Abtreibung 5/5 – Wenn Umkehr Fortschritt bedeutet

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by Peter Bruderer | 14. Jan. 2022 | 0 comments

Die evan­ge­likale Bewe­gung erlebt in den 70er-Jahren in Sachen Abtrei­bung eine erstaunliche Wende. Die entste­hende Pro-Life Bewe­gung entwick­elt eine Dynamik, welche auch zu neuen und unge­wohn­ten Schul­ter­schlüssen zwis­chen Evan­ge­likalen und Katho­liken führt. Manch­mal kommt Fortschritt nur durch Umkehr. 

Vor 50 Jahren haben die führen­den Köpfe der evan­ge­likalen Bewe­gung, bee­in­flusst vom ‘Geist der 68er’, die Türe für Abtrei­bung weit geöffnet. Wie es dazu kam, habe ich im vierten Teil dieser Serie erläutert. Die evan­ge­likale Bewe­gung war weit anfäl­liger, als man es auf­grund ihrer selb­sterk­lärten ‘Bibelfes­tigkeit’ ver­muten würde. Doch diese Entwick­lung ver­lief gemäss ein­er Logik.

Der logische Lauf der Dinge

Bere­its im 19. Jahrhun­dert hat Antho­ny Com­stock auf den inneren Zusam­men­hang zwis­chen Pornografie, Geburtenkon­trolle und Abtrei­bung hingewiesen. Die soge­nan­nten Com­stock-Laws, welche auf seine Ini­tia­tive zurück­ge­hen, prägten die Geset­zge­bung in den USA über Jahrzehnte hin­weg und ver­hin­derten unter anderem die Ver­bre­itung von Pornografie über die Post (damals lief bekan­ntlich noch alles ohne Inter­net). Das Haup­tan­liegen von Com­stock war der Schutz der Jugend[1]. Er wies wohl als ein­er der ersten auf das Sucht­po­ten­tial von Pornografie hin.

Die Erfahrun­gen aus Comstock’s Tätigkeit als Ermit­tler zeigten zudem, dass Pornografie, Ver­hü­tungs- und Abtrei­bungsmit­tel in der Regel aus ein­er Hand kom­men. Seine Logik war ein­fach: die Ver­füg­barkeit von Ver­hü­tungsmit­teln ermutigt die Promiskuität und Pornografie ist “raf­finiert berech­net, um die Lei­den­schaften zu ent­flam­men und die Opfer von ein­er Stufe des Lasters zur näch­sten zu führen, die in äußer­ster Lust endet.” Die His­torik­erin Nico­la Beisel beze­ich­net es als den intellek­tuellen Ver­di­enst von Com­stock, diese innere Logik erkan­nt zu haben, näm­lich «Abtrei­bung und Empfäng­nisver­hü­tung mit der Ver­füg­barkeit obszön­er Lit­er­atur auf den Straßen der Stadt in Verbindung zu brin­gen.»[2]

Traps for the Young: der Schutz der Jugend war ein wichtiges Anliegen von Comstock

Man mag von Com­stock und seinen zwis­chen­durch rupp­pi­gen Ermit­tlungsmeth­o­d­en hal­ten was man will — die Geschichte gibt sein­er The­o­rie grund­sät­zlich recht. Wer in einem der Bere­iche Pornografie, kün­stliche Geburtenkon­trolle oder Abtrei­bung eine Lib­er­al­isierung ein­leit­et, erzeugt einen Druck auf die anderen zwei Bere­iche. So wie diese drei Dinge im 19. Jh über die gle­iche Laden­theke gehan­delt wur­den, so hän­gen sie auch heute gesellschaftlich grundle­gend miteinan­der zusam­men[3].

Es mag deshalb wenig erstaunen, dass die Evan­ge­likalen, als sie in den 60ern ihre Hal­tung gegenüber der kün­stlichen Ver­hü­tung lib­er­al­isieren, sehr schnell bere­it scheinen, auch die Abtrei­bung als legit­im zu betra­cht­en. Im Nach­hinein muss man sagen: es war wohl der natür­liche näch­ste Schritt, wie ihn die bre­ite Gesellschaft auch vol­l­zo­gen hat. Doch scheint es, dass dieser natür­liche Lauf der Dinge im Falle der Evan­ge­likalen eine über­raschende Aus­nahme hat: die ein­geläutete Lib­er­al­isierung wird in den 70er Jahren rück­gängig gemacht.

Ver­ant­wortlich für diese uner­wartete Wende ist eine neue Gen­er­a­tion von bis dahin weit­ge­hend unbekan­nten evan­ge­likalen Per­sön­lichkeit­en: Harold O. J. Brown, C. Everett Koop und Fran­cis Scha­ef­fer. Diese ‘drei Mus­ketiere’ wer­fen sich mit ein­er unglaublichen Energie und Entschlossen­heit in die Schlacht um das Recht auf Leben der Unge­bore­nen, als die einge­sesse­nen evan­ge­likalen Leit­er nicht bere­it sind, dies zu tun.

In nur weni­gen Jahren wird eine unglaublich dynamis­che und entschlossene Gegen­be­we­gung zum Trend der Zeit lanciert, welche zu einem klaren Mei­n­ung­sum­schwung im evan­ge­likalen Lager führt. 1980, also nur sieben Jahre nach dem Entscheid des Ober­sten Gericht­shofes, wird mit Ronald Rea­gan (1911–2004) ein Präsi­dent gewählt, welch­er sich hin­ter das Pro-Life-Anliegen stellt und einen der ‘drei Mus­ketiere’ zum Gesund­heitsmin­is­ter ernen­nt: den evan­ge­likalen Pro-Life Aktivis­ten C. Everett Koop.

Wer gibt den Ton an?

Doch bevor wir uns den ‘Mus­ketieren’ zuwen­den, müssen wir über Geschichtss­chrei­bung reden. Denn wer sich aufmerk­sam mit den Geschichts­deu­tun­gen der evan­ge­likalen Posi­tion­ierung in Abtrei­bungs­fra­gen beschäftigt, dem wird auf­fall­en, wie unter­schiedlich die Geschicht­en sind, die davon erzählt werden.

Abtrei­bungs­geg­n­er tendieren dazu, jene Ele­mente in der evan­ge­likalen Bewe­gung herun­terzus­pie­len oder gar zu ver­schweigen, die offen waren für Abtrei­bung. So spie­len sie die harten Fak­ten der evan­ge­likalen Anpas­sung an den Zeit­geist der 68-er herunter. Sie ver­tuschen ten­den­ziell auch die mil­i­tan­ten Verir­run­gen an den Rän­dern der Pro-Life Bewe­gung, die in den 80-er und 90-er Jahren stat­tfind­en. Damals kommt es durch Einzeltäter auch zu Gewal­tak­ten gegen Abtrei­bungsärzte. [4].

Wesentlich dom­i­nan­ter sind in säku­laren Medi­en und in the­ol­o­gisch lib­eralen Kreisen jedoch die Stim­men der­jeni­gen, welche in der evan­ge­likalen Pro-Life-Wende niedere Motive und Oppor­tunis­mus aus­machen und so die Bewe­gung zu diskred­i­tieren ver­suchen. Dabei wer­den ver­schiedene Strate­gien verwendet.

Eine typ­is­che Strate­gie ist, die ersten Jahre der evan­ge­likalen Pro-Life Bewe­gung unter den Tep­pich zu kehren und deren ange­blichen Beginn ans Ende des Jahrzehnts ins Jahr 1979 zu leg­en. In diesem Nar­ra­tiv wird betont, wie Evan­ge­likale bis 1973 offen waren für Abtrei­bung. Anschliessend wird wenig bis gar nichts erzählt über die rund 6 Jahren bis 1979. Dann wird ums Jahr 1979 die evan­ge­likale Pro-Life Bewe­gung als recht­skon­ser­v­a­tive poli­tis­che Bewe­gung im Gle­ich­schritt mit der Repub­likanis­chen Partei aus der Taufe gehoben. Die Botschaft dieses Nar­ra­tivs ist klar: Den evan­ge­likalen Pro-Lif­ern geht es nicht um Men­schen, son­dern um Macht und Ein­fluss.

Dieses Nar­ra­tiv find­en wir zum Beispiel in einem Artikel von CNN aus dem Jahre 2012, in dem die Anfänge der evan­ge­likalen Pro-Life Bewe­gung genau ins let­zte 70er-Jahr ver­legt wer­den: «Der Fernseh­predi­ger Jer­ry Fal­well führte den Mei­n­ung­sum­schwung in der Abtrei­bungs­frage in den späten 1970er Jahren an…».

