderen nicht in Gefahr gebracht wer­den durch das eigene Ver­hal­ten, selb­st wenn man ein Gebot find­en würde, welch­es ein bes­timmtes Ver­hal­ten erlauben würde. Es gelte jedoch dabei eine «Tyran­nei der Schwachen zu ver­mei­den» (S.140).
  5. Wirkt mein Ver­hal­ten der Entwürdi­gung von Men­schen ent­ge­gen und stellt es Würde und Wertschätzung her? Dieses ethis­che Prinzip leit­et Mar­tin Benz aus den vie­len Begeg­nun­gen ab, welche Jesus mit Men­schen hat­te. Durch seine Heilun­gen, seinen Begeg­nun­gen und Worten habe Jesus Würde bei den Men­schen hergestellt und sich jed­er Form von Entwürdi­gung, Demü­ti­gung oder Her­ab­set­zung ander­er Men­schen entgegengesetzt.

Geist-geleitete Neuordnungen

In der Folge wer­den diese 5 über­ge­ord­neten Prinzip­i­en mit weit­eren wichti­gen Ele­menten ergänzt, welche für die Wegfind­ung der christlichen Gemeinde in den heis­sen moralis­chen Fra­gen unser­er Zeit dien­lich sein sollen. Denn Mar­tin Benz möchte seine ethis­chen Prinzip­i­en an den brisan­ten The­men der Sex­ual­moral und Homo­sex­u­al­ität durchex­erzieren. Dafür braucht es gemäss ihm das Bewusst­sein, dass sich die Bibel «nicht für eine christliche Sex­ual­moral eignet» (S.154), ins­beson­dere weil «seit Jahrhun­derten» eine «aus ver­schiede­nen Geboten und Bibel­versen zusam­mengestück­elte Sex­ual­moral» (S.154) gepflegt werde, welche kon­ser­v­a­tiv aber wenig kon­se­quent sei. Nach Mar­tin Benz braucht es dafür auch das Wis­sen, dass Gott manch­mal «tut, was er nicht will» (S.159), näm­lich dass er manch­mal bere­it ist, «seinen ewigen Willen und seine Ord­nun­gen zeitweise durch irdis­che Neuord­nun­gen zu erset­zen» (S.160). Dazu braucht es nicht zulet­zt den Heili­gen Geist, der uns in hil­ft, die «Werte des Him­mels und den Herz­schlag Gottes» (S.148) zu vernehmen.

Die Bedeu­tung des Heili­gen Geistes erläutert Mar­tin Benz anhand der Hei­den, welche in Korinth, Thes­sa­loni­ki oder Gala­tien zum Glauben gekom­men waren. Diese hät­ten noch keine Bibeln gehabt. Ihnen habe sowohl das Alte Tes­ta­ment gefehlt, dessen Sprache sie nicht lesen kon­nten, als auch das Neue Tes­ta­ment, welch­es noch nicht ver­fasst war (S.146). Das sei aber in den Augen der Apos­tel keine Tragödie gewe­sen, weil der Geist Gottes diesen neuen Chris­ten half, Gottes Willen zu tun. Der neue Bund in Jesus Chris­tus sei ein Bund des Geistes, in dem die Chris­ten aus einem «inneren Kom­pass»  (S.147) her­aus leben kön­nten. Dies bedinge aber, sich inten­siv mit Gott auseinan­der zu set­zen und sich sein­er Gegen­wart inten­siv auszusetzen.

In den moralis­chen Prob­lem­stel­lun­gen unser­er Tage seien Entschei­dun­gen nötig, die «über die Bibel hin­aus­ge­hen» (S.151). Dabei sei eine mutige Ver­ant­wor­tungsüber­nahme der christlichen Gemein­schaft nötig. Dies könne natür­lich auch aus­genutzt wer­den. Aber das sei alle­mal bess­er als «alle Ver­ant­wor­tung abzuschieben» und ständig auf «3000 Jahre alte Gebote zu ver­weisen, deren Rel­e­vanz so kraft­los ist, dass sie kaum noch das Leben heutiger Men­schen prä­gen» (S.151).

Wichtig ist für Mar­tin Benz die «Idee der Neuord­nun­gen». Solche Neuord­nun­gen find­et Mar­tin Benz an diversen Stellen in der Bibel. So habe Gott eine Neuord­nung der men­schlichen Ernährung vol­l­zo­gen, vom Veg­e­tari­er zum Fleis­chess­er (1Mo 9:1ff). Eben­so sei die Möglichkeit zur Eheschei­dung eine solche Neuord­nung auf­grund der men­schlichen Hartherzigkeit (Mar 10:4–5). Als weit­eres Beispiel ein­er Neuord­nung wird die Ein­führung des König­tums beim Volk Israel aufge­führt. Das König­tum habe zwar nicht dem Willen Gottes entsprochen, sei aber trotz­dem «von Gott erlaubt und sog­ar geseg­net» (S.163) wor­den (1Sam 10:25). Als let­ztes Beispiel führt Mar­tin Benz die Ehelosigkeit an. Obwohl es die klare und von der jüdis­chen Tra­di­tion über Jahrhun­derte bestätigte Ord­nung der Ehe gab, habe Paulus das uner­hörte getan und zur Ehelosigkeit ger­at­en als ein­er von ihm emp­fohle­nen zeitbe­d­ingten Neuord­nung (1Kor 7:8+26–27). Gemäss Mar­tin Benz «weicht Paulus in seinem Rat von der göt­tlichen Ehe­o­rd­nung ab» (S.164).

Mar­tin Benz schliesst aus diesen Beispie­len, dass es Zeit­en oder Umstände gibt, welche uns dazu her­aus­fordern, «mit grossem Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein bes­timmte Neuord­nun­gen zu for­mulieren» (S.165). Als Mod­ell dient Mar­tin Benz dabei auch das Apos­telkonzil in Jerusalem, bei dem unter der Leitung des Heili­gen Geistes die «gravierende ethis­che Entschei­dung» getrof­fen wurde, dass «Hei­den die Tra­di­tio­nen und Gebote des Alten Tes­ta­mentes und der Tho­ra nicht in ihren Glauben und All­t­ag inte­gri­eren mussten» (S.150)

Mar­tin Benz hat die Idee der Neuord­nun­gen entwick­elt, nach­dem er im Rah­men eines Kirchen­t­ages eine berührende Begeg­nung mit einem langjähri­gen homo­sex­uellen Paar hat­te. War bis anhin für ihn die Bibel bei diesem The­ma «klar und jede Diskus­sion unnötig» (S.166), so vol­lzieht er auf­grund dieser Begeg­nung einen Sinneswan­del. Er möchte gar nicht den Ver­such starten, die ein­schlägi­gen Bibel­stellen gegen Homo­sex­u­al­ität so zu deuten, als wür­den sie gar nicht von Homo­sex­u­al­ität sprechen, denn, wie er fes­thält, «wahrschein­lich tun sie es» (S.169). Doch das sei nicht das Ende der Debat­te. Denn gle­ichgeschlechtliche Anziehung sei eine Real­ität und man werde dem The­ma nicht gerecht, wenn man ein­fach «die weni­gen Bibel­stellen, die sich dage­gen aussprechen, zitiert» (S.169). Es sei ihm bewusst, dass eine Neuord­nung für Homo­sex­u­al­ität «nir­gends in der Bibel» (S.170) zu find­en sei. Doch das von ihm in der Bibel ent­deck­te Neuord­nungs-Prinzip biete Hand, dies den­noch zu tun.

Kro­nzeuge für dieses Vorge­hen ist für Benz die Geschichte von Petrus, welch­er in das Haus des Hei­den Kor­nelius geht (Apg 10). Für Juden sei dieser Schritt zur Zeit der Apos­tel mit genau­so viel Unwohl­sein, Wider­willen oder gar Abscheu ver­bun­den gewe­sen, wie es Mar­tin Benz heute gegenüber Homo­sex­uellen begeg­net. Doch Petrus sei «gehor­sam» gewe­sen und habe das getan, «was sich in seinem Empfind­en bish­er immer als Unge­hor­sam und verun­reini­gend ange­fühlt habe» (S.170). Petrus habe dabei noch nicht gewusst, wie das mit den Hei­den the­ol­o­gisch und ekkle­si­ol­o­gisch genau weit­erge­hen werde, son­dern sich ein­fach auf die Men­schen eingelassen.

Erst später im Apos­telkonzil hät­ten sich dann die inhaltlichen und dog­ma­tis­chen Fra­gen von Petrus gek­lärt. Und «über­raschen­der­weise» wurde dort dann von den Hei­den «nicht ver­langt, jüdisch zu wer­den, sich beschnei­den zu lassen oder sich an die jüdis­chen Gepflo­gen­heit­en zu hal­ten» (S.171). Petrus habe sich also «als erster auf diese Men­schen und den Prozess» (S.171) ein­ge­lassen. Was das The­ma Homo­sex­u­al­ität anbe­langt möchte auch Mar­tin Benz zu denen gehören, die den Mut haben, «in das Haus des Kor­nelius zu gehen» (S.171) und damit einen Prozess voranzutreiben, der uns lehrt, «wie eine Neuord­nung mit Homo­sex­u­al­ität ausse­hen kön­nte» (S.171).

Heute plädiert Mar­tin Benz dafür, an homo­sex­uellen Beziehun­gen ein­fach die gle­ichen Massstäbe wie an het­ero­sex­uelle Beziehun­gen anzuwen­den, näm­lich in ihnen «die bib­lis­chen Werte von Part­ner­schaft zu ver­wirk­lichen»:

«Eine homo­sex­uelle Beziehung ist wie eine het­ero­sex­uelle Beziehung ange­hal­ten zu Treue, Hingabe, Verbindlichkeit, Liebe, Ver­ant­wor­tung und zu ein­er lebenslang angelegten monoga­men Part­ner­schaft» (S.156)

Damit ist Mar­tin Benz am Ende des Buch­es ange­langt. Abgerun­det wird dieses im let­zten Kapi­tel mit eini­gen prak­tis­chen Ratschlä­gen. Er gibt Hil­festel­lun­gen gegen Alltags‑, Glaubens- und Gemein­demüdigkeit und die Auf­forderung, sich Reser­ven ins Leben einzu­pla­nen. Ein Prozess der per­sön­lichen Verän­derung löse zudem auch immer Äng­ste in anderen Men­schen aus, welche diesen Verän­derung­sprozess von aussen miter­leben. Diese Per­so­n­en wür­den vielle­icht die Befürch­tung äussern, man habe den Glauben ver­loren. Diese wür­den einen vielle­icht sog­ar als Gefahr für andere ein­stufen. Er selb­st habe oft «aufs Maul Sitzen» (S.191) müssen, um nicht unnötiger­weise sein Umfeld zu verun­sich­ern oder zu provozieren. Ger­ade als Pas­tor brauche es Weisheit in der Kom­mu­nika­tion dessen, was man ger­ade an Dekon­struk­tions-Erfahrun­gen mache.

Wichtig sei im ganzen Prozess des geistlichen ‘Umzugs’, gute ‘Umzugshelfer’ zu find­en. Es brauche dabei vor allem neue Fre­und­schaften, und nicht neue Feind­schaften. Eine Liste von emp­fohle­nen ‘Umzugshelfern’ (Autoren, Blogs, Pod­casts) run­det das Buch ab. Darunter find­en sich Namen wie Thorsten Dietz, Michael Diener, Rob Bell, Bri­an McLaren, Gre­go­ry Boyd oder Bri­an Zahnd.

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Teil 2: Buchreflexion

Mit seinem Buch möchte Mar­tin einen «pro­gres­siv­en Zyk­lus» der Glaubensen­twick­lung entwer­fen, welch­er dem Gläu­bi­gen hil­ft, nicht frus­tri­ert in dumpfen Zynis­mus Gott und dem Glauben gegenüber zu ver­fall­en, oder den Glauben möglicher­weise ganz verlieren.

Dieses Grun­dan­liegen, Men­schen zu helfen, welche sich in ein­er geistlichen Sack­gasse wäh­nen, ist erst­mal zu begrüssen. Diverse Leser­stim­men lassen ver­muten, dass viele sich ange­sprochen fühlen und das Buch als eine gewisse Befreiung empfind­en. Auch Pas­toren und Mitar­beit­er von christlichen Werken lesen das Buch und fra­gen sich, ob der von Mar­tin vorgeschla­gene Weg des ‘pro­gres­siv-geis­ter­füll­ten’ Glaubens etwas für sie, ihre Kirchen und Organ­i­sa­tio­nen sein könnte.

Eben­falls spür­bar ist die langjährige Erfahrung als Pas­tor und als Dozent für Homiletik (Predigt-Lehre). Mar­tin kom­mu­niziert ver­ständlich und gekon­nt — auch für Men­schen an der Basis von Kirchen und Gemein­den. Es wird sowohl Kopf als auch Herz angesprochen.

Ein weit­er­er Punkt, den ich würdi­gen möchte, ist, dass Mar­tin sich Zeit gelassen hat mit der Pub­lika­tion des Buch­es. Seit ger­aumer pub­liziert er einen eige­nen Pod­cast, in dem er seine Ideen eines «geis­ter­füll­ten Pro­gres­siv­en» bespricht. Mar­tin hat der Ver­suchung wider­standen, die Welt mit unaus­ge­gore­nen Ideen in Buch­form zu beglück­en. Das Buch präsen­tiert das Ergeb­nis eines län­geren Wand­lung­sprozess­es und nicht nur die näch­ste Idee.

Wertvoll am Buch von Mar­tin finde ich auch die Fra­gen, die er im Grunde genom­men stellt, unter anderem:

  • Wie wen­det man einen Text, der vor Jahrtausenden in ein­er anderen Kul­tur geschrieben wurde auf heute an?
  • Wie gehen wir um mit den Zweifeln und Fra­gen, die in unserem Glauben entste­hen können?
  • Wie sollen wir als Chris­ten reagieren, wenn es zu einem sub­stantiellen Unwohl­sein kommt mit der Art, wie der Glaube ver­standen und gelebt wird im Kreis unser­er Herkun­ft und Gemeinschaft?
  • Wie denkt sich Gott Sex­u­al­ität heute?

Diese pos­i­tiv­en Aspek­te ausgenom­men ste­he ich dem Buch aber kri­tisch gegenüber. Ich möchte einige Gründe dafür erläutern, in der Hoff­nung, dass meine per­sön­liche Auseinan­der­set­zung mit den Inhal­ten des Buch­es auch für andere hil­fre­ich ist. Dabei beziehe ich mich auss­chliesslich auf die Buch­in­halte von Mar­tin, nicht auf die umfan­gre­ichen Pod­casts und Predigten, welche er in den ver­gan­genen Jahren pub­liziert hat. Der pro­gram­ma­tis­che Charak­ter des Buch­es lässt diese Ein­gren­zung meines Eracht­ens zu.

Die The­men, die Mar­tin auf­greift, sind alle­samt wichtig und bren­nen vie­len Chris­ten aktuell unter den Nägeln. Lei­der kann ich in dieser Reflex­ion über sein Buch manch­mal nur andeuten, in welche Rich­tung ich die Lösun­gen sehe. Weit­er­führende Artikel kön­nen in Zukun­ft diesen Artikel ergänzen.

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1.   Wohin will Martin Benz uns führen?

«Sei einen Schritt voraus und du wirst zum Vor­bild, sei drei Schritte voraus und du wirst zum Mär­tyr­er» (S.191)

Mar­tin möchte so viele wie möglich mit auf die Reise nehmen. Er weiss auch, dass der Men­sch sel­ten in krassen Umbrüchen lebt. Ansicht­en und Werte entwick­eln sich meist in kleinen Schrit­ten, man kön­nte auch sagen: organ­isch. Deshalb arbeit­et Mar­tin stets nach sein­er langjähri­gen Maxime, wonach der pro­gres­sive Leit­er nicht zu weit vorau­seilen darf, weil dieser son­st zum Mär­tyr­er wird.

Was auf den ersten Blick ein gutes Leitung­sprinzip scheint, weckt jedoch auch Fra­gen. Dieses Prinzip lässt mich als Leser mit der Frage zurück, ob der Autor wirk­lich offen kom­mu­niziert oder Dinge vor mir ver­birgt, die noch zu ‘gefährlich’ für mich sind. Kommt dieses Leit­er­schafts-Prinzip nicht ein­er Ent­mündi­gung der Leser nahe? Bei allem Ver­ständ­nis für die Son­der­stel­lung, welche Pas­toren in ihren Gemein­den haben mögen: Warum sollte man der Welt die Überzeu­gun­gen nicht offen kom­mu­nizieren kön­nen, die man inner­lich hat? Ist es nicht zumut­bar, ein­er Leser­schaft das Ziel ein­er Reise zu kommunizieren?

Genau diese Frage habe ich Mar­tin schon vor 3 Jahren gestellt in meinem ersten Artikel für Daniel Option. Ein Blog­a­r­tikel, den er sel­ber zwei Jahre später veröf­fentlichte, kann wohl als Antwort darauf gele­sen wer­den: das Ziel muss immer ‘Lei­den­schaft für Jesus’ sein. Die Rück­fra­gen, die wir (mein Brud­er Paul in Absprache mit mir) zu seinem Artikel gestellt haben, hat Mar­tin Benz lei­der nie beantwortet.

Mit der erwäh­n­ten Maxime bleibt ein­fach unweiger­lich die Frage zurück, ob man nun ein­fach eine vor­läu­fige Kom­mu­nika­tion des Leit­ers vor sich hat, oder was dieser wirk­lich denkt und anstrebt.

Ich per­sön­lich sehe es heute so: Es gehört wohl zum Wesen des Pro­gres­sivis­mus, dass es eigentlich höch­stens Etap­pen­ziele geben kann. Ein pro­gres­siv­er Glaube, welch­er ‘angekom­men’ ist, ist de fac­to kein pro­gres­siv­er Glaube mehr.

Trotz dieser grund­sät­zlichen Unsicher­heit möchte ich darauf ver­trauen, dass Mar­tin im Buch eine offene Dar­legung sein­er aktuellen Sicht der Dinge wiedergibt.

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2.   Der Strohmann

«…dass auch die bibel­treusten Fun­da­men­tal­is­ten nicht wirk­lich glauben, was sie von sich selb­st behaupten.» (S.56)

Wenn es darum geht, der ver­pön­ten ‘bibel­treuen’ The­olo­gie den Garaus zu machen, greift Mar­tin Benz lei­der zum Strohmann Argu­ment. Er zeich­net das Bild ein­er Gilde von Heuch­lern. Wenn diese ihre Prinzip­i­en ernst nehmen wür­den, müssten sie noch an ein geozen­trisches Welt­bild und eine auf Säulen ruhende Erde glauben (S.56–57).

Es ist schade, dass Mar­tin seine Argu­mente schein­bar nur for­mulieren kann, indem er sie mit einem verz­er­rten und schlimm­st­möglichen Bild sein­er ehe­ma­li­gen Glaubenswelt ver­gle­icht. Dabei weiss Mar­tin Benz als ehe­ma­liger Absol­vent der STH in Basel sehr wohl um den Reich­tum und die Tiefe kon­ser­v­a­tiv­er The­olo­gie. Natür­lich ken­nt er einen John Stott, einen J.I. Pack­er, einen Tim Keller – nur um ein paar Expo­nen­ten von ges­tande­nen und ein­flussre­ichen kon­ser­v­a­tiv­en The­olo­gen der ver­gan­genen Jahrzehnte zu nen­nen. Diese treten sehr dif­feren­ziert und mit wis­senschaftlich­er Gründlichkeit an die Texte der Bibel her­an. Deren akademis­che Kom­pe­ten­zen übertr­e­f­fen meine auf jeden Fall bei weit­em, möglicher­weise auch diejeni­gen von Mar­tin Benz.

Warum misst Mar­tin Benz seine The­olo­gie nicht an solchen Expo­nen­ten? Warum ver­gle­icht er nicht seine besten Argu­mente mit deren besten Argu­menten? Es ist ein­fach, Zer­rbilder zu zeich­nen, nur um sie wieder niederzureis­sen. Es ist ein­fach zu gewin­nen, wenn man das Schlecht­este der einen Welt mit dem ide­al­isierten Bild ein­er anderen ver­gle­icht. Selb­stver­ständlich bin auch ich verpflichtet, Autoren und Gesprächspart­ner genau genug zu ver­ste­hen und sie nicht falsch zu karikieren. Dies ist in den aktuell mitunter hitzig geführten Diskus­sio­nen im Chris­ten­tum nicht immer einfach.

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3.   Die Bibel als Steinbruch

«Als Chris­ten wollen wir Gott von Herzen gehor­sam sein. Wir wollen nicht ein­fach eine Bibel­stelle um die Ohren gek­nallt bekom­men» (S.119)

«Aber das ist alle­mal bess­er, als alle Ver­ant­wor­tung von sich zu schieben und ständig auf 3000 Jahre alte Gebote zu ver­weisen, deren Rel­e­vanz so kraft­los ist, dass sie kaum noch das Leben heutiger Men­schen prä­gen» (S.151).

Mar­tin Benz schreibt, dass er nicht die Inspi­ra­tion der Bibel in Zweifel ziehen möchte. Für ihn sei die Bibel nach wie vor inspiri­ertes Wort Gottes (S.70). Doch in der Prax­is scheint er der Bibel doch nicht wirk­lich zu ver­trauen, wenn es um die Gestal­tung des Lebens in unseren Tagen geht.

Mar­tin liest die Bibel vor allem als ein Buch, in dem Men­schen in der Ver­gan­gen­heit ihre sub­jek­tiv­en Gottes­bilder und ihr religiös­es Empfind­en zum Aus­druck gebracht haben. Damit ist auch der Umgang mit der Bibel vorgeze­ich­net. Für Benz gilt nicht, die innere Ein­heit der Bibel als eines Buch­es mit vie­len Autoren, aber einem Urhe­ber, einem inspiri­eren­den Geist zu suchen. Er sieht in der Bibel vielmehr zeitbe­d­ingte Gottes­bilder und Ideen.

Im Schreiben von Mar­tin müssen die Inhalte und Ideen der Bibel immer wieder zum ‘Kampf’ gegeneinan­der antreten. Das Alte und das Neue Tes­ta­ment oder Jesus und der Rest der Bibel wer­den gegeneinan­der aus­ge­spielt. Die Bibel wird als Buch voller schein­bar unüber­brück­bar­er, inner­er Kon­flik­te geze­ich­net, in dem es immer wieder gilt, das Gute vom Schlecht­en und das Brauch­bare vom Unbrauch­baren zu tren­nen. Hier wird ein «sadis­tis­ch­er Gott» aus­gemacht, dort die «völ­lig ver­al­teten und wenig durch­dacht­en Moralvorstel­lun­gen».

Ich empfinde deshalb bei Mar­tin eine Ten­denz, die Bibel zu einem ‘Stein­bruch’ zu machen. In diesem lässt sich der eine oder andere wertvolle Dia­mant für unsere Zeit ent­deck­en, die eine oder andere zeit­lose Weisheit zu Tage fördern. Anderes aber ist unbrauch­bar, einiges sog­ar schädlich, toxisch.

Lei­der säht ein solch­es Vorge­hen Mis­strauen gegenüber der Bibel. Nicht mehr die Frage «Herr, was möcht­est du mir sagen» ste­ht dann beim Studi­um im Vorder­grund, son­dern das Sortieren in brauch­bar und unbrauchbar.

Als «einzig objek­tive Darstel­lung Gottes» hat Mar­tin die Per­son Jesus aus­gemacht. Dass er diesen Jesus aber nur durch die Bibel ken­nen­ler­nen kann, welche er oft kri­tisiert und rel­a­tiviert, scheint ihn dabei nicht zu stören. Wäre Mar­tin kon­se­quent, so müsste er die Berichter­stat­tung über Jesus gle­icher­massen kri­tisieren und rel­a­tivieren. Wie kann sich denn Mar­tin der objek­tiv richti­gen Darstel­lung Gottes in der Berichter­stat­tung über Jesus sich­er sein, wenn diese aus einem Buch stammt, in dem er selb­st immer wieder sub­jek­tive, zeitbe­d­ingte Gottes­bilder ausmacht?

