Postevangelikalismus, Postmoderne, Progressives Christentum

Lesezeit: 2 Minuten
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by Roland Hardmeier | 20. Nov. 2022 | 12 comments

Die west­liche Welt befind­et sich in einem epochalen Umbruch. Wir gehen von der Mod­erne in die Post­mod­erne über. Es entste­hen neue Deu­tungsmuster, Leben­szusam­men­hänge und religiöse Iden­titäten. Die kirch­liche Land­schaft ist wegen dieses Umbruchs stark in Bewe­gung. Beken­nt­nisse und Überzeu­gun­gen verän­dern sich wie wan­dernde Dünen.

Das beson­dere Merk­mal der Post­mod­erne ist ein radikaler Plu­ral­is­mus, der so dom­i­nant ist, dass er nicht mehr durch Gegen­trends aufge­fan­gen wer­den kann und zur gesellschaftlichen Grund­ver­fas­sung wird. Diese gesellschaftliche Gesamtkon­stel­la­tion stellt für kon­ser­v­a­tive For­men des Glaubens eine grosse Her­aus­forderung dar. Wir gehen in eine neue Nor­mal­ität über, in der sich die sich wan­del­nde Gesellschaft in Kirchen und Freikirchen in ein­er the­ol­o­gis­chen Bin­nen­plu­ral­isierung und ethis­chen Wertev­er­schiebun­gen widerspiegelt.

Diese neue Nor­mal­ität lässt sich nicht weg­predi­gen und nicht weg­beten. Ich bin der Überzeu­gung, dass wir ler­nen müssen, mit der neuen Sit­u­a­tion umzuge­hen. Mit ihr sind sowohl Gefahren als auch Chan­cen ver­bun­den. In den fol­gen­den Refer­at­en stellen wir uns dieser Auf­gabe. Ich bin behei­matet im kon­ser­v­a­tiv­en Chris­ten­tum und ver­ste­he mich als evan­ge­likal. Vom Fun­da­men­tal­is­mus und vom pro­gres­siv­en Chris­ten­tum unter­schei­de ich mich dadurch, dass ich für eine dritte Option zwis­chen den religiösen Polen optiere und einen bib­lis­chen Weg der Mitte suche.

In den fol­gen­den Refer­at­en, die ich im Novem­ber 2022 an der Meet & Change Kon­ferenz der Arbeits­ge­mein­schaft Evan­ge­likaler Gemein­den in Öster­re­ich hielt, biete ich eine Analyse des gegen­wär­ti­gen Umbruchs und ordne Bewe­gun­gen und Begriffe ein. Ich gehe the­ol­o­gis­chen Grund­fra­gen nach und bringe Vorschläge ein, wie die Kirche kon­struk­tiv mit der neuen Nor­mal­ität umge­hen kann.

Paul Brud­er­er gab an der Kon­ferenz fünf Refer­ate über die the­ma­tisch ver­bun­de­nen Fra­gen der Sex­u­alethik und Dekon­struk­tion. Diese wer­den auch dem­nächst hier bei DanielOp­tion veröffentlicht.

Wer sind die Postevangelikalen?

Refer­at 1 zeich­net eine religiöse Land­karte der gegen­wär­ti­gen Zeit. Wie kön­nen lokale Gemein­den kon­struk­tiv mit Plu­ral­isierung in den eige­nen Rei­hen umge­hen? Der Haupt­teil bietet eine geschichtliche Einord­nung und eine the­ol­o­gis­che Charak­ter­isierung des poste­van­ge­likalen Aufbruchs.

Die Welt verändern!

Refer­at 2 knüpft an den Umstand an, dass immer mehr Chris­ten die Welt verän­dern möcht­en. Ist das bib­lisch? Fun­da­men­tal­is­ten verneinen. Das Refer­at zeigt, wie fun­da­men­tal­is­tis­che Weltvernei­n­ung über­wun­den wer­den kann, so dass der christliche Glaube bib­lisch fundiert und gle­ichzeit­ig anschlussfähig an die post­mod­erne Leben­sre­al­ität ist.