Die renom­mierte Poli­tik­wis­senschaft­lerin und Forscherin in Reli­gions- und Gen­der­fra­gen Marie Grif­fith bläst in ihrem Buch ‘Moral Com­bat’ ins gle­iche Horn[5]. Auch bei ihr ist die Lancierung der evan­ge­likalen Pro-Life Bewe­gung fak­tisch deck­ungs­gle­ich mit der Per­son Jer­ry Fal­well (1933–2007) und der von ihm im Jahre 1979 gegrün­de­ten Organ­i­sa­tion ‘Moral Major­i­ty’. Diese Organ­i­sa­tion wollte moralisch kon­ser­v­a­tive Werte in den poli­tis­chen Prozess ein­brin­gen und sorgt mit dafür, dass sich die repub­likanis­che Partei in den 80er-Jahren zunehmend kon­ser­v­a­tive Posi­tio­nen zu eigen macht. Die implizite Botschaft ist klar: es geht um eine poli­tis­che Agen­da mit möglichen verdeck­ten Motiv­en.

An der Spitze ein­er kon­ser­v­a­tiv­en poli­tis­chen Bewe­gung: der Bap­tist Jer­ry Falwell

Ein solch­es verdeck­tes Motiv bei den Pro-Lif­ern meint Tom Davis aus­machen zu kön­nen. Davis ist Pfar­rer und hat sich selb­st aktiv an der Ver­mit­tlung von ille­galen Abtrei­bun­gen beteiligt [6]. Für ihn geht es bei der Pro-Life Bewe­gung eigentlich um Frauen­feindlichkeit, nicht um Lebenss­chutz. Kirchen, welche sich im Nach­gang zu Roe vs. Wade auf die Pro-Life Seite geschla­gen hät­ten, seien diesel­ben, welche Frauen von ihren Kanzeln auss­chliessen wür­den. Diese Kirchen hät­ten die ille­gale Abtrei­bung­sprax­is vor Roe v. Wade kaum bekämpft, doch als die Frauen mit der Legal­isierung ‘Macht über ihre Kör­p­er’ gewon­nen hät­ten, da sei Abtrei­bung auf ein­mal zum ‘Ver­brechen des Jahrhun­derts’ mutiert[7] — meint Davis.

Ein anderes ange­blich verdeck­tes Motiv präsen­tiert der amerikanis­che Reli­gion­shis­torik­er Ran­dall Balmer. Balmer, der selb­st unter dem Pro-Life Pio­nier Harold O.J. Brown The­olo­gie studiert hat­te[8], präsen­tiert Ras­sis­mus als treiben­des Motiv hin­ter der Poli­tisierung der Evan­ge­likalen in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren. Es sei um den Erhalt von ras­sen­ge­tren­nten christlichen Schulen gegan­gen. Die Abtrei­bungs­the­matik sei dabei so etwas wie ein oppor­tuner ‘Hand­langer’ für eine rechts­gerichtete, ras­sis­tis­che Agen­da gewe­sen. Die Pro-Life Pio­niere sind in seinem nar­ra­tiv ‘Guilty by asso­ci­a­tion’ oder wie man bei uns sagen würde: Mit­ge­gan­gen mitgefangen.

Auch im deutschsprachi­gen Raum wer­den solche Assozi­a­tio­nen in Umlauf gebracht, in diesen Tagen auch im Zusam­men­hang mit der Coro­na-Krise. Im Dezem­ber 2020 veröf­fentlicht zum Beispiel der Spiegel einen Artikel mit dem Titel Lebens­ge­fährliche »Lebenss­chützer«. Darin wird die Pro-Life Bewe­gung gle­ich in eine ganze Rei­he von neg­a­tiv behafteten gesellschaftlichen Milieus hineingeschoben: Pro Lif­er kämen aus rechts­gerichteten Kreisen, seien Ver­schwörungs­the­o­retik­er und Coro­na-Leugn­er.

Solche Zuord­nun­gen weck­en natür­lich die Abwehrreflexe jeden anständi­gen Bürg­ers. Das let­zte, was man will, ist selb­st auch in diese Ecke geschoben zu wer­den. Eigentlich würde man denken, stellt die Autorin Liane Bed­narz fest, dass Men­schen, denen das unge­borene Leben am Herzen liegt, sich auch dafür ein­set­zen wür­den, ‘bere­its geborene Men­schen vor dem Tod oder vor schw­eren Langzeitschä­den durch das Coro­n­avirus zu schützen’. Anders gesagt: die Geg­n­er von Abtrei­bung sind eigentlich gar nicht Pro-Life son­dern höch­sten Pro-Birth. Sie sind nicht für das Leben, son­dern nur ‘für das Gebären’. Dies ist ein­er der viel­ge­hörten Vor­würfe an die Pro-Life Bewegung.

Nun, der im Artikel genan­nte Ver­gle­ich macht aus mein­er Sicht einen Kat­e­gorien­fehler. Denn das unge­borene Leben kann sich im Gegen­satz zum Erwach­se­nen nicht selb­st schützen. Es ist zu 100% auf den Schutz angewiesen, welch­er durch den Kör­p­er der Mut­ter gegeben ist, und zwar ganz natür­lich. In ein­er Abtrei­bung stirbt ein unge­borenes Kind nicht wegen einem ungenü­gen­den Schutzdis­pos­i­tiv oder fehlen­der Rück­sicht­nahme ander­er Men­schen, son­dern weil dieser Tod der WILLE eines Men­schen ist. Doch in unseren aufge­heizten Zeit­en ist der dif­feren­zierte Diskurs in solchen Fra­gen fast nicht möglich. Die ‘Asso­ci­a­tion fal­la­cy’ ist eine der beliebtesten Kampf­s­trate­gien unser­er Tage. Man diskred­i­tiert bes­timmte Grup­pen durch Assozi­a­tion mit anderen unbe­liebten Bevölkerungskreisen, unter Ver­mei­dung der eigentlichen Sachfragen.

Ablehnung: die starke Pro-Life Bewe­gung stösst immer wieder auf medi­alen und poli­tis­chen Gegenwind

Eben­falls inter­es­sant ist die Sto­ry­line bezüglich Abtrei­bung und Evan­ge­likalen, wie sie der deutsche evan­ge­lis­che The­ologe Thorsten Dietz in seinen aus­führlichen Pod­casts zur aktuelleren Kirchengeschichte präsen­tiert. Auch bei ihm find­en die ersten Anfänge der evan­ge­likalen Pro-Life Bewe­gung kaum Erwäh­nung. Immer­hin iden­ti­fiziert er Fran­cis Scha­ef­fer als eine für die Bewe­gung wesentliche Fig­ur. Doch das Vok­ab­u­lar sein­er Erörterun­gen spricht für den aufmerk­samen Zuhör­er eine Sprache für sich. Die evan­ge­likale Posi­tion­ierung im Vor­feld von Roe v. Wade hat ja, wie ich im vierten Artikel dieser Serie her­aus­gear­beit­et habe, Tür und Tor für eine völ­lig lib­er­al­isierte Abtrei­bung­sprax­is aufge­tan. Dietz ver­mit­tlelt jedoch den Ein­druck, es habe sich dabei um einen ‘mit­tleren’ und ‘massvollen’ Weg gehan­delt. Doch die Evan­ge­likalen hät­ten ‘im Nach­hinein gel­ernt, das ganz schlimm zu find­en’. Als Ver­ant­wortlich­er für diese Entwick­lung wird Fran­cis Scha­ef­fer iden­ti­fiziert. Dieser habe dafür gesorgt, dass die Evan­ge­likalen eine ‘radikale kon­ser­v­a­tiv-katholis­che’ Posi­tion über­nom­men hät­ten. Scha­ef­fer sei ein­er der ‘zen­tralen Erfind­er der christlichen Recht­en’ und Ronald Rea­gan sei dann ‘Schaus­piel­er genug’ gewe­sen, um ‘per­fekt zu per­for­men’ für evan­ge­likale Grup­pierun­gen[9]. Anders gesagt: die Posi­tion­ierung im Vor­feld von Roe v. Wade wird schön­gere­det, die anschliessende Pro-Life Wende mit neg­a­tiv­en Schlag­worten problematisiert.