Wenn Mar­tin Benz anfängt, in alttes­ta­mentlichen Tex­ten einen «anderen Geist» auszu­machen, dann impliziert er eigentlich damit, dass die Bibel nicht eine Inspi­ra­tionsquelle hat, son­dern ver­schiedene. Ein solch­es Vorge­hen finde ich in hohem Grade als prob­lema­tisch. Müssen wir jet­zt noch anfan­gen, inner­halb der Bibel Geis­terun­ter­schei­dung zu betreiben?

Eine inhaltliche Kri­tik an den Aus­sagen der Bibel, wie wir sie bei Mar­tin Benz vorfind­en, ist den Autoren der Bibel und auch Jesus Chris­tus fremd. Sowohl Petrus als auch Paulus wider­sprechen Mar­tin, wenn er in gewis­sen Bibel­pas­sagen einen ‘anderen Geist’ ausmacht:

«Denn es ist noch nie eine Weis­sa­gung aus men­schlichem Willen her­vorge­bracht wor­den, son­dern getrieben vom Heili­gen Geist haben Men­schen in Gottes Auf­trag gere­det.» (2Pet 1:21)

«Denn alles, was in der Schrift ste­ht, ist von Gottes Geist eingegeben, und dementsprechend groß ist auch der Nutzen der Schrift: Sie unter­richtet in der Wahrheit, deckt Schuld auf, bringt auf den richti­gen Weg und erzieht zu einem Leben nach Gottes Willen.» (2 Tim 3:16 NGÜ)

Hat Mar­tin aus der Bibel erst­mal seine all­ge­meinen ethis­chen Prinzip­i­en her­aus­des­til­liert, scheint die Bibel für ihn an Rel­e­vanz zu ver­lieren – auss­er, natür­lich, sie lässt sich gut für eine bes­timmte Argu­men­ta­tion ver­w­erten. Dies zumin­d­est ist mein Empfind­en. Damit wird eine deut­liche Abw­er­tung der Bibel vol­l­zo­gen. Sie ist dann nicht mehr das lebendi­ge Wort Gottes an uns, son­dern eher Weisheit­slit­er­atur mit ‘guten ethis­chen Prinzip­i­en’. Nun – gute Weisheit­slit­er­atur haben auch andere Men­schen ver­fasst. So wird aus der Bibel ein gutes Buch unter vie­len anderen gemacht.

Beispiel­haft zeigt sich Mar­tins Arbeitsweise in sein­er Argu­men­ta­tion über Homo­sex­u­al­ität. Mar­tin gibt offen zu das die Bibel homo­sex­uelle Prax­is wohl run­dum ablehnt. Die klaren Vorstel­lun­gen Jesu über Ehe (vgl. Mt 19:4–6 und Mk 10:6–8) scheint er nicht zu beacht­en. Nein, Mar­tin Benz ist einem fre­undlichen gle­ichgeschlechtlichen Paar begeg­net, der ‘Geist’ hat zu ihm gesprochen, eine ‘Neuord­nung’ ist beschlossen. De fac­to macht Mar­tin bei diesem The­ma eine ‘anek­do­tis­che Bewe­is­führung’, welche ein isoliertes Beispiel anstelle von stich­halti­gen (bib­lis­chen) Argu­menten zur Begrün­dung nutzt. Den weit­erge­hen­den Imp­lika­tio­nen dieser von ihm angeregten Neuord­nung scheint er keine Rel­e­vanz beizumessen.

Was haben wir hier vor uns? Wir haben mit Marin Benz einen Autoren, der sich auf der einen Seite zur Bibel als «inspiri­ertes Wort Gottes» beken­nt, der offen zugibt, dass die Bibel homo­sex­uelle Prak­tiken eigentlich ablehnt, und der auf der anderen Seite den­noch dafür plädiert, die Ori­en­tierung an diesem bib­lisch klaren Verdikt über Bord zu wer­fen. Das geht für mich nicht auf.

Petrus und Kornelius

Der Glaube an die Bibel als «inspiri­ertes Wort Gottes» und die gle­ichzeit­ige Ablehnung ein­er ihrer klaren und durchgängi­gen Weisun­gen ist eigentlich ein Wider­spruch in sich selb­st. Doch Mar­tin hat in der Bibel einen Präze­den­z­fall gefun­den, auf den er sich beruft.

Es ist die Geschichte von Petrus und Kor­nelius (Apg 10). Hat nicht auch Petrus – so Mar­tin – das  Unvorstell­bare getan, als er als Jude «in das Haus» des Hei­den Kor­nelius gegan­gen ist? Und hat Petrus nicht auch ein­fach gehan­delt, ohne zu wis­sen, wie das dann mit den Hei­den the­ol­o­gisch und ekkle­si­ol­o­gisch weit­erge­hen würde?

Die Geschichte mit Petrus und Kor­nelius als Argu­men­ta­tion für einen lib­eralen Kur­swech­sel der Kirche in der Frage aus­gelebter Homo­sex­u­al­ität her­beizuziehen, ist nicht neu. Ich kenne diese Argu­men­ta­tion aus der Biografie der bekan­nten ehe­ma­li­gen Wor­ship-Sän­gerin Wicky Beech­ing («Undi­vid­ed», ab S. 173). Doch die Geschichte von Petrus und Kor­nelius gibt uns wed­er eine Legit­i­ma­tion für eine spon­tane Neuord­nung von Homo­sex­u­al­ität, noch einen Freipass, uns nicht um weit­erge­hende Imp­lika­tio­nen zu kümmern.

Mar­tin ver­gle­icht hier ‘Äpfel mit Bir­nen’. Der Grund ist: Es geht in der Geschichte von Petrus und Kor­nelius um etwas, was in den bib­lis­chen Schriften einen lan­gen prophetis­chen Vorschat­ten hat bis zurück zum ersten Buch der Bibel. Bere­its im abra­hami­tis­chen Segen wird ein Segen für «alle Geschlechter auf Erden» angekündigt (vgl. 1Mo 12:1–3). Der Mis­sions­be­fehl von Jesus erweit­ert den Auf­trag der Jünger aus­drück­lich auf alle Völk­er (Mt 28:19–20). Die Ereignisse in der Geschichte von Petrus bedeuten also die Erfül­lung ein­er langjähri­gen Ver­heis­sung, und das Umset­zen des bere­its von Jesus erteil­ten Mis­sion­sauf­trags. Es ist ein vorherge­sagter heils­geschichtlich­er Durch­bruch und ein Gehor­samss­chritt Jesus Chris­tus gegenüber. Auch beim Traum von Petrus mit den unreinen Tieren haben wir keine neue Offen­barung vor uns. Jesus hat­te seinen Jüngern bere­its klargemacht, dass die Rein­heits­ge­bote aufge­hoben sind (Mk 7).

Die Geschichte von Petrus und Cor­nelius scheint mir daher in kein­er Weise brauch­bar für die Behand­lung des The­mas Homo­sex­u­al­ität, welch­es – im Unter­schied zum ver­heis­se­nen Segen an alle Natio­nen – keinen in der Bibel angekündigten ‘Vorschat­ten’ hat, der irgend­wann zur Gutheis­sung aus­gelebter Homo­sex­u­al­ität führen würde. Nüt­zlich ist für Mar­tin Benz in der Geschichte lediglich der Akt der Gren­züber­schre­itung, den er für seine Zwecke instru­men­tal­isiert. Doch in der Geschichte von Petrus und Kor­nelius geht es um eine angekündigte und von Jesus ange­ord­nete Gren­züber­schre­itung, nicht eine unangekündigte.

Eben­so empfinde es als untauglich, wie das Unwis­sen von Petrus über zukün­ftige the­ol­o­gis­che und ekkle­si­ol­o­gis­che Fragestel­lun­gen als Aufhänger ver­wen­det wird, um der Leser­schaft schmack­haft zu machen, dass auch in der Frage der Homo­sex­u­al­ität ein­fach ein mutiger Schritt ohne weit­ere Gedanken über poten­tielle Kon­se­quen­zen und weit­er­führende Fragestel­lun­gen ange­sagt sei. Mar­tin möchte uns hier mith­il­fe eines ‘isolierten Argu­mentes’ für seine Hal­tung gewin­nen. Doch Ideen haben logis­che Imp­lika­tio­nen und ste­hen nicht alleine da. Wer ein Argu­ment gewin­nen will, sollte den Zusam­men­hang zu möglichen neg­a­tiv­en Fol­gen oder anderen Kon­se­quen­zen nicht von vorn­here­in ablehnen, son­dern diese mitbedenken.

Jedem, der sich auch nur ein wenig mit den Fragestel­lun­gen rund um die Ehe für alle befasst, wird schnell auf äusserst weitre­ichende Fragestel­lun­gen stossen. Zum Beispiel bildet die Polar­ität von Mann und Frau die Basis dafür, dass die Ehe als Verbindung von zwei Men­schen gese­hen wird. Mit der Preis­gabe dieser Polar­ität wird auch die Zahl 2 als Grund­lage für verbindliche sex­uelle Beziehun­gen in Frage gestellt. Polyamor­ie ist die logis­che näch­ste Diskus­sion, und genau diese wird (fol­gerichtig) bere­its in unser­er Gesellschaft geführt. Genau­so befeuert die Ein­führung der Ehe für alle auch die Forderung nach ein­er Legal­isierung von Leih­mut­ter­schaft. Dass gle­ichgeschlechtliche Paare auf natür­lichem Wege keine Kinder zeu­gen kön­nen, wird zum neuen ‘Unrecht’. Die einzige Lösung ist dabei die Entkop­pelung der Fortpflanzung von der Sex­u­al­ität, unter anderem durch die unsägliche Prax­is der Leihmutterschaft.

Doch — da gibt es gewichtige Fra­gen und Forderun­gen. Diese liegen längst auf dem Tisch und wer­den von den entsprechen­den Kreisen als gesellschaftliche Real­itäten etabliert. Nur möchte Mar­tin diese vielle­icht nicht disku­tieren. Also präsen­tiert er uns Petrus als grossar­tiges bib­lis­ches Beispiel dafür, dass wir uns doch keine Gedanken über Zukün­ftiges machen sollen, wenn uns der Impuls des ‘Geistes’ erre­icht hat. Dabei gäbe es genü­gend Hin­weise in der Bibel, welche uns auf die Wichtigkeit eines vorauss­chauen­den Han­delns und auf die Gefahren von Gedanken­losigkeit hin­weisen (z.B. Spr 22:3; Spr 27:12).

Die Geschichte von Petrus und Kor­nelius dient Mar­tin meines Eracht­ens dazu, um ein­er möglicher­weise bere­its von ihm beschlosse­nen Mei­n­ung eine schein­bar bib­lis­che Legit­i­ma­tion zu ver­lei­hen. Ich habe dur­chaus Ver­ständ­nis für Martin’s pas­torales Anliegen für (homo­sex­uelle) Men­schen. Doch dieses berechtigte Anliegen sollte ihn nicht dazu ver­leit­en, die Bibel zu instrumentalisieren.

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4.   Wenn das Narrativ regiert

«Auf­grund dieser beson­deren Sit­u­a­tion weicht Paulus in seinem Rat von der göt­tlichen Ehe­o­rd­nung ab…» (S.164)

Beim Lesen des Buch­es von Mar­tin Benz werde ich den Ein­druck nicht los, dass an Schlüs­sel­stellen sein­er Argu­mente das gewün­schte Resul­tat am Anfang der Argu­men­ta­tion ste­ht. Dadurch entste­hen mein­er Ansicht nach sach­liche Fehler. Wir ste­hen wohl alle in der Gefahr, nicht den Argu­menten zu fol­gen, son­dern diese (vielle­icht auch unbe­wusst) so zurechtzule­gen, dass sie unsere These stützen. Doch für einen The­olo­gen, der von sich behauptet, die Bibel im Gegen­satz zu den von ihm ver­achteten ‘Bibel­treuen’ ernst zu nehmen (S.55), geschieht dies im Buch von Benz mein­er Mei­n­ung nach zu oft.

Ich möchte zur Illus­tra­tion zwei Beispiele erwähnen.

Paulus und das Zölibat

Das erste Beispiel bet­rifft die Präsen­ta­tion von Paulus als Urhe­ber des Zöli­bats (S.164). Diese Aus­sage stimmt sach­lich nicht – die Stärkung des Zöli­bats geht auf Jesus sel­ber zurück, welch­er bere­its für eine Aufw­er­tung des Zöli­bats gesorgt hat. Die Juden glaubten, dass es zwei Gründe gibt für einen Men­schen, berechtigter­weise zöli­batär zu leben: Wenn man zur Ehe unfähig geboren wird oder von Men­schen zur Ehe unfähig gemacht wird. Jesus nen­nt in Mt 19:12 bei­de Gründe und erweit­ert diese um einen entschei­den­den drit­ten Grund: Von sich aus, um des Reich­es Gottes willen zöli­batär leben.

Mit dieser Kri­tik am Juden­tum bezüglich dessen Hand­habung des Zöli­bats liefert Jesus das nötige Pen­dant zu sein­er Forderung, dass Ehe zwis­chen einem Mann und ein­er Frau sein soll (Mat 19,1–11). Jesus erk­lärt u.a. damit, dass die im Alten Tes­ta­ment tolerierte Polyg­a­mie aufgegeben wer­den muss. Dies kann er aber nicht tun, ohne gle­ichzeit­ig das Zöli­bat neu als berechtigten Lebensen­twurf zu etablieren. Das Juden­tum hat­te eine zu eng gefasste Idee vom Zöli­bat entwick­elt und ‘drängte’ damit viele in die Ehe und zum Teil in die Polyg­a­mie. Wenn Jesus möchte, dass die het­ero­sex­uelle Monogamie gelebt wird, muss er gle­ichzeit­ig die Tür weit auf­machen für das Zöli­bat als frei­willig gewählten Lebensen­twurf, der gle­ich­w­er­tig ist zur Ehe. Genau dies tut Jesus in Vers 12 von Matthäus 19.

Abge­se­hen davon: Ledig sein – und Folge dessen keinen Sex zu haben – wird nir­gends in Bibel als Sünde beze­ich­net.  Nir­gends ist meines Wis­sens ein Gebot an den Men­schen gegeben, Sex haben zu müssen. Jesus vol­lzieht mit seinen Aus­sagen also vor allem eine gesellschaftliche Neuord­nung, welche aber eigentlich schon angelegt war in der The­olo­gie des Alten Testaments.

Wir sehen, dass Jesus kein Prob­lem hat­te, die jüdis­che Gesellschaft im sex­u­alethis­chen Bere­ich dort zu kon­fron­tieren, wo er es für nötig sah. Span­nen­der­weise kon­fron­tiert Jesus das Juden­tum an einem Punkt nicht: in der Hal­tung des Juden­tums zur Homo­sex­u­al­ität. Jesu Schweigen zur Homo­sex­u­al­ität im jüdis­chen Kon­text spricht eine laute Sprache.

Klar ist hier jeden­falls: Paulus ist nicht der Urhe­ber des Zöli­bats, son­dern baut weit­er auf dem Fun­da­ment, welch­es Jesus bere­its gelegt hat.

Kein Altes Testament vorhanden?

Das zweite Beispiel bet­rifft eine Aus­sage, die für Mar­tins Argu­ment von zen­traler Bedeu­tung ist. Es geht um die Behaup­tung, dass den Hei­denchris­ten zur Zeit von Paulus nicht nur das Neue Tes­ta­ment fehlte, son­dern auch das Alte Tes­ta­ment. Dies, weil sie dessen Sprache (Hebräisch) nicht lesen kon­nten (S.135).

Mar­tin gibt uns am Beispiel der neuen Chris­ten in Eph­esus zu ver­ste­hen, dass dies auch kein Prob­lem war. Der Fokus von Paulus bei diesen jun­gen Chris­ten sei auf dem Emp­fang des Heili­gen Geistes gewe­sen, nicht auf dem Emp­fang von «Lis­ten mit Geboten». Entschei­dend sei der innere Kom­pass des Geistes. Dieser ver­mit­tle uns die Werte des Him­mels und damit Ethik. Der Bund des Mose hinge­gen sei ein Bund der Moral gewe­sen (S.136).

Mar­tin baut so an ein­er Argu­men­ta­tion für ein rein geist­geleit­etes Leben, welch­es der bib­lis­chen Schriften nicht (mehr) bedarf.

Doch es stimmt gar nicht, wie von Mar­tin behauptet, dass es den Hei­denchris­ten auf­grund ein­er Sprach­bar­riere nicht möglich war, das Alte Tes­ta­ment zu lesen. Die Real­ität ist, dass zu jen­er Zeit die Sep­tu­ag­in­ta – die griechis­che Über­set­zung des Alten Tes­ta­ments – weit ver­bre­it­et war unter den Juden und den gottes­fürchti­gen Hei­den im Römis­chen Reich. Die Sep­tu­ag­in­ta bildete auch die Basis für die alttes­ta­mentlichen Zitate in den entste­hen­den Schriften des Neuen Tes­ta­ments. Die Hei­denchris­ten hat­ten also dur­chaus Zugang zum Alten Testament.

Wir alle leben mit Lück­en in unserem Wis­sen. Die Geschichte der Sep­tu­ag­in­ta war mir selb­st bis vor kurzem auch nicht bewusst. Das Neue Tes­ta­ment würde uns aber auch son­st klar machen, wie wichtig die beste­hen­den bib­lis­chen Schriften für die Chris­ten der ersten Gen­er­a­tion waren, und es auch für uns sein sollten.

Sich­er sehen wir in der Evan­ge­li­sa­tion immer wieder unter­schiedliche Strate­gien. Zum Beispiel knüpft Paulus in sein­er Rede auf dem Are­opag in Athen sehr stark an die Lebenswelt der Athen­er an und knallt diesen nicht grad Bibel­stellen um die Ohren. Das heisst aber nicht, dass sich die bib­lis­chen Schriften für Paulus erübrigt hät­ten. Im Gegen­teil. Es war ihm ele­men­tar wichtig, dass die Verkündi­gung und das Zeug­nis der Chris­ten «nach der Schrift» — also im Ein­klang mit ihr war (1Kor 15: 3–4).

Paulus reiste zudem durch Gemein­den, schrieb Briefe und ermah­nte die Chris­ten sein­er Zeit immer wieder, an seinem Vor­bild und an der Lehre festzuhal­ten. Das Evan­geli­um durfte auf keinen Fall verän­dert oder ver­fälscht wer­den. Wäre nur der Geist wichtig, wären solche Auf­forderun­gen und Ermah­nun­gen unnötig gewesen.

Wir kön­nen daraus schliessen: die Chris­ten hat­ten nicht nur das Alte Tes­ta­ment ver­füg­bar, son­dern mündlich und ein Stück­weit auch schriftlich das Neue Tes­ta­ment in der Lehre der Apos­tel, welche unter ihnen wirkten.

Natür­lich ist für das richtige Ver­ste­hen der bib­lis­chen Schriften die Hil­fe des Heili­gen Geistes unverzicht­bar. Doch der «innere Kom­pass» des Geistes, den Mar­tin betont, erset­zt nicht die Ori­en­tierung an der Schrift. Das Eine darf nicht gegen das Andere aus­ge­spielt werden.

Dies zeigt sich ger­ade auch am Beispiel der Eph­eser, welche Mar­tin ja zur Begrün­dung sein­er These braucht. Natür­lich war es für Paulus grundle­gend wichtig, dass diese Eph­eser den Heili­gen Geist emp­fan­gen (Apg 19,1–6). Doch dies hat die Heilige Schrift nicht abgew­ertet. Im Gegen­teil. Wer den Geist empfängt muss auch das Wort Gottes ergreifen! Genau dies legt Paulus den Eph­esern in seinem Brief an sie ein­dringlich nahe:

«Ergreift das Schw­ert des Geistes, welch­es ist das Wort Gottes.» (Eph­eser 6,17)

Auch ein Blick in die Mis­sion­s­geschichte würde zeigen, dass die Vision von Mar­tin Benz eines rein geist­geleit­eten christlichen Lebens, welch­es der Schrift nicht wirk­lich bedarf, nicht halt­bar ist. Es lässt sich his­torisch bele­gen, dass dort, wo die Bibel nicht über­set­zt wurde, wie zum Beispiel in Nordafri­ka unter den Berber Völk­ern, die Kirche vom Islam aus­radiert wurde, obwohl emi­nente Kirchen­väter zu jen­er Kirche gehörten, wie zum Beispiel Augusti­nus. Demge­genüber kon­nte sich das Chris­ten­tum in Kul­turen und Regio­nen hal­ten, wo entsprechende Über­set­zun­gen der Heili­gen Schrift vorhan­den waren.

Die her­aus­ra­gende Bedeu­tung der Bibel für Chris­ten in den ersten Jahrhun­derten war so auf­fal­l­end, dass diese Chris­ten im Koran sehr oft als ‘Peo­ple of the Book’ – als ‘Men­schen des Buch­es’ beze­ich­net wer­den. Welch eine tre­f­fliche Beze­ich­nung! Unsere Liebe zur Bibel bedeutet nicht, dass wir zur Bibel beten, son­dern wir beten den einzig wahren, dreieini­gen Gott an, der sich uns durch die Bibel offen­bart, und dessen Wort die Bibel ist. Wer die Bibel für ent­behrbar erk­lärt hat ihre grundle­gende Bedeu­tung für uns Chris­ten nicht ver­standen. Wer dies tut, wird auch ganz bes­timmt keinen Auf­bruch des christlichen Glaubens erfahren, son­dern vielmehr ihren langfristi­gen Fortbe­stand gefährden.

Ich stelle zusam­men­fassend fest: Die Argu­mente von Mar­tin sind an wichti­gen Punk­ten so gelegt, dass sie in ein schon vorhan­denes Nar­ra­tiv passen. Mein Empfind­en ist, dass Benz uns einen Paulus zeigt, der ange­blich eine kreative Revi­sion der Sex­ual­moral macht, damit wir dies in unseren Tagen auch tun kön­nen. Er möchte uns eine Geis­tesleitung vor Augen führen, welche der Rück­bindung an die Schrift nicht mehr bedarf, damit wir dies in unseren Tagen auch tun kön­nen. In bei­den Beispie­len bege­ht Mar­tin meines Eracht­ens sach­liche Fehler.

Was kann uns helfen, diese Art von Fehler zu mei­den oder zu reduzieren?

Es hil­ft zu wis­sen, dass nie­mand rein objek­tiv an eine Fragestel­lung herange­ht – auch ich nicht. Oft denken wir in ‘Par­a­dig­men’ – also aus­ge­hend von bes­timmten Denkvo­raus­set­zun­gen. Wenn meine Denkvo­raus­set­zun­gen ganz anders liegen, als jene meines Gesprächspart­ners, kann es anspruchsvoll wer­den. Noch schwieriger kann es sein, wenn er noch vor kurzem diesel­ben Denkvo­raus­set­zun­gen teilte, wie ich, sich nun aber sig­nifikant weit­er­en­twick­elt hat. Je bewusster sich bei­de Gesprächspart­ner ihrer Denkvo­raus­set­zun­gen sind, desto bess­er wer­den sie einan­der ver­ste­hen kön­nen, auch wenn sie nicht ein­er Mei­n­ung sein wer­den. Wenn ich diese Grun­de­in­stel­lung habe, werde ich mit offe­nen Ohren den besten Argu­menten meines Diskus­sion­spart­ners zuzuhören und werde deren Valid­ität abschätzen. Dies will auch ich immer wieder üben. Bezüglich der Bibel ist fern­er wichtig, genug des Textes ‘rund­herum’ zu lesen. Das deckt immer wieder Ele­mente auf, die man aus vielle­icht ide­ol­o­gis­chen Grün­den nicht wahrn­immt, und die klärend wirken können.

