Christen sind Optimisten!

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In sein­er Auseinan­der­set­zung mit meinem Buch trifft Peter Brud­er­er den Nagel auf den Kopf: «Eines der wesentlichen Merk­male des Buch­es ist die Entschlossen­heit des Autors zu einem Leben in Zuver­sicht, trotz den Her­aus­forderun­gen unser­er Zeit.» Ich bin überzeugt: Christin­nen und Chris­ten sind Opti­mis­ten! Oder wenig­sten sind sie berufen, es zu sein.

Der Grundmodus muss Optimismus sein

Fährt man mit dem Auto über eine Alpen-Passstrasse, ist es sehr entschei­dend, in welchem Modus man dies tut, sofern man diesen beim betr­e­f­fend­en Auto wählen kann. Das Fahrge­fühl und das ökol­o­gis­che Gewis­sen wird sehr unter­schiedlich sein, ob man den Nor­malmodus, den Sport- oder den Öko­modus wählt. Das Auto ist das­selbe, der Modus ist entschei­dend. Das gilt auch für den Glauben.

Ich danke Peter Brud­er­er für seine wohlwol­lende Rezen­sion zu meinem Buch. Wie er darin erwäh­nte, bin ich mir der immensen Her­aus­forderun­gen und Prob­leme unsr­er Zeit sehr bewusst. Es kann nicht sein, dass wir welt­fremd und naiv über das Schwierige und Katas­trophale in der Welt hin­wegse­hen und uns der Nöte unser­er Zeit ver­schliessen. Trotz­dem bin ich überzeugt, dass unsere tief­ste Grund­hal­tung die des Opti­mis­mus sein muss, ger­ade als Christin­nen und Christen.

Es ist nicht nur wichtig, was wir tun und sagen, son­dern wie wir dies tun, in welch­er Grund­hal­tung. Wenn zwei das Gle­iche tun oder sagen, ist es bekan­ntlich nicht das­selbe. Der Grund­modus ist entschei­dend. Ich bin überzeugt, dass dies für unser eigenes Leben und unser Wirken in unser Umfeld hinein einen enor­men Unter­schied macht. Auch dafür, wie eine Kirche sich für ihre Mit­glieder und ihr Umfeld anfühlt, ist ihr Grund­modus sehr entscheidend.

Ich ver­suche, dich in diesem Artikel für die Grund­hal­tung des Opti­mis­mus zu gewin­nen und dir Impulse für ein ver­tieftes Nach­denken zu geben.

Stelvio Pass, Schweiz-Ital­ien (Bild: iStock)

Wir müssen vom Ende her denken

Ein absoluter Klas­sik­er der Leit­er­schaft­slit­er­atur ist «Die 7 Wege zur Effek­tiv­ität» von Stephen R. Cov­ey (2016 [2004]). Sein zweites von sieben Prinzip­i­en lautet: «Schon am Anfang das Ende im Sinn haben». Cov­ey erk­lärt dazu: «Es bedeutet, zu wis­sen, wo Sie hinge­hen, um so auch bess­er zu ver­ste­hen, wo Sie derzeit ste­hen. Nur so kön­nen Sie ihre Schritte immer in die richtige Rich­tung lenken.» (S. 126) Wenn wir in unserem Leben all­ge­mein, im Beruf, in der Kinder­erziehung, im Sport und auch im Glauben und als Kirche effek­tiv sein wollen, ist es dem­nach hil­fre­ich, vom Ende her zu denken. Wenn wir wis­sen wollen, was wir heute tun und lassen sollen und welche Denkweise kon­struk­tiv ist, ist es hil­fre­ich zu fra­gen: Was wollen wir erre­ichen? Zu welchen Men­schen sollen wir wer­den? Wie wird die Zukun­ft aussehen?

Chris­ten glauben, dass Jesus der recht­mäs­sige König (der Chris­tus) dieser Welt ist (vgl. u.a. Lk 19,11–15; Apg 17,7). N.T. Wright erk­lärt pointiert: “Das Evan­geli­um ist die Verkündi­gung, dass Jesus der Herr ist – Herr der Welt.” Und: “Die Mis­sion der Kirche [lautet]: Verkündi­gung des Kön­i­gre­ich­es Gottes in der ganzen Welt.” («Worum es Paulus wirk­lich ging», 2010, S. 193; 187; vgl. 241)