Wer all die neg­a­tiv­en Nar­ra­tive auf­sum­miert, ste­ht vor dem Bild ein­er Pro-Life Bewe­gung, der nie­mand ange­hören möchte. Sie ist dem­nach frauen­feindlich, ras­sis­tisch, gefährlich rechts, ver­schwörungsan­fäl­lig, coro­na-skep­tisch, von Oppor­tunis­mus und poli­tis­chem Kalkül bes­timmt. Sie inter­essiert sich nicht für das Leben nach der Geburt und ste­ht zudem ‘massvollen’ Lösun­gen im Weg, wie sie die Evan­ge­likalen der ‘guten alten Tage’ angedacht hatten.

Die Frage ist: Stim­men diese Bilder? Mein Ein­druck ist, dass es sich hier vor allem um Zer­rbilder han­delt, welche die Real­ität nicht kor­rekt abbilden. Zer­rbilder haben in der Regel am Rand auch Wahres, doch sie geben die Real­ität nicht kor­rekt wieder. Sie bee­in­flussen aber unsere Wahrnehmung und prä­gen damit unser Ver­hal­ten. Diese Zer­rbilder sind mit ein Grund, warum viele, welche grund­sät­zlich ein gewiss­es Wohlwollen gegenüber den Pro-Life Anliegen hät­ten, sich lieber davon abgren­zen, als dass sie die eigene Stimme erheben. Damit haben die Kräfte, welche unge­hin­derten Zugang zu Abtrei­bung möcht­en, ihr Ziel erreicht.

Näher an der Wahrheit

Wer die soeben erläuterten Nar­ra­tive unkri­tisch liest, wird den Denkwe­gen fol­gen, welche deren Autoren möcht­en. Beson­ders heikel ist es, wenn Fach­per­so­n­en wie beispiel­sweise His­torik­er eine Neu­tral­ität vor­gaukeln, welche gar nicht gegeben ist [10]. Am besten ist es, wenn man ver­schiedene Autoren kon­sul­tiert und die Primärquellen liest. So kann man sich eine unab­hängige Mei­n­ung zu bilden. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.

Ich fand es beim Lesen der Primär­lit­er­atur inter­es­sant, darauf zu acht­en, über was die jew­eili­gen Autoren NICHT reden. So ist all den oben skizierten neg­a­tiv­en Nar­ra­tiv­en gemein­sam, dass sie sich nie der grossen Frage an sich stellen: Was passiert, wenn einen Fötus abgetrieben wird? Die all­ge­meine Erk­lärung der Men­schen­rechte definiert das Recht auf Leben ganz klar als Vorbe­din­gung für die Ausübung aller anderen Men­schen­rechte[11]. Deshalb ist jede Diskus­sion von Recht­en im Zusam­men­hang mit Abtrei­bung, welche sich nicht auch der Frage nach dem Leben­srecht des Unge­bore­nen stellt, eine Nebelpetarde, eine Ablenkung. Dessen soll­ten sich Men­schen bewusst sein, welche beispiel­sweise die Frei­heit­srechte ein­er Frau auf der gle­ichen Hier­ar­chie-Ebene wie das Leben­srecht des unge­bore­nen Kindes disku­tieren. Über die Frei­heit­srechte der Frau kann nur gesprochen wer­den, weil ihr zuerst das Leben geschenkt wurde. Wenn das Kind im Mut­ter­leib ein lebendi­ger Men­sch ist, dann kann über dessen Tötung eigentlich nur im Zusam­men­hang mit ein­er Lebens­ge­fahr für die Mut­ter gesprochen wer­den – oder man muss Argu­mente find­en, um das Kind im Mut­ter­leib zu entmenschlichen.

Was passiert, wenn einen Fötus abgetrieben wird?

Weit­er unter­lassen es diese neg­a­tiv­en Nar­ra­tive generell, die for­ma­tiv­en Jahre der Pro-Life Bewe­gung vor 1979 gebührend zu besprechen. Wür­den sie über diese Zeit schreiben, müssten sie näm­lich über Men­schen schreiben, welche mit­nicht­en von poli­tis­chem Oppor­tunis­mus getrieben waren, son­dern von ein­er tief emp­fun­de­nen Not und von ein­er tiefen Überzeu­gung darüber, dass unge­borene Kinder ein Recht auf Leben haben. Sie müssten über Men­schen schreiben, welche sich nicht nur durch Aktivis­mus gegen Abtrei­bung aus­geze­ich­net haben, son­dern auch durch liebevolle und engagierte Zuwen­dung für Frauen in Notsituationen.

Koop: Die Menschen im Blick

Nur zwei Jahre nach Roe v. Wade, noch bevor irgendwelche Büch­er zum The­ma gedruckt oder poli­tis­che Net­zw­erke geboren sind, entste­ht 1975 auf Ini­tia­tive von Harold O.J. Brown und C. Everett Koop die Organ­i­sa­tion Chris­t­ian Action Coun­cil zur Beratung und Unter­stützung von schwan­geren Müt­tern. Diese Organ­i­sa­tion, welche heute CareNet heisst, etabliert ein rasch wach­sendes Netz mit bald hun­derten von Beratungsstellen und mehr als 100’000 jährliche Beratun­gen. Am Anfang der Pro-Life Bewe­gung ste­ht also nicht ein­fach poli­tis­ch­er Aktivis­mus, son­dern auch soziales Engage­ment und ganz bes­timmt auch ein Herz für die betrof­fe­nen Men­schen, ins­beson­dere der Frauen. Bei kaum jemand wird dies so deut­lich, wie bei C. Everett Koop. Koop ist Kinder­arzt und Advokat für Kinder mit Behin­derun­gen. Er spezial­isiert sich darauf, solchen Kindern und Neuge­bore­nen durch chirur­gis­che Ein­griffe das Leben zu verbessern oder gar zu ermöglichen. Unter anderem entwick­elt er neue Tech­niken zur oper­a­tiv­en Tren­nung von siame­sis­chen Zwill­in­gen, welche ihm zu ungeah­n­ter Promi­nenz verhelfen.

Bekan­nt für seine Oper­a­tio­nen an siame­sis­chen Zwill­in­gen: C. Everett Koop (1. von rechts)

Der Roe v. Wade Entscheid von 1973 gal­vanisiert ein geistlich­es Erwachen in Koop[12]. Auch wenn Abtrei­bung in der Bibel ‘nicht mit der gle­ichen Klarheit’ wie gewisse andere The­men behan­delt werde, schreibt Koop in seinen Mem­oiren, so sei er doch ‘durch das Lesen der Bibel’ zu einem lei­den­schaftlichen Advokat­en für die Unan­tast­barkeit des Lebens gewor­den[13]. 1973, nur wenige Monate nach Roe v. Wade gibt er im Rah­men ein­er Rede zum Schul­be­ginn am renom­mierten evan­ge­likalen Wheaton Col­lege fol­gende Prog­nosen[14]:

  • Eine Zunahme von Wider­sprüchen inner­halb der Geset­zge­bung: Warum braucht Pierc­ing die Ein­willi­gung der Eltern, Abtrei­bung bei Teenager­mäd­chen aber nicht?
  • Eine Zunahme von soge­nan­nten ‘Mer­cy-Killings’ (Euthanasie)
  • Die lib­er­al­isierte Abtrei­bung­sprax­is und die neue Sex­ual­moral wür­den sich gegen­seit­ig befeuern und neue Gesund­heit­srisiken mit sich brin­gen. (was in der Aids-Krise Real­ität wurde)
  • Frauen wür­den durch die neue Abtrei­bung­sprax­is ver­stärkt aus­genutzt, unter anderem durch die gewin­nori­en­tierte Abtrei­bungsin­dus­trie[15].
  • Neuge­borene Kinder wür­den als unwertes Leben deklariert.