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5.   Falsche Dilemmas

Die Bibel ernst oder wörtlich nehmen? (S.44)

Im Buch von Mar­tin Benz begeg­nen mir falsche Dilem­mas. Falsche Dilem­mas kon­fron­tieren den Leser mit ein­er lim­i­tierten Anzahl Optio­nen, welche sich gegen­seit­ig auss­chliessen. Meis­tens geht es um die Wahl zwis­chen 2 Optio­nen, aus denen nur eine aus­gewählt wer­den kann. Zur Etablierung dieser schein­bar klaren Wahlsi­t­u­a­tion müssen aber oft weit­ere mögliche Optio­nen oder Lösungsan­sätze unter­schla­gen wer­den, oder es muss durch irreführende Vere­in­fachung und Zus­pitzung ein schein­bar unüber­windlich­er Kon­trast hergestellt werden.

Falsche Dilem­mas sind ein mächtiges rhetorisches Instru­ment. Durch die Etablierung von falschen oder undif­feren­zierten Gegen­sätzen schaf­fen sie eine Schwarz-Weiss-Sit­u­a­tion. Der Leser, welch­er dies nicht durch­schaut, wird fak­tisch gezwun­gen, die als gut präsen­tierte Wahlmöglichkeit anzunehmen und die als schlecht präsen­tierte abzulehnen.

Sadistischer Gott oder liebevoller Vater?

Ein oft bemüht­es falsches Dilem­ma im Schreiben von Mar­tin ist das­jenige des ‘sadis­tis­chen’ Gottes der alttes­ta­mentlichen Vorstel­lungswelt gegenüber dem liebevollen und barmherzi­gen Gott, der sich im Neuen Tes­ta­ment in Jesus Chris­tus offen­bart. Dieses falsche Dilem­ma lebt davon, die unglaublich liebevollen und wer­ben­den Aspek­te des alttes­ta­mentlichen Gottes­bildes auszublenden. Es lebt auch davon, im Neuen Tes­ta­ment die Ern­sthaftigkeit men­schlich­er Sünde im Angesicht eines heili­gen Gottes auszublenden, welch­es nur durch das Süh­neopfer Jesu am Kreuz behoben wer­den kon­nte (vgl. 1Joh 2:2). Der ‘alttes­ta­mentliche’ Gott, der sein Volk gle­ichzeit­ig mit «ewiger Liebe» geliebt hat (Jer 31:3), ist in diesem Dilem­ma eben­so abwe­send wie der ‘neutes­ta­mentliche’ Gott, der beispiel­sweise König Herodes durch seinen Engel von Würmern zer­fressen lässt (Apg 12:23).

Für eine einge­hende Besprechung dieser umfan­gre­ichen The­matik fehlt hier der Platz. Mir scheint aber, dass hin­ter diesem falschen Dilem­ma immer wieder die Idee steckt, dass ein lieben­der Gott doch nicht strafen oder zornig wer­den darf. Komisch! Liebe, die echt liebt, wird doch über Ungerechtigkeit zornig, son­st ist es keine echte Liebe. Gottes Zorn, auch im Alten Tes­ta­ment, ist immer wieder auch Aus­druck sein­er Liebe. Es gibt auch Strafe, die gerecht ist, hil­fre­ich, reini­gend. Das unter­schlägt Mar­tin Benz. Auch wenn es uns vielle­icht Mühe macht: Liebe und Zorn Gottes sind in der Bibel keine sich auss­chliessenden Wider­sprüche.  Sie sind auch selb­stver­ständliche The­men im neuen Testament:

«Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes» (Röm 11:22).

Wörtlich die Bibel lesen, oder sie ernst nehmen?

Sollen wir «die Bibel ernst nehmen oder wörtlich?» (S.44), fragt Mar­tin den Leser. Auch diese Gegenüber­stel­lung stellt ein falsches Dilem­ma dar, welch­es zudem eine sub­tile Ver­ach­tung ein­er bes­timmten Kat­e­gorie von Men­schen zum Aus­druck bringt, näm­lich den­jeni­gen, welche die Bibel ‘wörtlich’ nehmen.

Wer die Bibel ‘wörtlich’ nehmen möchte, gehört dem­nach eben auch in die Kat­e­gorie der­jeni­gen, welche die Bibel ‘nicht ernst’ nehmen. Wer die Bibel ‘wörtlich’ nimmt, ist dem­nach irgend­wie dumm, unre­flek­tiert, gedanken­los, undif­feren­ziert. Im Gegen­satz dazu ste­hen diejeni­gen, welche es bess­er wis­sen und tief­ere Erken­nt­nis haben. Dieses falsche Dilem­ma macht damit eine pauschale Kat­e­gorisierung von Men­schen und nimmt sich ger­ade nicht die Mühe zu differenzieren.

Immer­hin scheint Mar­tin nach dem Aufw­er­fen des Dilem­mas etwas zu dif­feren­zieren, indem er das kleine Wort ‘alles’ ein­fügt: «Man nimmt die Bibel ger­ade nicht ernst, wenn man ver­sucht, alles in ihr wörtlich zu nehmen» (S. 48, Kindle)

Die Wirkung der Aus­sage bleibt meines Eracht­ens in abgeschwächter Form trotz­dem erhal­ten. Weshalb wir darüber reden müssen. Mir ist diese Aus­sage wohlbekan­nt, denn sie ist fes­ter Bestandteil der grundle­gen­den Überzeu­gun­gen der bekan­nten Online Mediathek Worthaus: »Wer die Bibel wörtlich nimmt, nimmt sie nicht ernst.«

Wer dieser Aus­sage auf die Spur geht, wird auch auf die Per­son stossen, welche dieses falsche Dilem­ma in unser­er Zeit wohl pop­u­lar­isiert hat. Es ist der bekan­nte lib­erale The­ologe und Bischof der Episkopalen Kirche John Shel­by Spong (1931–2021). In seinem Buch «Res­cu­ing the Bible from Fun­da­men­tal­ism» arbeit­et Spong kon­se­quent mit dem Kon­trast zwis­chen dem ‘wörtlich’ und dem ‘ernst’ nehmen der Bibel. So schreibt er zum Beispiel:

«Das Wörtlich-Nehmen der Bibel stirbt über­all, wo die Bibel ern­sthaft studiert wird» (Res­cu­ing the Bible, S214, Kin­dle, eigene Übersetzung)

Wer sich mit Spong befasst wird bald merken, dass ‘die Bibel ernst nehmen’ in seinem Fall bedeutete, die Aus­sagen der Bibel grundle­gend abzulehnen. Spong lehnte den christlichen The­is­mus ab, also die Lehre das Gott die Welt erschaf­fen hat. Er lehnte Jesus Chris­tus als Inkar­na­tion Gottes ab. Er lehnte Wun­der­berichte oder über­natür­liche Ereignisse ab, also auch Dinge wie die Jungfrauenge­burt oder leib­lichen Aufer­ste­hung. Er lehnte die bib­lis­che Lehre der Sünde ab. Die Idee, dass Jesus am Kreuz für die Sünde der Men­schheit gestor­ben ist, beze­ich­nete er als bar­barische Idee auf der Basis prim­i­tiv­er Ideen über Gott. Und natür­lich lehnte er auch die Verbindlichkeit der Bibel in ethis­chen Fra­gen­stel­lun­gen ab.

Eigentlich wollte Spong das Chris­ten­tum ‘ret­ten’, indem er es von allem befre­ite, was poten­tiell zu kri­tis­chen Anfra­gen aus Natur­wis­senschaft und his­torisch­er Wis­senschaft hätte führen kön­nen. Die Real­ität war aber, dass seine Diözese Newark (USA) während sein­er 21-jähri­gen Amt­szeit mehr als 43 Prozent sein­er Mit­glieder ver­lor – ein Wert fast dop­pelt so hoch wie der durch­schnit­tliche Mit­glieder­schwund im Rest seines Kirchen­ver­ban­des im sel­ben Zeitraum.

Ich per­sön­lich finde, das sind dur­chaus dubiose Hin­ter­gründe. Doch der Satz ist nun mal hier und hat sich zum fes­ten Bestandteil des poste­van­ge­likalen Selb­stver­ständ­niss­es gemausert. Er taucht auch immer wieder mal in den sozialen Medi­en auf. Dort habe ich mal pro­vokant in einem Kom­men­tar nachgefragt:

«“Du sollst nicht töten.” Ern­st­nehmen, aber bitte nicht wortwörtlich? “Du sollst nicht ehe­brechen.” Ern­st­nehmen, aber bitte nicht wortwörtlich? “Du sollst nicht stehlen.” Ern­st­nehmen, aber bitte nicht wortwörtlich?»

Damit wollte ich darauf hin­weisen, wie wenig hil­fre­ich die Aus­sage ist, weil sie einen Schein­wider­spruch, ein falsches Dilem­ma kon­stru­iert. Denn: gewisse Dinge nimmt man eben ger­ade dann ernst, wenn man sie wörtlich nimmt. Die Entrüs­tung über meinen Kom­men­tar war gross 😊. Ein wert­er The­ologe stellte umge­hend meine Intel­li­genz in Frage. Kommt uns diese her­ab­set­zende Kat­e­gorisierung bekan­nt vor? Nun – der The­ologe hat­te zu einem späteren Zeit­punkt wenig­stens die Grösse, seinen her­ablassenden Kom­men­tar zu löschen und sich bei mir zu entschuldigen. Das halte ich ihm zugute.

Tat­sache ist: Jed­er liest die Bibel erst­mal ‘wortwörtlich’. Der lib­er­al­ste Christ und der grösste Fun­da­men­tal­ist. Eben­so ver­sucht jed­er ser­iöse Ansatz der Bibelausle­gung, den ich kenne, eine Bibel­stelle vom Kon­text her zu ver­ste­hen und in der vorhan­de­nen Textgat­tung, um damit die vom jew­eili­gen Autoren beab­sichtigte Aus­sage her­auszuschälen. Wer die Bibel ernst nehmen will, der kommt nicht darum herum, sie erst­mal beim Wort zu nehmen – ihr also ihr ihre beab­sichtigten Aus­sagen zuzugestehen.

Vorfahrensschuld oder Freiheit des Individuums?

Ich möchte noch an einem drit­ten und let­zten Beispiel die The­matik des falschen Dilem­mas auf­greifen, und zwar am Beispiel der Vor­fahrenss­chuld, welche Mar­tin Benz im Buch the­ma­tisiert (S.75 ff). Das Dilem­ma, welch­es Mar­tin hier auf­baut, ist zwis­chen den 10 Geboten und dem Reden des Propheten Hes­ekiel.

Die eine Option des Dilem­mas präsen­tiert uns Mar­tin im ersten der Zehn Gebote (keine anderen Götter):

«Wirf dich niemals vor ihnen nieder und verehre sie auf keinen Fall! Denn ich, Jah­we, ich, dein Gott, bin ein eifer­süchtiger Gott. Wer mich ver­achtet und bei­seitestellt, bei dem ver­folge ich die Schuld der Väter noch bis zur drit­ten und vierten Gen­er­a­tion.» (2Mo 20:5 NeÜ)

Diese For­mulierung sieht Mar­tin im «krassen Gegen­satz» (S.77) zu einem Text im Propheten Hes­ekiel, aus dem er fol­gen­den Vers als Zusam­men­fas­sung festhält:

«Nur wer sündigt, muss ster­ben. Der Sohn soll nicht die Schuld des Vaters tra­gen und der Vater nicht die des Sohnes. Die Gerechtigkeit kommt nur dem zugute, der recht vor Gott lebt, und die Schuld lastet nur auf dem Schuldigen.» (Hes 18:20 NeÜ)

Tat­säch­lich wirkt diese Gegenüber­stel­lung als klar­er Wider­spruch. Gibt es denn nun so etwas wie eine Über­tra­gung von Schuld über die Gren­zen der Gen­er­a­tio­nen hin­weg oder nicht? Für Mar­tin ist klar: in den 10 Geboten wird das «Empfind­en der antiken Gesellschaft zu dieser Zeit» abge­bildet (S70). Man denke immer noch in Fam­i­lien­ver­bän­den, Sip­pen und Stäm­men, wo die indi­vidu­elle Schuld hin­ter der kollek­tiv­en Schuld zurück­ste­hen musste. Bei Hes­ekiel verän­dere sich nun etwas Gravieren­des, näm­lich dass der Glaube indi­vidu­eller werde und damit auch Schuld und Ver­ant­wor­tung nun beim Einzel­nen liege. Die Idee der Sip­pen­haf­tung würde damit ein «jäh­es Ende» find­en. Für Mar­tin ist klar, dass hier «eine unge­heure Weit­er­en­twick­lung» stat­tfind­et, die «ihres­gle­ichen zur dama­li­gen Zeit sucht». Sein Faz­it (S. 72, Kindle):

«Man ist ger­ade nicht bibel­treu, wenn man weit­er­hin die Aus­sage in den Zehn Geboten ernst nimmt, dass Kinder oder Enkel die Schuld, die okkul­ten Sün­den oder die Flüche der Eltern tra­gen oder ver­ant­worten müssten.»

Das Dilem­ma, welch­es Mar­tin dem Leser präsen­tiert, lautet fol­gen­der­massen: Möchte er an der ‘prim­i­tiv­en’ Ver­sion der Vor­fahrenss­chuld fes­thal­ten, wie er es in den 10 Geboten ent­deckt? Oder möchte er sich an der fortschrit­tlichen Weit­er­en­twick­lung von Hes­ekiel ori­en­tieren? Für Mar­tin ste­ht fest: Bibel­treue bedeutet den betr­e­f­fend­en Teil der 10 Gebote zu ver­w­er­fen zugun­sten der fortschrit­tlichen späteren Version.

Nun kann es an dieser Stelle nicht darum gehen, das The­ma der Vor­fahrenss­chuld in der nöti­gen Tiefe zu ergrün­den. Ich möchte lediglich aufzeigen, dass der «krasse Gegen­satz» den uns Mar­tin präsen­tiert, eben auch ein kon­stru­iert­er Gegen­satz ist, welch­er dem Text mein­er Mei­n­ung nach fremd ist. Um das zu sehen reicht es, das Buch Mose aufzuschla­gen und da weit­erzule­sen, wo Mar­tin aufhört zu zitieren:

«Wirf dich niemals vor ihnen nieder und verehre sie auf keinen Fall! Denn ich, Jah­we, ich, dein Gott, bin ein eifer­süchtiger Gott. Wer mich ver­achtet und bei­seitestellt, bei dem ver­folge ich die Schuld der Väter noch bis zur drit­ten und vierten Gen­er­a­tion. Doch wer mich liebt und meine Gebote hält, dem schenke ich meine Gun­st auf tausend Gen­er­a­tio­nen hin.» (2Mo 20:5–6 NeÜ)

Das Bibelz­i­tat von Mar­tin hat dem Leser einen entschei­den­den Bestandteil des Textes über die Vor­fahrenss­chuld voren­thal­ten. Dieser im Buch nicht erwäh­nte Teil macht u.a. deutlich:

  1. Gottes Segen hat wesentlich mehr Gewicht und Trag­weite als die Vor­fahrenss­chuld. Während die Vor­fahrenss­chuld nur wenige Gen­er­a­tio­nen greift, wirkt sich der Segen über eine unvorstell­bar län­gere Zeit aus. Gott scheint dem­nach viel mehr am Segen gele­gen zu sein als am Fluch.
  2. Ob in den 10 Geboten oder bei Hes­ekiel: der entschei­dende Punkt ist das Ein­hal­ten der Gebote. Wer Gottes Gebote hält der bewegt sich im Segen­strom Gottes. Umgekehrt ist mit dem Nichtein­hal­ten der Gebote eine zer­störerische Wirkung auf das Leben der betr­e­f­fend­en Per­son ver­bun­den. Hier beste­ht Einigkeit zwis­chen den Texten.
  3. Auch der Text der 10 Gebote macht deut­lich, dass es möglich ist, sich durch das Ein­hal­ten der Gebote von den Kon­se­quen­zen der Schuld der Väter zu lösen. Schon zur Zeit der 10 Gebote ist klar: Wenn ein Indi­vidu­um Gott liebt und seine Gebote hält, beg­ibt sich diese Per­son in den Segensstrom Gottes hinein – und set­zt damit seine Fam­i­lie und Nachkom­men in diesen Bere­ich des Segens. Dies gilt auch für Men­schen, welche von ein­er Schuld der Väter betrof­fen sind. Es gibt also auch hier eine Wahlmöglichkeit zwis­chen Segen oder Fluch.

Diese ein­fachen Fest­stel­lun­gen wer­fen ein anderes Bild auf den aus Sicht von Mar­tin schein­bar unüber­brück­baren Gegen­satz. Min­destens zeigen sie, dass man hier dif­feren­ziert­er disku­tieren sollte. Das heisst nicht, dass keine offe­nen Fra­gen bleiben. Doch diese verbleibende Span­nung kön­nte uns zu weit­erem Nach­denken ein­er gründlichen Ausle­ge­ord­nung motivieren.

Es scheint mir zum Beispiel eine Tat­sache zu sein, dass gewisse Sün­den wie zum Beispiel Miss­brauch, Alko­holis­mus und der­gle­ichen sehr wohl eine gen­er­a­tio­nenüber­greifende Wirkung haben kön­nen. Kinder lei­den nur zu oft an den Kon­se­quen­zen des Han­delns ihrer Eltern. Und immer wieder muss man fest­stellen, wie Opfer wiederum zu Tätern wer­den. Das ist aber nicht die ganze Real­ität. Die Möglichkeit zur Durch­brechung solch­er Muster ist genau­so real. Dies wird aber bere­its im mosais­chen Gebot klar. Gott ist kein «sadis­tis­ch­er Gott», son­dern seine Gnade und sein Segen gilt allen, welche sich nach ihm ausstreck­en und sich nach seinen Ord­nun­gen richt­en wollen. Dies über­strahlt auch in den 10 Geboten die neg­a­tive Wirkung der Sünde.

Ich befürchte, dass die durch Mar­tin vol­l­zo­gene Zus­pitzung auf zwei sich schein­bar wider­sprechende Optio­nen bei den Lesern einen Ver­lust des Ver­trauens in das erste Gebot bewirken und damit auch die Ver­trauenswürdigkeit der 10 Gebote als Ganzes in Frage stellen. Diese wer­den uns nun als irgend­wie unter­en­twick­eltes Regel­w­erk eines eher prim­i­tiv­en Volk dargelegt, welch­es seine archais­chen Gottesvorstel­lun­gen in ihren moralis­chen Code hinein pro­jiziert hat.

Man muss dabei bedenken, was für eine her­aus­ra­gende Stel­lung die 10 Gebote im Alten Tes­ta­ment haben. Es ist der Anspruch des bib­lis­chen Bericht­es, dass die 10 Gebote von Gott selb­st dem Volk Israel anver­traut wur­den in Form von ein­gravierten Tafeln (vgl. 2Mo 32:16; 2Mo 34:28). Die Gebot­stafeln wur­den am heilig­sten Ort auf­be­wahrt, den das Volk Israel kan­nte: in der Bun­deslade (2Mo 25:10–22). Mar­tin aber säht Zweifel, ob denn die Gebote wirk­lich von Gott gekom­men sind, ob sie wirk­lich kost­bar sind, ob wir dem Reden Gottes durch sie wirk­lich ver­trauen kön­nen. Mar­tin sagt es eigentlich deut­lich: gewisse Aus­sagen in den zehn Geboten sind min­der­w­er­tig und soll­ten nicht mehr ernst genom­men wer­den. Doch die Grund­lage für Mar­tins Empfehlung ist eine durch Weglas­sung wesentlich­er Infor­ma­tio­nen verz­er­rte Ver­sion des ersten Gebotes.

Ich empfehle dem Leser mit ein­er guten Por­tion an kri­tis­chem Denken die diversen als unüber­brück­bar dargestell­ten Gegen­sätze zu studieren, welche uns im Buch präsen­tiert wer­den. Oft reicht es, zitierte Bibel­stellen im Zusam­men­hang zu lesen, um ein umfan­gre­icheres und damit auch nuanciertes Bild zu bekom­men, als die zwei Optio­nen, die einem vorge­set­zt wor­den sind.

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6.   Chronologische Fehlschlüsse

«Das ist eine unge­heure Weit­er­en­twick­lung, die ihres­gle­ichen zur dama­li­gen Zeit sucht!» (S.76)

Der Umgang von Mar­tin Benz mit der Vor­fahrenss­chuld illus­tri­ert einen wichti­gen Grundw­ert der pro­gres­siv­en The­olo­gie, näm­lich dass etwas bess­er sein muss, wenn es neu oder neuer ist. Man geht davon aus, dass eine zeit­gemässe Idee eher der Wahrheit entspricht als eine vorherge­hende. Auch in geistlichen und moralis­chen Belan­gen wird von ein­er evo­lu­tionären Höher­en­twick­lung des Men­schen aus­ge­gan­gen. Mar­tin Benz spricht beispiel­sweise von den «völ­lig ver­al­teten und wenig durch­dacht­en Moralvorstel­lun­gen», die wir in der Bibel vorfind­en. Das Alte ist nicht durch­dacht und deshalb nicht wirk­lich brauch­bar. Es braucht schein­bar was Neues, Durchdachtes!

Das­selbe Phänomen zeigt sich, wenn Mar­tin zwis­chen den Tex­ten der Tora über Vor­fahrenss­chuld und den Ein­sicht­en von Hes­ekiel «eine unge­heure Weit­er­en­twick­lung» beobachtet. Doch ist dem wirk­lich so?

Inter­es­sant ist, dass der Prophet Jere­mia, welch­er zur gle­ichen Zeit wie Hes­ekiel lebte, genau die Stelle über die Vor­fahrenss­chuld aus den Zehn Geboten in einem Gebet zitiert und daraufhin von Gott umge­hend die Bestä­ti­gung erhält, dass die kom­mende Ein­nahme der Stadt Jerusalem durch die Baby­lonier dur­chaus im Zusam­men­hang mit ein­er Schuld über Gen­er­a­tio­nen hin­weg stand (vgl. Jer 32:18,31). Ganz spez­i­fisch spricht Gott auch darüber, dass sich das Volk Gottes immer wieder des Götzen­di­en­stes und damit eines Bruch­es des ersten Gebotes schuldig gemacht hat:

«Sie haben sog­ar im Tem­pel ihre abscheulichen Götzen­bilder aufgestellt und dadurch das Haus geschän­det, das mein Eigen­tum ist.» (Jer 32:34, GNB)

War Jere­mia also ein­fach ein rück­ständi­ger und Hes­ekiel der pro­gres­sive Zeitgenosse? War das Reden Gottes zu Jere­mia nur eine Pro­jek­tion sein­er eige­nen Gedanken? Oder war Gott selb­st damals noch etwas ‘alte Schule’ und nicht so fortschrit­tlich wie Hes­ekiel? Ich denke nicht. Wom­öglich ist Mar­tin einem chro­nol­o­gis­chen Fehlschluss erlegen. Die Erzäh­lung im Buch Jere­mia macht sehr klar, dass das Gericht Gottes über sein Volk auch eine Folge der wieder­holten Mis­sach­tung von Geboten war. Und diese Gebote waren in Gottes Augen eben nicht über­holt, son­dern weit­er­hin gültig, wahr und gut.

Wenn eine Idee zeit­gemäss ist, heisst das noch lange nicht, dass sie eher der Wahrheit entspricht als eine frühere Idee. Die bekan­nten christlichen Denker G.K. Chester­ton und C.S. Lewis prägten in diesem Zusam­men­hang den Begriff der ‘chro­nol­o­gis­chen Arro­ganz’. Chronolo­gie hat keinen Ein­fluss darauf, ob eine Weltan­schau­ung oder ein Gottes­bild oder eine moralis­che Vorstel­lung wahr ist oder falsch.