Gemäss dem bib­lis­chen Zeug­nis wird Jesus Chris­tus eines Tages sicht­bar auf dieser Welt regieren. Er wird sein Frieden­sre­ich auf­bauen, in welchem Gott als Schöpfer ange­betet und Gerechtigkeit herrschen wird. Christin­nen sind aufgerufen, soweit möglich schon heute entsprechend den Massstäben zu leben, die dann gel­ten wer­den. Chris­ten sind berufen, von diesem Ende her zu denken und zu han­deln und dadurch ein Vorgeschmack von dem zu sein, wie es dann sein wird (2Kor 2,14–15). Man nen­nt ein solch­es Leben “antizipa­torisch”, also das schon ange­broch­ene und ein­mal vol­len­dete Reich Gottes “vor­weg­nehmend”. So zu leben ist nicht ein­fach ein Auf­trag, son­dern eine Möglichkeit und ein Poten­zial, in das wir durch den Glauben und durch die Kraft des Heili­gen Geistes hineinwach­sen dür­fen (vgl. Mt 5,13–16; 2Kor 4,6–7).

Colle del Niv­o­let, Ital­ien (Bild: iStock)

Nach welcher Melodie tanzen wir?

In diesem Zusam­men­hang inspiri­ert mich ein Abschnitt aus dem bib­lis­chen Buch der Offen­barung. Dort ist von sechs Posaunen die Rede, welche den Nieder­gang der Welt symbolisieren:

  1. Posaune: 1/3 der Erde zer­stört (Off 8,6–7)
  2. Posaune: 1/3 des Meeres und der Lebe­we­sen darin zer­stört (Off 8,8–9)
  3. Posaune: 1/3 der Flüsse und Quellen zer­stört (Off 8,10–11)
  4. Posaune: 1/3 des Licht­es der Sonne und der Gestirne ver­dunkelt (Off 8,12)
  5. Posaune: Men­schen wer­den von Lei­den getrof­fen (Off 9,1–4)
  6. Posaune: 1/3 der Men­schen stirbt (Off 9,13.18),
    viele Men­schen wen­den sich von Gott ab (Off 9,20–21)

Es gibt ver­schiedene Ausle­gun­gen darüber, ob diese Ereignisse bild­haft oder wörtlich zu ver­ste­hen sind und ob sie in der Ver­gan­gen­heit, in der Zukun­ft oder in der Gegen­wart liegen. Es ist denkbar, dass mehrfache Erfül­lun­gen möglich sind und alle diese Ausle­gun­gen stim­men kön­nten. Es geht mir hier nicht darum, mich dies­bezüglich festzulegen!

Mein Punkt ist, dass die genan­nten Katas­tro­phen für mich nicht unbekan­nt klin­gen: Die 1. bis 4. Posaune klin­gen für mich nach Din­gen wie Umweltver­schmutzung, Abholzung des Regen­waldes, Aus­bre­itung der Wüste, Wald­brände, Kli­maverän­derung, steigende Wasserk­nap­pheit auf dieser Welt, Ver­schmutzung und Leer­fis­chung der Meere, giftige Flüsse, Luftver­schmutzung, Smog und so weit­er. Die 5. und 6. Posaune erin­nern mich an Krankheit­en wie AIDS und Krebs mit Mil­lio­nen von Todgewei­ht­en auf der ganzen Welt, an katas­trophale Hunger­snöte und Kriege, die jeden Tag tausende von Men­schen­leben fordern. Gle­ichzeit­ig wen­den sich vor allem im säku­lar­isierten West­en viele Men­schen vom christlichen Glauben ab. – Für mich scheinen diese ersten sechs Posaunen sehr real und gegen­wär­tig. Wenn ich die Nachricht­en schaue oder lese, kommt mir das vor wie das “Platzkonz­ert der ersten sechs Posaunen”.

Im Offen­barung­s­text ist aber noch von ein­er siebten Posaune die Rede:

“Nun blies der siebte Engel seine Posaune. Daraufhin erk­lang im Him­mel ein mächtiger,
viel­stim­miger Jubelge­sang: ‘Jet­zt gehört die Herrschaft über die Welt endgültig unserem Her­rn und dem, den er als König einge­set­zt hat – Chris­tus. Ja, er wird für immer und ewig regieren.’ ” (NGÜ Off 11,15; vgl. 1Kor 15,52; 1Thes 4,15–5,11)

Nach all den riesi­gen Katas­tro­phen der ersten sechs Posaunen kommt also noch die