Wie Koop in seinen Mem­oiren erläutert, seien alle Prog­nosen eingetrof­fen. Doch seine Sorge gilt nicht nur den Kindern, son­dern auch der medi­zinis­chen Gilde. Seine durch langjährige Beruf­ser­fahrung geschärften Instink­te sagen ihm, dass das Verneinen des Leben­srecht­es für Unge­borene bald auf das­jenige von Neuge­bore­nen, ins­beson­dere jenen mit Hand­ikaps, aus­geweit­et wer­den kön­nte. Dies nicht durch Gerichts­beschlüsse oder Geset­zge­bun­gen, son­dern still und leise in den Gebärsälen des Lan­des. Tat­säch­lich habe sich kurz nach Roe v. Wade bei gewis­sen Ärzten das Vok­ab­u­lar eingeschlichen, beim Neuge­bore­nen von einem ‘Fetus ex utero’, einem ‘Fötus ausser­halb der Gebär­mut­ter’ zu sprechen. Genau dem Fötus hat­te der ober­ste Gericht­shof aber erst ger­ade das Leben­srecht abge­sprochen. Es sei für ihn ver­störend gewe­sen zu sehen, wie der einzige Unter­schied zwis­chen leben­sret­ten­den Mass­nah­men und dem Entsor­gen eines Kindes in einem Abfall­sack die Frage war, ob es erwün­scht war oder nicht[16]. Unter diesem Ein­druck ent­stand 1976 sein erstes Buch «The Right to Live; The right to die”, ein Best­seller, der sich allein im ersten Jahr 100’000 Mal verkaufte. Koop wollte mit eige­nen Worten ‘die evan­ge­likale Gemein­schaft aufweck­en bezüglich dieser wichti­gen moralis­chen Frage, welche sie sich entsch­ieden hat­te, zu ignori­eren

Als Koop Anfang 80er von Rea­gan zum desig­nierten Gesund­heitsmin­is­ter ernan­nt wird, zeigt sich, mit welchen Ban­da­gen die Abtrei­bungsin­dus­trie bere­it ist, zu kämpfen. Nicht weniger als 9 Monate würde der par­la­men­tarische Bestä­ti­gung­sprozess dauern; nicht weniger als 100’000 USD hat alleine die Abtrei­bung­sor­gan­i­sa­tion Planned Par­ent­hood investiert, um seine Nom­i­na­tion zu bekämpfen[17].

Als Koop dann endlich Gesund­heitsmin­is­ter ist, kann er nur wenig gegen die gerichtlich legit­imierte Abtrei­bung aus­richt­en, was ihm Kri­tik und teils gar Feind­seligkeit von seinen Unter­stützern ein­bringt[18]. Er ist jedoch der rechte Mann zur recht­en Zeit. Als Advokat von vor­beu­gen­der Medi­zin und gesun­dem Lebensstil wird er der wohl promi­nen­teste Kämpfer gegen das aktive und pas­sive Rauchen und spielt eine entschei­dende Rolle in der Bekämp­fung der Aids-Krise. Hier gerät er wieder ins Visi­er von kon­ser­v­a­tiv­en Kreisen, welche in der Aids-Seuche eine gerechte Strafe Gottes sehen und keinen Grund, ‘unmoralis­chen Men­schen’ zu helfen. Koop antwortet lakonisch, er sei der Gesund­heitsmin­is­ter ‘für die Moralis­chen und die Unmoralis­chen[19].

Beliebtes Objekt von Kar­rika­turen: der Gesund­heitsmin­is­ter Koop.

Koop regt zu einem ver­tieften Nach­denken darüber an, wie religiöse Ethik in ein­er plu­ral­is­tis­chen Gesellschaft einge­bracht wer­den kann[20]. Seine Pro-Life Hal­tung habe, wie Koop in seinen Mem­oiren betont, ‘nichts mit Poli­tik zu tun[21]. Umso mehr hat­te es aber wohl mit seinem tiefen per­sön­lichen Glauben zu tun. Koop bleibt bis zu seinem Lebensende lei­den­schaftlich Pro-Life und sorgt im Jahre 2009 im hohen Alter von 93 Jahren noch ein­mal für Aufmerk­samkeit: In einem von ihm per­sön­lich an Nan­cy Pelosi geschriebe­nen Brief fordert er Änderun­gen an einem Gesetz über Abtrei­bung.[22]

Schaeffer: die Gesellschaft im Blick

Neben den ersten sozialen Ini­tia­tiv­en der Mitte 70er Jahre kamen sie dann noch – die Büch­er und poli­tis­chen Aktiv­itäten. Ab 1975 erscheint die erste the­men­spez­i­fis­che Fachzeitschrift Human Life Review mit Harold O.J. Brown als Redak­tor. Dieser pub­liziert 1977 das gründlich recher­chierte Buch Death before Birth. Zwei Jahre später kommt mit Abort­ing Amer­i­ca die Pub­lika­tion eines ehe­ma­li­gen Abtrei­bungsarztes Bernard N. Nathanson auf den Markt. Der Athe­ist Nathanson, der sich in den 90er Jahren dem Katholizis­mus zuwen­den wird, ist ein Abtrei­bungsak­tivist der ersten Stunde[23]. Sein Buch deckt die Machen­schaften hin­ter der Kulisse der Abtrei­bungsin­dus­trie auf. Der Wind hat ange­fan­gen, sich zu drehen.

Die Sen­si­bil­isierung der bre­it­en Basis der Evan­ge­likalen kommt 1979 durch die Zusam­me­nar­beit von C. Everett Koop und Fran­cis Scha­ef­fer. Mit ihrem Buch- und Film­pro­jekt «What­ev­er Hap­pened to the Human Race», touren der Kinder­arzt und der christliche Apolo­get rund ein Jahr lang durch die USA und etablieren das Pro-Life-Anliegen an der evan­ge­likalen Basis[24].

Ab 1976 wird die junge Pro-Life Bewe­gung durch diverse Buch­pub­lika­tio­nen unterstützt.

Das umfan­gre­iche Wirken von Pro-Live Advokat­en in den ersten Jahren nach Roe v. Wade ist ein Prob­lem für Autoren wie Balmer. Denn die Pro-Life Bewe­gung ist als Basis­be­we­gung bere­its vorhan­den, BEVOR der religiöse Poli­tak­tivist Jer­ry Fal­well auf den Zug auf­steigt. Warum spricht Balmer zum Beispiel nicht darüber, wie im bewe­gungss­tif­ten­den Buch von Scha­ef­fer und Koop sich die Autoren dezi­diert GEGEN Ras­sis­mus und Anti­semitismus stellen?[25]. Warum berichtet er nicht darüber, wie Fran­cis Scha­ef­fer als Leit­er der Wohnge­mein­schaft l’Abri in den Schweiz­er Bergen eine Willkom­men­skul­tur für Men­schen aus allen Hin­ter­grün­den und Lebensläufen pflegt und zum Ärg­er gewiss­er Leute auch inter­ras­sis­che Eheschlies­sun­gen begrüsst?[26].

Natür­lich stimmt es, dass Scha­ef­fer durch sein Wirken entschei­dend zur Her­aus­bil­dung eines poli­tisch engagierten Evan­ge­likalis­mus und ein­er kon­ser­v­a­tiv­en christlichen Recht­en in den USA beige­tra­gen hat. Ihn pauschal als einen der ‘zen­tralen Erfind­er der christlichen Recht­en’ zu ‘fra­men’ wird aber der Kom­plex­ität sein­er Per­son und der vielschichti­gen Auswirkun­gen seines Schaf­fens nicht gerecht. Dies vor allem deshalb nicht, weil man damit im Jahre 2022 das Bild des ‘verblende­ten Trump-Fanatik­ers‘ her­auf­beschwört, für den die USA gle­ichbe­deu­tend mit dem Reich Gottes ist. Doch Scha­ef­fers Ansicht betr­e­f­fend christlichen Nation­al­is­mus war sehr klar:

«Wir dür­fen das Reich Gottes nicht mit unserem Land ver­wech­seln. Um es anders zu for­mulieren: “Wir soll­ten das Chris­ten­tum nicht in unsere nationale Flagge ein­wick­eln.» [27]

Man kann sich fra­gen, warum gewisse Autoren nichts von solchen Zitat­en wis­sen wollen? Nun – sie haben ein ganz bes­timmtes Nar­ra­tiv, eine Geschichte, welche sie ihren Lesern verkaufen wollen.

Fran­cis Schaeffer

Richtig ist Fol­gen­des. Schae­fer will die Gestal­tung der Gegen­wart­skul­tur nicht kampf­los den Kräften des Human­is­mus über­lassen, deren Vertreter in den 70ern grossen Ein­fluss ausüben. Zu deren Elite gehören auch die ver­sam­melten Wort­führer der Abtrei­bungs­be­we­gung wie beispiel­sweise Joseph Fletch­er, Bet­ty Friedan, Alan Guttmach­er oder Lawrence Lad­er, welche alle vier zu den Erstun­terze­ich­n­ern des Human­is­tis­chen Man­i­festes von 1973 gehörten[28].