Es gibt wohl auch eine ‘umgekehrte’ chro­nol­o­gis­che Arro­ganz. Eine, welche die Ver­gan­gen­heit verk­lärt und unkri­tisch glo­ri­fiziert. Auch dies sollte ver­mieden wer­den. Natür­lich ist tech­nol­o­gis­che Inno­va­tion eine Real­ität. Natür­lich kann es auch in ein­er Gesellschaft ethis­che Entwick­lun­gen geben, die zu begrüssen sind, die ein echter Fortschritt sind. Ger­ade Chris­ten haben in den ver­gan­genen Jahrhun­derten oft zu solchen Entwick­lun­gen beige­tra­gen (Bsp.: Abschaf­fung der Sklaverei). Und natür­lich sehen wir in der Heili­gen Schrift auch eine fortschre­i­t­ende Offen­barung Gottes, welche im Kom­men Jesus ihren Höhep­unkt hat. Daran hat­ten aber selb­st die the­ol­o­gisch kon­ser­v­a­tiv­en Ver­fass­er der Chica­go Erk­lärung keinen Zweifel (vgl. Chica­go Erk­lärung, Kapi­tel V).

Doch es gilt im Bere­ich der Philoso­phie und Moral eben auch immer wieder, dass es ‘nichts Neues unter der Sonne’ gibt. Oder wie es der Predi­ger tre­f­fend formuliert:

»Sieh her«, sagen sie, »da ist etwas Neues!« Unsinn! Es ist schon ein­mal da gewe­sen, lange bevor wir geboren wur­den.» (Pred 1:10, GNB).

Wir kämen nach mein­er Ansicht weit­er, wenn wir ver­sucht­en, die Hes­ekiel-Stelle als erhel­lende Exegese des ersten Gebotes zu ver­ste­hen, und nicht als Ablö­sung desselben.

Ein für mich hil­fre­ich­es Bild, um Entwick­lun­gen inner­halb der Bibel zu ver­ste­hen, ist das Bild der Foto-Entwick­lung im Labor. In meinen Jugend­jahren hat­te ich über einige Jahre hin­weg freien Zugang zu einem Foto-Labor. Etwas vom Faszinierend­sten war dabei, bei Rotlicht das langsame Erscheinen des Bildes auf dem belichteten Fotopa­pi­er zu beobacht­en. Im Belich­tungs­bad nah­men die Bilder erst nur schemen­haft Gestalt an, nur um immer konkreter und detail­re­ich­er sicht­bar zu wer­den. War das schemen­hafte Bild am Anfang falsch? Auf keinen Fall! Es war ein wesentlich­er Bestandteil des zunehmend klar wer­den­den, und sich entwick­el­nden Gesamt­bildes. Irgend­wie so kann ich mir auch die Bibel und ihre Her­aus­bil­dung über viele Jahrhun­derte hin­weg vorstellen. Die Dinge wer­den konkreter, das Gesamt­bild und die Details treten zunehmend zutage. Dabei sind die ersten, etwas unklaren Kon­turen nicht unnütze oder abzulehnen, son­dern wesentliche und uner­set­zliche Grund­la­gen für das fer­tige Bild.

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7.   Poetische oder faktische Wahrheit?

«Wer davon aus­ge­ht, dass die Bibel vor allem fak­tis­che Wahrheit enthält, muss sie dauernd gegenüber kri­tis­chen Anfra­gen aus Natur­wis­senschaft und his­torisch­er Wis­senschaft vertei­di­gen. Poet­is­che Wahrheit dage­gen kann tiefe Weisheit­en und Prinzip­i­en in ein­er Form zum Aus­druck brin­gen, wie das fak­tis­che Wahrheit nie kön­nte.» (S.74)

«Es kommt nicht so drauf an», scheint die Botschaft von Mar­tin Benz zu sein, wenn es um die His­tor­iz­ität von Ereignis­sen in der Bibel geht. Geschichte kön­nen wir dem­nach auch als ‘Geschicht­en’ ver­ste­hen. Wichtig sind die geistlichen Ein­sicht­en, welche wir diesen Geschicht­en ent­nehmen und weniger, ob diese tat­säch­lich wie in der Bibel beschrieben stattge­fun­den haben. Damit kann poten­tiellen Kon­flik­ten mit der Natur­wis­senschaft ele­gant aus dem Weg gegan­gen wer­den. Doch mit sein­er Rede von «poet­is­ch­er Wahrheit» fördert Mar­tin Benz meines Eracht­ens eine Entwick­lung, welche den christlichen Glauben sein­er geschichtlichen Grund­lage beraubt.

Er sug­geriert uns ger­ade in Bezug auf das Alte Tes­ta­ment, dass darin wiedergegebene Geschicht­en möglicher­weise gar nie stattge­fun­den haben. Gle­ichzeit­ig sieht er aber in der Per­son Jesus, über die das Neue Tes­ta­ment berichtet, das tief­ste Wesen Gottes «glasklar» offen­bart.

Da möchte ich fra­gen: Wie geht Mar­tin Benz damit um, wenn das Neue Tes­ta­ment mit dem fol­gen­den Satz ein­geläutet wird (Mt 1:1): «Dies ist das Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abra­hams.»? Ist es nun glasklare Offen­barung über Jesus, wenn hier Namen wie David oder Abra­ham auf­tauchen? Oder baut die Geschichte von Jesus auf fik­tiv­en, ‘poet­is­chen’ Per­so­n­en? Wenn ja – müsste das nicht einen Schat­ten auf die ganze Berichter­stat­tung über Jesus wer­den? Oder sog­ar Chris­tus selb­st irgend­wie zu ein­er fik­tiv­en Per­son wer­den lassen, weil seine Vor­fahren nur ‘poet­isch’ existiert haben?

Wo hört Poe­sie auf, und wo fängt his­torische Wahrheit an? Die Antwort auf diese Frage bleibt Mar­tin uns schuldig. Doch nur schon der erste Vers des Neuen Tes­ta­ments zeigt, dass Altes und Neues Tes­ta­ment grundle­gend ineinan­der greifen, so dass sie nicht ein­fach mit unter­schiedlichen Massstäben beurteilt wer­den kön­nen. Die Geschichte von Jesus kann nicht ‘glasklare’ Offen­barung Gottes sein, wenn sie auf his­torisch nicht halt­baren Geschicht­en baut.

An dieser Stelle muss ein näch­ster Punkt ange­sprochen wer­den: Im Zen­trum des christlichen Glaubens ste­ht mit dem Kreuzes­geschehen ein his­torisches Ereig­nis und nicht eine poet­is­che Wahrheit.

Es geht beim christlichen Glauben eben erst­mal nicht ein­fach um «tiefe Weisheit­en und Prinzip­i­en», son­dern ganz zen­tral darum, dass Gott in die men­schliche Geschichte einge­grif­f­en hat – nicht poet­isch, son­dern ganz real. 

Doch wie ste­ht es nun um die Poe­sie? Natür­lich find­en wir in der Bibel Poe­sie als Textgat­tung. Und diese soll­ten wir auf alle Fälle als solche lesen und nicht als Geschichtss­chrei­bung. Wir find­en auch viele andere Textgat­tun­gen: Geset­ztes­texte, Weisheit­slit­er­atur, prophetis­che Rede, Lieder, Gle­ich­nisse, Apoka­lyp­tik und mehr. Es gibt auch Texte, wo die entsprechende Zuord­nung der Gat­tung umstrit­ten ist und disku­tiert wer­den kann.

Aber wir find­en eben auch geschichtliche Erzäh­lung in der Bibel, und zwar viel davon. Natür­lich kön­nen wir in diesen Erzäh­lun­gen auch andere Deu­tungsebe­nen ent­deck­en als nur die reine Geschichtss­chrei­bung. Und natür­lich gab es zu Zeit­en des Alten Tes­ta­mentes noch keine ‘wis­senschaftliche’ Diszi­plin der Geschichtss­chrei­bung, wie wir sie heute ken­nen. Da fand man noch keine Anführungs- und Schlussze­ichen bei Zitat­en, und keine Fuss­noten in den Tex­ten 😊. Das heisst aber nicht, dass die Men­schen von damals in ein­er geschicht­slosen Welt aus Fabeln und Mythen gelebt haben. Ger­ade dass wir bere­its im Alten Tes­ta­ment eine so bre­it gefächerte Palette an Textgat­tun­gen und stilis­tis­chen Mit­teln vorfind­en, ist ein Beleg dafür, dass sehr wohl dif­feren­ziert schriftlich kom­mu­niziert wurde.

Es gilt also, die Texte erst­mal möglichst so ver­ste­hen zu ler­nen, wie sie in ihrem his­torischen Kon­text ver­standen wur­den. Und eine geschichtliche Erzäh­lung wollte auch in alter Zeit primär als solche ver­standen wer­den: Als Wieder­gabe von geschehenen Ereignis­sen, als Erzäh­lung von real durch­lebten Biografien, Geschehnis­sen usw. Selb­st in oralen Gesellschaften gab es gemäss Ken­neth E. Bay­ley eine hohe und bewusst kul­tivierte Fähigkeit, Geschicht­en an den entschei­den­den Punk­ten inhaltlich ver­lässlich weit­erzuerzählen und dabei gle­ichzeit­ig eine Anwen­dung der Geschichte auf aktuelle Sit­u­a­tio­nen zu vol­lziehen. Die Men­schen wussten, dass man his­torisch auch Falsches weit­ergeben kann und entwick­el­ten Mech­a­nis­men, um dieser Gefahr ent­ge­gen­zuwirken. Im Fall der bib­lis­chen Geschichtss­chrei­bung will der Text als Wieder­gabe der his­torisch stattge­fun­de­nen Geschichte Gottes mit den Men­schen ver­standen werden.

Klar ist auch, dass Jesus und die Apos­tel die his­torischen Berichte des Alten Tes­ta­ments nicht als ‘virtuelle’ Ereignisse ver­standen, als Märchen denen man gewisse Weisheit­en ent­lock­en kon­nte. Vielmehr haben sie diese Geschicht­en immer wieder auf der Grund­lage dessen gedeutet, dass diese auch stattge­fun­den haben.

Wenn es das Anliegen von Mar­tin ist, dass wir von ein­er ‘mech­a­nis­chen’ oder ‘flachen’ Lesart der Bibel dazu kom­men, auch ihre schöne, affek­tive Wahrheit schätzen zu ler­nen, dann kann ich dem auf jeden Fall etwas abgewin­nen. Nur schon die Gat­tun­gen zeigen, dass die Bibel alles andere als ‘flach’ ist, son­dern sie ist mul­ti-dimen­sion­al. Zudem möchte sie den Weg vom Kopf ins Herz find­en. Sie darf, ja sie soll uns auch auf der Ebene unser­er Gefüh­le und Sinne ansprechen.

Nur eben: Es sind dann die fak­tis­chen Geschicht­en, die uns berühren und nicht irgendwelche ‘mythol­o­gis­chen All­ge­mein­wahrheit­en’. Und hier empfinde ich, dass Mar­tin mit der ein­seit­i­gen Aus­niv­el­lierung der Schrift als ‘poet­is­che Wahrheit’ eigentlich genau das macht, was er Kon­ser­v­a­tiv­en vor­wirft: er liest die Bibel eindi­men­sion­al. Dabei riskiert er auch, dass zen­tral­ste Ereignisse in der bib­lis­chen Erzäh­lung in ihrem his­torischen Wahrheits­ge­halt in Frage gestellt wer­den und damit auch die Botschaft des Evangeliums.

Wie geht denn Mar­tin damit um, dass im Herzen der christlichen Botschaft ein his­torisches Ereig­nis samt Wun­dergeschehen ste­ht? Gibt es da für ihn auch Prob­leme mit der «fak­tis­chen Wahrheit», wenn die Bibel davon berichtet, wie Jesus Chris­tus gekreuzigt wurde, wie er gestor­ben ist, begraben wurde, und am drit­ten Tage wieder aufer­weckt wurde von den Toten?

Was haben wir von dieser Geschichte des Kreuzes zu hal­ten, wenn die Bibel zwar ein inspiri­ertes Buch ist, aber fak­tis­che Wahrheit­en schein­bar keine wesentliche Rolle spie­len? Was denkt denn Mar­tin Benz über die Bibel, wenn sie ihm berichtet, wie Jesus am einen Tag als Leich­nam in ein Grab gelegt wurde und am andern Tag betast­bar und ansprech­bar seinen Nach­fol­gern wieder begeg­nete, während den Besuch­ern des Grabes nur gäh­nende Leere ent­ge­genkam? Ist Jesus denn nur ‘poet­isch’ aufer­standen? War das Grab nur ‘poet­isch’ leer?

Nun, ich möchte natür­lich davon aus­ge­hen, dass Mar­tin mit den Chris­ten aller Zeit­en an die leib­liche Auser­ste­hung glaubt. Denn im Kern unseres Glaubens ste­hen nun mal – im Gegen­satz zu vie­len anderen Reli­gio­nen — ein his­torisches Ereig­nis und dessen geistliche Bedeu­tung. Paulus macht dies überdeutlich:

«Ist Chris­tus aber nicht aufer­standen, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden.»(1Kor 15:17)

Dass Jesus nicht ein­fach ‘poet­isch’ aufer­standen ist, wird auch aus den früh­esten christlichen Beken­nt­nis­tex­ten klar, deren For­mulierung auf die Zeit unmit­tel­bar nach Chris­tus datiert wer­den. Paulus gibt ein solch­es Beken­nt­nis im Korinther­brief wieder:

«Denn als Erstes habe ich euch weit­ergegeben, was ich auch emp­fan­gen habe: Dass Chris­tus gestor­ben ist für unsre Sün­den nach der Schrift; und dass er begraben wor­den ist; und dass er aufer­weckt wor­den ist am drit­ten Tage nach der Schrift; und dass er gese­hen wor­den ist von Kephas, danach von den Zwölfen.» (1Kor 15: 3–5)

Für die ersten Chris­ten war die His­tor­iz­ität der Ereignisse rund um Tod und Aufer­ste­hung der­art wichtig, dass sie ihren Weg sehr expliz­it ins Apos­tolis­che Beken­nt­nis gefun­den hat. «Gelit­ten unter Pon­tius Pila­tus» — beken­nen Chris­ten aller Zeit­en und Kon­fes­sio­nen im Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis. Die ersten Chris­ten set­zten das zen­trale Ereig­nis für die Beschrei­bung ihres Glaubens sehr bewusst ein­er his­torischen Über­prüf­barkeit aus. Ganz anders als Mar­tin Benz, welch­er «kri­tis­chen Anfra­gen aus Natur­wis­senschaft und his­torisch­er Wis­senschaft» lieber aus dem Wege gehen will.

Fak­ten spie­len eine fun­da­men­tale Rolle im Glauben eines Chris­ten. Denn wir glauben an einen Gott, der sich dem Men­schen in Raum und Zeit offen­bart hat. Gott ist ein Gott der Geschichte und damit auch ein Gott der his­torischen Fak­ten. Der christliche Glaube ist ein begrün­de­ter Glaube (1Pe 3:15–16). Damit set­zt sich der christliche Glaube der Gefahr aus, durch Beweise dis­qual­i­fiziert zu wer­den. Aber nur durch dieses Risiko hat der christliche Glaube auch die Stärke, einen begrün­de­ten Glauben zu sein. Sich den kri­tis­chen und wis­senschaftlichen Fra­gen zu entziehen ist nicht etwas, das die Bibel als erstrebenswert sieht.

Der kür­zlich ver­stor­bene emer­i­tierte Papst Benedikt XVI bringt dieses christliche Selb­stver­ständ­nis gut auf den Punkt (vgl.: «Skan­dalös­er Real­is­mus? Gott han­delt in der Geschichte», S.10, S.44):

«Dem bib­lis­chen Glauben ist es aber wesentlich, dass er sich auf ein Han­deln Gottes in der Geschichte bezieht; ein der Geschichte beraubter Glaube wäre sein­er Grund­la­gen beraubt

«Geschicht­en sind in der christlichen Predigt nicht bloss Orna­ment für eine ungeschichtliche Lehre, son­dern der Kern sel­ber ist Geschichte»

Mar­tin Benz sät mit sein­er Abnei­gung gegenüber ‘fak­tis­ch­er Wahrheit’ meines Eracht­ens ein Mis­strauen gegenüber Gottes Han­deln in der Geschichte und entzieht damit dem Glauben auch die Möglichkeit, ein begrün­de­ter Glaube zu sein. Mit sein­er Rel­a­tivierung his­torisch­er Berichte fördert er die Ver­legung des Glaubens in den Bere­ich der Sub­jek­tiv­ität und der Gefüh­le. Nochmals der ver­stor­bene Benedikt dazu (vgl. «Jesus von Nazareth», S.64)

«Heute wird die Bibel wei­thin dem Massstab des soge­nan­nten mod­er­nen Welt­bildes unter­wor­fen, dessen Grund­dog­ma es ist, dass Gott in der Geschichte gar nicht han­deln kann – dass also alles, was Gott bet­rifft, in den Bere­ich des Sub­jek­tiv­en zu ver­legen sei

Die Aus­sage von Benedikt XVI verdeut­licht auch, was der frühchristliche Beken­nt­nis­text in 1. Korinther 15 bere­its an den Tag legt: Zwis­chen der Bewahrung des Evan­geli­ums und dem Schriftver­ständ­nis beste­ht ein unmit­tel­bar­er Zusam­men­hang. Die Heilige Schrift schützt und stützt das Evan­geli­um, sowohl was dessen his­torische Wahrheit als auch was dessen the­ol­o­gis­chen Gehalt bet­rifft. Wer den Schrift­massstab in Frage stellt, wird in irgen­dein­er Form auch den Kern des Evan­geli­ums in Frage stellen oder relativieren.

Was sollen wir also von der Bevorzu­gung von ‘poet­is­ch­er’ gegenüber ‘fak­tis­ch­er’ Wahrheit hal­ten, welche uns Mar­tin nahelegt? Ich finde sie ist eine Bedro­hung für den Kern des Evan­geli­ums.

Nichts Neues unter der Sonne.

Was Mar­tin uns hier vorschlägt ist im Grunde nichts Neues. Es ist vor allem ein wieder Aufkochen von grundle­gen­den Ele­menten der ‘guten alten’, lib­eralen The­olo­gie. Sicher­lich kommt diese in unser­er Zeit unter eini­gen neuen Vorze­ichen daher. Doch nach mein­er Wahrnehmung scheint sich der Zugang zur Bibel von Mar­tin Benz gar nicht so wesentlich zu unter­schei­den von dem eines — gut auf seine teils auch kon­ser­v­a­tive Hör­erschaft eingestell­ten — lib­eralen Pas­toren vor 100 Jahren.

Ich habe mich beispiel­sweise in die Schriften von Har­ry Emer­son Fos­dick (1878–1969) ein­ge­le­sen. Der lib­erale Pub­likum­sliebling in den USA argu­men­tiert vor 100 Jahren in seinem Buch «The Mod­ern Use of The Bible» (1926) mit einem Vok­ab­u­lar, welch­es man grad so gut im Jahre 2022 in einem pro­gres­siv­en Buch wie dem­jeni­gen von Mar­tin lesen kön­nte: Wichtig sei die «spir­ituelle Hoff­nung und zeit­lose Inspi­ra­tion», welche das «alte Buch» (die Bibel) ver­mit­tle, erörterte Fos­dick. Alles andere sei der Verän­derung und Neube­w­er­tung unter­wor­fen durch «sich ablösende Weltan­schau­un­gen». Wun­dergeschicht­en der Bibel soll­ten «umdefiniert» und «rein­ter­pretiert» wer­den und die Aufer­ste­hung in den «sym­bol­is­chen Kat­e­gorien des Ori­ents» ver­standen werden.

Der the­ol­o­gis­che Lib­er­al­is­mus, welch­er vor 100 Jahren den Glauben vor dro­hen­den Kon­flik­ten mit den neuen Wis­senschaften in Sicher­heit brin­gen wollte, indem bib­lis­che Berichte und Wun­dergeschicht­en auf eine geistlich-spir­ituelle Deu­tung ohne his­torische Grund­lage reduziert wur­den, zeigt sich uns auch im Jahr 2022 im Buch von Mar­tin Benz. Benz darf die Bibel so lesen, wenn er das möchte. Aus mein­er Sicht ist dies nicht ein geistlich­er Fortschritt, son­dern ein Rückschritt.

Die Hal­tung der mod­er­nen The­olo­gie, etwas könne ‘his­torisch falsch aber religiös wahr sein’, ver­glich der bekan­nte Apolo­get Fran­cis Scha­ef­fer (1912–1984) im Jahre 1950 mit dem Aufhän­gen von Wäscheklam­mern in der Luft:

«Das ist es, was wir meinen, wenn wir davon reden, dass sie eine Wäscheklam­mer in die Luft hän­gen. Sie ver­w­er­fen die His­tor­iz­ität der Heili­gen Schrift und ver­suchen den­noch, an den religiösen Wahrheit­en festzuhal­ten, die die Bibel lehrt.» (An Exam­i­na­tion of the New Mod­ernism, Fran­cis Scha­ef­fer, 1950)

Scha­ef­fers Prog­nose war:  Diese Art von The­olo­gie würde sich vom Lib­er­al­is­mus hin zum Agnos­tizis­mus bewe­gen. Die the­ol­o­gis­chen Entwick­lun­gen der darauf fol­gen­den 20 Jahre wür­den ihm recht geben. Meines Eracht­ens sehen wir in  aktuellen Entwick­lun­gen in der evan­ge­likalen Welt so etwas wie eine Wieder­hol­ung, wen­ngle­ich unter verän­derten Vorze­ichen. Wo beschlossen wird, man könne Wäsche auch ohne eine Wäscheleine in die Luft hän­gen, da ist auch bald keine Wäsche mehr vorhanden.

So manch­er Leser mag den Ansatz von Benz als neue und aufre­gende Gedanken­welt empfind­en. Da ist aber wenig grundle­gend Neues daran. Neu sind diese Ideen höch­stens für eine evan­ge­likal geprägte Leser­schaft, welche bish­er einiger­massen abgeschirmt gelebt hat von diesen Konzepten der lib­eralen The­olo­gie und deren zer­set­zen­den Auswirkun­gen auf viele Kirchen der west­lichen Welt.

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8.   Der postmodern gezähmte Jesus

«Wenn die Geschichte vom barmherzi­gen Samarit­er ein Plä­doy­er für Mit­men­schlichkeit ist, dann ist die Geschichte der Ehe­brecherin ein Plä­doy­er für Men­schlichkeit» (S.131)

Für Mar­tin Benz braucht es «keine weit­ere Offen­barung Gottes neben Jesus» (S.99). Denn in ihm zeige sich das tief­ste Wesen Gottes «glasklar». Was hier gut tönt wirft bei mir den­noch Fra­gen auf.

Ich frage mich zum Beispiel, was Mar­tins Bevorzu­gung von ‘poet­is­ch­er Wahrheit’ gegenüber ‘fak­tis­ch­er Wahrheit’ für sein Por­trait von Jesus bedeutet, denn wir ken­nen Jesus allem voran durch die Berichte in der Bibel.

Wen­det man Mar­tins Skep­sis gegenüber «fak­tis­ch­er Wahrheit» auf die Per­son Jesu an, so wird kon­se­quenter­weise auch Jesus als his­torische Fig­ur rel­a­tiviert. Wenn Mar­tin die alttes­ta­mentlichen Beschrei­bun­gen von Gott immer wieder als sub­jek­tive und zeit­be­zo­gene Gottes­bilder der dama­li­gen Men­schen sieht – wie kann er dann wis­sen, ob die neutes­ta­mentliche Darstel­lung von Jesus uns nicht genau­so ein verz­er­rtes Por­trait des Mes­sias präsentiert?