  1. Posaune: Jesus Chris­tus richtet als König sein Frieden­sre­ich auf (Off 10,7; 11,15)

Dieser Text will uns ermuti­gen: Es ist eine Real­ität, dass wir in dieser Welt durch äusserst schwierige und her­aus­fordernde Zeit­en gehen. Aber am Ende richtet Jesus Chris­tus sein Frieden­sre­ich auf. Es mag sein, dass sich die Nachricht­en anhören wie die ersten sechs Posaunen, aber am Schluss ertönt eine siebte Posaune. Mit der Wiederkun­ft Jesu wird das Kön­i­gre­ich Gottes für alle sicht­bar (Mt 6,10; 1Kor 15,51–52). Alle Men­schen wer­den wis­sen: Jesus ist König. Er wird eine Gesellschaft ohne Leid und Ungerechtigkeit aufricht­en. Das wird das Beste (lateinisch “opti­mum”) sein, was die Welt seit dem Paradies je gese­hen hat. Von diesem Ende her müssen wir als Kirchen unser Denken und Han­deln bes­tim­men lassen! Was kön­nten wir daher von unser­er Grun­daus­rich­tung her anderes sein als Optimisten?

Der kroat­is­che The­ologe Peter Kuzmic sagte: “Hoff­nung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukun­ft zu hören. Glaube ist der Mut, in der Gegen­wart danach zu tanzen.” Der hoff­nungsvolle Opti­mis­mus, den wir haben, weil wir die siebte Posaune hören, zeigt sich darin, dass wir schon heute entsprechend glauben, leben, han­deln, oder eben “tanzen”. Zeige mir deinen Lebens- und Glaubensstil und ich sage dir, ob du die christliche Zuver­sicht ergrif­f­en hast, beziehungsweise selb­st von ihr ergrif­f­en bist (mehr dazu in meinem Buch).

Grim­sel- und Furka­pass mit Rhone­gletsch­er, Schweiz (Bild: iStock)

Wie blicken wir konstruktiv auf eine nachchristliche Gesellschaft?

Viele Christin­nen und Chris­ten sprechen eher pes­simistisch (von lateinisch “pes­si­mum”, das Schlecht­este) von der Zukun­ft der Kirche in der west­lichen Gesellschaft, wobei manche von ihnen diese Sichtweise als “real­is­tisch” bezeichnen.

Man hört und liest in diesem Zusam­men­hang öfters von der “nachchristlichen Gesellschaft”. Chris­ten zur “Linken” wollen sich ihr weit­ge­hend anpassen und fokussieren oft auf ein Evan­geli­um der sozialen Gerechtigkeit. Christin­nen zur “Recht­en” wollen sich davon abgren­zen und lan­den oft bei einem Tick­et-in-den-Him­mel-Evan­geli­um. Bei­de Wege bein­hal­ten zwar wahre Aspek­te, trotz­dem halte ich bei­de Wege für sich allein genom­men für nicht gut genug.

Der ein­seit­ige Weg nach “links” führt oft in eine kraft­lose, lib­erale Pro­fil­losigkeit. Leute, die beto­nen, die Kirche müsse ler­nen mit dem Zeit­geist zu tanzen, müssen sich die Frage gefall­en lassen, nach welch­er Musik denn getanzt wird? Nach der siebten Posaune von Jesus als König des kom­menden Frieden­sre­ich­es oder nach der Pfeife der aktuellen Mode? – Der ein­seit­ige Weg nach “rechts” führt oft in eine verkrampfte, abschot­tende Enge. Hier muss man sich der Frage stellen, ob man die Haupten­ergie dafür ver­wen­det, die Melodie der ersten sechs Posaunen zu analysieren und sog­ar mitzusin­gen, oder ob man freudig in das Loblied der siebten Posaune ein­stimmt? – Dabei ist es nicht so, dass ich Leuten zur “Recht­en” oder zur “Linken” ihre gute Absicht abspreche. Ich halte diese zwei Wege in ihren Ein­seit­igkeit­en ein­fach nicht für genü­gend inspiri­erend, opti­mistisch, ganzheitlich, antizipa­torisch, befreiend und kraftvoll.

Wichtig ist mir: Ich spreche mich hier nicht dafür aus, einen Mit­tel­weg zu den zwei skizzierten Wegen zur “Linken” oder zur “Recht­en” zu find­en. Es geht mir hier nicht um den gold­e­nen Kom­pro­miss. Man würde ja auch nicht sagen, das Reit­en auf einem Pferd sei ein Mit­tel­weg oder der Kom­pro­miss zwis­chen dem Run­ter­fall­en nach rechts oder nach links. Der Nor­malzu­s­tand ist, auf dem Pferd zu sitzen, beziehungsweise ein in der Grund­hal­tung opti­mistis­ches, ganzheitlich­es, antizipa­torisches, befreien­des und kraftvolles Christ­sein zu leben (mehr dazu). Wer nicht auf dem Pferd sitzt, son­dern an ein­er sein­er Seit­en hängt, unter­liegt ein­er “abnor­malen” Schlag­seite. In ver­gle­ich­bar­er Weise bin ich überzeugt: Der hier beschriebene “dritte Weg” ist der eigentliche “Plan A”, zu dem die Wege zur “Rechte” und zur “Linken” schwäch­liche Schräglagen darstellen. Ich lade also dazu ein, freudig auf dem Pferd zu reiten!