Richtig ist auch, dass in den 70ern erste kirch­liche Ver­bände tat­säch­lich mit aktiv­er Euthanasie von schwer­be­hin­derten Kindern und schw­erkranken Senioren zu liebäugeln begin­nen[29]. Diese Trends ver­sprechen nichts Gutes für die ange­bliche christliche ‘Kul­tur des Lebens’. Scha­ef­fer nimmt diese Zeichen der Zeit wohl viel tiefer wahr, als die Vertreter eines dynamis­chen, aber gle­ichzeit­ig seicht­en Evan­ge­likalis­mus. Durch die Wahl von Rea­gan sieht Scha­ef­fer aber auch ein ‘Fen­ster der Möglichkeit’, welch­es Chris­ten nutzen kön­nen. Sie kön­nen ihren Glauben nicht nur in Form von Spir­i­tu­al­ität leben, son­dern diesem Glauben auch ein Hirn, ein Herz und ein Paar Füsse geben [30]. Wahre Spir­i­tu­al­ität müsse ‘das ganze Leben berühren’ und nicht nur die religiösen Dinge, so Scha­ef­fer[31]. Dem kann man nur zustimmen.

Reagan: Darf man seine Meinung ändern?

Und der ‘per­fek­te Schaus­piel­er’ Ronald Rea­gan? Nun, er hat in den späten 60er Jahren als Gou­verneur von Kali­fornien tat­säch­lich einige sehr lib­erale Geset­ze ver­ab­schiedet, unter anderem ein lib­erales Schei­dungs­ge­setz[32] und ein lib­erales Abtrei­bungs­ge­setz[33]. Doch bere­its Mitte der 70er Jahre ist klar, dass er seine dama­lige Entschei­dung bereut. Da ist Ronald Rea­gan bere­its ein­deutig im Pro-Life Lager angekommen.

Präsi­dent Ronald Rea­gan mit seinem Gesund­heitsmin­is­ter C. Everett Koop

Dass diese Neu­po­si­tion­ierung von Rea­gan aus der Dis­tanz als Oppor­tunis­mus gese­hen wer­den kann, ist ver­ständlich. Und dass man einen ehe­ma­li­gen Schaus­piel­er als Präsi­den­ten der Schaus­piel­erei bezichtigt, ist ein Stück weit nachvol­lziehbar. Doch sowohl die dama­lige Berichter­stat­tung, als auch die poli­tis­che Real­ität der Siebziger, wie auch die Berichte von Wegge­fährten, leg­en echt­en Sinneswan­del nahe. Ein Zeitungsar­tikel in der New York Times vom Feb­ru­ar 1976 zeigt, dass das 1967 von ihm unterze­ich­nete lib­erale Gesetz ihm eigentlich damals schon zu weit geht. Oder in den Worten Reagan’s: «Ich würde diesen Fehler nicht wieder machen.». Zudem gibt es zu diesem Zeit­punkt keine zwin­gen­den, parteipoli­tis­chen Gründe für den Sinneswan­del. Die Repub­likanis­che Partei ist in den 70er-Jahren die Partei der Wirtschaft, nicht der Fam­i­lien­poli­tik. Reagan’s Sinneswan­del ist wohl doch kein poli­tis­ch­er Opportunismus.

Nicht zulet­zt: nur weil man als Schaus­piel­er gear­beit­et hat, heisst das noch lange nicht, dass man ein Lügn­er oder unehrlich­er Men­sch sein muss. Diese Unter­stel­lung trifft ger­ade bei Rea­gan nicht zu, der als ein­er der ehrlich­sten US-Präsi­den­ten der let­zten Jahrzehnte gilt. “What you see is what you get” – würde ein ehe­ma­liger Berater sagen[34]. Es habe ‘nicht zwei Rea­gans gegeben, den öffentlichen und den pri­vat­en’. Der His­torik­er Dr. Allan Carl­son, welch­er Rea­gan per­sön­lich kan­nte, meint:

«Rea­gan hat sich geän­dert. Es war eine echte und tiefe Bekehrung zu Pro-Life und Pro-Fam­i­lien Werten. Er war kein ein­fach gestrick­ter Mann, aber er war ein direk­ter Mann. […] Er wurde Pro-Life und Pro-Fam­i­lie noch bevor es der Grossteil der repub­likanis­chen Partei wurde.» [35]

Ronald Rea­gan ist möglicher­weise der einzige Präsi­dent, der während sein­er Präsi­dentschaft ein Buch pub­liziert hat. Der Titel lautet: «Abor­tion and the Con­sciece of the Nation» — Abtrei­bung und das Gewis­sen der Nation[36]. In die Amt­szeit von Rea­gan wird nach Jahren des ras­an­ten Anstiegs der Abtrei­bun­gen erst­mals die Kurve entschei­dend gebrochen. Nie mehr wür­den so viele Abtrei­bun­gen durchge­führt wer­den wie vor dem Amt­santritt von Rea­gan[37].

Wenn der amtierende Präsi­dent ein Buch über Abtrei­bung schreibt…

In einem Nachruf für die New York Times liest man 2004[38]:

«Ronald Rea­gans Werde­gang zeigt, dass ihm kein The­ma wichtiger war als die Würde und Unan­tast­barkeit des men­schlichen Lebens.»

Darf ein Men­sch seine Mei­n­ung ändern, sich ‘bekehren’? Darf er das ohne danach gle­ich des Oppor­tunis­mus oder der Schaus­piel­erei bezichtigt zu wer­den? Ich meine ja.

Brown: wache Menschen in unklaren Zeiten

Die Abtrei­bungs­be­we­gung um Lar­ry Lad­er benötigt 7 Jahre – von 1966 bis 1973 – um ihre Agen­da der lan­desweit­en Legal­isierung von Abtrei­bung durchzuset­zen [39]. Es dauert auch 7 Jahre – von 1973 bis 1980 — bis der erste aus­ge­sproch­ene Pro-Life Präsi­dent gewählt wird und die unge­brem­ste Zunahme von Abtrei­bun­gen in den USA gebrochen wird. Uner­wäh­nt bleibt bis jet­zt, wo auf evan­ge­likaler Seite der erste Samen für diese erstaunliche Wende gelegt wird. Er wird in einem redak­tionellen Kom­men­tar gelegt, welch­er drei Wochen nach dem Entscheid Roe v. Wade im Mag­a­zin Chris­tian­i­ty Today erscheint. Darin zer­legt ein namentlich nicht erwäh­n­ter Autor mit messer­schar­fer Präzi­sion die Urteils­be­grün­dung des Gericht­es [40]:

«Das Gericht baut seine Urteils­be­grün­dung auf dem Recht auf Pri­vat­sphäre und das ohne jegliche empirische oder logis­che Recht­fer­ti­gung. […] Aber das Recht auf Pri­vat­sphäre ist nicht abso­lut, und noch wichtiger, keine Entschei­dung für eine Abtrei­bung kann jemals auch nur annäh­ernd als eine pri­vate Sache betra­chtet wer­den. Egal ob der Fötus nun ein voll­w­er­tiger Men­sch ist oder nicht, er ver­dankt seine Exis­tenz genau­so dem Vater wie der Mut­ter, und ist damit ein eigenes Indi­vidu­um, welch­es von diesen zu unter­schei­den ist.»

«Der Gericht­shof stellt fest, dass die “antike Reli­gion” Abtrei­bung nicht ver­bot; mit “antik­er Reli­gion” ist ein­deutig das Hei­den­tum gemeint, da das Juden­tum und das Chris­ten­tum die Abtrei­bung verboten.»

«Indem die Mehrheit des Ober­sten Gericht­shofs zu diesem Urteil gelangt ist, hat sie aus­drück­lich die christliche Morallehre abgelehnt und eine Hal­tung gebil­ligt, welche sie als antike Reli­gion und als Norm des hei­d­nis­chen griechis­chen und römis­chen Rechts beze­ich­net. Diese habe, wie das Gericht in sein­er Urteils­be­grün­dung fest­stellt, ‘dem Unge­bore­nen wenig Schutz geboten’. Es ist nicht notwendig, zwis­chen den Zeilen zu lesen, um die spir­ituelle Bedeu­tung dieser Entschei­dung zu erken­nen, denn das Gericht hat sie kristal­lk­lar dargelegt.»