Wer den Wahrheits­ge­halt der Bibel in Frage stellt, kann nicht ohne weit­eres bei Jesus von ein­er ‘glasklaren’ Offen­barung reden. Wer die alttes­ta­mentlichen Geschicht­en einem Prozess selek­tiv­er Kri­tik unterzieht, müsste kon­se­quenter­weise bei der neutes­ta­mentlichen Berichter­stat­tung über Jesus die gle­ichen Instru­mente einsetzen.

Das hat die Gilde der lib­eralen The­olo­gen getan – zum Beispiel das soge­nan­nte Jesus Sem­i­nar. Diese gegenüber der Zuver­läs­sigkeit der bib­lis­chen Schriften kri­tisch eingestellte Gruppe von ‘Fel­lows’ (Kol­le­gen) wollte ab 1985 über die His­tor­iz­ität der Wun­der und der Reden Jesu befind­en. Per Abstim­mung befan­den sie über den Grad der Ver­lässlichkeit von Jesu Tat­en und Aus­sagen. Am Schluss blieben nach ihnen ger­ade mal 18 Prozent der Aus­sagen Jesu und 16 Prozent sein­er Tat­en übrig.

Von einem solchen Vorge­hen sehen wir bei Mar­tin Benz nichts. Aber wir sehen anderes. Denn der Jesus, den uns Mar­tin Benz präsen­tiert, erscheint mir eige­nar­tig gezähmt.

Jesus und die Ehebrecherin

So kann Mar­tin beispiel­sweise über viele Buch­seit­en hin­weg die Geschichte von Jesus und der Ehe­brecherin ausle­gen (Joh 8), ohne den für die Geschichte ele­men­tar wichti­gen Schlusssatz «Sündi­ge nicht mehr» zu reflek­tieren. Die Gnade wird ganz betont, obwohl Jesus in dieser Geschichte gle­ichzeit­ig Gnade UND Gebot zur Gel­tung bringt.

Abwe­send scheint mir im Buch von Mar­tin auch Jesus als der Ret­ter und Erlös­er. Das fun­da­men­tale Geschehen des Kreuzes wird im Buch nir­gends wirk­lich besprochen. In den ein­lei­t­en­den Seit­en bekun­det Mar­tin Sym­pa­thie für Leute, die mit einem «bes­timmten Ver­ständ­nis von Kreuz, Erlö­sung und Ver­damm­nis» und der Idee des Kreuzes­geschehens als «Genug­tu­ung für einen zorni­gen Gott» Mühe haben (S.37). An einem anderen Ort erwäh­nt er das Kreuz neben­bei als Ort des Vol­lzugs von Fein­desliebe (S.93). Das war’s dann aber schon mit dem Kreuz.

Der Kern unseres Glaubens scheint zu fehlen, näm­lich dass Jesus der Ret­ter ist, der uns von unseren Sün­den erlöst (vgl. Mt 1:22). Stattdessen wird uns Jesus als gross­es Vor­bild vor Augen gemalt.

Natür­lich ist Jesus unser gross­es Vor­bild. Aber er ist weit mehr als das! Jesus TUT auch etwas, das kein­er von uns tun kann und nie jemals wird tun kön­nen: Er erlöst uns von unseren Sün­den (1Kor 15:3, 1Pet 2:24, Mar 10:45). Jesus ist auch jemand, den nie­mand von uns sein kann: Er ist unser Herr (Joh 20:28).

Nur schon die Geschichte von der Ehe­brecherin würde uns diese Aspek­te aufzeigen, denn sie ist eben nicht ein­fach nur ein Aufruf zur Barmherzigkeit, son­dern sie zeigt uns auch Jesus als Per­son mit göt­tlich­er Autorität als einem, der über die Sünde eines Men­schen befind­en kann. Davon hört man bei Mar­tin Benz nichts.

Über­haupt: Es bleibt beim Schreiben von Mar­tin unklar, ob nach ihm der Men­sch über­haupt eines Ret­ters bedarf. Der Ein­druck, der bei mir zurück­ge­blieben ist, dass dem Men­schen lediglich eine Inspi­ra­tion zu einem guten Leben fehlt und da kein echt­es Sün­den­prob­lem vorhan­den ist, dessen Lösung ein gerechter Gott in sein­er Liebe nur selb­st bew­erk­stel­li­gen kon­nte, indem er sich in seinem Sohn für die Men­schen hingab (Joh 3:16; Rö 5:8).

Ich ver­misse immer wieder entschei­dende Aspek­te im Por­trait, welch­es Mar­tin von Jesus zeichnet.

Von den umfan­gre­ichen Gericht­sre­den und ‘harten’ Worten Jesu liest man im Buch auch nicht wirk­lich etwas. Wie ste­ht es bei Mar­tin um den Jesus, der zu Gewalt­mit­teln greift in der Tem­pel­reini­gung (Joh 2:15)? Wie ste­ht es um den Jesus, der Bäume und Städte ver­flucht (Mk 11:21; Mt 11,20:24)? Wie ste­ht es um den Jesus, der von Him­mel und Hölle spricht, von ein­er grossen Schei­dung am Ende der Zeit, von ‘Heulen und Zäh­neklap­pern’ (Mt 13:49–50)? Wie ste­ht es um den Jesus, der das schreck­liche Gericht über die Stadt Sodom zum Mod­ell macht für kom­mende Gerichte Gottes (Mt 11:20,24)? Wie ste­ht Mar­tin zur bib­lis­chen Trinität­slehre, welche Chris­tus von Anbe­ginn der Zeit ins göt­tliche Han­deln in dieser Welt ein­bindet – ihn also auch zum Mitwirk­enden am göt­tlichen Gericht­shan­deln im Alten Tes­ta­ment macht (z.B. Jud 1:4–5; 1Kor 10:9)? Wie ste­ht Mar­tin zur bib­lis­chen Lehre von Jesus Chris­tus als zukün­ftigem Richter über die Leben­den und die Toten (Apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis, vgl. 1Pet 4:5). Wie ste­ht Mar­tin zu dem Chris­tus, der im Buch der Offen­barung die falsche Prophetin Isebel mit dem Tod richtet, weil sie die Gläu­bi­gen zur Unzucht – also zu sex­uellen Sün­den – ver­führt hat (Offb 2:18–23?

Wenn Mar­tin mit den Jesus­bericht­en gle­ich umge­hen würde, wie er mit dem Alten Tes­ta­ment umge­ht, dann würde Mar­tin sich angesichts solch­er Bibel­stellen mit fol­gen­den Fra­gen aktiv und kri­tisch beschäfti­gen: Ist dieser Jesus der his­torisch reale Jesus oder vielle­icht doch nicht? Was mache ich nur mit den ‘schwieri­gen’ Bibel­stellen? Gehören sie zu einem antiken Denken, das heute ungültig ist? War Jesus vielle­icht vom mitunter falschen Denken sein­er Zeit bee­in­flusst? Fand dieses falsche Denken möglicher­weise Ein­gang ins Neue Testament?

Doch eine Auseinan­der­set­zung mit diesen Fra­gen find­en wir im Buch nicht.

Die Ursache für diese vie­len Leer­stellen im Por­trait von Jesus liegt möglicher­weise darin: Während Mar­tin bere­it ist, vieles im Alten Tes­ta­ment aktiv zu kri­tisieren, in Frage zu stellen oder zu rel­a­tivieren, zeigt sich in seinem Por­trait von Jesus eine andere Art der Kri­tik, näm­lich eine Kri­tik durch stille Zen­sur. Über gewisse Dinge wird nicht mehr gesprochen. Pas­sagen, Geschicht­en oder The­men wer­den hier ‘ver­wor­fen’, indem man sie aus­blendet. Es wird ein ‘ghost­ing’ von bes­timmten The­men, Fragestel­lun­gen und Tex­ten vol­l­zo­gen, welche aber eigentlich wesentlich wären, um ein ganzheitlich­es Bild von Jesus zu erhalten.

Wir alle ste­hen in der Gefahr, uns unseren eige­nen ‘Jesus’ zu basteln. Und ich denke, dass dies auch oft unbe­wusst geschieht. Der Men­sch sucht sich gerne das, was seine Sicht der Dinge bestätigt und nicht, was diese her­aus­fordert oder in Frage stellt. Da bin ich selb­st auf alle Fälle mit­be­trof­fen. Nicht­destotrotz bleibt das Faz­it: Mar­tin präsen­tiert uns einen gezähmten Jesus. Er erlaubt diesem nur noch, in der Rolle als Verkün­der und Verkör­per­er von Barmherzigkeit, Fein­desliebe und Mit­men­schlichkeit aufzutreten – mehr aber nicht.

Mar­tin Benz stellt ins Zen­trum sein­er The­olo­gie also einen Jesus der ‘guten Werte’. Mar­tin hat diese Werte ent­deckt, und möchte sie uns näher brin­gen. Aber die konkreten Weisun­gen Jesu, welche sich manch­mal an gesellschaftlichen Selb­stver­ständlichkeit­en unser­er Zeit reiben, scheinen uns nur noch bed­ingt etwas zu sagen haben.

Sicht­bar wird dies in der Unter­las­sung, der Ehe-Lehre von Jesus gebührende Beach­tung zu geben, wenn er über das The­ma Homo­sex­u­al­ität nach­denkt. Mit den Lip­pen wird Jesus zwar als die endgültige und klare Offen­barung Gottes bekan­nt. In der Prax­is wird selek­tiert und Jesus als ein Lehrer behan­delt, der abge­se­hen von seinen guten Werten und seinem vor­bildlichen Ver­hal­ten irgend­wie auch nur ein Kind sein­er Zeit war, auf den wir nur noch bed­ingt hören möchten.

In der Gedanken­welt von Mar­tin Benz scheinen wir selb­st den ‘Kinder­schuhen’ Jesu entwach­sen zu sein. Wir sind jet­zt diejeni­gen, welche die Dinge ord­nen – neu ordnen.

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9.   Von der Notordnung zur Neuordnung

«Auch wenn es in der Bibel kri­tis­che Stellen zu Homo­sex­u­al­ität gibt, eröffnet das Prinzip der Neuord­nun­gen die Möglichkeit, mit einem verän­derten Willen Gottes zu rech­nen…» (S.171)

Ein wichtiges The­ma von Mar­tin sind die von ihm in der Bibel ent­deck­ten ‘Neuord­nun­gen’ (S. 159). Dieses Konzept ist nicht wirk­lich seine Idee, wie das Buch möglicher­weise den Ein­druck erweckt. Vielmehr ist das Konzept in der Welt der The­olo­gie seit vie­len Jahren bekan­nt unter dem Begriff der ‘Notord­nung’ respek­tive ‘Notverord­nung’.

Der deutsche The­ologe Hel­mut Thielicke (1928–1986) hat diese Begrif­flichkeit bere­its vor Jahrzehn­ten in sein­er Ethik ver­wen­det, als er über das Alter­skonku­bi­nat schrieb. In der Mis­sion­s­the­olo­gie wurde mit dieser Begrif­flichkeit über Polyg­a­mie disku­tiert, welche in gewis­sen Wel­tre­gio­nen gesellschaftlich ver­ankert ist. Und im Jahre 2002 plädierte Vale­ria Hinck in ihrem Buch ‘Stre­it­fall Liebe’ auf ganz ähn­liche Weise für eine «ausseror­dentliche» Lösung im Falle der Homosexualität.

Tat­säch­lich hat Mar­tin Benz noch bis vor kurzem selb­st mit dem Begriff der ‘Notord­nung’ gear­beit­et. Doch in seinem Buch wird nun ‘Notord­nung’ kon­se­quent durch das völ­lig anders kon­notierte Wort ‘Neuord­nung’ erset­zt. Es stellt sich natür­lich die Frage: Warum? Mar­tin gibt uns im Buch keine Antwort darauf.

Im Begriff der ‘Notord­nung’ steckt stets ein Bezug zu ein­er vorhan­de­nen schwieri­gen Real­ität drin. Wir reden nicht von einem Ide­al­fall, son­dern von ein­er Reg­ulierung, welche wir eigentlich gerne wieder aufheben möcht­en. Den Begriff der ‘Neuord­nung’ hinge­gen verbinden wir mit bleiben­der Verbesserung und Fortschritt. Der Gedanke ein­er tem­porären, sub­op­ti­malen Notlö­sung ist da gän­zlich verschwunden.

Zwar spricht Mar­tin Benz in seinem Buch davon, dass diese ‘Neuor­dun­gen’ «etwas Vor­läu­figes» seien (S.160). Doch diese For­mulierung kann genau­so auch pro­gres­siv gedeutet wer­den. Mit dem stillen Wortwech­sel von der ‘Notord­nung’ hin zur ‘Neuord­nung’ erweist sich Mar­tin Benz jeden­falls als ein wahrhaftig Pro­gres­siv­er, der um die Kraft von Worten weiss, und diese ein­set­zt, um die Gedanken sein­er Leser in die gewün­scht­en Bah­nen zu lenken.

Die Gedanken der Leser lenken – dies tut er auch in den Beispie­len von bib­lis­chen Notord­nun­gen, welche er auf­führt. Bei seinem Beispiel über die Ein­führung des König­tums in Israel ist es Mar­tin wichtig zu beto­nen, dass dieses König­tum nicht nur erlaubt, son­dern gar von Gott geseg­net wird. Dies lässt natür­lich das König­tum eher als segen­sre­iche Neuord­nung erscheinen, denn als eine mit neg­a­tiv­en Neben­wirkun­gen behaftete Notord­nung für den Men­schen. Doch in der von ihm ref­eren­zierten Bibel­stelle (1Sam 10:25), lese ich rein gar nichts von einem Segen Gottes. Vielle­icht wurde hier aus Verse­hen eine falsche Bibel­stelle zitiert? Ich frage mich zudem: Warum erwäh­nt Mar­tin in diesem Zusam­men­hang nicht das äusserst rel­e­vante achte Kapi­tel im ersten Samuel-Buch? Hier fordert Gott den Propheten aus­drück­lich auf, das Volk vor den vie­len neg­a­tiv­en Fol­gen ein­er Königsh­errschaft zu war­nen und macht auch klar, dass der Wun­sch nach einem König nichts anderes als eine Rück­weisung von Gott selb­st darstellt. Notord­nun­gen in der Bibel sind eben nicht glo­r­re­iche Neuord­nun­gen. Sie sind auch nicht der näch­ste Schritt in der Höher­en­twick­lung der Men­schheit. Sie sind — so meine Wahrnehmung – immer Ord­nun­gen, welche vom göt­tlichen Ide­al abrück­en und deshalb auch nicht als Fortschritt präsen­tiert wer­den soll­ten. Sie sind Ord­nun­gen, die unter Umstän­den wieder abgeschafft wer­den sollen – wie zum Beispiel Jesus die Polyg­a­mie abschafft in Mat 19.

Ein unberechenbarer Gott

Eines der grössten Prob­leme in der Idee von Neuord­nun­gen liegt meines Eracht­ens in den Auswirkun­gen aufs Gottes­bild. Mar­tin schreibt von einem Gott, der in sein­er Beziehung zu den Men­schen immer wieder bere­it ist, «Seinen Willen zu ändern oder anzu­passen» (S.171).

In der Anwen­dung auf das von Mar­tin gewählte Beispiel der Homo­sex­u­al­ität zeigt sich die drama­tis­che Wirkung seines Vorschlages auf das Gottesbild.

Mar­tin begin­nt mit dem Eingeständ­nis, dass es «in der Bibel kri­tis­che Stellen zu Homo­sex­u­al­ität» gibt (S. 159). Diese For­mulierung ist aber irreführend. Denn der eigentliche Punkt ist ja, dass es ist der Bibel auss­chliesslich kri­tis­che Stellen zur Homo­sex­u­al­ität gibt und Het­ero­sex­u­al­ität die einzige von Gott in der Bibel geseg­nete Form sex­ueller Gemein­schaft ist. Dies zieht sich durch vom Alten Tes­ta­ment bis ins Neue hinein. Selb­st namhafte lib­erale The­olo­gen sehen das so. So erk­lärt William Loader, der auf­grund seines lib­eralen Bibelver­ständ­niss­es für die Seg­nung und Trau­ung homo­sex­ueller Paare ist, über Paulus:

«Es ist unvorstell­bar, dass Paulus mit auch nur ein­er homo­sex­ueller Hand­lung ein­ver­standen gewe­sen wäre, wenn er – und davon müssen wir aus­ge­hen — die levi­tis­chen Ver­bote von 18,22 und 20,13 ver­stand wie die Juden sein­er Zeit es tat­en.» (William Loader, The New Tes­ta­ment on Sex­u­al­i­ty, 2012, Seite 322)

Das Ori­en­tierungspa­pi­er der EKD (Evan­ge­lis­che Kirche in Deutsch­land) über Homo­sex­u­al­ität aus dem Jahr 1996 sagt:

«…dass es keine bib­lis­chen Aus­sagen gibt, die Homo­sex­u­al­ität in eine pos­i­tive Beziehung zum Willen Gottes set­zen… kon­sta­tieren, dass nach diesen Aus­sagen homo­sex­uelle Prax­is dem Willen Gottes wider­spricht.» (EKD Ori­en­tierungspa­pi­er ‘Mit Span­nun­gen leben’)

Man kann es sog­ar noch zus­pitzen: Wo in den Lehren Jesu und der Apos­tel im Neuen Tes­ta­ment alttes­ta­mentliche Rein­heitsvorschriften beispiel­sweise aufgelöst wer­den (Mk 7, vgl. Hebräer­brief) sehen wir im Neuen Tes­ta­ment in der Sex­u­allehre eher eine Ver­schär­fung (vgl. Mt 5:27) und im Falle der Homo­sex­u­al­ität auf jeden Fall eine klare Bestä­ti­gung der alttes­ta­mentlichen Haltung.

Mar­tin spricht also von einem Mei­n­ung­sum­schwung Gottes, welch­er im Wider­spruch zum klaren, ein­deuti­gen und durchgängi­gen Zeug­nis der Heili­gen Schrift ste­ht, wo Gott immer wieder Wege sucht, die Men­schen zurück auf die Wege zu brin­gen, die er mit ihnen schon immer haben wollte.

Dabei ist Mar­tin Benz eigentliche der­jenige der betont, es dürfe Gott nicht «in mehreren Ver­sio­nen» geben (S.87,92). Denn eine solche Unberechen­barkeit zer­störe das Vertrauen.

Aber was ist denn das, was uns Mar­tin hier präsen­tiert, anderes als ein unberechen­bar­er Gott, der seine beständi­gen und klaren Anweisun­gen an den Men­schen schein­bar ein­fach ändern kann? Was wird dieser Gott uns mor­gen sagen? Wehe dem, der sich heute auf die Worte eines solchen ‘Gottes’ ver­lässt und sein Leben an ihnen aus­richtet. Er wird Mor­gen bere­its wieder auf der falschen Seite der Geschichte ste­hen, wenn diesem Gott etwas Neues einfällt.

Wenn Gott früher aus­gelebte Homo­sex­u­al­ität ablehnte, diese aber heute auf­grund ein­er Mei­n­ungsän­derung nun unter­stützt und seg­net: Wie ‘fair’ ist das gegenüber den vie­len gle­ichgeschlechtlich empfind­en­den Men­schen aus der Zeit der Bibel? Ein solch ‚pro­gres­siv­er Gott‘ würde Fra­gen betr­e­f­fend sein Gerechtigkeit wecken.

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10. Wenn der Geist neue Offenbarung schenkt

«Dazu sind Entschei­dun­gen nötig, die über die Bibel hin­aus­ge­hen – aus dem ein­fachen Grund, weil jed­er Text zwis­chen zwei Buchdeck­eln beschränkt ist» (S. 151)

Es ist eine Tat­sache, dass wir heute Fragestel­lun­gen begeg­nen, welche die Men­schen in der Ver­gan­gen­heit nicht hat­ten. Es ist auch eine Tat­sache, dass wir zu diesen Fragestel­lun­gen dann auch keine direk­ten Antworten in der Bibel find­en. Das heisst aber nicht, dass uns die Bibel nicht gute Grund­la­gen auch für die Beurteilung neuer Fragestel­lun­gen geben würde.

Hier ist es auf alle Fälle richtig, mit ethis­chen Prinzip­i­en zu arbeit­en, wie Mar­tin es anregt.

Manch­mal gibt es in der Bibel eine Band­bre­ite an Aus­sagen, die schein­bar in unter­schiedliche Rich­tun­gen gehen. Dann gibt es Gesprächsstoff. Beim The­ma der Homo­sex­u­al­ität ist es aber so, dass sich die Bibel ein­heitlich und deshalb klar äussert. Doch selb­st bei diesem The­ma, wo der bib­lis­che Befund klar ist, möchte Mar­tin ‘über die Bibel hin­aus­ge­hen’. Der von Mar­tin Benz geprägte Glauben­sty­pus des «geis­ter­füll­ten Pro­gres­siv­en» ver­mag es schein­bar, mith­il­fe weniger aus der Bibel her­aus­ge­filtert­er Werte und dem Bewusst­sein der ‘Geis­tesleitung’, sich von einem klaren Zeug­nis der Schrift und den konkreten Lehren Jesu zu verabschieden.

Grundle­gend für den Pro­gres­sivis­mus ist die Idee, dass neue Zeit­en auch neue Her­aus­forderun­gen mit sich brin­gen, bei deren Lösung uns die bib­lis­chen Ord­nun­gen nicht mehr weit­er­helfen kön­nen. Anstelle der bib­lis­chen Ord­nun­gen braucht es dann neuen Geistes-Input.

Nun – ich per­sön­lich sehe in der Bibel eine präzise Analyse der Men­schheit auch für unsere Zeit. Ich finde, dass zum Beispiel Römer 1 immer noch top aktuell ist und es bleiben wird. Pro­gres­sive wer­den das möglicher­weise anders sehen. Sie nehmen einen von ihnen ent­deck­ten ‘Jesus-gemässen Geist’ oder eine von ihnen ent­deck­te ‘Jesus-gemässe Gesin­nung’ zum Anlass, den Boden der Ord­nun­gen zu ver­lassen, welche Jesus und die bib­lis­chen Schriften uns vermitteln.

Ich möchte zu bedenken geben, dass dieser vorgeschla­gene Weg der ver­trauensvollen Art wieder­spricht, mit der Jesus und auch die Apos­tel auf die bib­lis­chen Schriften Bezug genom­men haben. Es ist meines Eracht­ens eine Frage des Ver­trauens. Ver­trauen wir Jesus wirk­lich, dass seine Ord­nun­gen und Anweisun­gen gut sind? Wenn Ja, dann lasst uns auch die ‘Ver­trauensfrage’ beacht­en, welche dieser Jesus seinen Zeitgenossen in Bezug auf die alttes­ta­mentlichen Schriften gestellt hat:

«Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?» Joh 5:46–47

Wer Jesus ver­traut, der wird auch Mose und «seinen Schriften» ver­trauen. Dieses ‘Ver­trauen­sprinzip’ sollte für uns als Nach­fol­ger Jesu lei­t­end sein, sowohl was die alttes­ta­mentlichen Offen­barun­gen, als auch was die Lehren Jesu und der Apos­tel bet­rifft (vgl. Eph 2:20).

Wer diesem ‘Ver­trauen­sprinzip’ fol­gt, der wird nicht in Wider­spruch zur bere­its vorhan­de­nen Offen­barung gehen wollen, weil er um deren heil­same und lebens­fördernde Wirkung weiss. Weil er dem Urhe­ber dieser Offen­barung ver­traut. Dies gilt auch im Bere­ich der Sexualität.

Das biblische Vertrauensprinzip

Ich glaube, dass fol­gende Hal­tung uns als Chris­ten kennze­ich­nen sollte: Gott spricht zu uns durch sein Wort. Dieses Wort ist lebendig und kräftig, auch für unsere Zeit (Heb 4:12). Wenn Gott zu uns spricht, dann kann nur ver­trauensvoller Gehor­sam unsere Antwort sein.