Evangelikales Schriftverständnis

Refer­at 3 stellt sich der Frage, wie es sein kann, dass alle dieselbe Bibel lesen, aber zu unter­schiedlichen Wert­set­zun­gen kom­men. Die mod­erne Bibel­wis­senschaft, die Grund­lage für pro­gres­sive For­men des Glaubens ist und unter Poste­van­ge­likalen an Zus­pruch gewin­nt, wird dem evan­ge­likalen Schriftver­ständ­nis gegenübergestellt. Der Zusam­men­hang zwis­chen Schriftver­ständ­nis (Hermeneu­tik) und Ethik wird ver­ständlich und fair erklärt.

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Meine The­sen sind ein Beitrag zu ein­er aktuell laufend­en Diskus­sion. Wenn du hören möcht­est, was ich zu dein­er Frage oder deinem Kom­men­tar antworte, bitte poste sie im Kom­men­tar Bere­ich. In eini­gen Wochen nehme ich dazu in ein­er aufgeze­ich­neten Ses­sion Stel­lung, die ich hier posten werde.

Über den Kanal

Roland Hardmeier

Dr. theol. Roland Hardmeier wohnt und arbeitet in Riedikon bei Uster. Er war 15 Jahre lang Pastor im Bund der Freien Evangelischen Gemeinden der Schweiz. Heute ist er als selbständiger Dozent, Referent und Autor tätig. Einblicke in seine Tätigkeit gibt seine Website www.roland-hardmeier.ch

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Kommentare zu diesen Beitrag

12 Comments

  1. André Ay

    Hal­lo!

    Das Welt­bild von diesem Trölsch habe ich wieder­erkan­nt. Das nen­nt man Deis­mus. Das war beson­ders beliebt, als man mech­a­nis­che Maschi­nen gebaut hat­te, die gemäß der physikalis­chen Geset­zmäßigkeit­en von alleine liefen. Da galt Gott als Uhrma­ch­er, der den Prozeß in Gang set­zt und dann nie mehr ein­greifen muß. Die Idee des nicht-ein­greifend­en Gottes wird schon in der Bibel erwäh­nt: Zefan­ja 1: “12 Zur sel­ben Zeit will ich Jerusalem mit Lam­p­en durch­suchen und heim­suchen die Leute, die träge auf ihren Hefen liegen und sprechen in ihrem Herzen: Der HERR wird wed­er Gutes noch Bös­es tun.” Athe­is­ten gab es schon lange vor der Aufk­lärung: https://www.youtube.com/watch?v=Eb5mYqnKFlI Auch in den Schriften des Anselm von Can­ter­bury sind alle möglichen Zweifel, die es bis heute gibt, schon voraus­ge­set­zt. Can­ter­bury hat noch ver­sucht, Antworten zu liefern. Mod­erne The­olo­gen haben da halt zumeist aufgegeben. Wenn die Kirche über Jahrhun­derte hin­weg Leute bezahlt, die vertreten, was laut der Bibel inakzept­abel ist, dann geht die Kirche halt kaputt — ein­fach­er Fall von Selb­stvergif­tung auf Raten.
    Daß Fun­da­men­tal­is­ten die Welt nicht bee­in­flussen wollen oder nix bewirken, ist falsch. Bzw. gilt nur für Deutsch­land. Apolo­gia Church stellt auf Youtube da, wieviele Babies sie vor der Abtrei­bung gerettet haben, und hat nach dem Fall von Roe v. Wade eine Kam­pagne ges­tartet, um die Par­la­mente der US-Bun­desstaat­en zu beeinflussen.
    Die Ideen von diesem Brud­er­er, was essen­tiell und was unwichtig ist, klingt sinnvoll.
    Alles Gute!

