Bileam (2/3) — Treuer Gott, untreues Volk

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Im ersten Teil dieser Bileam-Serie haben wir Ein­blick bekom­men in die span­nende Geschichte dieses Sehers, dieses Propheten. So ambiva­lent er als Per­son zu sein scheint — sein Ste­hver­mö­gen gegenüber seinem Auf­tragge­ber Bal­ak scheint doch beachtlich gewe­sen zu sein. Er hätte das Volk Israel ver­fluchen sollen. Doch let­ztlich hat er dreimal den Segen Gottes über diesem Volk aus­ge­sprochen. Gott ist seinem Volk treu — daran lässt sich nicht rütteln.

Auch wenn Bileam nach diesen Ereignis­sen wieder zu sich nach Hause zieht (Num 24:25), machen die weit­eren Hin­weise aus der Bibel deut­lich, dass Bileam aus sein­er inneren ‘Zer­ris­senheit’ nicht zurück­find­et. Zu stark sind anscheinend die Bindun­gen, die er einge­gan­gen ist, zu demüti­gend die erfahrene Verachtung.

Also find­et Bileam einen anderen Weg, das Volk Israel von seinem Gott zu tren­nen. Wenn es nicht möglich ist, Gott gegen sein Volk zu wen­den, so sollte es doch möglich sein zu bewirken, dass das Volk selb­st sich von seinem Gott abwendet.

Moab ver­führt Israel zur Sünde, Illus­tra­tion aus der Fig­ures de la Bible, 1728
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Die Untreue des Volkes gegenüber seinem Gott

Das auf die Geschichte von Bileam fol­gende Kapi­tel (Num 25:1–18) zeigt uns genau dies. Näm­lich wie sich das Volk Israel von seinem Gott abwendet:

Und Israel ließ sich in Sit­tim nieder; und das Volk fing an, Unzucht zu treiben mit den Töchtern der Moabiter, und diese luden das Volk zu den Opfern ihrer Göt­ter ein. Und das Volk aß [mit ihnen] und betete ihre Göt­ter an. Und Israel begab sich unter das Joch des Baal-Peor. (Num 25:1–3)

So ein­fach geht das. Das Volk, welch­es auf die uner­schüt­ter­liche Treue seines Gottes zählen kann, wen­det sich ab.

Doch ist es aus der Per­spek­tive des Volkes Israel wohl gar nicht so, dass sie ihren Gott ver­lassen haben. Man hat sich lediglich auf die span­nen­den Sachen ein­ge­lassen, welche die tem­poräre Heimat vor den Toren des ver­heis­se­nen Lan­des so bieten. Irgend­wie muss man ja die Zeit totschla­gen. Da hat es hüb­sche Frauen. Es gibt ziem­lich schöne Feste. Und man kann span­nende neue spir­ituelle Ent­deck­un­gen machen!

Unüberse­hbar ist die sex­uelle Kom­po­nente in der Erzäh­lung. Der Baal-Peor, unter dessen ‘Joch’ sich das Volk Israel nun beg­ibt, wird von Jakob Kroek­er beze­ich­net als ‘der Gott der Scham­losigkeit, der Herr der Geschlecht­striebe, dem man beson­ders durch kul­tische Fes­tlichkeit­en und durch Befriedi­gung der sinnlichen Lei­den­schaften huldigte’ (vgl. auch die Jüdis­che Ency­clo­pe­die).

Sex schafft Bindung. Sex schafft auch gemein­same Kinder. Gemein­same Feste sind die beste Bühne dafür, einan­der ken­nen zu ler­nen und sich zu verbrüdern.

Ohne es zu merken, hat Israel sein Herz an etwas anderes ‘gehängt’, als an den einzig wahren Gott, der sie aus der Sklaverei gerettet, in der Wüste getra­gen, ver­sorgt und bis vor die Tore des ver­heis­se­nen Lan­des geführt hat.

Man kön­nte nun meinen, dass diese Entwick­lung ein­fach zufäl­lig geschehen ist, weil es der Natur des Men­schen entspricht, sich sein­er Umge­bung anzu­passen. Und es macht doch auch nur Sinn, den eige­nen Glauben mit dem der Gesellschaft um sich herum zu har­mon­isieren und dadurch Rel­e­vanz und Glaub­würdigkeit zu gewinnen.