Es ist mir bewusst, dass es in ein­er nachchristlichen Gesellschaft für die Kirche spezielle Her­aus­forderun­gen gibt, die unbe­d­ingt zu beacht­en sind! Beispiel­sweise haben viele Men­schen Schwieriges mit der Kirche erlebt oder ken­nen ein verz­er­rtes Bild des Christ­seins und haben daher grosse Vor­be­halte. All dies ist aber kein Grund für eine pes­simistis­che Grund­hal­tung, denn sind wir ehrlich: Die heuti­gen Her­aus­forderun­gen sind für die Kirche nicht gröss­er als jene im Römis­chen Reich der ersten Jahrhun­derte nach Chris­tus (mehr dazu). Mit einem pes­simistis­chen Grund­modus hätte sich das Chris­ten­tum dort allerd­ings nicht der­massen ver­bre­it­en können.

Viel mehr inspiri­ert mich, was die deutsche Train­er­legende Sepp Her­berg­er zum Fuss­ball sagte: “Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.” Befind­en wir uns dem­nach in ein­er nachchristlichen Gesellschaft, dann auch in ein­er vorchristlichen! Ich kenne nie­man­den, der oder die aus dem mehrheitlich kor­rek­ten intellek­tuellen Reden über die nachchristliche Gesellschaft eine für mich inspiri­erende Botschaft ziehen kön­nte. Die opti­mistis­che Per­spek­tive von der vorchristlichen Gesellschaft dage­gen hat eine faszinierende Kraft und inspiri­ert zu einem entsprechen­den Leben. Wir müssen vom Ende her denken!

Sei­den­strasse zwis­chen Chi­na and Indi­en (Bild: iStock)

Daniel wählte die Option, optimistisch zu sein

Wenn ich hier auf einen Artikel auf Daniel Option antworte, sei mir noch fol­gen­der Ver­weis erlaubt:

Daniel hielt im baby­lonis­chen Exil opti­mistisch und glaubensstark daran fest, dass Gottes Gesetz (Dan 6,6) beständi­ger war als das “unverän­der­liche Gesetz der Med­er und Pers­er” (6,13.16). Daniel hielt unter sehr schwieri­gen Bedin­gun­gen daran fest, dass Gottes Geschichte mit seinem Volk noch nicht am Ende war. Daniel erlebte, dass Gottes über dem Volk Israel genan­nter Name (6,11; 2Chr 7,14) stärk­er war als der Name auf dem königlichen Siegel, der die Löwen­grube ver­schloss (6,17–18). Das Faz­it dieser Geschichte von Daniel in der Löwen­grube lautet opti­mistisch und ermutigend:

“Er ist der lebendi­ge Gott, der ewig bleibt, sein Reich ist unvergänglich und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Ret­ter und Nothelfer und er tut Zeichen und Wun­der im Him­mel und auf Erden.” (LUT 6,27–28)

Ich ver­ste­he Daniel also unter anderem als bib­lis­ches Beispiel für eine opti­mistis­che Grund­hal­tung in äusserst her­aus­fordern­den Zeiten!

Zum Schluss die Probe aufs Exempel

Wie liest du den fol­gen­den Text? Von oben her oder von unten her? Manche Chris­ten und Christin­nen scheinen ihn tat­säch­lich von unten her zu lesen. Ich möchte dich ermuti­gen, ihn opti­mistisch von oben her zu lesen. Ist doch logisch! Und wie gesagt sehr entscheidend!

Das Beste kommt noch!
Es wäre eine Lüge, würde ich sagen
dass die Säku­lar­isierung zu über­mächtig ist
Es ist doch ganz klar
dass Gottes Reich in dieser Welt einen markan­ten Unter­schied macht
Ich kann daher nicht glauben
dass die Kirche nach 2000 Jahren kurz vor dem Aus steht
Die Wahrheit ist
dass eine Neuhin­wen­dung zum christlichen Glauben möglich ist
Ich glaube nicht
dass Europa mit Gott abgeschlossen hat oder vielle­icht auch Gott mit Europa
Nein, Tat­sache ist
«Jesus Chris­tus, das Evan­geli­um und die Kirche sind die Hoff­nung der Welt.»

(inspiri­ert von https://www.youtube.com/watch?v=Gb9UwXmJnzA)


Titel­bild: Trans­făgărășan-Route, Karpat­en, Rumänien (Bild: iStock)

 

 

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