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  2. Udo

    Danke für die Anre­gun­gen zum Nach­denken! Das sind einige mein­er Gedanken dazu:
    Sind Chris­ten dazu berufen die Welt zu verän­dern? Ja, aber natür­lich. Denken wir doch nur daran, was unsere Zivil­i­sa­tion dem christlich-jüdis­chen Erbe alles ver­dankt. Die Abschaf­fung der Sklaverei ist nur ein Beispiel (wobei sie ja real heute lei­der noch immer in vielfältiger Weise existiert).
    Das Prob­lem ist wie immer die Ein­seit­igkeit: bib­lis­che Wahrheit verkündi­gen ohne Diakonie und Diakonie ohne bib­lis­che Wahrheit, im Ergeb­nis Glaube ohne Werke und Werke ohne Glaube.
    Ich finde es zum Beispiel ent­täuschend, wie wenig sich Chris­ten in der reichen west­lichen Welt um ihre ver­fol­gten Geschwis­ter in der übri­gen Welt küm­mern, als sei dies nur eine Auf­gabe für bes­timmte Mis­sion­swerke. Warum ist das Gebet für ver­fol­gte Chris­ten nicht Bestandteil jedes Gottes­di­en­stes, warum machen wir nicht mehr Druck, dass sich unsere Poli­tik­er hier mehr ein­set­zen, warum erheben wir nicht selb­st unsere Stimme, warum unter­stützen wir nicht mehr durch Gebet, Geld und prak­tis­che und organ­isatorische Hilfe?
    Wir brauchen keine Mit­tel­wege (das Wort „Mit­tel­weg“ hätte mein­er Mei­n­ung nach Jesus Chris­tus nie benutzt), son­dern müssen zurück, zurück zu den Wurzeln (dieses Wort­bild wird auch benutzt und ist viel tre­f­fend­er). „Erin­nere dich!“ das war schon im AT Gottes Ansage an sein Volk. Da kann uns heute, denke ich, auch der Blick zurück in die Kirchengeschichte eine Hil­fe sein.
    Und ja, wir müssen das Alte Tes­ta­ment neu ent­deck­en. Wie sagte schon der Kirchen­vater „Augusti­nus“: „Das Neue Tes­ta­ment liegt im Alten ver­bor­gen, das Alte wird im Neuen offen­bar.“ Dazu gehört dann auch eine ehrliche The­olo­gie, die Gottes Heiligkeit, seine kom­pro­miss­lose Geg­n­er­schaft gegen alles Böse (Gottes Zorn) und seine unfass­bare Liebe ins rechte Ver­hält­nis set­zt, eine The­olo­gie, die Zus­pruch und Anspruch des Evan­geli­ums wieder in das richtige Ver­hält­nis set­zt. Let­zteres haben viele Brüder und Schwest­ern, die wegen ihres Glaubens ver­fol­gt wer­den, geschenkt bekom­men und ver­standen: der Glaube an Jesus Chris­tus kann mir das dies­seit­ige Leben kosten, aber er schenkt mir unendlich viel mehr. So möchte ich auch glauben.

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  3. Guido Baltes

    Lieber Herr Hard­meier, her­zlichen Dank für diesen Vor­trag. Ich halte mich in der Regel sehr zurück mit Online-Kom­mentaren. Hier aber doch eine ergänzende Beobach­tung von mir. 

    Sie ord­nen hier die “poste­van­ge­likale” Bewe­gung weit­ge­hend einem “mod­er­nen” Bibelver­ständ­nis zu. Meine Wahrnehmung ist allerd­ings ger­ade eine andere: Ich beobachte bei der Lek­türe “poste­van­ge­likaler” und “ex-evan­ge­likaler” Wort­mel­dun­gen häu­fig, dass hier die Ergeb­nisse “mod­ern­er” Bibel­wis­senschaft ger­ade ignori­ert wer­den oder sog­ar unbekan­nt sind. Häu­fig wer­den The­sen und Ausle­gun­gen vertreten, die auch in der “mod­er­nen” wis­senschaftlichen Bibelforschung nur mit Kopf­schüt­teln und Fremd­scham zur Ken­nt­nis genom­men wer­den kön­nen. Wenn es trotz­dem von “bibelkri­tis­ch­er” Seite keinen Wider­spruch gibt, dann liegt das eher daran, dass die Blase zu klein ist, um über­haupt ersthaft wahrgenom­men zu wer­den. Und sich­er auch daran, dass man auf Seit­en “nicht-evan­ge­likaler” oder “anti-evan­ge­likaler” The­olo­gie dankbar ist für jede Kri­tik an “evan­ge­likaler” The­olo­gie, auch wenn sie mit wis­senschaftlich nicht ern­stzunehmenden Mit­teln geschieht.
    Ich würde also “poste­van­ge­likale” The­olo­gie nicht so ohne weit­eres mit “mod­ern­er Bibel­wis­senschaft” in einen Topf wer­fen. Vielle­icht im Ergeb­nis, aber keines­falls in der Seriosität der Arbeitsweise. Natür­lich gibt es rühm­liche Aus­nah­men, die wer­den aber in der Regel kaum rezip­iert, weil sie für das Bre­it­en­pub­likum zu akademisch sind. 