Ein genauer Blick auf die Vorgänge deckt aber eine schock­ierende Real­ität auf: Der Abfall des Volkes Israel erfol­gt nicht zufäl­lig. Sie beruht auf ein­er klaren Strate­gie des Fein­des von Israel. Und der ‘Souf­fleur’ dabei ist ein Alt­bekan­nter: Bileam.

Den entschei­den­den Hin­weis dazu find­en wir in Num 31:

Siehe, sie haben ja in der Sache des Peor durch den Rat Bileams die Kinder Israels vom HERRN abge­wandt, sodass der Gemeinde des HERRN die Plage wider­fuhr!  (Num 31:16)

Was aus der Per­spek­tive des Volkes Israel nach einem harm­losen Anban­deln mit den moabitis­chen Frauen, Kul­ten und Gebräuchen aussieht, ist keine zufäl­lige Entwick­lung, son­dern eine klare Strate­gie der Moabiter auf Anrat­en Bileams.

Genau: Wenn es nicht möglich ist, Gott gegen sein Volk zu wen­den, so sollte es doch möglich sein, dass sich das Volk selb­st von seinem Gott abwen­det. Und dafür braucht es gar nicht so viel. Ein paar schöne ausufer­nde Feste, ein wenig spir­ituelle Offen­heit, ein biss­chen wohlver­di­ente sex­uelle Lock­er­heit. Das Volk Israel ahnt nicht, was sein Ver­hal­ten für neue Abhängigkeit­en und Gebun­den­heit mit sich brin­gen wird. Und es ahnt auch nicht, dass es der klaren Strate­gie ihres Fein­des auf den Leim geht.

Das Resul­tat dieser neuen religiösen und sex­uellen Lock­er­heit ist let­z­tendlich eben nicht Frei­heit, son­dern eine neue Abhängigkeit: ‘Israel begab sich unter das Joch des Baal-Peor.’

Unser Sex­u­alver­hal­ten find­et eben nicht in einem weltan­schaulich neu­tralen Raum statt, son­dern hat auch eine zutief­st geistliche Dimen­sion. Und wer ein­er bes­timmten Prax­is anhängt, der hängt sein Herz let­ztlich auch an die dahin­ter­liegende Reli­giosität. Genau­so wird auch die Per­son, welche ein­er bes­timmten neuen Spir­i­tu­al­ität anhängt, sich für die dazuge­hörende sex­uelle Prax­is öff­nen. Dies macht die Geschichte von Bileam überdeutlich.

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Bileams Rat und die neutestamentliche Gemeinde

Der­art beispiel­haft sind die Ereignisse rund um Bileam, dass seine Per­son auch im Neuen Tes­ta­ment zum Syn­onym wird für ein bes­timmtes, wiederkehren­des Han­deln und Denken in den ersten Gemeinden.

Paulus gibt die Ereignisse von damals als war­nen­des Beispiel für die Gemeinde in Korinth:

Werdet auch nicht Götzen­di­ener, so wie etliche von ihnen, wie geschrieben ste­ht: »Das Volk set­zte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und stand auf, um sich zu vergnü­gen«. Lasst uns auch nicht Unzucht treiben, so wie etliche von ihnen Unzucht trieben, und es fie­len an einem Tag 23 000. (1Kor 10:7–8)

Wir ent­deck­en Bileam im 2. Petrus­brief wieder. Hier ste­ht er für Irrlehrer, welche in den betrof­fe­nen Gemein­den von Geldgi­er getrieben ein zügel­los­es Leben propagiert haben:

Dabei haben sie Augen voller Ehe­bruch; sie hören nie auf zu sündi­gen und lock­en die unbe­fes­tigten See­len an sich; sie haben ein Herz, das geübt ist in Hab­sucht, und sind Kinder des Fluchs. Weil sie den richti­gen Weg ver­lassen haben, sind sie in die Irre gegan­gen und sind dem Weg Bileams, des Sohnes Beors, gefol­gt, der den Lohn der Ungerechtigkeit liebte; aber er bekam eine Zurechtweisung für seinen Frev­el: Das stumme Last­ti­er redete mit Men­schen­stimme und wehrte der Torheit des Propheten.  (2Pet 2:14–16).