Jed­er, der mit der nöti­gen Gründlichkeit die Geschichte der evan­ge­likalen Pro-Life Bewe­gung studiert, müsste zum Schluss kom­men, dass in diesem Kom­men­tar der Zeitschrift ‚Chris­tian­i­ty Today‘ der erste Same für die evan­ge­likale Wende gesät wurde. Denn Fakt ist, dass der Kom­men­tar eine klare Abkehr von der 5 Jahre zuvor pub­lizierten Hal­tung ist [41]. Der Autor argu­men­tiert mit bestechen­der Logik, dass auch ein nicht fer­tig entwick­el­ter Embryo auf­grund sein­er Abstam­mung von zwei ver­schiede­nen Per­so­n­en als eigen­ständi­ges Indi­vidu­um betra­chtet wer­den muss, und damit die Argu­men­ta­tion des Gerichts hin­fäl­lig ist. Eben­so deckt er die erstaunliche Tat­sache auf, dass das Gericht für seine Begrün­dung auf die hei­d­nis­che Kul­tur der Römer und Griechen zurück­greift. Sie hat also mit­nicht­en ein wert­neu­trales Urteil gefällt, son­dern sie hat das jüdisch-christliche Wertesys­tem zugun­sten ein­er hei­d­nis­chen Reli­giosität verworfen!

Klare Worte!

Möglicher­weise passt diese umge­hende und scharfe Antwort auf Roe v. Wade in der ein­flussre­ich­sten evan­ge­likalen Zeitschrift nicht ins Konzept von vie­len Geschichtss­chreibern unser­er Zeit. Anders lässt sich kaum erk­lären, wie wenig Beach­tung sie find­et. Einzig beim His­torik­er Allan Carl­son, der sel­ber Pro-Life ist, find­en wir eine gebührende Würdi­gung dieser evan­ge­likalen Epochen­wende[42].

Ran­dall Balmer beispiel­sweise behauptet, ein Artikel aus dem Jahre 1976 von seinem ehe­ma­li­gen Pro­fes­sor in Kirchengeschichte, Harold O.J. Brown, sei die erste, halb­wegs robuste evan­ge­likale Antwort auf Roe v. Wade . Nun, vielle­icht hätte er genau bei diesem ein biss­chen bess­er auf­passen müssen im Unter­richt. Er hätte dann seine Nach­forschun­gen etwas gründlich­er gemacht und ent­deckt, dass auch der 73er Artikel von seinem ehe­ma­li­gen Pro­fes­sor war, von Harold O.J. Brown. Denn einige Jahre vor seinem Tod erk­lärt Brown in einem lesenswerten Appell, wie er damals als Assis­ten­zredak­tor bei Chris­tian­i­ty Today zum Ver­fassen des redak­tionellen Artikels kam:

“Einige der führen­den Vertreter der evan­ge­likalen protes­tantis­chen Gemein­schaft reagierten mit Entset­zen auf Roe. Harold Lind­sell, der Chefredak­tor von Chris­tian­i­ty Today, erkan­nte sofort den abscheulichen Charak­ter der Entschei­dung und beauf­tragte mich, einen Leitar­tikel zu schreiben, indem dieser Entscheid angeprangert wird.” [43]

Dieser Ein­blick zeigt nicht nur, was die Absicht hin­ter dem Artikel war, son­dern auch, dass da noch einige weit­ere Per­so­n­en sind, welche mit klarem Blick die Zeichen der Zeit lesen kön­nen. Zu diesen gehören, wie es scheint, auch der dama­lige Chefredak­tor Lind­sell [44]. Doch Harold O.J. Brown ist es, der den Auf­trag bekommt, diesen wichti­gen Artikel zu schreiben. Er ist der richtige Mann für den Job. Er ist das ‘Gehirn’ der Pro Life-Bewe­gung. Everett Koop mag berühmt sein und als Arzt ein per­fek­ter Für­sprech­er für die Bewe­gung. Scha­ef­fer mag ein bril­lanter Kom­mu­nika­tor und visionär­er Leit­er sein. Doch von der ersten Stunde an ist es Brown, welch­er die ana­lytis­che geistige Arbeit leis­tet, der die Fak­ten und Argu­mente liefert für die zu wer­dende Bewegung.

Harold O.J. Brown, 1969

Während die gut geschlif­f­e­nen Büch­er von Koop und Scha­ef­fer wie ‘warme Brötchen’ über den Laden­tisch gehen, gle­ichen Browns Büch­er eher ein­er Rei­he von Bohrlöch­ern, welche er tief in die intellek­tuellen und exis­ten­ziellen Fra­gen sein­er Zeit hinein­treibt. Ob Poli­tik, Kirchengeschichte, The­olo­gie, Sozi­olo­gie, Sta­tis­tik, Biolo­gie oder Ethik: Brown beschafft die Fak­ten. Er studiert die reelle Lage und fördert zutage, was die junge Pro-Life Bewe­gung braucht, um ihren Fall zu begrün­den. Mit nicht weniger als 4 ver­schiede­nen Abschlüssen an der renom­mierten Har­vard Uni­ver­sität und län­geren Stu­di­en­aufen­thal­ten in Europa, ist er bestens qual­i­fiziert. Brown ist der jüng­ste der ‘drei Mus­ketiere’, aber er ist hellwach. Dazu kommt sein Mut zu Han­deln. Im Grossen und im Kleinen. Bere­its als 31-Jähriger holt er 1964 Fran­cis Scha­ef­fer aus den Schweiz­er Alpen nach Boston für eine Vor­tragsserie. Damit ste­ht er nicht nur am Anfang der evan­ge­likalen Pro-Life Bewe­gung, son­dern auch am Anfang von Scha­ef­fers wach­sen­dem Ein­fluss in den USA.

Anfang 1973 ist Brown genau zur richti­gen Zeit am richti­gen Ort: im kom­mu­nika­tiv­en Herzen der Evan­ge­likalen Bewe­gung, bei ‘Chris­tian­i­ty Today’. Es kostet ihn mehrere Anläufe, bis er die Stelle in der Redak­tion zuge­sprochen bekommt. Ver­mut­lich bleibt er aus guten Grün­den hart­näck­ig. Denn der junge Brown, der selb­st gerne in den Schweiz­er Bergen Ski fährt[45], in den späten 60ern in Lau­sanne als Sekretär der Inter­na­tionalen Stu­den­ten­mis­sion arbeit­et[46], anfangs 70er in Basel Kirchengeschichte unter­richtet[47] und ein guter Fre­und des auf St. Chrischona wirk­enden The­olo­gen Klaus Bock­mühl ist[48], ist tief besorgt.

Brown’s Sorge bringt er schon 1969 in seinem ersten Buch «The Protest of a Trou­ble Protes­tant» (Der Protest eines beun­ruhigten Protes­tanten) zum Aus­druck. Darin hält Brown der the­ol­o­gis­chen Promi­nenz sein­er Zeit den Spiegel vor, welche sich lieber gle­ich mod­er­nen Gurus von der 68er Bewe­gung feiern lässt, als Gott gemäß seinem heili­gen Willen zu dienen. Für Brown’s Kom­men­tar an die the­ol­o­gis­che Gilde: „Die The­olo­gie eines unge­hor­samen Men­schen ist keine Gotte­serken­nt­nis“[49]. Nun ist Brown im pub­lizis­tis­chen Herzen der Evan­ge­likalen angekom­men und kann seine Ken­nt­nisse wirk­sam einsetzen.

Brown hil­ft den geschicht­sig­no­ran­ten Evan­ge­likalen auf die Sprünge indem er klarstellt, dass „Chris­ten von den früh­esten Tagen an Abtrei­bung […] als schw­eres Verge­hen betra­chtet haben.[50] Brown ist der­jenige, welch­er eine Verbindung zu den Katho­liken her­stellt, die sich ja bere­its inten­siv gegen die Legal­isierung von Abtrei­bung engagieren. Er betont die Ein­heit der Chris­ten auf dem Fun­da­ment der frühkirch­lichen Beken­nt­nisse und ist, wie ein katholis­ch­er Pub­lizist es for­muliert, „das vielle­icht beste Beispiel für eine Ökumene ohne Kom­pro­misse“.

Brown bleibt bis an sein Lebensende ein entsch­ieden­er Kämpfer für das Recht auf Leben der Ungeborenen.