Natür­lich müssen wir die Bibel mit Gottes Hil­fe ausle­gen. Und das bedeutet, auch für das Reden seines Geistes in ver­schiedene Sit­u­a­tio­nen hinein offen zu sein. Aber der Geist Gottes wird nicht dem von ihm selb­st inspiri­erten Wort wider­sprechen. Und die Liebe wird das auch nicht tun, ist sie doch in der Bibel untrennbar mit dem Wan­del nach Gottes Geboten verbunden:

«Und das ist die Liebe, dass wir wan­deln nach seinen Geboten.» (2Joh 1:6a)

Selb­st David, der ja ger­ade im Bere­ich der Sex­u­al­ität seine Her­aus­forderun­gen und Fehltritte hat­te, betonte die Ori­en­tierung und Hil­fe, welche er in den Ord­nun­gen Gottes fand:

«Das Gesetz des HERRN ist vol­lkom­men und erquickt die Seele. Das Zeug­nis des HERRN ist gewiss und macht die Unver­ständi­gen weise.» (Ps 19:8)

Der Psalmist betont die bleibende Aktu­al­ität und Rel­e­vanz der Ord­nun­gen Gottes:

«Ich habe mehr Ein­sicht als alle meine Lehrer; denn über deine Zeug­nisse sinne ich nach. Ich bin klüger als die Alten; denn ich halte deine Befehle.» (Ps 119:99–100)

Eine Per­son wie David hat in alttes­ta­mentlichen Geboten göt­tliche Kor­rek­tur gefun­den, auch in Fra­gen der Sex­u­al­ität (vgl. 2Sam 12:9; Ps 51). Mar­tin Benz aber hält die Bibel für ungeeignet, wenn es um die For­mulierung ein­er christlichen Sex­ual­moral geht (S. 154). Schade – finde ich. Denn: Worauf sollte denn der Christ seine «christliche Sex­ual­moral» bauen, wenn nicht auf dem Buch der Chris­ten — dem inspiri­erten Wort Gottes? Lässt uns Gott denn in seinem Wort im Dunkeln, wenn es um solch ele­men­tarte Angele­gen­heit­en des men­schlichen Daseins, wie beispiel­sweise der Sex­u­al­ität, geht? Bes­timmt nicht! Er spricht deut­lich genug, dass wir ihn ver­ste­hen kön­nen. Die Frage ist vielle­icht eher, ob wir hören wollen.

Von ungültigen Ordnungen und Gesetzen

Als Grund für seine grund­sät­zliche Ablehnung der Bibel in Fra­gen christlich­er Sex­ual­moral führt Mar­tin ein Sam­mel­suri­um von gesellschaftlichen Codes und Reg­ulierun­gen zum The­ma Sex­u­al­ität aus dem Alten Tes­ta­ment auf, die für uns heute wie selb­stver­ständlich keine Gültigkeit mehr haben, weil sie «nicht Sex­u­al­ität im Sinn» hat­ten, son­dern andere gesellschaftliche The­men wie «materielle Ver­sorgung, Schutz, Sicher­heit, Fam­i­lienehre oder Sip­pen­er­halt.» (S. 147) Das ist für ihn der Anlass, ganz grund­sät­zlich der Bibel eine Weisungs­berech­ti­gung in Fra­gen der Sex­ual­moral abzus­prechen. Es muss was Neues her!

Dazu drei Hinweise:

Erstens empfinde ich, dass es Mar­tin immer wieder ver­passt, Unter­schei­dun­gen und Dif­feren­zierun­gen anzuwen­den, welche uns die Bibel selb­st gibt. Das neutes­ta­mentliche Ver­ständ­nis besagt zum Beispiel, dass die Zer­e­monienge­set­ze von Mose rund um das Opfer­sys­tem und um die rit­uelle Rein­heit aufgelöst sind, da sie sich in Jesus Chris­tus erfüllt haben und somit nicht länger bindend sind. Auch das volk­spez­i­fis­che Judizialge­setz der Juden hat für uns keine bindende Kraft mehr. Das heisst natür­lich nicht, dass wir in diesen nicht-binden­den Regeln nicht auch wertvolle Erken­nt­nisse für Glauben und Leben ent­deck­en kön­nen (Mar­tin tut dies auch sehr schön in sein­er Über­tra­gung eines Geset­zes aus 3Mo 23:22 in unsere Zeit). Was aber das moralis­che Gesetz des Alten Tes­ta­ments bet­rifft: Hier macht das Neue Tes­ta­ment deut­lich, dass dieses immer noch in Kraft ist. So heisst es zum Beispiel im Hebräer 10:16, dass der Heilige Geist «Gottes Gesetz» in die Herzen der Chris­ten schreibt (somit sind die Geset­ze offen­sichtlich noch in Kraft), obwohl das­selbe bib­lis­che Buch uns mit­teilt, dass einige dieser mosais­chen Geset­ze, näm­lich das Zer­e­monienge­setz, nicht länger bindend für uns sind. Hier gibt uns die Bibel selb­st wichtige Unter­schei­dun­gen vor, welche gemäss dem The­olo­gen Tim Keller seit neutes­ta­mentlich­er Zeit von allen Zweigen der Kirche vertreten werden.

Zweit­ens soll­ten wir fest­stellen, dass sowohl Jesus als auch Paulus ihre Ehe- und Sex­u­allehre nicht nur an den mosais­chen Geboten und den Reg­ulierun­gen für das Volk der Juden fest­machen, son­dern zurück­binden in die Schöp­fungserzäh­lung. Ihre Sex­u­alethik ist also nicht ein­fach Recht­sor­d­nung für ein bes­timmtes Volk, son­dern sie baut auf der Schöp­fung­sor­d­nung auf, wom­it sie einen Zeit- und Volk­süber­greifend­en Charak­ter bekommt. So baut Paulus seine Argu­men­ta­tion gegen Unzucht und für vore­he­liche Enthalt­samkeit auf dem Schöp­fungs­bericht auf (1Mo 2:24 in 1Kor 6:12–20, vgl. 1Kor 7:1–2 und 1Kor 7:8–9). Auch die Erläuterun­gen zur Ehe bei Jesus und Paulus basieren auf dem Schöp­fungs­bericht (1Mo 2:24 in Mt 19:3–9, vgl. 1Kor 7:10–16). In sein­er Ablehnung von homo­sex­ueller Prax­is nimmt Paulus nicht nur Bezug auf die entsprechen­den Gebote Mose (1Kor 6:9 nimmt in sein­er Wort­wahl Bezug auf 3Mo 18:22), son­dern auch auf Schöp­fungs­gegeben­heit­en (Rö 1:26 bezieht sich auf die Naturordnung).

Drit­tens möchte ich darauf hin­weisen, dass das von Mar­tin zurecht geschätzte ‘höch­ste Gebot’ der Gottes- und Näch­sten­liebe kein neutes­ta­mentlich­es Gebot ist, son­dern alttes­ta­mentlichen Ursprung hat (5Mo 6:5; 3Mo 19:18). Wenn Mar­tin diese Gebote der Gottes- und Näch­sten­liebe so her­ausstre­icht, welche Jesus und Paulus unter anderem deshalb so wichtig sind, weil sie im Alten Tes­ta­ment etabliert wer­den, warum kann er das nicht auch im Bere­ich der Sex­u­alethik tun, wo Jesus und Paulus genau­so auf das Alte Tes­ta­ment zurück­greifen? Etwas pro­vokan­ter for­muliert: Wenn Mar­tin eine sex­u­alethis­che Bibel­stelle wie 3Mo 18:22 (über Homo­sex­u­al­ität) für uns als ungültig erk­lären will, obwohl ihre Gültigkeit im Neuen Tes­ta­ment bestätigt wird, warum erk­lärt er dann nicht auch das Liebesge­bot ziem­lich unmit­tel­bar danach (3Mo 19:18) für ungültig? Es gibt hier ein­fach eine logis­che Inkonsistenz.

Inter­es­san­ter­weise ist der Vers unmit­tel­bar vor dem alttes­ta­mentlichen Liebesge­bot (3Mo 19:18) ein Aufruf, die Geschwis­ter im Glauben zu lieben (wörtlich: nicht zu Has­sen im Herzen), indem wir sie zurechtweisen, wenn sie sündi­gen (3Mo 19:17). Das Gebot der Näch­sten­liebe ist also unmit­tel­bar ver­bun­den mit dem Gebot zur Zurechtweisung aus Liebe. Das ist möglicher­weise der Hin­ter­grund für Jesus gewe­sen, die Frau die den Ehe­bruch began­gen hat, am Schluss aufzu­rufen, nicht mehr zu sündi­gen. Es ist nicht Liebe, Gottes gute Ord­nun­gen über Bord zu wer­fen oder zu ignori­eren. Es ist Liebe, wenn wir einan­der auf diese hin­weisen, weil sie zu unserem Besten dienen.

Die ‘klas­sis­che’ christliche Sicht auf diese Fra­gen von Ord­nun­gen und Geset­zen ist fol­gende:  Ja, es gibt Dinge in der Bibel, die Chris­ten nicht mehr länger ein­hal­ten müssen. Wenn aber die Bibel für uns die let­zte Autorität hat, dann ist es nur die Bibel selb­st, welche uns sagen kann, welche Dinge das sind. Das Ver­bot homo­sex­ueller Prax­is ist im Neuen Tes­ta­ment bestätigt (Röm 1, 1Kor 6, 1Tim 1). Die Reini­gungs­ge­set­ze und Zer­e­monien­vorschriften sind aber nicht länger in Kraft (Mar 7, Hebräerbrief).

Ich möchte an dieser Stelle zusam­men­fassend ein­fach zur Vor­sicht mah­nen. Die Fähigkeit guter Kom­mu­nika­tion ist eine grossar­tige Gabe. Aber es beste­ht immer auch die Gefahr, dass wir uns von gewin­nen­der Rhetorik zu schnell überzeu­gen lassen. Mar­tin Benz hat die geniale Gabe der Kom­mu­nika­tion. In seinem Buch berichtet er sehr offen von per­sön­lich­er Desil­lu­sion­ierung, ern­sthafter Suche und let­z­tendlich von einem neuen Reden des Geistes. Als Leser gehen wir inner­lich mit. Doch nur weil uns auf gekon­nte und gewin­nende Art etwas Neues präsen­tiert wird, heisst noch nicht, dass wir das unkri­tisch annehmen soll­ten. Die Beru­fung auf eine Offen­barung des Geistes ist eigentlich ger­ade in der von Mar­tin kri­tisierten «Wort-des-Glaubens-Bewe­gung» ein oft miss­bräuch­lich einge­set­ztes Instru­ment. Deshalb: Nur weil sich jemand auf das Reden und das Zeug­nis des Heili­gen Geistes beruft, heisst das noch nicht, dass wir automa­tisch damit ein­ver­standen sein sollten!

Die Bibel fordert uns her­aus, neue Offen­barun­gen daraufhin zu prüfen, ob ihre Botschaft mit den Inhal­ten und Lehren der Schrift übere­in­stim­men (1. Kor 4:6), welche vom heili­gen Geist inspiri­ert ist. Diese Übere­in­stim­mung ist meines Eracht­ens bei der von Mar­tin angeregten ‘Neuord­nung’ nicht vorhan­den. Die Offen­barung, welche Mar­tin uns nahelegt, geht nicht nur über die Schrift hin­aus, son­dern wider­spricht ihr auch ganz grundsätzlich.

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11. Dogmatik oder Ethik?

«Viele Gemein­den und Chris­ten sehnen sich hän­derin­gend danach, dass jemand den Mut hat, diese ethis­chen Prinzip­i­en zu for­mulieren…» (S121)

Der Pio­nier, der den Mut hat, diese ethis­chen Prinzip­i­en für diese Gemein­den und Chris­ten zu for­mulieren, heisst natür­lich Mar­tin Benz.

Ich finde, man sollte die von Mar­tin Benz for­mulierten Para­me­ter zur Beurteilung von ethis­chen Fragestel­lun­gen zunächst mal dank­end zur Ken­nt­nis nehmen als Basis für eine Diskus­sion. Ich sel­ber sehe mich nicht als Ethik-Spezial­is­ten. Meine Fra­gen möchte ich trotz­dem formulieren.

Nichts Neues

Erstens ist das Unter­fan­gen von Mar­tin Benz, ethis­che Prinzip­i­en zu for­mulieren, nichts Neues. Das Fach Ethik ist auch an evan­ge­likalen und pietis­tisch geprägten Bibelschulen seit vie­len Jahrzehn­ten etabliert. Teils umfan­gre­iche Werke wur­den geschrieben. Im deutschsprachi­gen Raum heis­sen die Autoren Bock­mühl, Schirrma­ch­er, Burkhardt, Hunte­mann, usw.

Ich für mich muss auch sagen: Ich empfinde die Arbeit­en dieser Autoren als gründlich­er und aus­gereifter als das, was uns Mar­tin Benz in den weni­gen ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Seit­en präsen­tiert. Ich weiss ehrlich nicht, wie ich die Selb­stin­sze­nierung Mar­tins als mutiger Pio­nier der Ethik ver­ste­hen soll. Vielle­icht passen die Inhalte der oben genan­nten Autoren für Mar­tin nicht? Dann sollte man das aber auch sagen und konkret begrün­den, weshalb man zu anderen Schlüssen kommt.

Eine christliche Ethik?

Zweit­ens wird nie wirk­lich klar, ob Mar­tin uns eine Ethik für die christliche Gemeinde oder eine all­ge­meine Ethik präsen­tiert, welche für die gesamte Gesellschaft umset­zbar sein soll. Mar­tin spricht zwar von ein­er «christlichen Ethik», von ein­er «christlichen Moral» und von «Werten des Him­mels». Er spricht von Gemein­den und Chris­ten, welche sich nach guten ethis­chen Prinzip­i­en sehnen.

Aber die ethis­chen Prinzip­i­en, welche er aus der Bibel her­aus­des­til­liert, sind doch sehr all­ge­mein for­mulierte Grund­sätze, welche ohne Rück­halt in der Heili­gen Schrift zu ein­er grossen Band­bre­ite an Ergeb­nis­sen führen kön­nen – genau­so wie ein all­ge­meines ‘Liebe­sprinzip’ das vom konkreten Ver­ständ­nis der Bibel von Liebe abgelöst wird zu ein­er grossen Band­bre­ite an Ergeb­nis­sen führen kann. Solche Ergeb­nisse kön­nen dur­chaus den in der Schrift fest­ge­hal­te­nen klaren Anweisun­gen bezüglich per­sön­lich­er Lebens­führung wider­sprechen. Beispiel: Neuord­nung betr­e­f­fend Homosexualität.

Kann sich denn eine christliche Ethik so stark vom Buch der Chris­ten, der Bibel, ablösen? Warum führt die Ethik von Mar­tin Benz in gewis­sen Fällen zu Ergeb­nis­sen, welche dem durchgängi­gen Zeug­nis der Bibel wider­sprechen? Müsste sich der Christ auf der Grund­lage sein­er Erlö­sung und in der Kraft des Heili­gen Geistes nicht an ein­er höheren Ethik ori­en­tieren, als man es einem Nichtchris­ten, der ohne diese göt­tliche Kraftquelle lebt, zumuten kann?

Die Geschichte des reichen Jünglings (Mk 10, 17ff) beispiel­sweise zeigt, dass der Men­sch sehr wohl moralis­che Massstäbe aus eigen­er Kraft erfüllen kann, zumin­d­est bis zu einem gewis­sen Grad. Aber ohne die Hil­fe Gottes wird er den­noch in entschei­den­den Punk­ten versagen.

Wie weit kann dem Men­schen ohne Gott die Ein­hal­tung ein­er wahrhaft christlichen Ethik zuge­mutet wer­den? Oder ist es möglicher­weise ander­sherum: dass wir dem Chris­ten unser­er Tage eine wahrhaft christliche Ethik nicht mehr zumuten und ihm lieber eine ‘Light-Ver­sion’ präsentieren?

Hier ver­misse ich nötige Dif­feren­zierun­gen und Klärung.

Wie ist das Zusammenspiel?

Drit­tens wün­schte ich in den Erörterun­gen von Mar­tin mehr Infor­ma­tio­nen darüber, wie seine ethis­chen Leit­sätze denn nun zusam­men­spie­len sollen.

Es wird zum Beispiel wenig darüber gesagt, ob und wie die Leit­sätze ein­er inneren Hier­ar­chie unter­wor­fen sind oder nicht. Ein ten­den­ziell hier­ar­chielos­es Sys­tem kommt dann an seine Gren­zen, wenn es zum Kon­flik­t­fall kommt. Wenn man dann die Bibel mit ihren klaren Aus­sagen eher nicht als Autorität anerken­nen möchte, bleiben einem immer noch ein paar andere Möglichkeit­en. Man kann einen formellen oder informellen ‘Papst’ haben, der entschei­det. Man kann irgen­deine Form von Kon­sen­spoli­tik betreiben, ‘diplo­ma­tis­che’ Lösun­gen suchen. Man kann auch in ein indi­vid­u­al­isiertes Laiss­er-Faire verfallen.

Mein Punkt: auch hier beste­ht Klärungsbedarf.

Ethik oder Dogmatik?

Viertens äussert Mar­tin im Zusam­men­hang mit sein­er Ethik an ver­schiede­nen Stellen eine gewisse Abnei­gung für Dog­matik. Das empfinde ich als prob­lema­tisch. Unter anderem äussert sich Mar­tin unzufrieden, dass sich das Chris­ten­tum von den Anfän­gen über die Ref­or­ma­tion hin­weg und bis vor kurzem «kaum mit Ethik befasst» habe. Ich halte diese Aus­sage für über­trieben, auch wenn sie möglicher­weise eine gewisse Berech­ti­gung hat.

Ethik – also wie wir han­deln sollen — scheint Mar­tin wichtiger zu sein als Dog­matik – was wir Glauben sollen.

Ich stimme Mar­tin zu, dass Ethik wichtig ist. Aber ich empfinde es als falsch, Dog­matik und Ethik als sich konkur­ren­zierende Diszi­plinen zu sehen, welche einan­der qua­si im Wege ste­hen. Das ist aber der Ein­druck, der zumin­d­est mir beim Lesen der Ethik-Kapi­tel im Buch ent­standen ist.

In ein­er Grafik im Buch (S.114) wer­den die bei­den Diszi­plinen bezugs­los nebeneinan­der dargestellt:

Dieser Darstel­lung fehlt meines Eracht­ens etwas Entschei­den­des, näm­lich eine Verbindung zwis­chen den bei­den Bere­ichen. Wir soll­ten Dog­matik und Ethik als einan­der zuge­ord­net sehen.

Schon das Studi­um der Bibel müsste uns klar­ma­chen, dass Dog­matik und Ethik untrennbar miteinan­der ver­bun­den sind. Fol­gende Bibel­stellen zeigen beispiel­haft, dass die Bibel ethis­che Anweisun­gen gibt auf­grund ein­er dog­ma­tis­chen Aus­sage über Gott: Eph 5:1, 1Pe 1:15–16, Kol 3:3–10, Rom 15:7, Eph 4:20–32. Die Gebote des Dekalogs wurzeln in der Selb­stof­fen­barung Gottes (2Mo 20:2). Die ethis­chen Anweisun­gen im Römer­brief (Kap 12–15) bauen auf der dog­ma­tis­chen Grund­lage der Kapi­tel 1–11 auf. Auch in diversen weit­eren Briefen des neuen Tes­ta­ments find­en wir die gle­iche Struk­tur. Ethik ste­ht nicht neben der Dog­matik, son­dern ist in ihr gegrün­det. Deshalb kön­nen grosse ethis­che Verän­derun­gen ein Indika­tor dafür sein, dass sich im Hin­ter­grund auch eine andere The­olo­gie ein­genis­tet hat. Es ist nicht gut, dass wir das eine gegen das andere ausspie­len. Es ist auch nicht gut, dass wir bei­de gle­ich­sam voneinan­der entkop­pelt präsen­tieren, wie die Graphik von Benz es tut.

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12. Wort-des-Glaubens-Bewegung

«Aber als ich nach zehn Jahren Bilanz zog, musste ich ernüchtert fest­stellen, dass ich per­sön­lich noch nie eine nach­weis­bare Heilung oder ein Wun­der erlebt habe.» (S.24)

Es lässt sich nicht bestre­it­en, dass es im weit­en Feld der evan­ge­likal geprägten Chris­ten­heit in den ver­gan­genen Jahrzehn­ten auch prob­lema­tis­che Entwick­lun­gen gegeben hat. Mar­tin Benz nen­nt eine davon: die «Wort-des-Glaubens-Bewe­gung».

Vor Jahren durfte ich per­sön­lich nach Gebet am eige­nen Leib eine echte, spon­tane Heilung erleben. Doch ich finde die Vorstel­lung der Wort-des-Glaubens-Bewe­gung prob­lema­tisch, dass Geset­ze, welche ange­blich die Kraft des Glaubens regieren, unab­hängig von Gottes über­ge­ord­neten Willen funk­tion­ieren. Der Glaube dro­ht damit zu ein­er Kraft der Selb­stver­wirk­lichung zu wer­den. Der Men­sch wird Gott, und Gott wird Mit­tel zum Zweck.

Ich kann mir vorstellen, dass ich da und dort dur­chaus mit den Diag­nosen von Mar­tin Benz über diverse Strö­mungen und Missstände in der evan­ge­likalen Welt einig wäre, wenn wir diese miteinan­der besprechen wür­den. Nur bin ich bezüglich der von ihm vorgeschla­ge­nen ‘Ther­a­pi­en’ skeptisch.

Für Mar­tin scheint die Desil­lu­sion­ierung und Ent­täuschung in der Wort-des-Glaubens-Bewe­gung mit ein Grund gewe­sen zu sein, dass er einen Glaubensweg gewählt hat, der meines Eracht­ens von ein­er eher pauschalen Ablehnung von ihm emp­fun­den­er «kon­ser­v­a­tiv-evan­ge­likalen oder fun­da­men­tal­is­tis­chen» Denkmuster lebt. Ich finde: Hier hätte für Mar­tin auch einen anderen Weg gegeben. Denn da wären dur­chaus die the­ol­o­gisch kon­ser­v­a­tiv­en Stim­men vorhan­den, welche ihm nüt­zliche Hin­weise für einen kri­tis­chen Umgang mit dieser Bewe­gung hät­ten geben kön­nen. Pfar­rer Jür­gen Nei­d­hart zum Beispiel gibt ein­er solchen Stimme Aus­druck. Er nen­nt in einem Artikel über die Unter­schei­dung der Geis­ter ein wichtiges Kri­teri­um zur Beurteilung von the­ol­o­gis­chen Lehren und geistlichen Strömungen:

«Wird ein­seit­ig ein christlich­es Leben voller Tri­umph, Sieg und Woh­lerge­hen abge­bildet – oder wird der christliche Weg durch Lei­den zur Her­rlichkeit aufgeze­ich­net (The­olo­gie des Kreuzes)?»

Dieses Kri­teri­um hätte zu Frageze­ichen gegenüber der ‘Wort des Glaubens’ Bewe­gung führen müssen. Ein dur­chaus the­ol­o­gisch ‘kon­ser­v­a­tives’ Kri­teri­um. Hier wäre guter Rat gewesen!

Mar­tin mag die Lehre der Wort-des-Glaubens-Bewe­gung richtiger­weise ablehnen, weil sie den Segen Gottes stark mit materiellem Wohl­stand und per­sön­lichem Erfolg verbindet. Gle­ichzeit­ig bleibt bei mir der Ein­druck zurück, dass Mar­tin trotz dieser Ablehnung an einem der wichti­gen Merk­male fest­ge­hal­ten hat. Es geht um die Ange­wohn­heit der «Wort-des-Glaubens-Bewe­gung», dank per­sön­lichen ‘göt­tlichen’ Offen­barun­gen genau zu wis­sen, was der ‘Herr’ will, und diese Offen­barung auch mal höher zu gewicht­en als die Schriftof­fen­barung – oder die Schriftof­fen­barung durch unsachgemässe Ausle­gung passend zu machen.