    Kurzum: Manch­mal wün­schte ich, “poste­van­ge­likale” und “ex-evan­ge­likale” Bibelausleger wür­den die “mod­erne” kri­tis­che Bibelausle­gung etwas mehr wahrnehmen und auch ern­st­nehmen. In mein­er “evan­ge­likalen” Biografie habe ich wesentlich mehr kri­tis­chen und wis­senschaftlichen Umgang mit der Bibel erlebt als mir im “poste­van­ge­likalen” Diskurs begeg­net. Oder um es mit dem bon mot von Karl Barth (1922) zu sagen: “Kri­tis­ch­er müssten die His­torisch-Kri­tis­chen sein.”

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  4. Guido Baltes

    Lieber Herr Hard­meier, her­zlichen Dank für diesen Vor­trag. Ich halte mich in der Regel sehr zurück mit Online-Kom­mentaren. Hier aber doch eine ergänzende Beobach­tung von mir. Sie ord­nen hier die “poste­van­ge­likale” Bewe­gung weit­ge­hend einem “mod­er­nen” Bibelver­ständ­nis zu. Meine Wahrnehmung ist allerd­ings ger­ade eine andere: Ich beobachte bei der Lek­türe “poste­van­ge­likaler” und “ex-evan­ge­likaler” Wort­mel­dun­gen häu­fig, dass hier die Ergeb­nisse “mod­ern­er” Bibel­wis­senschaft ger­ade ignori­ert wer­den oder sog­ar unbekan­nt sind. Häu­fig wer­den The­sen und Ausle­gun­gen vertreten, die auch in der “mod­er­nen” wis­senschaftlichen Bibelforschung nur mit Kopf­schüt­teln und Fremd­scham zur Ken­nt­nis genom­men wer­den kön­nen. Wenn es trotz­dem von “bibelkri­tis­ch­er” Seite keinen Wider­spruch gibt, dann liegt das eher daran, dass die “Blase” zu klein ist, um über­haupt ersthaft wahrgenom­men zu wer­den. Und sich­er auch daran, dass man auf Seit­en “nicht-evan­ge­likaler” oder “anti-evan­ge­likaler” The­olo­gie dankbar ist für jede Kri­tik an “evan­ge­likaler” The­olo­gie, auch wenn sie mit wis­senschaftlich schrä­gen und unser­iösen Mit­teln geschieht. Ich würde also “poste­van­ge­likale” The­olo­gie nicht so ohne weit­eres mit “mod­ern­er Bibel­wis­senschaft” in einen Topf wer­fen. Vielle­icht im Ergeb­nis, aber keines­falls in der Seriosität der Arbeitsweise. Natür­lich gibt es auch hier rühm­liche Aus­nah­men, die wer­den aber in der Regel kaum rezip­iert weil sie für das Bre­it­en­pub­likum zu akademisch sind.

    Reply
    • Paul Bruderer

      Danke Gui­do — es ist eine Ehre, dass du etwas beiträgst. Her­zlichen Dank dafür und für alle guten Inputs von dir auf Glaubendenken 🙏

      Reply
    • André Ay

      Guten Tag!

      > Sie ord­nen hier die “poste­van­ge­likale” Bewe­gung weit­ge­hend einem “mod­er­nen” Bibelver­ständ­nis zu. Meine Wahrnehmung ist allerd­ings ger­ade eine andere: Ich beobachte bei der Lek­türe “poste­van­ge­likaler” und “ex-evan­ge­likaler” Wort­mel­dun­gen häu­fig, dass hier die Ergeb­nisse “mod­ern­er” Bibel­wis­senschaft ger­ade ignori­ert wer­den oder sog­ar unbekan­nt sind.

      Ich habe den Ver­dacht, daß es sich um Äußerun­gen von Laien han­delt, die beim Rezip­ieren nicht up to date sind. Zählt das wirklich???