Wir find­en Bileam im Judas-Brief wieder, auch hier im Zusam­men­hang mit Irrlehrern:

Wehe ihnen! Denn sie sind den Weg Kains gegan­gen und haben sich um Gewinnes willen völ­lig dem Betrug Bileams hingegeben und sind durch die Wider­set­zlichkeit Korahs ins Verder­ben ger­at­en! (Judas 11)

Nicht zulet­zt ent­deck­en wir Bileam im let­zten Buch der Bibel. Im Send­schreiben an die Gemeinde in Perg­a­mon (Apk 2:14) wird die durch Bileam propagierte Ver­führung mit der Irrlehre der Niko­laïten in Verbindung gebracht, welche die dama­lige Gemeinde bedro­ht hat:

Und dem Engel der Gemeinde in Perga­mus schreibe: Das sagt, der das scharfe zweis­chnei­di­ge Schw­ert hat: Ich kenne deine Werke und [weiß,] wo du wohnst: da, wo der Thron des Satans ist, und dass du an meinem Namen fes­thältst und den Glauben an mich nicht ver­leugnet hast, auch in den Tagen, in denen Antipas mein treuer Zeuge war, der bei euch getötet wurde, da, wo der Satan wohnt. Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du dort solche hast, die an der Lehre Bileams fes­thal­ten, der den Bal­ak lehrte, einen Anstoß [zur Sünde] vor die Kinder Israels zu leg­en, sodass sie Götzenopfer aßen und Unzucht trieben. So hast auch du solche, die an der Lehre der Niko­lait­en fes­thal­ten, was ich has­se. Tue Buße! Son­st komme ich rasch über dich und werde gegen sie Krieg führen mit dem Schw­ert meines Mundes. (Apk 2:12–16)

Viel deut­lich­er als das Alte Tes­ta­ment brin­gen die neutes­ta­mentlichen Stellen den Aspekt der falschen Lehre Bileams ins Spiel. Es geht in diesen Tex­ten nicht ein­fach um moralis­che Ver­fehlun­gen einzel­ner Per­so­n­en in den Gemein­den, son­dern in viel grösserem Masse um ihre Legit­imierung durch falsche Lehrer.

Wo es um Ver­fehlun­gen einzel­ner Men­schen geht, ist die Bibel sehr klar: Wir sind alle­samt Sün­der und ‘erman­geln des Ruhmes’, den wir vor Gott haben sollen (Röm 3:23; vgl Röm 7:19). Wir alle bedür­fen der Gnade, die uns von Gott in Chris­tus ver­liehen wird (Röm 3:24). Wir sollen unsere Aufmerk­samkeit zuallererst dem ‘Balken’ im eige­nen Auge und nicht dem ‘Split­ter’ im Auge unseres Brud­ers wid­men (Mt 7:3). Wer sich rüh­men will, der soll sich nicht sein­er selb­st rüh­men, son­dern der ‘soll sich des Her­rn rüh­men’ (2Kor 10:17). Für den Sün­der hat Gott jed­erzeit Verge­bung und Gnade bere­it, und genau­so sollen auch wir mit der nöti­gen Demut und im Wis­sen um unsere eigene Bedürftigkeit anderen Men­schen begegnen.

Eine völ­lig andere Sache ist es aber, wenn der Sünde eine the­ol­o­gis­che, lehrmäs­sige Legit­imierung erteilt wird. Hier fordert uns die Bibel ganz klar dazu auf, falschen Lehren und ihren Vertretern ent­ge­gen­zutreten. Im Beispiel der Gemeinde in Perg­a­mon waren es die Niko­laïten, welche, wie es scheint, das Mit­feiern an hei­d­nis­chen Fes­ten (ver­bun­den mit dem Essen von Götzenopfer) und Unzucht the­ol­o­gisch legitimierten.

Die Liste der Bibel­stellen, wo mit falschen Lehrern hart ins Gericht gegan­gen wird, ist lang. Wieder­holt wird in der Bibel vor solchen Men­schen gewarnt (vgl z.B: Jes 5:20; Mt 15:14; Gal 1:8).
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Die Achillesferse der Gemeinde

Die Art und Weise, wie das Beispiel von Bileam und dem untreuen Volk den Leser der heili­gen Schrift bis in die Send­schreiben der Offen­barung hinein begleit­et, macht deut­lich, dass es bei dieser Geschichte um mehr geht als um eine ein­ma­lige Lek­tion. Es geht um eine Lek­tion für das Volk Gottes zu allen Zeit­en.