Fazit

Damit ist die Geschichte der ver­wor­re­nen Wege der evan­ge­likalen Bewe­gung in Sachen Abtrei­bung erzählt. In den späten 60er- und frühen 70er-Jahren erliegt sie beina­he den irreführen­den Nar­ra­tiv­en der Zeit. Die evan­ge­likale Denke­lite ver­sagt. Nur Dank dem beherzten Auftreten ein­er neuen Gen­er­a­tion von Leit­ern wird das Unheil abgewen­det. Der Blick auf diese Geschichte zeigt, wo die Schwach­stellen sowohl der evan­ge­likalen Bewe­gung, als auch der Pro-Life Bewe­gung liegen kön­nten, und regt hof­fentlich zum Nach­denken über unsere Zeit an.

Von Koop kön­nen wir, denke ich, viel darüber ler­nen, was die Kul­tur ein­er guten Pro-Life Bewe­gung sein muss. Eine Bewe­gung kann nicht moralis­che Über­legen­heit für sich in Anspruch nehmen, aber dann selb­st eine fragliche Ethik befol­gen. Dies sollte sich die Pro-Life Bewe­gung hin­ter die Ohren schreiben und dabei von Koop lernen.

Für die evan­ge­likale Bewe­gung kön­nen die Ereignisse von damals eine Mah­nung sein. Ob die Bibel für diese Bewe­gung ‘zuver­läs­sige Offen­barung des dreieinen Gottes’[51] ist, wird sich immer wieder daran zeigen müssen, ob dieser Offen­barung in den heis­sen und schwieri­gen Fra­gen der Zeit auch die gebührende Vor­rang­stel­lung eingeräumt wird. Die Bibel hat auch bei den Evan­ge­likalen heiss­geliebte Konkur­renten: Den Wun­sch nach Har­monie, die Pri­or­ität der Beziehungs­ge­flechte und Inter­essensver­ban­delun­gen in den Leitungse­ta­gen, die Sehn­sucht nach gesellschaftlich­er Anerkennung.

Sowohl Scha­ef­fer als auch Brown wür­den sich in den 80er Jahren dur­chaus kri­tisch über die evan­ge­likale Bewe­gung äussern, von der sie selb­st Teil waren. So äussert Scha­ef­fer 1984 in seinem let­zten Buch die fol­gende Diagnose:

«Hier liegt die grosse evan­ge­likale Katas­tro­phe — das Ver­sagen der evan­ge­likalen Welt, für die Wahrheit als Wahrheit einzuste­hen. […] Wenn unser Reflex immer die Anpas­sung ist, unab­hängig davon, wie zen­tral die Wahrheit ist, dann stimmt etwas nicht.» [52]

Brown spricht 1986 eine ähn­liche War­nung aus. Der Evan­ge­likalis­mus habe sich zu ein­er Art dif­fusem ‘kle­in­stem gemein­samen Nen­ner von pietis­tis­chen und erweck­lichen Ele­menten’ ohne solide bib­lis­che Grund­lage entwick­elt. Brown sieht zwar weit­er­hin zahlen­mäs­siges Wach­s­tum für die Bewe­gung voraus, ortet aber die gefährliche Ten­denz, the­ol­o­gis­che Überzeu­gun­gen und Kon­tro­ver­sen aus öku­menis­chen Erwä­gun­gen zu rel­a­tivieren — auf die Gefahr hin, dass die Bewe­gung ihr Pro­fil ver­liert[53].

Wer die Geschichte der Evan­ge­likalen mit der Abtrei­bungs­frage ken­nt, der kann solche Aus­sagen einord­nen. Wer die evan­ge­likale Bewe­gung liebt, der wird hof­fentlich gut zuhören, wenn die Per­so­n­en sprechen, welche vor 50 Jahren die evan­ge­likalen Bewe­gung auf den ‘Weg des Lebens’ zurück­gerufen haben.

Ja, manch­mal ist Umkehr ein Fortschritt. C.S. Lewis hat das vor 70 Jahren tre­f­fend for­muliert:

“Wir alle wollen Fortschritt. Aber Fortschritt heisst doch, dass wir dem Ort näher kom­men, den wir erre­ichen wollen. Und wenn man falsch abge­bo­gen ist, kommt man diesem Ort ger­ade nicht näher, wenn man weit­er vor­wärts­ge­ht. Wenn man auf der falschen Strasse ist, heisst Fortschritt, eine Kehrtwende zu machen und zurück zur richti­gen Strasse zu gehen; in diesem Fall ist der­jenige, der als erstes umkehrt und zurück­ge­ht, der Fortschrit­tlich­ste.” [54]

Für dich und mich kön­nen die Ereignisse von damals eine Ermu­ti­gung sein. Umkehr ist möglich, sowohl für einen amerikanis­chen Präsi­den­ten, als auch für eine ganze Bewe­gung. Damit dies geschehen kann, sucht Gott in unklaren Zeit­en nach wach­samen Men­schen, welche mit sein­er Hil­fe da auftreten, wo es sie braucht.

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Mein Gespräch zum The­ma mit Dr. Allan Carlson:


Die Serie im Überblick:

Abtrei­bung (1/5) – ein heiliges Werk?
Abtrei­bung (2/5) — eine Theologie
Abtrei­bung (3/5)– Predi­ger der Eugenik
Abtrei­bung 4/5 – Evan­ge­likale am Scheideweg
Abtrei­bung 5/5 – Wenn Umkehr Fortschritt bedeutet

Weit­ere Artikel im Zusammenhang:
DNA (3/10): Lei­den­schaftlich für den Schutz des Lebens
Chester­ton und das Wun­der von England.