      Ich habe doch den Ein­druck, daß viele Poste­van­ge­likale ein­fach auf die lib­erale Seite abrutschen. Der Sig­gi hat gesagt, wir sollen die Stuttgarter Stu­di­en­bibel kaufen. Der Kom­men­tar in der­sel­ben zu Jesa­ja 53 geht auf Jesus gar nicht ein und behauptet, da gin­ge es um jüdis­che Mär­tyr­er zur Zeit des Jesa­ja. Andere Worthaus-Fans haben mir “Die Entste­hung des Chris­ten­tums” von Klaus Wengst anger­at­en. Der ver­tritt auch den typ­isch bibelkri­tis­chen Ansatz, wonach die Evan­gelien nach der Zer­störung von Jerusalem geschrieben wur­den, Petrus den 1. Petrus­brief nicht geschrieben hat und die Evan­ge­lis­ten und der Prophet Johannes alle möglichen Worte Jesus in den Mund gelegt haben.
      Wenn die Lib­eralen die Einzel­ge­bote aufheben und nur noch das Liebesge­bot anerken­nen, dann ist das doch eine ähn­liche Idee wie die von Dietz und Faix in ihrer Ethik, wonach alle Einzel­ge­bote an den bib­lis­chen Grund­sätzen Liebe, Gerechtigkeit, Frei­heit über­prüft wer­den sollen.

      Alles Gute!

      Reply
      • Guido Baltes

        Vie­len Dank! „Worthaus“ ist ja wed­er ein poste­van­ge­likales noch ein evan­ge­likales Pro­jekt. Es ist ein­fach der Ver­such, „ganz nor­male“ uni­ver­sitäre The­olo­gie in ver­ständlich­er Weise und medi­al ansprechen­der Form an ein Bre­it­en­pub­likum zu ver­mit­teln für alle, die das inter­essiert. Evan­ge­likale The­olo­gie darf man hier also nicht erwarten, das ist aber auch gar nicht das Anliegen von Worthaus, wenn ich es richtig ver­ste­he. Dass die Qual­ität und auch Seriosität dabei auch manch­mal schwankt, gehört mit zum Gesamtpaket.

        Grosse Teile der „poste­van­ge­likalen“ Szene bewe­gen sich da mein­er Beobach­tung in ganz anderen Wel­ten (von Aus­nah­men abge­se­hen). Vieles, was hier an The­sen und Posi­tio­nen ange­boten wird, dürfte auch den uni­ver­sitären Worthaus-Ref­er­enten nicht wirk­lich gefall­en. Es wird zwar häu­fig als ein ver­meintlich­er „drit­ter Weg“ gefeiert. In Wirk­lichkeit ist es aber häu­fig ein­fach ein unser­iös­er Weg, der nur deshalb funk­tion­iert, weil die Mehrheit der Rezip­i­en­ten wed­er den ersten (uni­ver­sitären) noch den zweit­en („evan­ge­likalen“) Weg wirk­lich wahrgenom­men hat oder ver­sucht hat zu verstehen.

        Reply
        • Benjamin Kilchör

          Lieber Herr Baltes

          Ihre Ein­schätzung zur Unken­nt­nis bibel­wis­senschaftlich­er Erken­nt­nis der Poste­van­ge­likalen teile ich. Bezüglich Worthaus (jeden­falls Siegfried Zim­mer) hat­te ich aber auch schon öfter den Ein­druck, dass der bibel­wis­senschaftliche Ken­nt­nis­stand irgend­wo in den 1960er oder 1970er Jahren ste­henge­blieben ist (irgend­wo bei Ger­hard von Rad und Ernst Käse­mann) und sich auch auss­chliesslich auf deutschsprachige Bibel­wis­senschaft beschränkt, die im 21. Jahrhun­dert nicht mehr der Nabel der Welt ist. So ist beispiel­sweise die Neue Paulus­per­spek­tive (was immer man von ihr hal­ten mag) bei Worthaus kaum angekommen.

          Liebe Grüsse, Ben­jamin Kilchör

          Reply
  5. Thomas

    Lieber Roland
    Danke viel­mals für die drei sehr span­nen­den und verbinde­nen Vorträge. Vor allem die zwei ersten Teile haben mich sehr ange­sprochen und zeigen mir den Weg, auf dem ich mit Christin­nen und Chris­ten unter­schiedlich­er Prä­gung unter­wegs sein will.

    Beim drit­ten Teil stolpere ich ein wenig: Im ersten Teil sagst du, dass du den Begriff “bibel­treu” nicht gebrauchen willst, weil es heute in Kampf­be­griff ist. (was ich auch schmer­zlich so erfahre) Wenn du aber jet­zt nur der einen Seite das Ver­trauen zur Bibel zubil­ligst, scheint mir das in eine ähn­liche Rich­tung zu gehen. 