Vielle­icht sollte sich Mar­tin auch von solchen Ele­menten dieser Bewe­gung noch distanzieren?

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Fazit

Mar­tin Benz präsen­tiert sich in seinem Buch als Umzugshelfer. Er möchte uns helfen, einen für uns passenden Glauben zu find­en. Er möchte die Men­schen in die «Weite», in die «Frei­heit» begleiten. 

Ich begrüsse das grund­sät­zliche Anliegen von Mar­tin, Men­schen auf ihrem Weg zu begleit­en. Auch ich wün­sche mir einen Glauben, der keine Angst vor der Zukun­ft hat, Gott ent­deck­en möchte und zu einem auf­blühen­den Leben führt (vgl. Ein­leitung­s­text zum Buch), auch in verän­derten Lebenswel­ten der mod­er­nen Zeit.

Ich möchte am Schluss dieser lan­gen Reflex­ion seines Buch­es darauf hin­weisen, dass Mar­tin weit mehr als ein geistlich­er Umzugshelfer ist. Er möchte uns auch eine ganz bes­timmte neue Woh­nung ver­mi­eten. Er weiss genau, welche Woh­nun­gen aus sein­er Sicht untauglich sind, und in was für eine Woh­nung wir einziehen sollten.

Die Reise­be­gleit­er, welche Mar­tin zum Schluss seines Buch­es den Lesern emp­fiehlt, sind alle­samt in der Nis­che des Poste­van­ge­likalis­mus zu find­en. Rob Bell? Thorsten Dietz? Bri­an McLaren? Bri­an Zah­nd? Diese Fig­uren mögen ihre inhaltlichen Nuan­cen haben. Aber let­z­tendlich führen sie alle ins gle­iche geistliche Quarti­er. Das Buch von Mar­tin Benz liest sich an vie­len Stellen denn auch wie ein Sam­mel­suri­um der Gedanken dieser Autoren.

Dabei gäbe es dur­chaus andere mögliche Routen und Des­ti­na­tio­nen für einen geistlichen Umzug. Diese Optio­nen gibt es in der Welt von Mar­tin aber schein­bar nicht.

Da gibt es zum Beispiel die geistliche Reise des jun­gen The­olo­gi­es­tu­den­ten Ian Har­ber, welch­er auf sein­er Reise ins pro­gres­sive Chris­ten­tum nur «mehr von der gle­ichen, ober­fläch­lichen Art» fand, welche ihn in sein­er bish­eri­gen Gemeinde abgestossen hat­te. Hier geht es zu sein­er Geschichte.

Oder da gibt es die Geschichte des bekan­nten The­olo­gen Thomas C. Oden (1931–2016), der seinen Platz in der the­ol­o­gis­chen Avant­garde der 50er und 60er Jahre geräumt hat, weil er im his­torischen, klas­sis­chen Chris­ten­tum so viel mehr fand als in der lib­eralen The­olo­gie sein­er Tage. Hier geht es zu sein­er bewe­gen­den Biografie.

Es gibt auch meine Geschichte. Denn auch mein Glaube ist in Bewe­gung. Und das Buch von Mar­tin Benz war für mich eine willkommene Möglichkeit, mich mit meinen eige­nen Glauben­süberzeu­gun­gen auseinan­der zu setzen.

Ich hoffe sehr, dass mein umfan­gre­ich­er Text eine Ressource sein kann für Leser, welche sich ver­tieft auseinan­der­set­zen möcht­en mit dem Inhalt des Buch­es von Mar­tin. Auch ich bin keineswegs vor Irrtümern gefeit. Es ist deshalb gut, wenn auch mein Schreiben geprüft wird. Mir ist auch bewusst, dass ich in mein­er Reflex­ion einen kri­tis­chen Ton angeschla­gen habe. Das mag man wiederum kri­tisieren.  Ich hoffe trotz­dem, der Leser kon­nte meinem Schreiben ent­nehmen, dass es mir um die Sache geht. Denn Mar­tin und auch sein­er Fam­i­lie wün­sche ich von Herzen alles Gute.

Wohin führt die pro­gres­sive christliche Reise? Vor rund 4 Jahren habe ich Mar­tin diese Frage gestellt, erst im pri­vat­en Rah­men, dann in meinem viel­ge­le­se­nen Artikel über den Kün­stler Michael Gun­gor. Ich respek­tiere den Wun­sch von Mar­tin, Men­schen mit­tels ‘pro­gres­siv­er Glauben­sreise’ in die «Weite», in die «Frei­heit» zu führen. Mir ist in den ver­gan­genen Jahren in der pro­gres­siv­en Welt, wie sie sich mir erschlossen hat, aber kein erhöht­es Mass an «Weite» und «Frei­heit» begeg­net. Eher bin ich ein­er Bewe­gung von Men­schen begeg­net, welche doch auch sehr stark von Abgren­zung lebt und genau­so ihre moralis­chen Codes pflegt, welche sie oft in geset­zlich­er Weise ver­tritt. Darauf einzuge­hen, wäre aber nochmals ein weit­er­er Artikel.

Ich stelle fest: Ich werde nicht in die Woh­nung einziehen, die mir in diesem Buch schmack­haft gemacht wird. Sie ist wed­er so neu wie sie den Anschein macht, noch weist sie die Bausub­stanz auf, welche ich mir für eine langfristige Wohn­lö­sung wün­sche. Mit frisch­er Farbe lässt sich so manch­er Man­gel überdeck­en, mit gutem Mar­ket­ing manch ein Inter­essent überzeu­gen, eine Miete anzutreten, welche er später bereuen wird.

Ich stelle auch fest: Ich bin ganz neu froh und dankbar in einem zeit­losen ‘Klas­sik­er’ wohnen zu dür­fen. Dieser ist für die Ewigkeit gebaut und hat so machen Sturm schon über­standen. Kein Wun­der, hat er doch als Fun­da­ment die Apos­tel (NT) und die Propheten (AT) und als Eck­stein Jesus Chris­tus (Eph 2:20). Zugegeben: Ihre Schön­heit ent­deckt man vielle­icht erst auf den zweit­en Blick. So manch­er wollte an diesem Haus schon die Abriss­birne anle­gen. Doch dieser Klas­sik­er wird noch ste­hen, wenn mor­gen die Trends von heute abgelöst wor­den sind. Die Erschüt­terun­gen der Zeit kön­nen diesem Klas­sik­er nichts anhab­en. Er ist ein Uni­ver­sum für sich. Ich bin mir gar nicht sich­er, ob ich dieses Haus gefun­den habe, oder dieses Haus mich. Ich bin mir gar nicht sich­er, ob ich dieses Haus gestalte, oder dieses Haus mich. Es ist das Haus des Glaubens, welch­es «ein für alle Mal den Heili­gen anver­traut ist» (Jud 3). Das Schöne: Ich muss hier nicht Mieter sein, son­dern ich darf Miterbe sein. Das Haus gehört meinem Vater. Es gibt hier noch so viele Räume zu ent­deck­en. Es hat Platz. Es hat Aus­sicht. Auf keinen Fall möchte ich hier ausziehen. Dies ist mein Zuhause.

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Ressourcen

Hier noch einige inter­es­sante Ressourcen zu diversen in meinem Text behan­del­ten Themen:

Kri­tisiert Jesus das Alte Testament?
Artikel von Ben­jamin Kilchör, Pro­fes­sor für Altes Tes­ta­ment an der STH Basel. Kilchör geht der Frage nach vor dem Hin­ter­grund der Argu­men­ta­tion von Mar­tin Benz in seinem Buch «Wenn der Glaube nicht mehr passt».

Wahre Geschichte? — Zur Schick­sals­frage der Theologie.
Video mit Dr. Fabi­an Graßl

Wie unter­schei­det sich der his­torische Wahrheit­sanspruch der Bibel von unserem Wahrheitsverständnis?
Video mit Prof. Dr. Armin Baum

Wahrer Gott? — Jesu Selbstverständnis als ulti­ma­tive Herausforderung.
Video mit Dr. Fabi­an Graßl

Der werfe den ersten Stein — Ethik zwis­chen Gesetz und Gnade.
Video mit Prof. Dr. Dr. Roland Werner

Kön­nen wir den Evan­gelien vertrauen?
Video mit Dr. Peter J. Williams:

Sex­uelle Ori­en­tierung in der Antike und im Neuen Testament.
Video mit Prof. Dr. Armin Baum:

Vom bib­lis­chen Text zum ethis­chen Urteil.
Video mit Prof. Dr. Christoph Raedel:

Die Bibel wörtlich nehmen?
Video mit Dr. Gui­do Baltes

Artikel auf “Mind of Matt”:
Mar­tin Benz und die Bibel #1: Wider die Bibeltreuen
Mar­tin Benz und die Bibel #2: Was ist Wahrheit?
Benz und Bibel 3#a: Trend­set­ter pro­gres­sive Hermeneu­tik. Die Bibel pro­gres­siv lesen
Benz und Bibel 3#b: Trend­set­ter pro­gres­sive Hermeneu­tik. Die Bibel pro­gres­siv anwenden

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Über den Kanal

Peter Bruderer

Peter Bruderer, Jahrgang 1974, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, seit 1986 in der Schweiz. 1998 war Peter Gründungsmitglied der erwecklichen 'Godi'-Jugendarbeit in Frauenfeld, welche er bis 2013 prägte. Heute arbeitet er als Projektleiter im kirchlichen und gemeinnützigen Bereich. Ein zweites Standbein ist die Arbeit als Architekt. Peter lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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Kommentare zu diesen Beitrag

24 Comments

  1. Peter Bruderer

    3 Monate nach Pub­lika­tion mein­er Buchbe­sprechung hat Mar­tin Benz in einem Livenet-Talk sich zur Diskus­sion um sein Buch geäussert: https://www.youtube.com/watch?v=tp2Uv2Ktf24&t=34s

    Zum Gespräch gebe ich gerne fol­gende Rückmeldung: 

    Nach­dem ich vor 3 Monat­en mit mein­er umfan­gre­ichen Buchbe­sprechung die Diskus­sion rund um das aktuelle Buch von Mar­tin Benz angestossen habe, habe ich mir das Livenet-Gespräch mit Inter­esse angeschaut. Im Inter­view ist mein Name gefall­en und es wurde über meine Buchbe­sprechung gesprochen. Deshalb erlaube ich mir ein Feedback.

    Wie ich schon in meinem Artikel betont habe, wün­sche ich Mar­tin und auch sein­er Fam­i­lie von Herzen alles Gute. Es ging mir stets nur um die Sach­fra­gen und um meinen per­sön­lichen Ver­such, die The­olo­gie, welche Mar­tin in seinem Buch entwick­elt, bess­er zu verstehen.

    Ich habe mich gefreut, dass Mar­tin nun im Livenet-Gespräch zumin­d­est in Ansätzen auf einige der Anfra­gen an sein Buch einge­gan­gen ist. Der Fokus bleibt den­noch bei sein­er zugegeben­er­massen gewin­nen­den Rhetorik und dem Beschwören ein­er lei­den­schaftlichen Begeis­terung für Jesus, welche er nach seinen eige­nen Worten ent­fachen will. Viele Sach­fra­gen bleiben unbeantwortet.

    Ich finde es schade, dass Mar­tin seine rhetorischen Fähigkeit­en auch dazu ein­set­zt, Men­schen wie mich, die konkrete Anfra­gen an seine The­olo­gie äussern, Hal­tun­gen und Glauben­süberzeu­gun­gen zuzuschreiben, welche wir (oder wenig­stens ich) gar nicht haben. Ehe man sich’s ver­sieht, ist man plöt­zlich irgend­wie der­jenige gewor­den, der schein­bar unbarmherzig ist oder jemand, der respek­t­los die authen­tis­chen Glaubenser­fahrun­gen ander­er Chris­ten und möglicher­weise gar ihr Heil in Frage stellt. In mein­er Buchbe­sprechung habe ich in kein­er Weise solche Dinge geäussert.

    Es wäre schön, wenn Benz zeigen würde, wie aus meinem Text solche Aus­sagen begrün­det abgeleit­et wer­den kön­nten. Der Bezug zu per­sön­lichen Gesprächen oder einem Ein­druck, wie es all­ge­mein um die christliche Szene ste­ht, ist heikel in einem solchen Inter­view. Man sollte sich auf öffentlich zugängliche Unter­la­gen beziehen, wie z.B. der Text meines Artikel’s. Es ist zu leicht, andere zu fra­men, wenn man auf sich nicht auf konkrete Aus­sagen bezieht, son­dern mit All­ge­mein­plätzen arbeit­et. Ich kann die Hör­er dieses Video nur ermuti­gen, meinen Text auf Daniel Option zu lesen und selb­st zu prüfen, was meine Hal­tung und meine Argu­mente sind:

    Mar­tin hat ver­schiedentlich angetönt, dass er seine Lehr- und Beratungstätigkeit­en gerne aus­bauen möchte. Da ist es nur richtig, wenn Leit­er, (Frei-) Kirchen, Ver­bände und Organ­i­sa­tio­nen, welche mit der pro­gres­siv­en The­olo­gie von Mar­tin beglückt wer­den sollen, etwas genauer hin­schauen, was er ihnen lehren will. Das Gespräch und die Auseinan­der­set­zung auf der inhaltlichen Ebene zu behal­ten wäre wichtig und dur­chaus prob­lem­los möglich.

    Ich möchte nicht die Authen­tiz­ität der Glaubenser­fahrung von Mar­tin oder seine guten Absicht­en anzweifeln. Ich möchte nicht in Frage stellen, dass Mar­tin im Glauben resig­nierten oder ent­täuscht­en Men­schen helfen will. Dem ist bes­timmt so. Es ist aber auch möglich, dass man sehr authen­tisch und mit guten Absicht­en in die Irre geht. Das zeigt ein Blick in die Geschichte nur zu gut. Darum möchte ich für mich genauer hinschauen.

    Die The­olo­gie, welche uns Mar­tin schmack­haft macht, ist von der Stoss­rich­tung her im End­ef­fekt ein Neuauf­guss lib­eraler The­olo­gie unter neuen Vorze­ichen. Das sehe nicht nur ich so, son­dern das wird auch aus der Rezen­sion von Prof. Ben­jamin Kilchör auf Livenet klar. Diese The­olo­gie mag attrak­tiv und vielver­sprechend daherkom­men (das tat sie auch damals bei ihrer Entste­hung). Doch neu sind diese Ideen aller­höch­stens für eine evan­ge­likal geprägte Leser­schaft, welche bish­er einiger­massen abgeschirmt gelebt hat von diesen Konzepten der lib­eralen The­olo­gie. Diese The­olo­gie kann auf eine Wirkungs­geschichte von über 200 Jahre zurück­blick­en – es ist lei­der eine Geschichte von sich leeren­den Kirchen und sich in Luft auflösen­dem Glauben. Da muss man sich schon über­legen, ob man sich auf diesen Weg begeben will. Marin Benz möchte mit sein­er pro­gres­siv­en The­olo­gie die Kirchen wieder füllen will. Da habe ich meine begrün­de­ten Zweifel. 

    In der Schweiz hat die lib­erale The­olo­gie im 19. Jahrhun­derts im Rah­men des „Apos­to­likumsstre­its“ zur Grün­dung viel­er Freikirchen geführt durch beken­nt­nistreue Pfar­rer und Gläu­bige, welche den Irrweg der lib­eralen The­olo­gie erkan­nten. Nun klopft diese The­olo­gie erneut laut an den Türen genau dieser Kirchen und Gemein­schaften, welche damals in Treue zu Gott und seinem Wort ent­standen sind. 

    Mar­tin beteuert nun, dass er nach wie vor jeden Satz aus dem apos­tolis­chen Glaubens­beken­nt­nis unter­schreiben kann. Das ist grund­sät­zlich erfreulich. Die Frage ist natür­lich, was er damit meint. Viele lib­erale The­olo­gen unser­er Tage sprechen das Apos­to­likum gerne mit und glauben den­noch nur die Hälfte, was darin ste­ht. Oder sie sprechen es als Akt eines litur­gis­chen Ereigniss­es. Sie sehen das Sprechen des Apostolikum’s als bedeu­tungsvoll nicht in Bezug auf die darin trans­portierten Inhalte, son­dern als litur­gis­ch­er Akt der Gemeinde. Diese Dinge möchte ich Mar­tin nicht unterstellen.

    Ich sehe aber eine Prob­lematik im Wahrheitsver­ständ­nis, welch­es er im Gespräch wieder­holt betont. Benz sagt mehrfach, dass er lediglich seine per­sön­liche (beschei­dene) Mei­n­ung sagt, und dass diese Stück­w­erk sei. Deshalb sei er demütig in Sachen der Erken­nt­nis. Damit gewin­nt er bes­timmt die Zus­tim­mung viel­er Zuhör­er. Doch im gle­ichen Atemzug macht er eine umfassende und abso­lut daherk­om­mende Wahrheits­be­haup­tung die schein­bar für alle im Diskurs gilt und mein­er Mei­n­ung nach sein­er soeben getrof­fene Aus­sage wider­spricht (Zeit­mark­er 42:00):

    «wenn jemand den Wahrheit­sanspruch für sich reklamiert, dann kommt das Gift rein. Weil man dann automa­tisch wertet, abw­ertet und ver­schiedene Schubladen auf­macht von ‘richtig’ und ‘falsch’, ‘schwarz’ und ‘weiss’, von ‘bib­lisch’ und ‘unbib­lisch’, von ‘erret­tet’ und ‘ver­loren’».

    Bes­timmt ist das, was Benz hier sagt, manch­mal kor­rekt. Aber ist es automa­tisch (sein Wort) immer so? Und macht Benz mit dieser Aus­sage nicht genau das, was er mit dieser Aus­sage ablehnt? Er reklamiert mit dieser Aus­sage einen all­ge­meinen Wahrheit­sanspruch für sich in dem Sinne, dass er glaubt, etwas Wahres aus­ge­sagt zu haben, das ange­blich für alle gilt. Ist diese Aus­sage von Benz über­haupt in der Bibel begrün­det? Vielle­icht in der Bibel­stelle, die von ‘Stück­w­erk’ spricht in Bezug auf Erken­nt­nis? Doch meint die Bibel dort und ins­ge­samt das, was uns Benz hier über Wahrheit sagt? Wie ste­ht es dann um die Stellen, wo die Bibel dur­chaus auss­chliessend redet in Bezug auf the­ol­o­gis­che Aus­sagen, die nicht stim­men? Ich habe hier bei der Erken­nt­nislehre von Benz einige grössere Fra­gen, die inhaltlich disku­tiert wer­den sollten.

    Mar­tin wirft die Frage auf, ob das Apos­to­likum denn wirk­lich unsere gemein­same Basis sein kann oder ob es nicht eine schein­heilige Diskus­sion sei, bei der man sich hin­ter dem Glaubens­beken­nt­nis ver­stecke, während man gle­ichzeit­ig tren­nende The­men ins Feld zu führe, die im Glaubens­beken­nt­nis nicht ein­mal erwäh­nt sind. Ich muss ehrlich sagen, dass dies eine gute und berechtigte Frage ist. In anderen his­torischen Beken­nt­nis­sen – nicht zulet­zt in solchen, die im NT zu find­en sind – sind aber Aus­sagen enthal­ten, die Benz im Apos­to­likum ver­misst, auch sex­u­alethis­che Aus­sagen (z.B. im Resul­tat des ersten apos­tolis­chen Konzil in Apos­telgeschichte 15,20, im zweit­en Hel­vetis­chen Beken­nt­nis, West­min­ster Beken­nt­nis, Schmalka­dis­chen Artikel). Eben­falls find­en wir im ver­mut­lich ältesten frühchristlichen Beken­nt­nis (1Kor 15:3–5) eine klare Ansage zum Schriftverständnis.

    In diesem Zusam­men­hang tritt im Inter­view ein­mal mehr eine eige­nar­tige Beziehungslosigkeit zwis­chen Dog­matik und Ethik zutage, welche ich im Buch von Mar­tin fest­gestellt habe und in mein­er Buchbe­sprechung erwähne. Dabei wäre genau die enge Verzah­nung des Glaubens­beken­nt­niss­es mit den gelebten Werten der ersten Chris­ten eine wichtige Beobach­tung. Denn das Apos­tolis­che Beken­nt­nis span­nt sozusagen den the­ol­o­gis­chen Hin­ter­grund auf, vor dem sich die ethis­che DNA der ersten Chris­ten entwick­elt hat. Die Überzeu­gung bezüglich Gott als Vater und Schöpfer von Him­mel und Erde, zusam­men mit dem Glauben an die Aufer­ste­hung des Leibes, bilden den Hin­ter­grund für das pos­i­tive Men­schen­bild und Kör­per­ver­ständ­nis der ersten Chris­ten. Das Ver­ständ­nis der kul­tur- und Geschlechter-über­greifend­en gle­ichen Wertes aller Men­schen, der lei­den­schaftliche Ein­satz für den Schutz des Lebens, die soziale Zuwen­dung zu den Armen und Kranken und auch die rev­o­lu­tionäre Sex­u­alethik der ersten Chris­ten bauen auf den Überzeu­gun­gen, die das Apos­to­likum uns mit möglichst weni­gen Worten vor Augen malt: dass der Men­sch als von Gott geschaf­fenes Wesen wertvoll ist und sich dieser Wert angesichts der leib­lichen Aufer­ste­hung auch auf den Kör­p­er bezieht. In ihrem Erlös­er Jesus, der unter Pon­tius Pila­tus gelit­ten hat, find­en sie die Kraft für ihre eigene gewalt­lose Fein­desliebe. Wem solche Werte ein Anliegen sind, der tut gut daran, dem Nährbo­den Sorge zu tra­gen, auf denen sie gewach­sen sind. Es sind Glaubenssätze, wie sie uns im Apos­to­likum wiedergegeben sind und welche untrennbar mit ein­er rev­o­lu­tionären Ethik ver­bun­den sind, die auch für unsere Zeit von zen­traler Bedeu­tung ist. Wer die Glaubenssätze als unwichtig weglegt, der wird über kurz oder lang sich auch die Sinnhaftigkeit bes­timmter ethis­ch­er Prinzip­i­en nicht mehr sehen. Genau dies geschieht bei Mar­tin Benz im Bere­ich der Sex­u­alethik. Da gäbe es noch mehr zu diesem The­ma zu sagen. Ich belasse es mal dabei.

    Eben­falls erstaunt haben mich die Aus­sagen Mar­tins über das Kreuzes­geschehen. Mar­tin Benz ereifert sich, dass man ihm unter­stelle, er glaube nicht mehr ans Kreuz. Das sei eine infame Unter­stel­lung. Nun – von mir stammt diese Aus­sage nicht. Vielle­icht kann Mar­tin uns aufk­lären, wer diese Aus­sage gemacht hat… Was ich in meinem Text aber sehr wohl fest­gestellt habe ist, dass Jesus als Ret­ter und Erlös­er im Buch von Mar­tin abwe­send scheint, dass das fun­da­men­tale Geschehen des Kreuzes im Buch nir­gends wirk­lich besprochen wird. Dieser Kern des Glaubens scheint in seinem Buch zu fehlen.

    Nun, Mar­tin stellt im Inter­view klar, dass er an das Kreuz glaubt, und zwar «viel bre­it­er als viele Evan­ge­likale, weil das Neue Tes­ta­ment ver­schiedene Deu­tungsmöglichkeit­en liefert.» Trotz­dem scheint er sichtlich darum bemüht zu sein, den Hör­ern klarzu­machen, wie unwichtig das Kreuz doch in der Verkündi­gung der Apos­tel war. Die Art wie er das macht, ist zu zählen, wie oft das Wort ‘Kreuz’ vorkommt. Ich habe in der the­ol­o­gis­chen Aus­bil­dung noch gel­ernt, dass Worte alleine nicht ein zuver­läs­siger Indika­tor sind für das Vorhan­den­sein ein­er the­ol­o­gis­chen Wahrheit. Man muss auch schauen, worauf sich ein Wort (hier das Wort ‘Kreuz’) bezieht und dann schauen, wo im Text dies zu find­en ist, ohne dass das Wort selb­st als Ref­erenz dafür benutzt wird. Benz erwäh­nt im Inter­view zurecht, dass es nicht nur um das Kreuz geht, son­dern um den Gekreuzigten. Der Gekreuzigte kommt aber in der Apos­telgeschichte häu­fig vor in (ich meine in allen oder nahezu allen Predigten der Apos­tel z.B Pfin­gst­predigt Apg 2:23; 2:36; 2:38 / Tem­pelrede: Apg 4:10 / Cor­nelius: Apg 10:39 usw.).