Fuss­noten:
[1] Ver­gle­iche dazu sein Buch Traps fort he Young, 1883
[2] Nico­la Beisel, zitiert aus https://www.touchstonemag.com/archives/article.php?id=22–05-016‑f
[3] Der Zusam­men­hang lässt sich auch an den Biografien einzel­ner Pas­toren beobacht­en. Der lib­erale Rev. Howard Moody zum Beispiel, der in den späten 60ern ein Net­zw­erk für die ille­gale Ver­mit­tlung von Abtrei­bun­gen aufge­baut hat­te, wen­dete sich unmit­tel­bar nach Roe v. Wade dem Kampf für die Legal­isierung von Pros­ti­tu­tion zu. Er öffnet die Türen sein­er Kirche für pornografis­che The­ater-Insze­nierun­gen. Lei­der ist er im Zeitraum der 60er- und 70er-Jahren kein Einzelfall. So hat auch der Methodis­tenp­far­rer Ted McIl­ven­na den gle­ichen Weg beschrit­ten in die kirch­lich sank­tion­ierte Pornografie und sex­uelle Freizügigkeit.
Es gilt hier aber auch neue Trends mit hineinzu­denken. Möglicher­weise hat Pornografie in unseren Tagen nicht nur Promiskuität als Auswirkung, son­dern befeuert auch den umgekehrten Trend hin zu ein­er Sex-Feindlichkeit. Vgl: https://thinktheology.co.uk/blog/article/poor_billie
[4] So gab es in den 90er Jahren mehrere Atten­tate auf Abtrei­bungsärzte durch radikalisierte Abtrei­bungs­geg­n­er. Vgl dazu Tom Davis, Sacred Work, 2005, S171-173
[5] Marie Grif­fith, Moral Com­bat, 2017, S228
[6] Davis war selb­st Mit­glied des ‘Cler­gy Con­sul­ta­tion Ser­vice on Abor­tion’, welch­es in den späten 60er und frühen 70er hun­dert­tausenden von Frauen ille­gale Abtrei­bun­gen ver­mit­telte. Vgl: Doris Andrea Dirks, To offer Com­pas­sion, S156
[7] Tom Davis, Sacred Work, 2005, S168
[8] Ran­dall Balmer, Bad Faith, 2021, xiv
[9] DAS WORT & DAS FLEISCH | 1.3 Die christliche Rechte, Zeit­fen­ster: 24:16 bis 30:00 und 38:26 bis ca 41:00
[10] Ran­dall Balmer beispiel­sweise, bemüht in seinem Buch inten­siv seine evan­ge­likalen Wurzeln, aber er ver­schweigt seine eigene poli­tis­che Ver­flech­tung. So wird er 2004 als Kan­di­dat der Demokrat­en in den Wahlen zum Par­la­ment von Con­necti­cut durch den Kan­di­dat­en der Repub­likan­er ver­nich­t­end geschlagen.
[11] https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/aemr/artikel-03-aemr-recht-leben-freiheit
[12] https://youtu.be/9GdgpO7EiqA?t=224
[13] C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S263-264
[14] C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S265-266
[15] Die Frage ob Frauen­feindlichkeit die Moti­va­tion war für die Pro-Life Bewe­gung bekommt eine andere Qual­ität, wenn man sich die Zustände in den Abtrei­bungskliniken jen­er Zeit zu Gemüte führt. Zum Beispiel doku­men­tiert die säku­lare Autorin Mag­da Denes 1976 in ihrem Buch «In Neces­si­ty and Sor­row» wie entwürdi­gend viele Frauen ihre Abtrei­bung emp­fan­den. In Buch «Sub­vert­ed» aus dem Jahre 2015 zeich­net Sue Ellen Brow­der nach, wie sich die Fem­i­nis­tis­che Bewe­gung der 60er Jahre über der Frage der Abtrei­bung fak­tisch ges­pal­ten hat.
[16] C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S265
[17] C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S132
[18] Tat­säch­lich, so Koop in seinen eige­nen Worten, habe er die Gesin­nung und die Aktiv­itäten gewiss­er Gle­ich­gesin­nter als ver­störend emp­fun­den. Deren schrille und auf Rache aus­gerichtete Rhetorik emp­fand er als belei­di­gend. Noch mehr beun­ruhigt habe ihn die Abwe­sen­heit von per­sön­lich­er Integrität und fehlende akademis­che Qual­ität in gewis­sen Pro-Life Pub­lika­tio­nen. Das seien die Leute gewe­sen, die sich gegen ihn gerichtet hät­ten, als er in sein­er Rolle als Gesund­heitsmin­is­ter nicht wie gewün­scht geliefert habe. Die Pro-Life Kräfte hät­ten, unter Inanspruch­nahme ein­er moralis­chen Über­legen­heit, zu oft sel­ber fragliche Ethik angewen­det. Vgl. C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S269
[19] Koop in seinen Mem­oiren: «Ein großer Teil der Kon­ser­v­a­tiv­en im Lande sagte: ‘Sie haben ver­di­ent, was sie bekom­men haben. Ignori­ert sie ein­fach und lasst sie ster­ben.’ Nun — man kann nicht Arzt sein und das tun.… Ich bin der Gesund­heitsmin­is­ter für die moralis­chen und die unmoralis­chen. Man behan­delt sie wie jeden anderen Patien­ten, der zu einem kommt und Hil­fe braucht.» C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S263
[20] C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S284
[21] C. Everett Koop. Koop, The Mem­oirs of America’s Fam­i­ly Doc­tor, 1991, S263
[22] https://www.christianitytoday.com/news/2009/november/c‑everett-koops-letter-shuts-down-reids-office.html
[23] Nathanson war nicht weniger als der Wegge­fährte von Lawrence Lad­er und Bet­ty Friedan. Gemein­sam hat­ten sie NARAL gegrün­det, die Organ­i­sa­tion welche nur das Ziel hat­te, Abtrei­bung im ganzen Land zu legal­isieren. Doch bere­its 1973 kom­men bei Nathanson die Überzeu­gun­gen ins Wanken, als er erste Ultra­schall­bilder von Kindern sieht. Zuvor hat­te er als Arzt bere­its tausende von Abtrei­bun­gen verantwortet.
[24] Der Film ist auf Youtube ver­füg­bar und noch heute sehenswert: https://www.youtube.com/watch?v=py02pQTyeTE
[25] Schaeffer/Koop, What­ev­er hap­pened to the human Race, 1979, S81
[26] https://www.covenantseminary.edu/francis-schaeffer-the-man-and-his-message/
[27] Fan­cis Scha­ef­fer, A Chris­t­ian Man­i­festo, 1981, S121, eigene Übersetzung
[28] https://americanhumanist.org/what-is-humanism/manifesto2/
[29] So der Antrag von 11 promi­nen­ten The­olo­gen, Medi­zin­ern und Anwäl­ten an die Syn­ode der Kanadis­chen Anglikan­er im Juli 1977, Siehe New York Times, 28. Juli 1977, Angli­can Report in Cana­da Leans Toward Euthanasia
[30] Vgl. z.B. Fan­cis Scha­ef­fer, A Chris­t­ian Man­i­festo, 1981, S132
[31] Fan­cis Scha­ef­fer, A Chris­t­ian Man­i­festo, 1981, S124
[32] No-fault divorce,  https://en.wikipedia.org/wiki/No-fault_divorce
[33] https://www.nbcbayarea.com/news/local/reality-check-ronald-reagan-increased-taxes-and-liberalized-abortion-as-cas-governor/1971524/
[34] https://thehill.com/opinion/white-house/481476-reagans-honesty-remains-an-example-for-presidents
[35] https://youtu.be/81wzY_yTIpM?t=4314 , eigene Übersetzung
[36] Der Text kann hier nachge­le­sen wer­den: https://humanlifereview.com/abortion-and-the-conscience-of-the-nation-ronald-reagan-the-10th-anniversary-of-the-supreme-court-decision-in-roe-v-wade-is-a-good-time-for-us-to-pause-and-reflect-our-nationwide-policy-of-abortion‑o/
[37] https://www.economist.com/graphic-detail/2017/01/18/the-abortion-rate-in-america-falls-to-its-lowest-level-since-roe-v-wade
[38] https://www.nytimes.com/2004/06/11/opinion/for-reagan-all-life-was-sacred.html ; eigene Übersetzung
[39] Vgl dazu den ersten Artikel in dieser Serie.
[40] Chris­tian­i­ty Today, 16. Feb 1973, Artikel: Abor­tion and the Court, eigene Über­set­zung
[41] Vgl dazu: Chris­tian­i­ty Today, 8. Novem­ber 1968
[42] Allan Carl­son, God­ly Seed, 2012, S150-155
[43] https://www.illinoisreview.com/illinoisreview/2007/04/mr_president_te.html ;  eigene Übersetzung
[44] https://en.wikipedia.org/wiki/Harold_Lindsell
[45] Brown hat­te eine enge Beziehung in die Schweiz. So arbeit­ete er in den 60er Jahren in Lau­sanne als the­ol­o­gis­ch­er Sekretär der Inter­na­tionalen Stu­den­ten­mis­sion und unter­richtete Anfang 70er Kirchengeschichte an der Freien evan­ge­lis­chen Akademie in Basel. Brown war mit dem bekan­nten deutschen The­olo­gen Klaus Bock­mühl befre­un­det, der in den 70er Jahren auf St. Chrischona bei Basel unter­richtete. Zwis­chen 1983 und 1987 war er Pas­tor ein­er Kirche in Klosters, Graubünden.
[46] Vgl. Biografis­che Anmerkun­gen in: Harold Brown, Evan­geli­um und Gewalt, 1971
[47] Unter­richt an der Freien Evan­ge­lis­chen Akademie in Basel, vgl. Biografis­che Anmerkun­gen in: Harold Brown, Evan­geli­um und Gewalt, 1971
[48] Auf Anfrage schreibt Elis­a­beth Bock­mühl, Witwe von Klaus Bock­mühl im Novem­ber 2021: «Ja, wir haben H. Brown (genan­nt Joe) gekan­nt. Ich glaube, er hat in Basel studiert, wohl mit meinem Mann und zur Zeit von Karl Barth.»
[49] Harold Brown, «Kirche im Ausverkauf? Protest eines beun­ruhigten Protes­tanten», 1970, S18
[50] Chris­tian­i­ty Today, 16. Feb 1973, Artikel: Abor­tion and the Court
[51] Vgl. zum Beispiel die Glaubens­ba­sis der Evan­ge­lis­chen Allianz.
[52] https://gracequotes.org/quote/here-is-the-great-evangelical-disaster-the-failure-of-the-evangelical-world-to-stand-for-truth-as-truth-there-is-only-one-word-for-this-accommodation-the-evangelical-church-has‑a/ ; eigene Übersetzung
[53] Harold O.J Brown, Evan­ge­lism in Amer­i­ca, Dia­log 24, 1986, S191; Wiedergegeben aus Promise Unfull­filled, Rol­land McCune, 2004, S312
[54] C.S. Lewis, Par­don ich bin Christ

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Peter Bruderer

Peter Bruderer, Jahrgang 1974, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, seit 1986 in der Schweiz. 1998 war Peter Gründungsmitglied der erwecklichen 'Godi'-Jugendarbeit in Frauenfeld, welche er bis 2013 prägte. Heute arbeitet er als Projektleiter im kirchlichen und gemeinnützigen Bereich. Ein zweites Standbein ist die Arbeit als Architekt. Peter lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz.

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