    Ich glaube auch nicht, dass es ein­fach diese zwei Alter­na­tiv­en sind, die sich stellen, son­dern es noch viele Schat­tierun­gen gibt. Bei der evan­ge­likalen Posi­tion wird meines Eracht­ens zu wenig beachtet, dass die Bibel­texte auch zeit­ge­bun­den und kul­turell gepärgt sind. Auch gibt es Beispiele, wo The­men inner­halb der Bibel schon neu bew­ertet wer­den in einem anderen Kon­text (z.B. der Kon­sum von unreinem Fleisch, der im AT ein­deutig ver­boten ist)

    Braucht nicht jedes Schriftver­ständ­nis auch hermeneutis­che Grund­sätze, die zuerst ein­mal den Sinn eines Bibel­wortes in der dama­li­gen Zeit und Kul­tur suchen und diese dann in die heutige Zeit und Kul­tur über­tra­gen? Mich wür­den deine hermeneut­sichen Weichen­stel­lun­gen inter­essieren? Welche Rolle spie­len Kul­tur und Zeit? Ist alles wörtlich zu verstehen?

    Reply
    • Paul Bruderer

      Danke Thomas — Wir geben die Frage gerne weit­er. Stay tuned

      Reply
  6. Chesterton

    Dem Vor­trag „evan­ge­likales Schriftver­ständ­nis“ gelingt es sehr gut ver­ständlich und kom­pakt die wesentlichen Unter­schiede zwis­chen mod­ernem und tra­di­tionellem Schriftver­ständ­nis zusam­men­z­u­fassen. Der, für mich als Katho­liken, möglicher­weise entste­hende Ein­druck, es gebe nur evan­ge­likales und mod­ernes Schriftver­ständ­nis ist jedoch erstaunlich. Möchte ich doch aus dem gülti­gen Weltkat­e­chis­mus der katholis­chen Kirche zitieren:
    „Gott ist der Urhe­ber [Autor] der Heili­gen Schrift. „Das von Gott Geof­fen­barte, das in der Heili­gen Schrift schriftlich enthal­ten ist und vor­liegt, ist unter dem Anhauch des Heili­gen Geistes aufgeze­ich­net worden.”

    219
    » „Denn die heilige Mut­ter Kirche hält auf­grund apos­tolis­chen Glaubens die Büch­er sowohl des Alten wie des Neuen Tes­ta­mentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen für heilig und kanon­isch, weil sie, auf Einge­bung des Heili­gen Geistes geschrieben, Gott zum Urhe­ber [Autor] haben und als solche der Kirche übergeben sind” (DV 11).

    220
    106. Gott hat die men­schlichen Ver­fass­er [Autoren] der Heili­gen Schrift inspiri­ert. „Zur Abfas­sung der Heili­gen Büch­er aber hat Gott Men­schen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eige­nen Fähigkeit­en und Kräfte dazu dienen soll­ten, all das und nur das, was er — in ihnen und durch sie wirk­sam — selb­st wollte, als wahre Ver­fass­er [Autoren] schriftlich zu über­liefern” (DV 11).

    221
    107. Die inspiri­erten Büch­er lehren die Wahrheit. „Da also all das, was die inspiri­erten Ver­fass­er oder Hagiographen aus­sagen, als vom Heili­gen Geist aus­ge­sagt gel­ten muß, ist von den Büch­ern der Schrift zu beken­nen, daß sie sich­er, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heili­gen Schriften aufgeze­ich­net haben wollte” (DV 11).

    222
    108. Der christliche Glaube ist jedoch nicht eine „Buchre­li­gion”. Das Chris­ten­tum ist die Reli­gion des „Wortes” Gottes, „nicht eines schriftlichen, stum­men Wortes, son­dern des men­schge­wor­de­nen, lebendi­gen Wortes” (Bern­hard, hom. miss. 4,11). Chris­tus, das ewige Wort des lebendi­gen Gottes, muß durch den heili­gen Geist unseren Geist „für das Ver­ständ­nis der Schrift” öff­nen (Lk 24,45), damit sie nicht tot­er Buch­stabe bleibe.“

    Auch in der katholis­chen Kirche, vor allem der deutschsprachi­gen, ste­ht dieses Ver­ständ­nis (und ständi­ge bzw. immer, über­all und von allen geglaubte Lehre) unter mas­sivem Druck. Wäre es da noch möglich, diese Gemein­samkeit­en zu suchen, und zu betonen?

    Reply
    • Paul Bruderer

      Danke für die gute Frage — bin ges­pan­nt was Roland dazu sagen wird!

      Reply

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