    Benz wirft Men­schen im evan­ge­likalen Umfeld vor, ein ‘magis­ches Kreuzesver­ständ­nis’ zu haben in dem nicht der Gekreuzigte, son­dern das Kreuz die Erlö­sung bewirke. Das ist meines Eracht­ens eine halt­lose Unter­stel­lung. Evan­ge­likale haben ein dur­chaus bre­ites Kreuzesver­ständ­nis, denn sie beja­hen im Gegen­satz zu Mar­tin, dass Jesus am Kreuz uns nicht nur etwas ZEIGT, son­dern auch etwas für uns TUT. Mar­tin hinge­gen misst — gemäss sein­er eige­nen Erläuterung zu einem aktuellen Move­cast — dem Geschehen am Kreuz keine erlösende oder ver­söh­nende Wirkung bei, son­dern sieht im Kreuzes­geschehen nur Sicht­bar­ma­chung des Wesens Gottes. Ich lasse mich gerne kor­rigieren, wenn ich das, was er schwarz auf weiss geschrieben hat, hier falsch ver­standen habe. Mir scheint aber, dass er mit dieser Aus­sage gefährlich nahe an die Aus­sage kommt, das Kreuz wäre nicht wirk­lich nötig gewe­sen – es hätte auch anders gehen kön­nen. Damit scheint er tat­säch­lich einen wesentlichen Teil des christlichen Beken­nt­niskerns abzulehnen, näm­lich das Jesus FÜR unsere Sün­den gestor­ben ist (1Kor 15:3, Vgl. Mk 10:45). Damit beraubt er das Kreuzes­geschehen des für den Men­schen entschei­den­den Ele­mentes, näm­lich dass so Erlö­sung GESCHAFFEN wurde für uns, und nicht ein­fach nur FESTGESTELLT (Vgl Heb 9:26–28). Ich glaube, dass es Mar­tin ist, der ein reduk­tion­is­tis­ches Ver­ständ­nis des Kreuzes zu haben scheint, und zwar ein entschei­den­des. Wie gesagt: Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

    Nun belasse es vor­erst bei diesen Zeilen. Ich finde: Während jed­er Men­sch heute frei seinen Glaubensweg gestal­ten kann, so sind doch Leit­er von Gemein­schaften und Organ­i­sa­tio­nen ange­hal­ten, das, was auf dem ‘Markt der The­olo­gien’ ange­priesen wird, zu prüfen und mit Weit­blick zu entschei­den, wem sie ihre Podi­en und Kanzeln anvertrauen. 

    Die Zeit­en, wo man frisch und fröh­lich in ein­er einiger­massen geschlosse­nen ‘evan­ge­likalen Bub­ble’ abfeiern kon­nte, ohne dass die eige­nen Glauben­süberzeu­gun­gen gross in Frage gestellt wur­den, sind vor­bei. Vielle­icht ist das gar nicht mal so schlecht. Die Frage ist vielmehr, ob unsere freikirch­liche Leit­er ver­standen haben, dass die Zeit spätestens jet­zt ange­brochen ist, ihre Schäfchen in bib­lis­chem Unter­schei­dungsver­mö­gen anzuleit­en. Ich jeden­falls hoffe, dass meine Auseinan­der­set­zung mit der The­olo­gie von Mar­tin ein sach­lich­er Beitrag dazu sein kann. 

    Auch nach diesen Zeilen gilt immer noch, dass ich Mar­tin nur das Beste Wün­sche. Ich freue mich über eine auf die the­ol­o­gis­chen Inhalte gerichtete Diskus­sion und über Beiträge von ver­tiefter Fachkom­pe­tenz, wie dem­jeni­gen von AT-Prof Ben­jamin Kilchör auf Daniel Option. Wer sich weit­er mit der The­matik pro­gres­siv­er The­olo­gie auseinan­der­set­zen möchte, dem Empfehle ich zudem die Lek­türe der Artikelserie «Die 10 Gebote des Pro­gres­siv­en Chris­ten­tums» auf Daniel Option.

    Frauen­feld, 19.05.2023, Peter Bruderer

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  2. Daniel Rath

    Lieber Peter
    Ich staune immer wieder über deine Energie mit der du dich in das The­ma rein­hängst. Da ist viel Herzblut drin. Mer­ci! Ich bin motiviert das Buch von Benz noch selb­st zu lesen.
    Deine Gedanken lösen auch selb­stkri­tis­che Stim­men in mir aus. Wieso sind so viele Chris­ten an einem Umzug inter­essiert? Was haben wir in unseren Gemein­den ver­säumt? Wo haben wir unsere blind­en Fleck­en? Ich habe das Vor­recht in einen schö­nen Haus zu leben. Jedes Umzugsange­bot lässt mich total kalt, das­selbe gilt für mein geistlich­es Zuhause. Wo kein Bedarf ist, da ver­fan­gen auch Ange­bote nicht. Warum aber fühlen sich so viele Leute von dem Umzugshelfer angesprochen?
    Eins scheint mir da schon deut­lich gewor­den: unge­sunde the­ol­o­gis­che Grund­la­gen (z.B. Word of Faith) führen oft wie in einem Pen­delschlag zu weit­eren unge­sun­den the­ol­o­gis­chen Ver­lagerun­gen. Das lädt ein, die eigene The­olo­gie immer wieder darauf zu prüfen, ob sie wirk­lich den „ganzen Ratschluss Gottes“ umfasst oder allen­falls ein­seit­ig gewor­den ist oder zu wer­den droht.

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    • Peter Bruderer

      Mer­ci Daniel.

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  3. Jürgen Fischer

    Vie­len Dank für diese total wertvolle, seel­sorg­er­lich wichtige und faire Betra­ch­tung. Ich bete, dass viele diesen Beitrag lesen, durch­denken und den Mut auf­brin­gen, neu “vor dem Wort zu zit­tern” (Jesa­ja 66,2). Ich wün­sche Ihnen Gottes reichen Segen.

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    • Peter Bruderer

      Her­zlichen Dank für das Lesen und die Ermu­ti­gung, lieber Jürgen.

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  4. Jens Kaldewey

    Hal­lo Peter, her­zlichen Dank für deine umfan­gre­iche Arbeit und ihre gute, ver­ständliche Struk­tur. Ich habe das Buch von MB vor einiger Zeit gele­sen und war recht ange­tan. Nun habe ich deinen lan­gen Artikel langsam und betend gele­sen und gebe dir in vielem recht. Ich selb­st sehe mich mit einem Fuß in der evan­ge­likalen Bewe­gung und mit dem anderen in der poste­van­ge­likalen Bewe­gung, mal wird der eine Fuß belastet mal der andere. Umge­zo­gen bin ich noch nicht, aber in Bewe­gung. Dein Artikel und auch deine Links, die ich sorgfältig anschauen werde, zum Teil schon habe, ver­an­lassen mich, langsam und vor­sichtig zu sein. Ich empfinde deinen Artikel als tüchti­gen Schuss vor den Bug. Danke für deinen Mut. Ich empfinde aber doch zwei Schwächen in deinen Aus­führun­gen. Erstens: Du führst, ähn­lich wie Mar­tin Benz auf seine Weise, wie viele “Evan­ge­likale” in ein Dilem­ma, in ein Entwed­er-Oder, ohne irgendwelche Zwis­chen­po­si­tio­nen zuzu­lassen. Und das bet­rifft die his­torische Glaub­würdigkeit der Bibel. Ich ver­ste­he dich so: Entwed­er jede Geschichte oder jed­er Bericht in der ganzen Bibel ist genau­so passiert wie es daste­ht oder alles ist in Frage gestellt, alles ist beliebig. Du erwähnst öfter als für dich wichtiger Zeuge Joseph Ratzinger. Er hat der Evo­lu­tion­lehre nicht grund­sät­zlich wider­sprochen, son­dern nur deren Philoso­phie und Anspruch, die Wel­terk­lärung zu liefern. Für ihn ist die Schöp­fung nicht in sieben Tagen passiert. Und auch die Noahgeschicht ist sich­er nicht genau so passiert für ihn, wie es daste­ht. Diet­rich Bon­ho­ef­fer ein weit­eres Beispiel — er erkan­nte die Heils­geschichte, erkan­nte die wesentlichen Fak­ten, blieb aber in vielem lib­er­al. Du lässt keinen Raum für Zwis­chen­töne. Ich per­sön­lich glaube zum Beispiel an einen his­torischen Kern der Exo­dus­geschichte, einen soli­den his­torischen Kern. Ich glaube, dass Gott fak­tisch sein Volk aus Ägypten befre­it und ins ver­heißene Land geführt hat. Wenn man aber alle Einzel­heit­en der Geschichte wirk­lich wörtlich nimmt — dann wäre Ägypten nicht mehr exis­tent! Das müssen wir ein­fach auch mal ehrlich sein und nicht drüber weg­wis­chen. Oder wenn in Lev­i­tikus Mose die ganze Gemeinde an den Ein­gang der Stift­shütte ver­sam­melt um die Vorschriften Gottes mitzuteilen, obwohl die sich in Lev­itkus selb­st dann zum Teil ändern, zum Teil wieder­holen — dann wäre die Ver­samm­lung bei 9 Per­so­n­en pro Qm2 (max­i­male Dichte) 49 Fußballfelder groß. Und da sind die Frauen und Kinder nicht ein­mal dabei. Und da gibt es viele Beispiele. Ich per­sön­lich möchte mich diesen Entwed­er-Oder von dir nicht anschließen. Wir haben doch auch einen “gesun­den Men­schen­ver­stand”. Und es ist doch ein­fach so, dass die Doku­mente des Neuen Tes­ta­ments in ihrer Dichte und der Art ihrer Schilderung und in ihrer zeitlichen Nähe zu den Geschehnis­sen ein­fach doch viel glaub­würdi­ger sind und ein­heitlich­er. Soll­ten wir da keinen Unter­schied machen dür­fen? Kann es sein, dass ich, wenn ich eine weltweite Flut in Frage stelle, damit genau­so die his­torische Glaub­würdigkeit der Aufer­ste­hung poten­ziell antaste? Diesem Gedanken­gang ver­weigere ich micht. Hier führst du Leute in die Enge, denke ich, in eine unnötige Enge. 

    Zweit­ens: Beim The­ma Homo­sex­u­al­ität kommt bei dir der Betrof­fene let­ztlich nicht vor in sein­er Not. So kommt es mir vor. Ich habe zehn Jahre an dieser Frage gear­beit­et, bib­lisch und in Begeg­nun­gen, unzäh­lige Büch­er und Doku­mente gele­sen, auch Vicky Beech­ing, und bin zu anderen Ergeb­nis­sen gelangt als du. Ich glaube, du hast recht, wenn du den Ersatz des Begriffes “Notord­nung” durch “Neuord­nung” prob­lema­tisierst. Doch “Notord­nung” hat bei mir Platz. Wenn ich nun fest­stelle, wieder­holt, dass des tat­säch­lich homo­sex­uelle, nicht zöli­batäre Men­schen gibt, die tat­säch­lich den Heili­gen Geist emp­fan­gen haben und mit Jesus leben und die zehn Gebote hal­ten und Jesus lieben — dann ist das für mich nicht Schall und Rauch und dann weist das tat­säch­lich in die Rich­tung von Apg 10. Vielle­icht kommt aber die Zeit, dass die Notord­nung aufge­hoben wer­den kann, weil die Kraft Gottes in einem für uns zur Zeit noch nicht bekan­ntem Maß in die Gemeinde zurück­ommt… Soviel mal für heute.

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    • Peter Bruderer

      Lieber Jens. Danke für deine Rück­mel­dung. Ich muss mir etwas Zeit find­en für eine Antwort. Melde mich aber in den kom­menden Tagen. Gruss, Peter

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      • Jens Kaldewey

        Alles klar, es hat Zeit. Ich denke, ich muss auch noch mal in Ruhe darüber gehen. Deine Rezen­sion hat viel in mir angestellt in ihrer Wucht, in der Geschlossen­heit dein­er Argu­men­ta­tion, in der Uner­bit­tlichkeit. Ich „blute“ immer noch. Das hängt wohl auch mit ein­er Lebens­beru­fung zusam­men: Mit­ten drin zu ste­hen, zu ver­mit­teln, zu ver­ste­hen, Brück­en zu bauen.
        Liebe Grüße Jens

        Reply
    • Marie-Therese

      Lieber Jens,
      Danke für den Kom­men­tar, der mir so aus dem Herzen spricht. — ich lei­de fest an diesem Entwed­er Oder, Schwarz Weiss. Und ich füh­le mich tat­säch­lich in die Enge getrieben. Muss ich mich denn immer entschei­den zwis­chen Mei­n­un­gen gemäss MB ODER solchen gemäss PB? Das macht mich fer­tig (obwohl der Artikel nur an Män­ner gerichtet ist)…. Als wäre es heilsnotwendig.
      Liebe Grüsse Marie-Therese

      Reply
  5. Michael Kämpf

    Ach ich kanns ger­ade nicht lassen das zu schreiben :). Vielle­icht auch um hier einen “kom­men­ta­tiv­en Gegen­pol” zu setzen ;).
    Ich habe Mar­tins Buch gele­sen — mit viel Gewinn und Genuss. Mir gefällt die neue Woh­nung sehr gut. Nein, ich nehme nicht alles für bare Münze (ich kann, darf und soll ja selb­st denken) und ich zügle viele viele Dinge mit in die neue Wohnung.
    Vielle­icht hinkt das Bild auch… Ich habe nicht grund­sät­zlich das Gefühl, dass ich eine Woh­nung ver­lasse und in eine neue Einziehe. So im finalen Sinne von “Woh­nung A ist weg, Woh­nung B ist jet­zt meine”. Viel mehr fühlt es sich so an, dass ich Möbel aus­tausche, neue Bilder aufhänge, ja vielle­icht auch die eine oder andere Wand raus reisse, einen neuen Raum erschliesse, aus­baue, … aber ich ziehe nicht um. Der gle­iche Gott, die gle­iche Bibel, der gle­iche Glaube, der gle­iche Erlös­er Jesus Chris­tus, die gle­iche Hoffnung.

    …aber mehr Freiraum zum Denken, zum Leben, zum Fühlen und schlussendlich zur lei­den­schaftlichen Nach­folge. Das hats bei mir aus­gelöst, und dafür bin ich Mar­tin Benz sehr dankbar.
    Liebe Grüsse
    Michael

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    • Peter Bruderer

      Sali Michael.
      Danke für dein Votum. Wie ich sel­ber geschrieben habe, bin ich mir sich­er, dass viele Leser dieses Buch als weg­weisend für ihre eigene geistliche Entwick­lung empfind­en wer­den. Ich kann die Attrak­tiv­ität des Weges, den Mar­tin beschreibt, ja ein Stück weit nachvol­lziehen. Warum ich ihn nicht gehe — warum ich der Ansicht bin, dass er in die Irre führt — das habe ich in meinem Artikel aus­führlich und sach­lich dargelegt. Deshalb verzichte an dieser Stelle darauf, mich zu wieder­holen :-). Alles Gute, Peti

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  6. Erwin Schärz

    Lieber Paul
    Vie­len Dank für diese sehr gut for­mulierte Rezession.
    Mir fällt immer mehr auf, dass in unser­er christlichen Kul­tur die Gabe der „Unter­schei­dung“ fehlt. Dies im ganzen Spek­trum zwis­chen pro­gres­sivem Glauben bis „word of faith“ The­olo­gie. Das gibt mir zu denken.
    Kann es sein, dass wir unser heiliges Buch nicht mehr ken­nen und ernst nehmen? Kann es sein, dass einst solide Gemein­den anstelle von fundiert exegetisch geprägten Predigten zu ich­segetis­chen Meth­o­d­en gegrif­f­en haben? Kann es sein, dass viele unser­er Gottes­di­en­ste nicht mehr viel mit Gott dafür mehr mit uns zu tun haben und wie ich es lei­der sel­ber erfahren habe zu „sozial-ther­a­peutis­chen Wohlfühl-Sitzun­gen“ verkom­men sind?
    Kann es sein, dass wir in unseren Freikirchen einen Man­gel an intellek­tuell gut aus­ge­bilde­ten Lehrer haben?

    Dies sind einige selb­stkri­tis­che Fra­gen die ich in das Lager der klas­sisch Evan­ge­likalen ein­brin­gen möchte. Es scheint mir wichtiger denn je, dass unsere Gemein­den zurück zu ein­er gesun­den Lehre find­en damit ein Buch wie das­jenige von Mar­tin Benz kein­er so genauen Rezes­sion bedarf, son­dern schon vom „Laien“ als fataler Trugschluss erkan­nt wird.
    (Ich stelle tragis­cher­weise fest, dass diese Ein­sicht z.T. sog­ar gebilde­ten Pas­toren von guten Gemein­den fehlt)
    Ich habe es wie du — ich werde nicht in diese Woh­nung einziehen. Ich freue mich täglich durch Gottes Wort Dimen­sio­nen eines Schöpfers zu ent­deck­en, die meinen Glauben stärken und mich nicht mit mehr Fra­gen als Antworten zurücklassen.
    Nochmals, her­zlichen Dank für deine Bemühungen.
    Erwin

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    • Peter Bruderer

      Lieber Erwin.

      Peter hier — der Autor des Artikels, und nicht mein Brud­er Paul (der mich natür­lich beim Fein­schliff unter­stützt hat).
      Her­zlichen Dank für deine Rück­mel­dung. Ich teile lei­der deine Diag­nose bezüglich man­gel­nder Unter­schei­dungs­fähigkeit in unseren Kirchen und auch Kirchen­leitun­gen. Die diag­nos­tis­chen Fra­gen, welche du stellst, sind die Fra­gen, welche auch ich mir seit einiger Zeit stelle. Ich selb­st habe in den ver­gan­genen 2–3 Jahren ver­sucht umzuler­nen. Ich bin ja, anders als mein Brud­er, kein Beruf­s­pas­tor. Aber in den spo­radis­chen Predigten die ich hal­ten darf, ver­suche ich mich heute viel stärk­er diszi­plin­iert an einen Predigt­text zu hal­ten, diesen Sprechen zu lassen. Es ist ein Gebot der Stunde finde ich, in unseren Gemein­den nicht ein­fach die Gefüh­le der Glieder ‘aufzupolieren’, auch nicht ein­fach ‘Wis­sen’ zu ver­mit­teln, son­dern zum eigen­ständi­gen bib­lis­chen Denken anzuleit­en. Das muss ich erst mal sel­ber üben.

      Ein Stück­weit ist dies auch mein Punkt in einem mein­er let­zten Artikel:
      https://danieloption.ch/featured/die-suende-ueber-suende-zu-reden/

      Her­zlich
      Peter Bruderer

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      • Erwin Schärz

        Lieber Peter
        Entschuldige meine falsche Anschrift — ich merk­te es erst nach­dem ich den Kom­men­tar schon abgeschickt hatte 🙈
        Den Artikel über Sünde finde ich auch sehr passend.
        Es freut mich, dass ich hin und wieder Ressourcen wie diese finde, wo sich Denker anspruchsvollen The­men annehmen.
        Ich werde danielop­tion nicht das let­zte mal besucht haben 🙂 und wün­sche euch viel Weisheit und Kraft für diesen wertvollen Dienst. Lei­der wohne ich viel zu weit von Frauen­feld ent­fer­nt — son­st würde ich eure Gemeinde gerne mal Besuchen.
        Sei geseg­net — Erwin

        Reply
  7. Stefan von Rüti

    Lieber Peti, danke für deine Klarstel­lun­gen! Wirk­lich grossar­tig gemacht! Da hast du dich unglaublich ins Zeug gelegt. Ich hat­te das Buch von Mar­tin Benz auch gele­sen — mit vie­len Frageze­ichen…! Deine Rezen­sion spricht mir aus dem Herzen.

    Reply
    • Peter Bruderer

      Her­zlichen Dank Ste­fan. Ich freue mich das der Text für viele hil­fre­ich ist.

      Reply
  8. Stefan Pohl

    Mit Inter­esse hat­te ich das Buch von M. Benz gele­sen. Am Ende war ich nicht überzeugt von den darge­bote­nen “Umzugshil­fen”. Danke für eine fundierte Erwiderung der ich gut fol­gen kon­nte. Ich freue mich an der Schön­heit mein­er “Alt­bau­woh­nung” 🙂

    Reply
    • Peter Bruderer

      Grüezi Herr Pohl. Her­zlichen Dank für die Rück­mel­dung und das sie sich die Zeit genom­men haben, den lan­gen Artikel zu lesen.

      Reply
  9. Wolfgang Ackerknecht

    Kom­pli­ment, da hast du dich aber hineingekni­et. Wow, welch­es Wis­sen du da zusam­men­bringst. Ja, mit Plu­ral­is­mus (und auch Beliebigkeit) öffnet man die Türen, um Gott und die Welt zu erk­lären… Am Schluss find­et man sich nicht mehr zurecht. Du hast mE sorgfältig deine ‘Liebe zur Sache’ dargelegt. — Der Glaube ist eine Ent­deck­ungsreise, wo wir Gott und uns sel­ber immer tiefer ken­nen und lieben ler­nen. Um frei zu wer­den von Zwän­gen und um offene Augen für die Schön­heit des Lebens zu erhal­ten. Und das Leben ist im Wort — in Jesus, wie wir es in der Bibel lesen.

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    • Peter Bruderer

      Hal­lo Wolf­gang. Vie­len Dank fürs lesen und die Rück­mel­dung. Ich hat­te am Schluss noch 2–3 Sou­fleure, die mir über die Ziellinie geholfen haben. Diesen sei damit auch gedankt.
      Eine geseg­nete Woche dir.

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  10. Heinz Wilhelm

    Lieber Peter
    Wau! Ich war länger dran als die voraus­sichtlichen 60 Minuten. Aber es hat sich für mich gelohnt.
    Zu Beginn dachte ich an ein­er Stelle, dass es aber schon noch weit­ere The­men gibt neben den Stand­punk­ten zur Homo­sex­u­al­ität. Das wurde ja dann auch aus­ge­führt. Ein­drück­lich, aus­führlich, verständlich.
    Ja — es ist weit mehr als eine Buchbe­sprechung. Es ist eine klare Gegen­sprache. Pro­fan würde man wohl von einem weit­ge­hen­den „Ver­riss“ reden.
    Eine Ent­geg­nung von Mar­tin Benz würde ich in jedem Fall auch lesen.

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    • Peter Bruderer

      Lieber Heinz. Vie­len Dank für deine Rück­mel­dung und das du dir die Zeit genom­men hast, das lange Doku­ment zu lesen. Mar­tin hat den Entwurf vor Pub­lika­tion erhal­ten. Wir wer­den sehen, ob er darauf reagieren möchte. E gueti Wuche.

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  11. Manuel Leiser

    Danke Peter für deine Worte, du sprichst mir aus dem Herzen! “Nicht mein Glaube, son­dern ich muss mich verän­dern!” — I love it. Freu mich schon auf die Woh­nung mit Sicht auf die neue Erde:-)!

    Reply
    • Peter Bruderer

      Hoi Manuel. Vie­len Dank für deine Rück­mel­dung und das du dir die Zeit genom­men hast, das lange Teil durchzule­sen. Her­zlich, Peti

      Reply

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