Das Volk Israel liess sich schein­bar prob­lem­los zu religiösem Synkretismus und sex­ueller Unrein­heit ver­leit­en. Diese Achilles­ferse des Volkes Israel ist eben­so diejenige der Gemeinde Jesu, wie die neutes­ta­mentlichen Bibel­stellen klar­ma­chen. Darauf muss sie immer wieder hingewiesen wer­den, denn der ‘Rat des Bileam’ ist eine bewusste Strate­gie des Teufels, die Gemeinde von Jesus zu trennen.

Dieser Beitrag ist als dre­it­eilige Serie aufge­baut. Die weit­eren Teile:
Bileam (1/3) – Der Prophet und sein Esel
Bileam (3/3) – Lehren für unsere Zeit

Wer die Bileam-Botschaft in ein­er Predigt aufgear­beit­et sehen möchte, kann dies hier tun:

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4 Comments
  1. Rüdiger Kosinski 2 Jahren ago
    Reply

    Mich erstaunt immer wieder, wie oft das ‘Volk Israel’ von seinen GOTT abfiel, obwohl es bei IHM doch am besten ging !
    Wie oft in der gesamten Geschichte geschah der Abfall eigentlich ? 20 mal ? 30 mal ? Noch öfter ?
    Der eigentliche Grund dafür ist der­gle­iche wie beim Sün­den­fall im Paradies — es ist stets Satan, der den Abfall provoziert …
    Eigentlich hätte Gott seinen Wider­sach­er Satan bere­its zur Zeit der Sint­flut aus dem Verkehr ziehen müssen, weil bis dahin es
    doch ein­deutig war, wes Geistes Kind dieses Wesen ist — immer kon­terkari­erte er die Empfehlun­gen Gottes und ver­führte, wen er nur kon­nte ! Länger hätte Gott seinen ‘Wider­sach­er’ nicht dulden müssen, statt noch weit­ere 120 Gen­er­a­tio­nen zuzu-
    warten ?! In diesem Punkt war und ist Gott viel zuuu lang­mütig … und die Men­schheit wäre schon bedeu­tend weiter !

    • Jan 1 Jahr ago
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      Rüdi­ger, es ist Glück, dass Gott so lang­mütig, treu und geduldig ist, weil Er nicht möchte, dass auch nur ein Men­sch ver­loren gin­ge und jed­er Men­sch einen mehr als angemesse­nen Zeitraum zur Ein­sicht zur Erken­nt­nis seines Zus­tands, zur Buße, Taufe und Umkehr bekommt, um durch Chris­tus neuge­boren ein Kind Gottes wer­den kann. Denn der natür­liche Men­sch unter­ste­ht dem Zorn Gottes durch seinen Zus­tand der Sünde, deren Lohn der Tod ist. Die Gnadengabe Gottes das ewige Leben.

  2. Christian Haslebacher 4 Jahren ago
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    Es scheint mir, dass die Ansätze, welche das Volk Israel ins Verder­ben stürzten — 1. die sex­uellen Kon­tak­te mit den Töchtern der Moabiter und 2. das Opfern für die Göt­ter der Moabiter — bere­its in den Segenssprüchen Bileams enthal­ten waren. Das geseg­nete Volk Israel wird beschrieben mit 1. “ein Volk, das abgeson­dert wohnt” (23,9) und 2. “es gibt keine Zauberei und keine Wahrsagerei in Israel” (23,23). — Bal­ak musste also ein­fach für das Gegen­teil dessen sor­gen, was das geseg­nete Israel charak­ter­isierte. So wurde der Segen Bileams, der in einem Kli­ma der Auflehnung gegen Gottes Absicht gesprochen wurde, indi­rekt doch noch zu einem Fluch. Wenn man so will, hat Bileam das Geheim­nis des Volkes Israel aus­ge­plaud­ert: Ein Volk, das sich an Gott ori­en­tiert und ihm allein dient, geheiligt und geweiht.

    • Peter Bruderer 4 Jahren ago
      Reply

      Danke Chris­t­ian für diese wertvolle Ergänzung!

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